Erkenntnis ist ein Wiedererkennen

In einem Dialog zwischen Menon und Sokrates untersucht Platon das Rätsel des Erkennens anhand der Begegnung mit einer Idee. Woher kommt, genau in diesem Moment, in dem man zum ersten Mal etwas begreift, in dem man eine Idee klar formuliert, der Eindruck, dass sie evident sei, dass man es schon immer wusste? Erkenntnis, so Platon, ist eigentlich ein Wiedererkennen. Oder, um es mit seinen Worten zu sagen, eine „Reminiszenz“ oder Rückerinnerung. Charles Pépin erläutert: „Bevor wir geboren wurden und für die begrenzte Dauer unseres irdischen Lebens in unseren Körper fielen, gehörten wir der Welt der ewigen Ideen an. Und diese Welt werden wir im Augenblick des Todes, befreit von den Grenzen unseres Körpers, weiderfinden.“ Charles Pépin ist Schriftsteller und unterrichtet Philosophie. Seine Bücher wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.

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Die Kultur bringt die Emanzipation hervor

Es ist, alles in allem, die Kultur, die dem Menschen die Chancen eröffnet, sich durch eigene Anstrengung von vorgegebenen Konditionen zu emanzipieren. Volker Gerhardt erklärt: „In der Regel ermöglicht man das auf diese Weise Erreichte durch Konventionen, durch sprachliche Variation oder durch das Recht, auf alternative Weise zu leben.“ Die unzähligen neuen Techniken, die der Mensch im Lauf seiner viertausendjährigen Entwicklung auf den Weg gebracht hat, sind auch Gegenstand seiner institutionellen Einordnung geworden. Im Gang der kulturellen Entwicklung ist es dabei immer wieder zu mehr oder weniger tiefgreifenden Einteilung der Menschen nach Ständen, Kasten oder Klassen gekommen. Dominierende Eroberer, Gottkönige und ihre Adlaten haben Menschen unterworfen, ausgebeutet und nicht selten wie bloße Waren behandelt. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Nur die Vernunft führt zur Erkenntnis

Den richtigen Weg zur Erkenntnis kann man nur mit dem richtigen Gebrauch des Logos beziehungsweise der Vernunft finden. Silvio Vietta ergänzt: „Der menschliche Geist kann, aber muss auch die Wahrheit selbst auffinden. Dies wiederum geht nur mit dem richtigen Gebrauch der Vernunft. Also ist die Freiheit des menschlichen Geistes, der auf sich gestellt den Weg finden muss zwischen dem wahren und dem falschen Weg zur Erkenntnis des Seins.“ Und wie in der Philosophie, so auch im antiken Drama. In vielen der Mythen herrscht ja ein Generationengeschick, das dem Menschen gar keine eigene Freiheit der Entscheidung lässt. Sondern sie binden ihn in ein zwanghaftes Geschehen ein, das er auf tragische Weise erfüllen muss. Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.

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Platon begründete eine eigene Denkschule

Platon war der erste Philosoph, der ein größeres schriftliches Werk hinterlassen hat. Damit konnte er eine Tradition begründen. Mit dieser konnten sich zahllose Autoren über Jahrtausende hinweg auseinandersetzen und identifizieren. Jedoch gab es in der Antike auch schon Philosophen, die ganz andere Ansätze verfolgten. Zu ihnen zählten die Sophisten, Epikur, oder der Skeptiker Pyrrhon von Ellis. Axel Braig weiß: „Erst recht wurde die Tradition Platons in der Neuzeit von einer ganzen Reihe Denkern verlassen und dies jeweils in ganz verschiedener Hinsicht.“ Angelsächsische Philosophen wie Bacon, Hobbes, Berkeley, Hume, Peirce und Dewey ersetzten im Laufe der vergangenen Jahrhunderte den Idealismus Platons durch eine Hinwendung zu einer mehr an Erfahrung orientierten, pragmatischen Denkweise. Axel Braig wandte sich nach Jahren als Orchestermusiker und Allgemeinarzt erst spät noch einem Philosophiestudium zu.

