Die Volksparteien sind in ihrer Existenz bedroht

In seinem Buch „Parteiendämmerung. Oder was kommt nach den Volksparteien“ analysiert Christoph Seils den gegenwärtigen Umbruch der politischen Verhältnisse und beschreibt, wie eine neue Demokratie in Deutschland aussehen könnte. Die politischen Milieus der so genannten Volksparteien CDU und SPD haben sich seiner Meinung nach aufgelöst und an die Stelle ideologischer Konflikte des 20. Jahrhunderts sind egoistische Gruppeninteressen getreten. Themen wie Einwanderung, Globalisierung oder digitale Revolution beherrschen heute die politische Agenda. Zugleich haben die Deutschen laut Christoph Seils das Vertrauen in den Gestaltungswillen der Politik verloren. Er stellt die These auf, dass sich die Volksparteien überlebt haben und die Parteiendämmerung einher geht mit einer Zunahme an Populismus, Lobbyismus, Medienmacht und politischer Instabilität.

Pragmatischen Parteien stehen unberechenbare Wähler gegenüber

Der Journalist und Publizist Christoph Seils ist fest davon überzeugt, dass sich die Parteien, die in ihrer Existenz bedroht sind, grundlegend wandeln müssen, wenn die Demokratie in Deutschland keinen Schaden nehmen soll. Den Parteien laufen die Mitglieder auch deshalb in Scharen davon, weil sich die Politiker inzwischen intensiver um die innerparteiliche Intrige als um den gesellschaftlichen Diskurs kümmern. Christoph Seils schreibt: „Statt um politische Vorstellungen geht es ihnen zuerst um Macht.“

Die Volksparteien sind laut Christoph Seil letztendlich Opfer ihres eigenen Erfolges geworden. Er erklärt: „Erst haben sie Existenzgrundlagen der Milieus wegregiert, dann sind die Parteibindungen immer lockerer geworden, die politischen und weltanschaulichen Vorfeldorganisationen haben an Bedeutung verloren.“ Ideologie spielt für die Mobilisierung der Anhänger kaum noch eine Rolle. Die Parteien sind pragmatisch geworden, die Wähler unberechenbar.

Die Parteiendämmerung führt zu keinen Weimarer Verhältnissen

Die Möglichkeiten der populistischen Mobilisierung der Massen steigen, je loser die Parteienbindung und die Entfremdung zwischen der Bevölkerung und den politischen Eliten werden. Christoph Seils schreibt: „Widerstand gegen das politische Establishment und charismatische Führung, Vorurteile und einfache Lösungen sowie Angst und Emotionen sind der Cocktail, aus dem erfolgreich populistische Politik gemixt wird.“ Die Wähler sehen sich nach Orientierung, nach einer einfachen Unterscheidung zwischen Gut und Böse – ihre Bereitschaft zur Protestwahl steigt.

Die Transformation des Parteiensystems schreitet gemäß Christoph Seils unaufhaltsam voran. Es wird seiner Meinung nach bis zu sieben Parteien im Bundestag geben, wodurch die Regierungsbildung erschwert werden wird. Es wird zu häufigen Koalitionskrisen und Minderheitsregierungen kommen. Deutschland wird sich an mehr Instabilität im politischen System gewöhnen müssen. Dennoch glaubt er nicht an die Rückkehr Weimarer Verhältnisse. Christoph Seils schreibt: „Dazu ist der demokratische Konsens der Eliten in der Bundesrepublik zu stark und der Schrecken über das Ausmaß der nationalsozialistischen Verbrechen zu groß.“

Parteiendämmerung

Oder was kommt nach den Volksparteien

Christoph Seils

Verlag: wjs

Broschierte Ausgabe: 195 Seiten, Auflage: 2011

ISBN: 978-3-937989-67-9, 16,90 Euro

Von Hans Klumbies