Variablen beschreiben die Welt

In der Welt herrscht Veränderung. Es gibt eine zeitliche Struktur von Beziehungen zwischen Ereignissen, die alles andere als illusorisch sind. Sie ist kein global geordnetes Geschehen. Sondern sie ist ein lokales und komplexes Ereignis, das es nicht zulässt, in Begriffen einer einzigen globalen Ordnung beschrieben zu werden. Die Dinge des Lebens an sich sind zerbrechlich, kurz und voller Illusionen. Wie funktioniert eine grundlegende Beschreibung der Welt? Carlo Rovelli antwortet: „Auf die einfachste Art. So wie wir die Welt dachten, bis Isaac Newton und alle davon überzeugte, dass eine Zeitvariable unverzichtbar sei.“ Für Carlo Rovelli jedoch ist die Zeitvariable für eine Beschreibung der Welt nicht notwendig. Seit dem Jahr 2000 ist Carlo Rovelli Professor für Physik an der Universität Marseille.

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Die Welt ist zu kompliziert geworden

Viele Menschen hoffen insgemein, der Weg in eine bessere Welt sei möglich. Doch selbst Übermorgen werden die Politiker der Welt auch keine Lösung für die Probleme der Welt finden. Ille C. Gebeshuber stellt fest: „Selbst der einfache Ansatz, dass der erste Schritt in eine bessere Welt darin besteht, dass alle die Regeln und Gesetze unserer Gesellschaft einhalten, erscheint undurchführbar.“ Die Bürger sehen, dass die Ankündigungen großer Schritte, die man nie ausführt, viel einfacher ist als das Gehen kleiner Schritte, die sofort Geld und Aufwand kosten. Zu kompliziert ist die Welt geworden und zu groß sind die Eigeninteressen einzelner. Aber man weiß einige Dinge. Zum einen weiß man, dass der Weg der globalen Gesellschaft nicht mehr lange so weitergehen kann. Ille C. Gebeshuber ist Professorin für Physik an der Technischen Universität Wien.

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Dem Menschen ist seine Autonomie sehr wichtig

Die Freiheit wird auch heute noch immer hochgeschätzt. Immanuel Kant schrieb einst, dass man von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlich Gebrauch machen sollte. Aber um welche Freiheit geht es? Der amerikanische Informatiker und Künstler Jaron Lanier vergleicht moderne Menschen mit Wölfen. Wie kann das sein? Rebekka Reinhard antwortet: „Eigentlich ist der moderne, aus dem soliden Umfeld der Tradition gerissene Mensch doch ein unvergleichliches Individuum, eine Singularität. Dieser Mensch möchte kein skinnerisches Versuchstier sein. Autonomie ist ihm sehr wichtig.“ Die Computer-Logik dagegen übersetzt Vieldeutigkeit in Eindeutigkeit und kennt nur zwei Zustände: Entweder – Oder. So blitzschnell, dass sie wie aus Versehen ein Gleichheitszeichen zwischen „subjektiv“ und „objektiv“ setzt. Die Philosophin Rebekka Reinhard war, bis zur Einstellung der Zeitschrift, stellvertretende Chefredakteurin des Magazins „Hohe Luft“.

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Die Smartphones arbeiten im Akkord

Computer-Logik ist ansteckend. Immer mehr Leute tröten ihre Entweder-Oder-Thesen heraus. Kaum versucht man, das Gesagte oder Gepostete zu verstehen, kaum hat sich ein Hauch von Ahnung in einem geformt, wird man auch schon wieder unterbrochen. Rebekka Reinhard erläutert: „Denn die Smartphones arbeiten im Akkord, produzieren Aktion und Reaktion am laufenden Band. Breaking News strukturieren den Alltag, auch wenn Sie nicht am Newsdesk einer Zeitungsredaktion sitzen.“ Schon wieder hat irgendwer irgendwas gesagt! Die Unterbrechung kommt ganz automatisch. Was sagt Markus Söder, was sagen Spiegel Online und Anne Will? Echt oder Fake, war oder falsch? Wer mithalten will, muss denken: hart, schnell und emotional. Für die geduldige, kritische hinterfragende Auseinandersetzung mit Fakten hat man längst eine virtuelle Gedenkstätte eingerichtet. Philosophin Rebekka Reinhard war, bis zur Einstellung der Zeitschrift, stellvertretende Chefredakteurin des Magazins „Hohe Luft“.