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Die Redefreiheit hat sich als robust erwiesen

Jonathan Rauch ist kein Alarmist. Ganz im Gegenteil, er schreibt sein Buch „Die Verteidigung der Wahrheit“ in einem Geist der Hoffnung und des vorsichtigen Optimismus. Denn in der digitalen Medienwelt geht man mit beeindruckendem Engagement und neuen Ansätzen gegen Desinformationsangriffe vor. Und der Feind hat nicht mehr den Vorteil der Überraschung auf seiner Seite. Jonathan Rauch ergänzt: „In der akademischen Welt gibt es immer noch große Bestände von wissenschaftlicher Integrität, die man anzapfen kann. Die heutigen Herausforderungen für die Verfassung der Erkenntnis sind unter historischen Gesichtspunkten betrachtet vergleichsweise harmlos. Das eigentliche Wunder ist, als wie robust sich die Redefreiheit und die liberale Wissenschaft erwiesen haben. Jonathan Rauch studierte an der Yale University. Als Journalist schrieb der Politologe unter anderem für das National Journal, für The Economist und für The Atlantic.

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Jeder kann die sokratische Methode anwenden

Ward Farnsworth stellt in seinem Buch „Die sokratische Methode“ eine Denkweise vor, die bis heute ein ausgezeichnetes Mittel darstellt, Klugheit zu erlangen und Dummheit zu bekämpfen. Der Autor betont diese Tatsache ausdrücklich, denn viele Menschen betrachten die sokratische Methode als eine Lehrweise. Ward Farnsworth schreibt im Vorwort: „Das vorliegende Buch ist ein praktisches Handbuch, und seine erste Lektion lautet, dass jeder, der es möchte, seine Methoden anwenden kann.“ Es ist aber genauso gut eine praktische Einführung in die erstaunliche sokratische Philosophie, die keine eindeutigen Antworten auf die großen Fragen gibt. Sie ist vielmehr eine Anleitung dazu, wie man „große“ Fragen stellt und ihnen nachgehen kann. Ward Farnsworth war Dekan an der University of Texas School of Law und ist dort am John-Jeffers-Forschungslehrstuhl tätig.

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Sokrates verführte Bürger zur Philosophie

Sokrates wendet sich nicht im Namen einer vermeintlich höheren Wahrheit von den gewöhnlichen Sterblichen und ihren Meinungen ab. Sondern er legt in den Meinungen selbst ein Wahrheitspotenzial frei. Juliane Rebentisch weiß: „Seine Mäeutik, die sokratische Hebammenkunst, zwingt die Gegenüber im Gespräch dazu, ihre Meinungen im Spiegel anderer möglicher Sichtweisen zu betrachten und so auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen.“ Eben darin war Sokrates skandalös: dass er die gewöhnlichen Bürger zur Philosophie verführte. Mit dem Ergebnis, dass sich die „unbedarfte Sittlichkeit Athens“ zersetzte. So nannte Hegel das vorkritische Verhältnis der Athener zu den geltenden Gesetzen und Geboten. In seinen Augen ist das sokratische Prinzip jedoch von einem entscheidenden Mangel gekennzeichnet. Juliane Rebentisch ist Professorin für Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main.

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Freiheit und Gleichheit gehören zu den Grundrechten

Immanuel Kants kleine Schrift „Zum ewigen Frieden“ hat spätestens mit der durch sie angeregten Gründung des Völkerbunds 1919 einen weltpolitischen Rang erhalten. In ihr werden im ersten Definitionsartikel, der die Staaten auf eine republikanische Verfassung verpflichtet, drei Prinzipien genannt. Diese seien unbedingt zu beachten. Volker Gerhardt stellt fest: „Zwei der Prinzipien, nämlich die Freiheit und die Gleichheit der Bürger, sind uns aus den Grundrechtskatalogen bekannt.“ Aber das zwischen ihnen stehende dritte Prinzip der Abhängigkeit aller Bürger „von einer einzigen gemeinsamen Gesetzgebung“ ist erklärungsbedürftig. Denn in einer offenen Welt, in der man seinen Wohnort selbst bestimmen kann, wirkt die Bindung an die Gesetzgebung eines einzigen Staates befremdlich. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Platons Staat hat repressive Strukturen

