Die Freiheit ist die Kraft des Anfangens

Es gibt zwei selbstwidersprüchliche Auffassungen des Werdens der Freiheit. Christoph Menke erklärt: „Die eine Auffassung, als Geschehen, versteht nicht das Werden der Freiheit; sie gelangt nicht bis zur Freiheit. Die andere Auffassung, als Tat, versteht nicht das Werden der Freiheit; sie beginnt schon mit der Freiheit.“ Das Werden der Freiheit lässt sich nur begreifen, wenn man diesen Gegensatz von Aktivität und Passivität aufzulösen vermag. Die Befreiung muss sich von diesem Gegensatz befreien; sie muss das Werden befreien. Es gibt zwei verschiedene Konzeptionen des Denkens und seiner Freiheit: ein idealistisches und ein ästhetisch-materialistisches Konzept des Denkens. Die Freiheit ist wesentlich negativ. Sie ist die Negation der Unfreiheit. Christoph Menke ist Professor für Philosophie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main.

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Das Gehirn negiert nicht zuträgliche Informationen

Jonathan Rauch stellt fest: „Wenn Ihr gesellschaftliches Ansehen und Ihre Gruppenidentität davon abhängen, dass Sie etwas glauben, dann werden Sie auch einen Weg finden, es zu glauben. Tatsächlich wird Ihnen Ihr Gehirn dabei sogar helfen, indem es Informationen, die diesem Vorhaben zuträglich sind, bereitwillig akzeptiert und sich an sie erinnert, während es nicht zuträgliche Informationen vergräbt und ignoriert.“ Das ist der Grund dafür, dass Intelligenz keinen Schutz vor falschen Überzeugungen bietet. Sie macht Menschen im Gegenteil sogar noch besser im Rationalisieren. Wie Jonathan Haidt in „The Righteous Mind“ schreibt, sind extrem kluge Menschen besser als andere dazu in der Lage, Argumente zur Untermauerung ihrer eigenen Ansichten zu finden. Jonathan Rauch studierte an der Yale University. Als Journalist schrieb der Politologe unter anderem für das National Journal, für The Economist und für The Atlantic.

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Politik ist immer emotional

In ihrem neuen Buch „Radikal emotional“ beschreibt die Neurowissenschaftlerin Maren Urner wie Gefühle Politik machen. Sie vertritt dabei unter anderem die These, dass nicht nur die großen Zusammenhänge, sondern auch vermeintlich „rein private“ Alltagsentscheidungen immer politisch sind. Gefühle sind für die Autorin nichts „Privates“, dass man von der professionellen und politischen Ebene trennen kann. Maren Urner schreibt: „Die Ansicht, Emotionen hätten in der Politik nichts zu suchen, ist sogar – Achtung! – irrational. Denn Politik ist nichts anderes als ein Aushandlungsprozess über unterschiedliche Gefühle und damit verbundene Werte und Ideen innerhalb einer Gruppe von Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt.“ In diesen Aushandlungsprozess sind alle Menschen involviert. Dr. Maren Urner ist Professorin für Medienpsychologie an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) in Köln.

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Viele Menschen werden in starre Lebensläufe gezwungen

Sogenannte „Fachidioten“ führen ihre Follower in die Gefangenschaft der eigenen Selbstverständlichkeiten. Diese verleiten zu einem sehr gegrenzten Handeln. Die „Filter-Bubble“ ist nicht nur ein Phänomen des Digitalen, sondern zeigt sich auch im Analogen, in der Bildung. Anders Indset kritisiert: „Die Wissensgesellschaft ist ein Produkt des fatalen Nickerchens, in der trotz der Aktivierung und der Aufbruchstimmung der Sechzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts die Menschen im Wesentlichen in starre und vorbestimmte Lebensläufe gezwungen werden.“ Der Lebensplan steht bereits in der Kindheit fest. Man weiß, was einen im Leben erwartet – der Job wartet. So dient die sich zur Absolutheit gesteigerte Wissensgesellschaft der Förderung der Wirtschaft und des ökonomischen Wachstums. Auf einem kontrollierten und messbaren Bildungsweg begeben sich die Menschen in ein Leben der Konformität. Anders Indset, gebürtiger Norweger, ist Philosoph, Publizist und erfolgreicher Unternehmer.

