Ferdinand von Schirach warnt vor direkter Demokratie

Der Bestsellerautor Ferdinand von Schirach glaubt, dass die repräsentativen Demokratien zwar Nachteile haben mögen, weil ihre Entscheidungsprozesse oft kompliziert sind und der Ausgleich von Interessen teilweise mit großen Mühen verbunden ist. Der Staat wirkt manchmal träge. Dennoch gibt es für Ferdinand von Schirach keine bessere Staatsform. Er schreibt: „Dennoch funktionieren sie besser als jede andere Staatsform, die wir kennen. Ihr Fundament ist es, dass die Repräsentanten für ihr Handeln einstehen müssen, sie sind uns verantwortlich. Die meisten Politiker nehmen das ernst, das Gewissen des Abgeordneten ist noch kein leerer Begriff.“ Gar nichts hält Ferdinand von Schirach vom Politikansatz der Piratenpartei, die seiner Meinung nach im Grunde eine andere Staatsform in Deutschland einführen möchte.

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Peter Bofinger warnt vor dem Zerbrechen des Euros

Sparen oder die Zahlungsunfähigkeit riskieren, das war lange Zeit die politische Devise in der Europäischen Union. Doch der Würzburger Ökonom Peter Bofinger, einer der fünf Wirtschaftsweisen, vertritt eine ganz andere Richtung und sagt: „Das strikte Spardiktat ist gescheitert. Volkswirtschaften stürzen in tiefe Rezessionen, breite Bevölkerungsschichten verarmen, und die Demokratie gerät in Gefahr – wir brauchen dringend einen Strategiewechsel. Oder der Euro zerbricht.“ Vor allem Anhänger des  britischen Ökonomen John Maynard Keynes halten nichts von der Sparpolitik, die von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel favorisiert wird. Zu den Keynesianern zählen die beiden amerikanischen Nobelpreisträger Paul Krugman, Joseph Stiglitz, der deutsche Ökonom Peter Bofinger sowie der Leiter des Konjunkturforschungsinstituts IMK, Gustav Horn.

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Die Bürgerbeteiligung in einer Demokratie ist begrenzt

Eine so genannte Expertenregierung wie in Italien unter der Führung des Wirtschaftsprofessors Mario Monti wird es in Griechenland nicht geben. In Italien soll sie die Politik des Sparens durchsetzen und so die Finanzen des Staates konsolidieren. Doch Armin Nassehi, Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Herausgeber der Zeitschrift „Kursbuch“ hat große Zweifel am Erfolg dieser Bemühungen. Er behauptet: „An der Dynamik der Krise hat das wenig geändert, wie die Herabstufung mehrerer italienischer Banken durch Moodys vor wenigen Tagen gezeigt hat. Diese Dynamik besteht darin, dass die Sparpolitik jene Rezession begünstigt, die sie selbst verhindern soll – weil ihre Sparprogramme die Nachfrage schwächen.“

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Juan Somavía fordert ein neues Wachstumsmodell

Die Wirtschaftskrise trifft Arbeitnehmer laut Juan Somavía am härtesten. Er klagt dabei die Politik an, die in den vergangen Jahrzehnten den Begriff der guten, menschenwürdigen Arbeit entwertet hat. Der Chilene Juan Somavía, seit 1999 Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Genf, schreibt: „So gilt Arbeit im gegenwärtigen Wachstumsmodell lediglich als Kostenfaktor. Dieser muss so gering wie möglich gehalten werden, um Wettbewerbsfähigkeit und Gewinne zu sichern.“ Die Arbeitnehmer werden seiner Meinung nach nur noch als Kreditnehmer betrachtet. Ihr legitimer Anteil an dem Wohlstand, den vor allem sie geschaffen haben, wird ihnen vom Arbeitgeber in der Form von zu niedrigen Löhnen vorenthalten.  

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Das Internet darf keine eigenen Gesetze haben

Der Journalist und Schriftsteller Dirk Kurbjuweit, Leiter des Spiegel-Hauptstadtbüros in Berlin, stellt in einem Essay in der Wochenzeitschrift „Der Spiegel“ die Frage, was die Internetgemeinde am Thema Freiheit interessiert. Dirk Kurbjuweit gibt folgende Antwort: „Der harte Kern will Freiheit von Kontrolle, Verbot und Zensur, er will Freiheit zur Anonymität und bildet damit die Möglichkeit zum „Shitstorm“, zum digitalen Mob, der andere ungestraft mit Schmähungen übelster Art überziehen kann, und er will die Freiheit vom Urheberrecht. Das alles möglichst total: totale Freiheit im Netz.“ Laut Dirk Kurbjuweit begünstigt die totale Freiheit im Internet Orgien der Gewalt und die Ausbreitung einer Sexualität, der jegliche Scham verloren gegangen ist.