Barbara Schmitz weiß: „In der Philosophie finden sich bei Platon Überlegungen dazu, dass es bestimmte Arten des Lebens gibt, die nicht wert sind, gelebt zu werden.“ Platon entwirft in der „Politeia“ einen Staat, der sich nicht nur durch repressive Strukturen auszeichnet. Im Hinblick auf Menschen mit Behinderung stellt Platon fest: „Wer körperlich nicht wohlgeraten ist, den sollen sie sterben lassen. Wer seelisch missraten und unheilbar ist, den sollen sie sogar töten.“ Hintergrund ist für Platon nicht nur das Ideal von Schönheit und Jugendlichkeit, das das Denken der Antike vielfach prägte. Barbara Schmitz ist habilitierte Philosophin. Sie lehrte und forschte an den Universitäten in Basel, Oxford, Freiburg i. Br., Tromsø und Princeton. Sie lebt als Privatdozentin, Lehrbeauftragte und Gymnasiallehrerin in Basel.

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Pluralität ist das zentrale Thema von Hannah Arendt

Es gibt ein Motiv, dass sich wie ein roter Faden durch alle Publikationen von Hannah Arendt zieht. Es handelt sich dabei um die Pluralität. Juliane Rebentisch erklärt: „Die Überzeugung, dass die Entfaltung menschlicher Würde auf Pluralität angewiesen ist, bestimmt ihren Begriff der Öffentlichkeit und ihre Unterscheidung von Macht und Herrschaft.“ Sie motiviert Hannah Arendts Kritik der modernen Arbeitsgesellschaft ebenso wie ihre Aversion gegen die Gleichsetzung von Souveränität und Freiheit sowie den Sog der Brüderlichkeit. Sie ist in ihrer frühen Kritik der Assimilation ebenso präsent wie im Spätwerk über das Denken und Urteilen. Kurz: Hannah Arendts Texte kann man in wesentlichen Zügen als Beiträge zu einer „Apologie der Pluralität“ lesen. Juliane Rebentisch ist Professorin für Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main.

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Die Logik ist eine Wissenschaft

Die Logik ist die Lehre von der Verhältnisbestimmung zwischen Gedanken. Markus Gabriel erläutert: „Das altgriechische Wort „logos“ hat eine Bedeutungsspannweite, die Verhältnis, Maß, Aussage, Sprache, Denken, Rede, Wort und Vernunft umfasst.“ Platon und Aristoteles haben die Logik als Wissenschaft etabliert. Es geht dabei um die Frage, wie verschiedene Gedanken zusammenhängen sollen, wenn man etwas Neues durch reine Gedankenverknüpfung erkennen will. Deswegen beschäftigt sich die Logik traditionell mit den drei Themen Begriff, Urteil und Schluss. Ein Begriff ist etwas, das man aus einem Gedanken herauslösen kann, um ihn für einen anderen Gedanken weiterzuverwenden. Seit 2009 hat Markus Gabriel den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Bestimmte Wahrheiten gelten überall

Es gibt scheinbar Wahrheiten, die gelten für jedermann überall. Das haben Philosophen schon früh festgestellt. Peter Trawny blickt zurück: „So jemand wie Platon hat davon gesprochen, dass es „Ideen“ gebe, die uns die Wahrnehmung und Erkenntnis von konkreten Dingen und Tatsachen ermöglichen.“ Menschen müssen schon wissen, was schön ist, bevor sie etwas als schön bezeichnen können. Dabei geht es nicht darum, ob das jeweils Besondere, das ein Mensch für schön hält, ebenso von einer anderen Person für schön gehalten wird. Es geht vielmehr darum, dass jeder Mensch Schönheit kennt –, was immer er im Einzelnen schön findet. Aus diesen scheinbar universellen Wahrheiten hat man dann auch in moralischer und politischer Hinsicht Konsequenzen gezogen. Peter Trawny gründete 2012 das Matin-Heidegger-Institut an der Bergischen Universität in Wuppertal, dessen Leitung er seitdem innehat.