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Die Forschung konstruiert ein Bild der Welt

Das explizite Ziel wissenschaftlicher Forschung ist nicht, korrekte quantitative Vorhersagen zu machen, sondern zu verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Was bedeutet das? Carlo Rovelli antwortet: „Es bedeutet, ein Bild der Welt zu konstruieren. Das heißt eine konzeptuelle Struktur des Denkens über die Welt zu entwickeln, die effizient und kompatibel mit dem ist, was wir über sie wissen.“ Die Naturwissenschaften existieren, weil die Menschheit sehr wenig weiß und unzählige falsche Annahmen hegt. Wissenschaft wird aus dem geboren, was die Menschen nicht wissen und dem Bezweifeln dessen, was sie zu wissen meinen. Diese Meinung hält aber einer rationalen Überprüfung oder einer kritischen Analyse nicht stand. Seit dem Jahr 2000 ist Carlo Rovelli Professor für Physik an der Universität Marseille.

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Das Sinnenleben ist nicht vollkommen privat

Die Anthropologie reduzierte das Sinnenleben zumeist auf eine flüchtige, vollkommen private Form des individuellen Seelenlebens. Es erscheint für Emanuele Coccia tatsächlich müßig, etwas spezifisch Menschliches in einer unbestimmten Gemeinsphäre finden zu wollen. Denn diese wird mit unendlich vielen Lebensformen geteilt. Diese sind ihrerseits im Hinblick auf ihren Ethos, ihre Gewohnheiten, ihre Maße und Wurzeln unendlich vielfältig. Emanuele Coccia fordert: „Ein Mensch zu werden, sollte bedeuten, ein Leben nach dem Leben erlangen zu können.“ Ebenso schwierig dürfte es sein, das Fundament des Gemeinsamen, des Zusammenlebens mit anderen zu erkennen. Dessen ungeachtet nimmt die menschliche „Vita activa“, das ureigenste Leben, augenscheinlich ihren Anfang bereits in bestimmten Bildern. Durch diese begreift ein Mensch die Welt und ihre Formen. Emanuele Coccia ist Professor für Philosophiegeschichte an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris.

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Hegel war der letzte Systembauer von Bedeutung

Heute geschieht mit der Philosophie etwas Ähnliches wie früher mit der Tragödie. Ágnes Heller erklärt: „Nach dem Zusammenbruch des hegelschen Systems traten mehrere repräsentative Denker in die Tradition der philosophischen Literaturgattung ein.“ Schon vor Georg Wilhelm Friedrich Hegel haben nicht alle Philosophen Systeme errichtet. Aber nach ihm gab es keine Systembauer von Bedeutung mehr. Was vom traditionellen philosophischen Denken blieb, ist die Trennung der empirischen und der transzendentalen Untersuchungsebene und die Hermeneutik als Interpretation des Anderen. Ágnes Heller, Jahrgang 1929, war Schülerin von Georg Lukács. Ab 1977 lehrte sie als Professorin für Soziologie in Melbourne. 1986 wurde sie Nachfolgerin von Hannah Arendt auf deren Lehrstuhl für Philosophie an der New School for Social Research in New York. Ágnes Heller starb am 19. Juli 2019 in Ungarn.

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Die menschliche Freiheit ist absolut

Das „Ich“ ist nicht, was es ist. Ger Groot erklärt: „Es steht immer in Distanz zu sich und in Distanz zu der Welt, in der es sich befindet.“ Auf diese Feststellung gründet Jean-Paul Sartre die menschliche Freiheit. Diese ist absolut, nicht deshalb, weil ein Mensch imstande wäre, eine Welt nach seinem eigenen Willen zu schaffen, sondern weil er eine souveräne Deutungshoheit darüber hat, welche Bedeutung die Welt, in der er sich befindet, für ihn hat. Jeder Mensch mag mit allen erdenklichen Eigenschaften zur Welt kommen. Nämlich als Mann oder Frau, mit mehr oder weniger Intelligenz, als Niederländer oder Rumäne. Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam. Außerdem ist er Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.

