Viele Deutsche fühlen sich von Menschen aus fremden Kulturen bedroht

Da die Mittel im Zuge gesellschaftlicher Veränderungen immer knapper werden, der Überlebenskampf in diesen riskanten Zeiten auch noch ihre letzten inneren und äußeren Ressourcenverbraucht, erfahren immer mehr Menschen die gesellschaftlichen Zustände als eine Bedrohung ihres Selbstwertgefühls. Ernst-Dieter Lantermann erklärt: „Wenn persönliche und soziale Unsicherheiten infolge unberechenbarer Entwicklungen weiter zunehmen und gleichzeitig auf die politischen, sozialen und persönlichen Ressourcen kein Verlass mehr zu sein scheint, ist ein gesellschaftliches Radikalisierungsmoment erreicht, das eine Eigendynamik mit großer Sogwirkung entwickeln kann, sodass eine Radikalisierung von immer mehr Bevölkerungsgruppen in Deutschland kaum noch abzuwenden wäre.“ In den feindseligen Ablehnungen von Migranten, Flüchtlingen und Asylsuchenden, wie sie spätestens seit Mitte 2015 ungehemmt auch öffentlich zur Schau gestellt wird, spiegeln sich tiefgreifende persönliche Erschütterungen in diesen Zeiten beschleunigter gesellschaftlicher Umbrüche wider. Ernst-Dieter Lantermann war von 1979 bis 2013 Professor für Persönlichkeits- und Sozialpsychologie an der Universität Kassel.

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Immer mehr Bürger radikalisieren sich in ihrer Lebensführung

Der Sozialpsychologe Ernst-Dieter Lantermann benennt in seinem neuen Buch „Die radikalisierte Gesellschaft“ Ursachen und Handlungsmotive der Selbstverschließung vieler Menschen gegenüber allem Neuen und weist auf jene inneren Ressourcen hin, die einem Menschen hilft, nicht den Versuchungen radikaler und fanatischer Haltungen zu erliegen. Das Verschwinden von Gewissheiten ist ein Kennzeichen der Gegenwart. Viele Menschen fühlen sich von dem rasanten Tempo der gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen überfordert. Ihr Selbstwertgefühl leidet unter der Prekarisierung ihrer Lebensverhältnisse, für die sie ja selbst, so suggeriert der Zeitgeist, verantwortlich sind. Die Antwort vieler Bürger auf die wachsende Unsicherheit ist eine Radikalisierung ihrer Lebensführung. Ernst-Dieter Lantermann nennt Beispiele: Den Fremdenfeind, der alle Probleme dieser Welt aus der massenhaften Ankunft von Flüchtlingen herleitet. Den Fitnesstreibenden, der sich distanzlos allen digitalen Neuerungen der Selbstkontrolle unterwirft. Den Sicherheitsfanatiker oder den fanatischen Nostalgiker. Sie eint aus psychologischer Sicht mehr, als ihnen bewusst ist.

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Das Prinzip der Gerechtigkeit ist auf dem Vormarsch

Eine der Thesen von Axel Honneth, einem der bedeutendsten Philosophen der Gegenwart, lautet: „Nur wenn der Mensch um Anerkennung kämpft, kann er sein Recht auf Freiheit verwirklichen.“ Der Philosoph zählt zu den wichtigsten lebenden Vertretern der Kritischen Theorie. In seinem neuen Buch „Das Recht der Freiheit“ schreibt er: „Das Prinzip der Gerechtigkeit kommt immer stärker zur Entfaltung, da die Menschen nicht müde werden, bestehendes Unrecht einzuklagen.“ Zu den geistigen Vätern von Axel Honneth zählen Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, die Begründer der Frankfurter Schule und sein Doktorvater Jürgen Habermas, den er schon am Anfang seines Studiums für den stärksten Vertreter der Frankfurter Schule hielt.

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