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Die Freiheit dominiert das Europa der Gegenwart

In seinem neuen Buch „Der Preis der Freiheit“ analysiert der Historiker Andreas Wirsching zeithistorische Gemeinsamkeiten in der Geschichte Europas seit 1989 und deutet die aktuellen Entwicklungen. Seit dem Mauerfall und dem Untergang des Ostblocks haben sich die Länder in Europa laut Andreas Wirsching in einem Tempo einander angeglichen wie nie zuvor in der Historie. Die aktuelle Eurokrise hat seiner Meinung nach auch etwas mit demokratischen Transformationen der Ostblockstaaten und mit der Einführung des Euros zu tun. Auch die Deregulierung der Finanzmärkte kommt Europa teuer zu stehen. Andreas Wirsching glaubt aber, dass die Krise der Gegenwart durch eine Politik des „mehr Europa“ gebändigt werden kann. Andreas Wirsching ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Ludwig-Maximilians Universität München und Direktor des Instituts für Zeitgeschichte.

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Joseph Stiglitz kritisiert die Krisenpolitik in Europa

Für den amerikanischen Ökonomen Joseph Stiglitz ist die Finanzkrise in Europa noch lange nicht ausgestanden. Auch für die Weltwirtschaft gibt es eine ganze Reihe von Gefahren. Doch die größten Sorgen macht sich der Wirtschaftsnobelpreisträger über Europa, da die meisten Regierungen sparen. Joseph Stiglitz erläutert: „Das verstärkt den Abschwung. Europa droht die zweite Rezession in kurzer Zeit. In den nächsten Jahren wird es wirklich hart. Aber langfristig hat der Kontinent eine große Zukunft.“ Joseph Stiglitz ist ein scharfer Kritiker des europäischen Krisenmanagements, weil sich die Politiker nur darauf konzentriert haben, Südeuropa zum Sparen und Reformieren zu drängen. Der amerikanische Wirtschaftsforscher Joseph Stiglitz gilt als einer der einflussreichsten Ökonomen der Welt. Er lehrt an der New Yorker Columbia University. Im Jahr 2001 erhielt er den Nobelpreis für ein Werk über Informationsökonomie.

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Erfolgreiche Dilettanten sind Meister der Blendung

Heute, da scheinbar jedermann zum Superstar aufsteigen kann, sieht es so aus, als wäre der Dilettant zum modernen Charakter par excellance geworden. Das ist eine der Thesen, die Thomas Rietzschel in seinem neune Buch „Die Stunde der Dilettanten“ vertritt. Thomas Rietzschel stellt fest: „Die Dilettanten sind die Heroen unserer Tage, die Helden einer leistungsmüden Gesellschaft. Als Beispiel nennt der Autor Karl-Theodor von Guttenberg, der vor allem vom Gefühl der eigenen Bedeutung durchdrungen schien. Deshalb konnte er die Bürger überzeugen wie andere Demagogen vor ihm. Keiner fragte mehr nach seiner eigentlichen, fachlichen und geistig-moralischen Qualifikation für politische Ämter. Thomas Rietzschel war Kulturkorrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und lebt heute als freier Autor in der Nähe von Frankfurt.

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Ein Skandal muss nicht zum Verfall der Sitten führen

Skandale können laut Professor Dr. Ingo Pies, der Wirtschaftsethik an der Universität Halle-Wittenberg lehrt, gesellschaftliche Lernprozesse fördern und dazu beitragen, dass sich das Zusammenleben der Bürger verbessert. Skandale können seiner Meinung nach aber auch zu unnötigen persönlichen Verletzungen führen oder gesellschaftlichen Blockaden im Denken und Handeln zementieren. Professor Dr. Ingo Pies hat einige Thesen aufgestellt, die dazu beitragen sollen, den gesellschaftlichen Umgang mit Skandalen zu kultivieren. Seine erste These lautet: „Skandale sind nicht mit Sittenverfall gleichzusetzen. Das Gegenteil ist richtig. Eine Skandaliserung kommuniziert im Modus öffentlicher Entrüstung, dass eine bestimmte Norm unnötigerweise verletzt wurde. Auf diese Weise trägt der Skandal zur kollektiven Selbstvergewisserung bei, dass die Norm weiterhin Geltung haben soll.“