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Es gibt keine Zeitvariable

Die Gleichungen der Schleifen-Quantengravitation, an denen Carlo Rovelli arbeitet, sind eine moderne Version von John Wheelers (1911 – 2008) und DeWitts (1923 -2004) Theorie. In ihnen gibt es keine Zeitvariable. Die Variablen der Theorie beschreiben die Felder, welche die gewöhnliche Materie bilden, die Photonen, Elektronen, andere Bestandteile der Atome und das Gravitationsfeld, alle auf gleicher Ebene. Carlo Rovelli erläutert: „Die Loop-Theorie ist keineswegs eine „vereinheitlichte“ Theorie. Sie erhebt mitnichten den Anspruch, die endgültige Theorie der Wissenschaft zu sein.“ Sie besteht aus kohärenten, aber verschiedenartigen Teilen und will „nur“ eine kohärente Beschreibung der Welt liefern, so wie man sie bisher verstanden hat. Die Felder manifestieren sich in granularer Form: Elementarteilchen, Photonen und Gravitations- oder „Raumquanten“. Seit dem Jahr 2000 ist Carlo Rovelli Professor für Physik an der Universität Marseille.

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Symbolisches Denken führt zu Kunstwerken

Jeder schöpferische Akt ist eine Auflehnung gegen die Wirklichkeit, die den Menschen vertraut ist. Stefan Klein erläutert: „Wer die Welt verändern will, muss imstande sein zu sehen, was nicht ist, aber sein könnte. Als unsere Vorfahren vor drei Millionen Jahren die ersten Werkzeuge herstellten, hatten sie verstanden, dass Dinge nicht zwangsläufig die Gestalt haben, in der sie uns begegnen.“ Ein Feuersteinbrocken vermag in geschickten Händen die Form eines Faustkeils anzunehmen. Doch das geschieht nur, wenn der Verwandlung eine Vorstellung des künftigen Zustandes vorausgeht. Nur mit ihrer Vorstellungskraft konnten Menschen später symbolisches Denken entwickeln und die ersten Kunstwerke schaffen. Sie sprachen Kerbhölzern, Muscheln und verzierten Steinen Bedeutungen zu. Stefan Klein zählt zu den erfolgreichsten Wissenschaftsautoren der deutschen Sprache. Er studierte Physik und analytische Philosophie in München, Grenoble und Freiburg.

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Die Welt und ihre Dinge sind Erscheinungen

Die Welt ist nicht wesentlich phänomenologisch. Die Dinge sind nicht das Sinnliche. Sie müssen erst sichtbar, hörbar, tastbar werden, und das tun sie nur immer außerhalb von sich selbst. Die Welt und ihre Dinge entstehen und sind Erscheinungen. Dies geschieht immer nur anderswo als am Ort ihrer Existenz und in einer anderen Materie als jener, der sie ihre Existenz verdanken. Dieser Ort, an dem die Realität erkennbar und phänomenal wird, ist der nichtdingliche, aber auch nicht notwendige psychologische Raum. Emanuele Coccia erklärt: „Nur in den Medien und dank der Medien wird die Welt zum Phänomen. Wenn das wahr ist, sollte das Projekt der Phänomenologie, das die Philosophie so lange beschäftigt hat, sofort abgebrochen werden.“ Emanuele Coccia ist Professor für Philosophiegeschichte an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris.

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Die Metamorphose ist die Bestimmung des Menschen

Einmal geboren, haben die Menschen keine Wahl mehr. Emanuele Coccia erklärt: „Die Geburt lässt uns die Metamorphose zur Bestimmung werden. Wir sind nur auf der Welt, weil wir geboren wurden.“ Das Gegenteil trifft aber genauso zu. Geboren zu sein, bedeutet ein Stück dieser Welt zu sein. Gewiss, allerdings eines, dessen Gestalt die Menschen verändern mussten. Die Menschen sind eine Metamorphose dieses Planeten. Und einzig durch Metamorphose haben sie Zugang zu sich selbst und zu allen übrigen Körpern erhalten. Sie haben das Stück Materie, das sie beherbergt, verändert, um auf die Welt zu kommen. Sie haben sich dem Körper und Leben ihrer Eltern anverwandt und deren Lauf verändert. Emanuele Coccia ist Professor für Philosophiegeschichte an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris.

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Die Philosophie muss eine andere Welt entdecken

Friedrich Nietzsches Annahme, dass es für die Philosophie noch eine „andere“ Welt zu entdecken gäbe, beschließt den Aphorismus „Auf die Schiffe!“ aus „Die fröhliche Wissenschaft. Die „andere“ Welt auf die Friedrich Nietzsche abzielt, ist identisch mit einem neuen, sinngebenden philosophischen Grundgedankengang. Dieser ist tauglich zu einer alternativen, aus herkömmlichen Philosophien nicht beziehbaren Daseinsberechtigung. Insbesondere für den Bösen, den Unglücklichen, den Ausnahme-Menschen, den Übermenschen. Christian Niemeyer ergänzt: „In „Jenseits von Gut und Böse“ sehen wir Nietzsche erneute auf „die Schiffe gehen“, nun ein – wie er es nennt – fast noch neues Reich gefährlicher Erkenntnisse entdeckend.“ Dabei handelt es sich um ein Reich psychologischer Erkenntnisse. Der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Prof. Dr. phil. habil. Christian Niemeyer lehrte bis 2017 Sozialpädagogik an der TU Dresden.