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Der Leib ist das Gefängnis der Seele

Platon hielt den Leib für ein Gefängnis beziehungsweise ein Grabmal der menschlichen Seele. Markus Gabriel fügt hinzu: „Insbesondere in seinem Dialog „Phaidon“ hat er für die Unsterblichkeit der Seele argumentiert.“ Das haben dann die Kirchenväter des Christentums später aufgegriffen, womit der Platonismus und das Christentum verschmolzen sind. Die Bibel lehrt im kanonischen Text, der heute vorliegt, übrigens nirgends eindeutig die Unsterblichkeit der Seele, sondern die Auferstehung der Leiber. Einen Himmel und eine Hölle, in der völlig leiblose Seelen aufbewahrt sind, wird man im Text der Bibel vergeblich suchen. So haben die Menschen der Bibel zufolge in der Hölle auch einen Leib. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Von Katzen kann man etwas lernen

Die Philosophie war über weite Strecken ihrer Geschichte die Suche nach Wahrheiten, die beweisen sollten, dass nicht alles endlich sei. John Gray nennt ein Beispiel: „Platons Lehre von den Formen – unveränderlichen Ideen, die in einem ewigen Reich existieren – war eine mystische Vision, in der die menschlichen Werte vor dem Tod sicher waren.“ Da Katzen zwar zu wissen scheinen, wann es an der Zeit ist, zu sterben, aber nie an den Tod denken, haben sie kein Bedürfnis nach diesen Hirngespinsten. Wenn sie sie verstehen könnten, hätte die Philosophie sie nichts zu lehren. Einige wenige Philosophen haben erkannt, dass man von Katzen etwas lernen kann. John Gray lehrte Philosophie unter anderem in Oxford und Yale. Zuletzt hatte er den Lehrstuhl für Europäische Ideengeschichte an der London School of Economics inne.

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Carlo Rovelli kennt das Geheimnis der Zeit

Das Geheimnis der Zeit beunruhigte die Menschen seit jeher und weckt tief verwurzelte Gefühle. Parmenides wollte der Zeit die Realität absprechen, Platon ersann ein Reich der Ideen außerhalb der Zeit. Und Georg Wilhelm Friedrich Hegel spricht von dem Augenblick, in dem der Geist die Zeitlichkeit überwindet. Carlo Rovelli ist überzeugt, dass diese Denker die Verunsicherung zu überwinden trachteten, welche die Zeit in den Menschen auslöst: „Um dieses beunruhigende Gefühl abzuschütteln, haben wir die Existenz der Ewigkeit ersonnen.“ Dabei handelt es sich um eine seltsame Welt außerhalb der Zeit, nach den Wünschen der Menschen bevölkert mit Göttern, einem einzigen Gott oder unsterblichen Seelen. Die Physik hilft den Menschen, Schicht um Schicht in das Geheimnis der Zeit vorzudringen. Seit dem Jahr 2000 ist Carlo Rovelli Professor für Physik an der Universität Marseille.

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Die Philosophie führt von der Dunkelheit zum Licht

Platon war der erste Philosoph, der sich theoretisch mit der Frage der Poetik auseinandersetzte. Für ihn ist die Mimesis verdächtig, ontologisch und moralisch gleichermaßen. Mimesis bezeichnet ursprünglich das Vermögen, mittels einer Geste eine Wirkung zu erzielen. Ontologisch, da die empirische Welt bereits eine Imitation ist, ein Schatten der Realität (Wahrheit) der Welt der Ideen. Ágnes Heller erklärt: „Ontologisch gesehen, so Platon, nehmen Philosophie und Dichtung zwei extreme Positionen des Kontinuums ein.“ Ágnes Heller, Jahrgang 1929, war Schülerin von Georg Lukács. Ab 1977 lehrte sie als Professorin für Soziologie in Melbourne. 1986 wurde sie Nachfolgerin von Hannah Arendt auf deren Lehrstuhl für Philosophie an der New School for Social Research in New York. Ágnes Heller starb am 19. Juli 2019 in Ungarn.

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Die Philosophie ringt mit dem Guten

Die Frage nach der moralischen Verantwortung stellt sich, sobald man darüber nachdenkt, wie man sein Tun an dem ausrichtet, was man für gut hält. Darin stößt man beständig auf Uneinigkeiten und kontroverse Deutungen. Diese wischte man lange Zeit mit dem Hinweis weg, dass sich das Moralische doch von selbst verstehe. Es müsse also nicht eigens zum Thema gemacht werden. Ina Schmidt weiß: „Die Philosophie ringt dennoch und weil es eben nicht evident ist, seit über zweitausend Jahren um Antworten.“ Dabei ist die Philosophie nicht einmal sicher, was dieses Gute nun eigentlich ganz genau ist. Ina Schmidt ist Philosophin und Publizistin. Sie promovierte 2004 und gründete 2005 die „denkraeume“. Seitdem bietet sie Seminare, Vorträge und Gespräche zur Philosophie als eine Form der Lebenspraxis an.