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Amerika hat die Herrschaft über die Welt verloren

Die Vereinigten Staaten von Amerika galten früher als Erfolgsmodell und als Land der Utopie. Heute herrschen dort, wie der Journalist und Buchautor Olivier Guez behauptet, Mutlosigkeit und die Angst vor einer unbestimmten Katastrophe. Seiner Meinung nach ist der Kapitalismus weiterhin krank, der Westen zutiefst erschüttert und die amerikanische Führungsmacht in Melancholie versunken. Die USA sind desillusioniert und stecken in den Fängen einer tiefgreifenden Misere. Olivier Guez schreibt: „Die Anschläge vom 11. September, der irakische und afghanische Morast, die Lügen des Staates, Finanzskandale, der Börsenkrach, Ungleichheit, Rezession, Massenarbeitslosigkeit – die Vereinigten Staaten haben sich als verwundbar erwiesen: angegriffen und herausgefordert, gespalten und festgefahren.“

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Die Bürger müssen über die Fiskalunion abstimmen

Der Vertrag zur Fiskalunion der Europäischen Union verändert das Staatengebilde grundlegend. Deshalb fordert Andreas Fisahn, Professor für öffentliches Recht und Rechtstheorie in Bielefeld, eine Volksabstimmung über den Fiskalvertrag. In dem Vertrag über die so genannte Fiskalunion verpflichten sich die Regierungschefs der Europäischen Union zu einer gemeinsamen Steuer- und Ausgabenpolitik. Das hat für die Europäische Union weit reichende Folgen und führt zu tief greifenden Veränderungen. Andreas Fisahn schreibt: „Der Vertrag exportiert die deutsche Schuldenbremse nach Europa. Gleichzeitig wird die Kommission zum Sparkommissar, der in die Haushalte der Mitgliedsstaaten eingreifen darf. Damit würde sich das deutsche Parlament entmachten. Diese Kompetenzerweiterung der EU erfordert aber zwingend eine Volksabstimmung.“

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Jonathan Wolff nähert sich dem Begriff der Freiheit an

In liberalen Demokratien wird der Freiheit laut Jonathan Wolff, der am University College London Philosophie lehrt, oft der höchste Wert beigemessen. Aber was ist Freiheit überhaupt? Jonathan Wolff nähert sich der Antwort über die Unfreiheit, indem er sagt: „Alles, was mich davon abhält, etwas zu tun, verringert meine Freiheit.“ Dabei muss man allerdings zwischen dem Mangel an Fähigkeit und einem Defizit an Freiheit unterscheiden. Zu einer genaueren Bestimmung des Freiheitsbegriffs zitiert Jonathan Wolff den litauischen Philosophen Isaiah Berlin, der von 1909 bis 1997 lebte. Dieser unterschied zwischen negativer Freiheit, die die Abwesenheit äußerlicher Zwänge ist, und positiver Freiheit, die rationale Selbstbeherrschung und Meisterung der eigenen Begierden verlangt.

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Eine illustrierte Reise durch das philosophische Denken

David Papineau, Professor für Philosophie an der Universität London, schreibt als Herausgeber in der Einführung zum Buch „Philosophie“: „Nur wenige Menschen sind dazu berufen, der Philosophie alles zu opfern; aber auch sonst gibt es Faktoren genug, warum Philosophie für jeden von uns von Bedeutung ist.“ Seiner Meinung nach müssen alle verantwortungsvollen Menschen zumindest zu bestimmten Zeiten ihres Lebens innehalten, um nachzudenken, ob sie tatsächlich das Richtige tun. David Papineau glaubt sogar, dass eine Gesellschaft, in der die Menschen niemals nach der fundamentalen Natur der Realität fragen, um einiges ärmer wäre. Philosophie wird für ihn immer dann benötigt, wenn ein Individuum mit Fragen konfrontiert wird, die nicht nur wichtig, sondern auch intellektuell ungewöhnlich sind.