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Das Sinnliche dominiert die Welt

Die Menschen leben unter dem ständigen Einfluss des Sinnlichen. Dazu zählt Emanuele Coccia Gerüche, Farben, den Geschmack der Speisen, Melodien und ganz banale Geräusche. Sie sind die allererste Ursache, der Zweck und die permanente Gelegenheit des menschlichen Handelns. Emanuel Coccia erklärt: „Unsere Existenz – im Schlaf und im Wachsein – ist ein endloses Bad im Sinnlichen.“ Es sind Bilder, welche die Menschen ständig ernähren und welche die Erfahrungen am Tag und im Traum unentwegt nähren. Sie bestimmen die Wirklichkeit und den Sinn jeder menschlichen Regungen und Bewegungen. Sie sind es, die den Gedanken eines Menschen Wirklichkeit und seinen Begierden Gestalt verleihen. Die Grenzen des kreatürlichen Lebens lassen sich unmöglich an den Grenzen des anatomischen Körpers messen. Emanuele Coccia ist Professor für Philosophiegeschichte an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris.

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Manchmal muss man das Weltbild radikal verändern

Carlo Rovelli vertritt die These, dass ein wichtiger Teil der wissenschaftlichen Methodologie ihren Ursprung in der Schule von Milet, vor allem im Denken Anaximanders hat. Gestützt wird seine Vermutung durch den milesischen Naturalismus, dem erstmaligen Gebrauch von theoretischen Begriffen oder der Vorstellung von Naturgesetzen. Dass die Naturgesetze die Notwendigkeit der Abfolge von Ereignissen bestimmen, geht auf die Schule von Milet zurück. Vor allem vermittelte Milet der Welt diese einzigartige Kombination aus Respekt und Kritik im selben intellektuellen Gebiet. Dort entstand auch die allgemeine Idee, dass die Welt nicht so sein muss, wie sie den Menschen erscheint. Um wie Welt besser zu verstehen, kann es notwendig sein, das existierende Weltbild radikal zu verändern. Carlo Rovelli ist seit dem Jahr 2000 Professor für Physik an der Universität Marseille.

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Menschen sehnen sich nach einer Ordnung der Welt

Viele Menschen haben das Bedürfnis, eine große Ordnung der Welt anzunehmen, die als Erklärung für alles dienen kann. Dadurch machen sie die häufig verwirrende Vielfalt, die auf sie einstürzt, erträglicher. Freilich, die Art und Weise und der Inhalt dieser Welterklärungen unterscheiden sich, je nach geschichtlicher Situation, Kultur oder Individuum. Axel Braig stellt fest: „In religiösen Zusammenhängen spielen die Götter oder zumindest ein Gott bei der Erklärung des gesamten Kosmos eine wesentliche Rolle.“ Vor gut zweieinhalbtausend Jahren vertraten schon einige vorsokratische Philosophen jedoch eine andere Meinung. Sie vertraten die These, dass der menschliche Intellekt auch ohne göttliche Hilfe zu einer umfassenden Welterklärung in der Lage sei. Axel Braig wandte sich nach Jahren als Orchestermusiker und Allgemeinarzt erst spät noch einem Philosophiestudium zu.

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Naturgesetze bestimmen die Entwicklung der Welt

Auch Carlo Rovelli kennt das einzige Textfragment, das von Anaximander erhalten geblieben ist und von Simplicius zitiert wird: „Woraus aber für das Seiende das Entstehen ist, dahinein erfolgt auch ihr Vergehen gemäß der Notwendigkeit. Denn sie schaffen einander Ausgleich und zahlen Buße für ihre Ungerechtigkeit nach der Ordnung der Zeit.“ Erstens steckt in diesen wenigen Zeilen die Idee, dass die Entwicklung der Welt nicht dem Zufall überlassen ist. Sondern sie ist von der Notwendigkeit bestimmt, also von Gesetzen in irgendeiner Form. Zweitens besagen sie, dass die Art und Weise, wie sich diese Gesetze ausdrücken, „der Ordnung der Zeit“ folgt. Das bedeutet laut Carlo Rovelli, dass es Naturgesetze gibt und diese regeln, wie sich natürliche Abläufe zeitlich entwickeln. Carlo Rovelli ist seit dem Jahr 2000 Professor für Physik in Marseille.