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Markus Gabriel kennt die moralischen Grundregeln

Wenn Begriffe unklar und verschwommen sind, begeht man leicht logische Fehler. Markus Gabriel stellt fest: „Es gelingt uns dann nicht, gut begründete und im besten Fall wahre und kohärente Meinungen zu formulieren. Besonders schlimm, weil lebensweltlich folgenreich, ist dies im Bereich der praktischen Philosophie, in der es um unser Handeln geht.“ Viele Menschen haben nur eine verschwommene Vorstellung von Glück, Moral, Pflichten und Rechten. Sie begehen genau deswegen oft Fehler, weil sie die grundlegenden Definitionen dieser Begriffe nicht überblicken. Eine der Hauptaufgaben der Philosophie ist deshalb die Begriffsklärung. Diese ist spätestens seit Immanuel Kant eng mit dem modernen Ideal der Aufklärung verbunden. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Freie Märkte fördern Ungleichheiten

Nur eine naive Verteidigung des freien Marktes verlässt sich vollständig auf dessen selbstheilende Kräfte. In Wahrheit pflegen in dem sich selbst überlassenen Markt außer Ungleichheit vor allem Oligopole, Monopole und Kartelle zu entstehen. Dadurch wird der Wettbewerb geschwächt und das Gegenteil des freien Marktes erreicht wird. Die Verbesserung der Produkte lässt nach, stattdessen steigen für die Konsumenten die Preise und für die Unternehmen die Gewinne. Derartige Verzerrungen des Wettbewerbs sind laut Otfried Höffe paradoxerweise von der ökonomischen Rationalität her gegeben. Denn unter der Voraussetzung der entsprechenden Macht erzielt man entweder mit gleichen Mitteln einen größeren Profit oder erreicht denselben Profit mit geringerem Einsatz. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Das Denken stellt Gemeinsamkeiten her

Der Mensch ist ein zur Natur gehörendes Lebewesen. Er hat seine Form erst mit der durch ihn selbst in Gang gekommenen Entwicklung der Natur erhalten. Volker Gerhardt fügt hinzu: „Auch beim homo sapiens steht außer Frage, dass die ihn auszeichnenden intellektuellen Leistungen geschichtlich geworden sind. Das kann allein durch den langen kulturgeschichtlichen Vorlauf des homo faber als erwiesen gelten.“ Zum homo sapiens ist der homo faber gewiss nicht nur angesichts der anwachsenden handwerklich-technischen Probleme geworden. Es dürfte Probleme neuer Qualität gegeben haben, die den Entwicklungsschritt zu einer neuen Leistungsstufe des Könnens forciert haben. Die sich stellenden gesellschaftlichen Aufgaben haben zur Steigerung der Fähigkeiten geführt, die den homo sapiens auszeichnen. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Die Würde lässt sich demokratisieren

Während des 19. Jahrhunderts ging das Verständnis der Würde auseinander. Einerseits in Richtung eines liberalen Individualismus, der in den politischen Rechten zeitgenössischer freiheitlicher Demokratien zum Ausdruck kommen sollte. Andererseits in Richtung kollektiver Identitäten, die sich entweder durch Nation oder Religion definieren ließen. In den neuzeitlichen liberalen Demokratien Nordamerikas und Europas hat sich eine besondere Identität herausgebildet. Francis Fukuyama erklärt: „In diesen Regionen haben die politischen Systeme nach und nach immer weiteren Personenkreisen Rechte gewährt, was zu einer Demokratisierung der Würde führte.“ Die Verfassung der Vereinigten Staaten wurde im Jahr 1788 ratifiziert. Zu dieser Zeit besaßen nur weiße Männer, die über Grundbesitz verfügten, volle politische Rechte. Francis Fukuyama ist einer der bedeutendsten politischen Theoretiker der Gegenwart. Sein Bestseller „Das Ende der Geschichte“ machte ihn international bekannt.