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Eliten beeinflussen die gesellschaftliche Entwicklung

Das Wort Elite entstand laut Daniel Goeudevert im nachrevolutionären, merkantilistischen Frankreich. Es bedeutet Auswahl oder Auslese und bezeichnete einen Gegenentwurf zu den überkommenen Herrschaftsstrukturen. Platons Gedanke und schöne allerdings nicht demokratische Idee, wonach der Weise führen und herrschen und der Unwissende ihm folgen soll, hat sich in der Realität nicht durchgesetzt. Jede Herrschaft begründete sich bis weit in die Neuzeit hinein entweder aus dem Gottesgnadentum oder aus der Abstammung und dem Besitz. Doch dies sollte sich ändern. Daniel Goeudevert erklärt: „Dagegen begehrte das Bürgertum unter Berufung auf Tugend, Leistung und eben Chancengleichheit auf: Die Zugehörigkeit zur Elite sollte in freier und offener Konkurrenz erworben werden und nicht länger angeboren oder von vornherein zugeschrieben sein.“ Der Topmanager Daniel Goeudevert war Vorsitzender der deutschen Vorstände von Citroën, Renault und Ford sowie Mitglied des Konzernvorstands von VW.

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Die entfesselte Marktwirtschaft bedroht die Demokratie

Der ehemalige Topmanager Daniel Goeudevert zitiert eine Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Dezember 2007, aus der hervorgeht, dass nur noch eine kleine Minderheit von gerade einmal 15 Prozent der Menschen in Deutschland die wirtschaftlichen Verhältnisse im Lande für gerecht hält. Es ist zu befürchten, dass es bis heute nicht mehr, sondern eher weniger geworden sind. Und lediglich nur noch fünf Prozent der Bundesbürger hielten damals Deutschland für dasjenige Industrieland, das ihren Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit am nächsten kommt. Daniel Goeudevert schreibt: „Das sind dramatische Werte – und zugleich eine dröhnende Absage an die seit Jahren betriebene Liberalisierungspolitik. Noch nie in der Nachkriegszeit war die Unzufriedenheit mit den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen in Deutschland größer als heute.“ Nach seinem Ausscheiden aus dem Management stand er dem Green Cross International als Vizepräsident vor und war Berater des Generaldirektors der UNESCO.

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Vilém Flusser sieht in der Demkokratie eine Worthülse

Der Philosoph Vilém Flusser, ein Prager Jude, war in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein Medienstar. Die Menschheit kommt laut Vilém Flusser nicht aus den Genen, die sie mit den Affen teilt, sondern Menschheit ist für ihn nur das, was den Menschen von den Affen trennt: die Information. Das Wissen lässt sich weitergeben, eben weil der Mensch sterblich ist und weil Gott nicht existiert. Tiere sind Würmer oder Affen, die in den vier Dimensionen von Raum und Zeit konsumieren, vegetieren und exkretieren. Der Urmensch bricht aus diesem Kontinuum einen Faustkeil heraus. Der Stein verwandelt sich zur ägyptischen Unsterblichkeit der Pyramide. Der Mensche wird zum Jäger, siedelt sich in dunklen Höhlen an, deren Wände er mit Bildern seiner Beutetiere bemalt. Es beginnt die Anbetung der Flächen.

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Das Prinzip der Gerechtigkeit ist auf dem Vormarsch

Eine der Thesen von Axel Honneth, einem der bedeutendsten Philosophen der Gegenwart, lautet: „Nur wenn der Mensch um Anerkennung kämpft, kann er sein Recht auf Freiheit verwirklichen.“ Der Philosoph zählt zu den wichtigsten lebenden Vertretern der Kritischen Theorie. In seinem neuen Buch „Das Recht der Freiheit“ schreibt er: „Das Prinzip der Gerechtigkeit kommt immer stärker zur Entfaltung, da die Menschen nicht müde werden, bestehendes Unrecht einzuklagen.“ Zu den geistigen Vätern von Axel Honneth zählen Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, die Begründer der Frankfurter Schule und sein Doktorvater Jürgen Habermas, den er schon am Anfang seines Studiums für den stärksten Vertreter der Frankfurter Schule hielt.