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Friedrich Nietzsche predigt eine andere Vernunft

Friedrich Nietzsches Zarathustra sagt zu den Ursprüngen der christlichen Metaphysik folgendes: „Kranke und Absterbende waren es, die verachteten Leib und Erde und erfanden das Himmlische und die erlösenden Blutstropfen.“ Diese Stelle nimmt Bezug auf das Neue Testament. Zarathustra fährt fort: „Allzu gut kenne ich diese Gottähnlichen: sie wollen, dass an sie geglaubt werde, und Zweifel Sünde sei.“ Christian Niemeyer stellt die provokanteste These Friedrich Nietzsches vor: „Die wahre Welt haben wir abgeschafft: welche Welt bleibt übrig? Die scheinbare vielleicht? … Aber nein! Mit der wahren Welt haben wir auch die scheinbare abgeschafft!“ Zu dieser Aussage aber will ja nicht recht passen, dass Friedrich Nietzsche noch 1882, in gleichsam „optimistischer“ Manier, zur Entdeckung „anderer“ Welten aufgerufen hatte. Der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Prof. Dr. phil. habil. Christian Niemeyer lehrte bis 2017 Sozialpädagogik an der TU Dresden.

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Stummes Wissen durchzieht den Alltag

Künstliche Intelligenz baut keine Welt auf und schon gar nicht das Gefühl, sich in einer solchen Welt zu befinden. Doch gerade dieses „In-der-Welt-Sein“ ist elementar für alles menschliche Erleben. Der deutsche Philosoph Martin Heidegger hat das schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert gezeigt. Von hier aus unterscheiden Menschen, was für sie relevant ist und was nicht. Richard David Precht stellt fest: „Eine riesige Menge stummen Wissens durchzieht unseren Alltag, bestimmt unsere Handlungen und unsere Sprache. Bedeutungen werden nicht logisch erschlossen, sondern dem Kontext abgelauscht. Unser Denken hat einen feinen, gesamtkörperlichen Sinn für Stimmungen, Zwischentöne und komplexe Zusammenhänge.“ Jedes Thema erscheint einem Menschen in einem Horizont von persönlichem und kulturellem Vorwissen. Der Philosoph, Publizist und Autor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

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Die Welt ist chaotisch und ständig in Aufruhr

Die Welt ist das Zuhause des Menschen. Anders als die eigene Wohnung oder Haus liegt sie aber nicht einfach reglos da. Rebekka Reinhard erklärt: „Sie ist chaotisch, wirr, ständig in Aufruhr. Diese Welt rückt uns auf die Pelle. Sie macht sich auf den Screens unserer Smartphones breit.“ Sie bedrängt die Menschen in High Definition, sobald sie die Fernbedienung zücken, laut, bunt, hektisch, intensiv, überwältigend. Die Welt lässt den Menschen nicht in Ruhe und umgekehrt ist das auch nicht der Fall. Auf allen Kanälen wird sie kommentiert, jeder hat eine Meinung über sie. Die am meisten recht haben wollen, outen sich in Zeitungen, Talkshows und sozialen Medien. Die Philosophin Rebekka Reinhard ist seit 2019 stellvertretende Chefredakteurin des Magazins „Hohe Luft“.

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Jeder Mensch muss sich selbst erziehen

Seneca schreibt: „Von nirgendwo nämlich kommt der Seele mehr Kraft zu als von der Wissenschaft und der Betrachtung der Natur.“ So wichtig es auch ist, sich selbst und die Welt besser zu verstehen und rational zu erschließen, so reicht es nach Seneca nicht aus, wenn nicht gleichzeitig das Gemüt gestärkt wird. Albert Kitzler erläutert: „Erkenntnis und innere Überzeugung mögen das wichtigste Moment in der Motivationskette sein, die uns dazu bewegt, unser Verhalten und unsere Lebensweise, wo es nötig ist, zu verändern.“ Aber der Mensch ist nicht bloß Kopf und Verstand. All die leiblichen, triebhaften, unbewussten Kräfte in einem Menschen, der Bauch also, müssen auch „überzeugt“ werden. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.