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Die Einigkeit von Herz und Seele führt zum Glück

„Wenn mein Herz mit mir einig ist und die Seele auf mich hört, so werde ich glücklich sein.“ Das ist der Sinn eines alten ägyptischen Papyros, das vielleicht 2000 v. Chr. entstanden ist. Das „Herz“ war im alten Ägypten sowohl Sitz der Gefühle als auch des Verstandes. Albert Kitzler erklärt: „Man hatte offenbar schon eine Vorstellung davon, dass es neben der rationalen auch eine emotionale Intelligenz gibt.“ Was sich genau hinter dem Ausspruch verbirgt, dürfte jedoch nicht mehr aufzuklären sein. Anscheinend will der Autor sagen, dass das Glück von der Authentizität und Wahrhaftigkeit der Person abhängt. Das heißt, von der Übereinstimmung seines Denkens, Wollens, Handelns und Fühlens, von der Kohärenz und Stimmigkeit der gesamten Lebensführung. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.

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Der Tod ist nicht tragisch

Gibt es tragische Phänomene? Das hängt davon ab, was man als tragisch bezeichnet. Ágnes Heller stellt fest: „Der Tod ist nicht tragisch, denn wenn er es wäre, wären wir alle tragische Helden.“ Sokrates ist kein tragischer Held, Christus wurde nie als tragisch angesehen. Leiden ist nicht tragisch. Man spricht heute von einem tragischen Tod, wenn ein junger Mann bei einem Autounfall getötet wird oder Selbstmord begeht. Man empfindet Mitgefühl für einen gefallenen Soldaten oder einen verratenen Liebhaber, ohne ihr Schicksal als tragisch zu bezeichnen. Ágnes Heller, Jahrgang 1929, war Schülerin von Georg Lukács. Ab 1977 lehrte sie als Professorin für Soziologie in Melbourne. 1986 wurde sie Nachfolgerin von Hannah Arendt auf deren Lehrstuhl für Philosophie an der New School for Social Research in New York. Ágnes Heller starb am 19. Juli 2019 in Ungarn.

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Der Liebende liebt das Schöne

In Platons „Symposion“ heißt es: „Der Liebende liebt das Schöne. Das Schöne findet sich nicht nur an einem Menschen.“ Also liebt er nicht nur viele. Nein, als Philosoph muss er sogar viele lieben, weil er sonst eben den allgemeinen Charakter der Schönheit nicht erkennt. Daraus lässt sich für Peter Trawny die Aufforderung ablesen, mit der Ansicht aufzuhören, es gäbe nur einen schönen Körper, nämlich den des gerade Geliebten. Da kann dann die Ehe nur stören. Wie dem auch sei. In Zeiten, in denen die Scheidung zu einer gewöhnlichen Angelegenheit geworden ist, ist ein Lob der Ehe fragwürdig, wenn nicht befremdlich. Peter Trawny vermutet: „Heute schein es nicht nur die Philosophen zu sein, die den allgemeinen Charakter der Schönheit erkannt haben und ihm zusprechen.“ Peter Trawny gründete 2012 das Martin-Heidegger-Institut an der Bergischen Universität in Wuppertal, das er seitdem leitet.

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Das Publikum der Tragödie erlebt eine Katharsis

Doch was ist mit den Tragödien? Sind sie Manifestationen des anthropologischen Universums des Weinens? Oder sind sie Ausdruck einer anderen „tragischen universellen Erfahrung? Identifizieren Tragödien einen Menschen mit sich selbst, wurzeln sie in Selbstmitleid? Ágnes Heller antwortet: „Es ist leicht zu erkennen, dass das Gegenteil der Fall ist. Auch in diesem Punkt war Aristoteles das Genie, das das Offensichtliche erfand. Das Publikum, Zielgruppe einer Tragödie, erlebt eine „Katharsis“. Katharsis ist die Befreiung von unseren eigenen Ängsten und unserem Selbstmitleid, die „Reinigung unserer Seele“ von der Identifikation mit uns selbst.“ Ágnes Heller, Jahrgang 1929, war Schülerin von Georg Lukács. Ab 1977 lehrte sie als Professorin für Soziologie in Melbourne. 1986 wurde sie Nachfolgerin von Hannah Arendt auf deren Lehrstuhl für Philosophie an der New School for Social Research in New York. Ágnes Heller starb am 19. Juli 2019 in Ungarn.

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