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Es bahnt sich ein Europa der zwei Geschwindigkeiten an

Die Macht über die Staatsfinanzen ist für den Historiker Hans-Ulrich Wehler historisch der Kernbestand, der von allen demokratischen Parlamenten verteidigt wird. In den Ländern Europas ist eine skeptische Abneigung dagegen gegeben, die Verfügungsgewalt über das Staatsbudget abzutreten. Laut Hans-Ulrich Wehler gibt es aber in den letzten eineinhalb Jahren mit der Europäischen Zentralbank eine Art von informeller Wirtschaftsregierung in Europa. Er erklärt: „Sie kauft Staatsanleihen von wackligen Staaten wie Griechenland, Portugal, Irland auf und greift in diesem Sinne schon in das Souveränitätsrecht der Länder ein.“ Die angestrebte Fiskalunion in Europa würde seiner Meinung nach noch eine stärkere Formalisierung bedeuten, denn man müsste dann eine politische Instanz bilden, die die Finanzlage der einzelnen Staaten kontrollieren und gegebenenfalls korrigieren kann.

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Ralf Dahrendorf seziert den Totalitarismus in Europa

Der Totalitarismus fällt für Ralf Dahrendorf aus dem Bild des Forschritts heraus, sowohl von der traditionellen zur rationalen Herrschaft als auch vom Autoritarismus zur Verfassung der Freiheit. Die viel zitierte Definition des Totalitarismus von Carl Friedrich lautet: „Der Totalitarismus ist eine Ideologie, eine typisch von einem Mann geführte Einheitspartei, eine terroristische Polizei, ein Kommunikationsmonopol und eine zentral verwaltete Wirtschaft.“ Beim Begriff des Totalitarismus denkt man sofort an Adolf Hitlers deutschen Nationalsozialismus und Josef Stalins sowjetischen Kommunismus. In beiden Systemen war das Ziel der totalen Kontrolle durch Mobilisierung erkennbar. Autoritäre Regimes gestatten dennoch große Bereiche der Privatheit und der Apathie. Ralf Dahrendorf schreibt: „Demokratie mobilisiert, tut dies aber, um Kontrolle zu dezentralisieren. In totalitären Regimes ist Mobilisierung das Instrument der zentralisierten Kontrolle.“

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Der langsame wirtschaftliche Abstieg des Westens

Fast jede westliche Industrienation wird inzwischen von einer Schuldenkrise gequält. Für den Historiker Niall Ferguson, der in Harvard Geschichte lehrt und das Buch „Der Westen und der Rest der Welt“ geschrieben hat, ist das der Anfang vom Ende der westlichen Vorherrschaft auf der Welt. Was seiner Meinung nach aber nicht nur an den übermäßigen Staatsschulden liegt. Niall Ferguson erklärt: „Und diese Schuldenkrise ist auch keine Folge der Finanzkrise. Sie wäre sowieso gekommen, weil die Staaten überaltern und ihre Wohlfahrtssysteme nicht mehr bezahlen können. Der EU-Gipfel hat diese Probleme nicht gelöst.“ Der Westen kann laut Niall Ferguson seine Schuldenkrise auf drei Wegen in den Griff bekommen: die erste Variante wäre dabei eine radikale Reform der Wohlfahrtsstaaten und der Steuersysteme, um mehr Geld in die Staatskassen hereinzuholen.

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Spekulationen mit Währungen müssen verboten werden

Für Heiner Flassbeck ist die Marktwirtschaft nicht ein System, in dem jeder tun und lassen kann, was er will, sondern ein dienendes Element, aber nur ein Teil einer funktionierenden Demokratie. Die Blüte des marktwirtschaftlichen Systems war seiner Meinung nach die unmittelbare Folge des dramatischen Kollapses der gesamten Weltwirtschaft zu Beginn der 30iger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Heiner Flassbeck erklärt: „Nur weil nach der großen Depression die wichtigsten Regierungen die Finanzmärkte strikt reguliert und auch international verhindert haben, dass mit der Nichtregulation der globalen Märkte Schindluder getrieben wurde, hat es das Wirtschaftswunder auf der ganzen Welt gegeben.“ Ohne das System von Bretton Woods und die amerikanische Regulierung der Finanzmärkte hätte es laut Heiner Flassbeck das deutsche Wirtschaftswunder nicht gegeben. Heiner Flassbeck arbeitet seit dem Jahr 2000 bei den Vereinten Nationen in Genf und ist dort als Direktor zuständig für die Division Globalisierung und Entwicklung.