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Der Mensch versteht die Welt nur in ihrem Werden

Die Menschen können die Welt als ein Geflecht aus Ereignissen begreifen, aus einfacheren Geschehnissen und komplexeren. Letztere lassen sich auf einfachere zurückführen. Carlo Rovelli nennt Beispiele: „Ein Krieg ist kein Ding, sondern eine Menge aus Ereignissen. Ein Gewitter ist keine Sache, sondern eine Gesamtheit aus Abläufen.“ Und der Mensch? Er ist gewiss kein Ding, sondern ein komplexer Prozess, in den Luft ein- und ausströmt, aber auch Nahrung, Informationen, Licht, Sprache usw. Der Mensch ist ein Knoten unter Knoten in einem sozialen Beziehungsgeflecht. Dieses Netzwerk besteht aus chemischen Prozessen, aus Emotionen, die ein Mensch mit seinesgleichen austauscht. Lange Zeit haben die Menschen die Welt in Begriffen einer Ursubstanz zu begreifen versucht. Seit dem Jahr 2000 ist Carlo Rovelli Professor für Physik an der Universität Marseille.

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Die moderne Welt überfordert den Menschen

Der Mensch vertraut der Technologie nicht nur, weil sie so gut funktioniert, sondern auch, weil er sie nicht versteht. Es bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als ihr zu vertrauen. Rebekka Reinhard fügt hinzu: „Sowenig er aber auch die Technologie versteht, die natürliche Welt überfordert ihn gleichermaßen. Sobald er ein elektronisches Gerät in Händen hält, kommt sie ihm vor wie ein Fremdkörper.“ Denn die Welt bietet ihm eine Fülle möglicher Entscheidungen, ohne ihm die passende Anwendung mitzuliefern. Sie sagt ihm nicht, welche Option die richtige ist. Die Benutzeroberfläche der modernen Welt ist viel unübersichtlicher als die des antiken Mythos. Seither haben sich die Optionen, was man trinken, essen, leben kann, vertausendfacht. Die Philosophin Rebekka Reinhard ist seit 2019 stellvertretende Chefredakteurin des Magazins „Hohe Luft“.

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Die Welt ist Wandel

Ein Aspekt der Zeit, die unter der Physik des 19. und 20. Jahrhunderts den Zerfall erlitt, hat gleichwohl überlebt. Carlo Rovelli erläutert: „Des uns so vertrauten Blendwerks entkleidet, mit dem sie die Newtonsche Theorie umhüllt hatte, strahlt jetzt umso klarer: Die Welt ist Wandel.“ Keines der Stücke, die der Zeit abhandengekommen sind, stellt durch seinen Verlust in Frage, dass die Welt ein Gefelcht von Geschehnissen ist. Zu den Verlorenen zählt Carlo Rovelli die Einheitlichkeit, die Richtung, die Unabhängigkeit, die Gegenwart und die Kontinuität. Das eine ist die Zeit mit ihren vielen Bestimmungen, das andere die schlichte Tatsache, dass die Dinge nicht „sind“: Sie geschehen. Dass die Größe „Zeit“ in den Grundgleichungen fehlt, bedeutet keineswegs, dass die Welt starr und reglos ist. Carlo Rovelli ist seit dem Jahr 2000 Professor für Physik an der Universität Marseille.

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Tim Parks reist ins Zentrum des Denkens

Tim Parks reist in seinem neuen Buch „Bin ich mein Gehirn?“ in das menschliche Zentrum des Denkens. Dabei konfrontiert er philosophische und neurowissenschaftliche Theorien mit seinen eigenen Erfahrungen. Die meisten Philosophen gehen davon aus, dass die Erfahrung eines Menschen in seinem Gehirn eingeschlossen ist und die äußere Realität unzuverlässig repräsentiert. Farbe, Geruch, Klang, heißt es, ereignen sich nur im eigenen Kopf. Wenn Neurowissenschaftler das Gehirn untersuchen, finden sie nur Milliarden von Neuronen. Diese tausche elektrische Impulse aus und setzen chemischen Substanzen frei. Die Idee zu seinem Buch entwickelte Tim Parks nach einem zufälligen Gespräch mit Riccardo Manzottis radial neuen Theorie des Bewusstseins. Er erzählt dabei die erstaunliche Geschichte eines Paradigmenwechsels. Tim Parks ist ein britischer Schriftsteller und Übersetzer, der seit 1981 in Italien lebt.

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