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Globalisierung sorgt weder für Gleicheit noch Wohlstand

Für Tony Judt ist die Dynamik globalisierter Wirtschaftsmärkte die Illusion unseres Zeitalters. Vor allem stimmt es seiner Meinung nach nicht, dass die Globalisierung zu einer gerechteren Einkommensverteilung führt, wie das von ihren liberalen Verfechtern gerne behauptet wird. Tony Judt erklärt: „Zwar verringern sich die Ungleichheiten zwischen einzelnen Ländern, doch die Ungleichheiten innerhalb eines Landes verschärfen sich eher noch. Wirtschaftswachstum an sich garantiert weder Gleichheit noch Wohlstand, ist keineswegs ein zuverlässiger Motor der wirtschaftlichen Entwicklung.“ Der Amerikaner Tony Judt, der von 1948 bis 2010 lebte, studierte in Cambridge und Paris und lehrte nach Stationen in Cambridge, Oxford und Berkeley seit 1995 als Erich-Maria-Remarque-Professor für Europäische Studien in New York.

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Die Volksparteien sind in ihrer Existenz bedroht

In seinem Buch „Parteiendämmerung. Oder was kommt nach den Volksparteien“ analysiert Christoph Seils den gegenwärtigen Umbruch der politischen Verhältnisse und beschreibt, wie eine neue Demokratie in Deutschland aussehen könnte. Die politischen Milieus der so genannten Volksparteien CDU und SPD haben sich seiner Meinung nach aufgelöst und an die Stelle ideologischer Konflikte des 20. Jahrhunderts sind egoistische Gruppeninteressen getreten. Themen wie Einwanderung, Globalisierung oder digitale Revolution beherrschen heute die politische Agenda. Zugleich haben die Deutschen laut Christoph Seils das Vertrauen in den Gestaltungswillen der Politik verloren. Er stellt die These auf, dass sich die Volksparteien überlebt haben und die Parteiendämmerung einher geht mit einer Zunahme an Populismus, Lobbyismus, Medienmacht und politischer Instabilität.

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Joyce Appleby kritisiert den zügellosen Kapitalismus

Für die amerikanische Historikerin Joyce Appleby ist die Gier nicht der einzige Kritikpunkt, den sich der zeitgenössische Kapitalismus vorhalten lassen muss. Sie hat eine kurze Liste weiterer Anklagen zusammengestellt: „Kurzsichtiges Handeln und Vernachlässigung langfristiger Folgen, Zuteilung von Kompetenzen ohne gleichzeitige Zuweisung von Verantwortung, Bevorzugung materieller gegenüber geistigen Werten, Kommerzialisierung zwischenmenschlicher Beziehungen, Monetarisierung sozialer Werte, Schädigung der Demokratie, Verunsicherung von Gemeinschaften und Institutionen, Gefährdung bestehender Abmachungen, Förderung von Aggressivität und – ja, dieses Thema hatten wir schon – Belohnung von Gier.“ Darüber hinaus werfen ihrer Meinung nach zwei weitere kapitalistische Erblasten ihre Schatten voraus, nämlich das schier unlösbare Problem der Armut und die fortschreitende Zerstörung der Umwelt.

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Stéphane Hessel fordert die Bürger zur Empörung auf

Der 93 Jahre alte französische Diplomat und Lyriker Stéphane Hessel glaubt, dass die enorme Wirtschaftskrise der Gegenwart dazu beigetragen hat, das Vertrauen der Bürger in seine Regierungen zu erschüttern. Denn in Demokratien wie Frankreich, Spanien oder Deutschland haben die Menschen das Gefühl, ihre Regierungschefs und Parlamente könnten die Wirtschaftskrise nicht überwinden. Das Leben der gewöhnlichen Bürger ist schwieriger geworden. Stéphane Hessel sagt: „Wir können keine bezahlbaren Wohnungen mehr finden, unser Gesundheitssystem reicht nicht aus, unser Bildungssystem lässt zu wünschen übrig.“ Deshalb hat er eine kleine Streitschrift gegen den Kapitalismus mit dem Titel „Empört euch“ geschrieben, die sich in Frankreich 1,7 Millionen Mal und in Deutschland über 500.000 Mal verkaufte.

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