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Ohne Gottlob Frege gäbe es heute keine digitale Revolution

Gottlob Frege gehört für Markus Gabriel zu den größten Logikern aller Zeiten. Als Mathematiker hat er maßgeblich zur Erfindung moderner symbolischer Logiken beigetragen. Das heißt, zu den mathematischen Zeichensystemen, die man heute noch verwendet, um die abstrakten Gedanken der Mathematik auszudrücken. Markus Gabriel stellt fest: „Gottlob Frege hat eine eigene Schriftsprache erfunden, um auf diese Weise die logischen Beziehungen zwischen Gedanken übersichtlicher darstellen zu können.“ Diese Schriftsprache nennt er die „Begriffsschrift“. Ohne Gottlob Freges Begriffsschrift gäbe es heute keine digitale Revolution. Er hat auch eine der wichtigsten Texte über das Denken geschrieben, seinen unscheinbaren kleinen Aufsatz „Der Gedanke“ von 1918. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Humanisten benennen Elemente des menschlichen Glücks

Die humanistische Tradition wurde seit jeher von einem breiten und langen Schatten begleitet, den man als antihumanistische Tradition bezeichnen könnte. Sarah Bakewell erläutert: „Während Humanisten die Elemente des menschlichen Glücks und der menschlichen Vortrefflichkeit benennen, zählen die Antihumanisten ebenso eifrig unser Elend und unsere Schwächen auf.“ Sie weisen auf zahlreiche Defizite der Menschen hin, auf die Unzulänglichkeiten ihrer Talente und Fähigkeiten, Probleme zu bewältigen und einen Lebenssinn zu finden. Antihumanisten missbilligen oft die Vorstellung, sich an irdischen Vergnügungen zu erfreuen, und plädieren stattdessen für eine radikale Umgestaltung des Lebens der Menschen. Entweder indem sie sich von der materiellen Welt abwenden oder indem sie ihre Ansichten – oder sich selbst – dramatisch verändern. Sarah Bakewell lebt als Schriftstellerin in London, wo sie Creative Writing an der City University lehrt und für den National Trust seltene Bücher katalogisiert.

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Die Bildung prägt die Persönlichkeit eines Menschen

Auf formaler Ebene fasst man Bildung einerseits als ein Produkt, als die Ausprägung der Persönlichkeit eines Menschen, auf. Und andererseits beschreibt der Begriff „Bildung“ auch den Prozess, wie diese Persönlichkeitsausprägungen vermittelt werden. Markus Hengstschläger erklärt: „Auf inhaltlicher Ebene gilt es zu fragen, welche Persönlichkeitsausprägungen gesellschaftlich wünschenswert sind. Gerade die Ansichten darüber ändern sich aber mit der Zeit.“ Es gab Zeiten, in denen abrufbares Faktenwissen dabei im Vordergrund stand. Heute wird neben fachlichen Qualifikationen immer mehr auch auf soziokulturelle Kompetenzen Wert gelegt. Unter Kompetenzen versteht man in der Regel Fähigkeiten und Fertigkeiten, die es ermöglichen zu handeln, Situationen zu bewältigen, Aufgaben auszuführen und Probleme zu lösen. Was man unter „Wissen“ versteht, ist in der heutigen Zeit oft Inhalt unendlich erscheinender Diskussionen. Professor Markus Hengstschläger ist Vorstand des Instituts für Medizinische Genetik an der MedUni Wien.

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Die Künstliche Intelligenz kann nicht denken

Das Denken ist auf der tieferen Ebene ein dezidiert analoger Vorgang. Bevor es die Welt in Begriffen fasst, ist es von ihr ergriffen, ja affiziert. Byung-Chul Han ergänzt: „Das Affektive ist wesentlich für das menschliche Denken. Das erste Denkbild ist die Gänsehaut. Künstliche Intelligenz (KI) kann schon deshalb nicht denken, weil sie keine Gänsehaut bekommt.“ Ihr fehlt die affektiv-analoge Dimension, die Ergriffenheit, die von Daten und Informationen nicht eingeholt werden kann. Das Denken geht von einer Ganzheit aus, die den Begriffen, Vorstellungen und Informationen vorgelagert ist. Es bewegt sich bereits in einem „Erfahrungsfeld“, bevor es sich den in diesem vorkommenden Gegenständen und Tatsachen eigens zuwendet. Das Seiende im Ganzen, dem das Denken gilt, ist zunächst in einem affektiven Medium wie Stimmung erschlossen. Die Bücher des Philosophen Byung-Chul Han wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.

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Ned O’ Gorman fordert ein Mehr an Politik

Ned O’ Gorman kritisiert politische Kurzsichtigkeit, Malaise und Missgunst. In seinem Buch „Politik für alle“ plädiert er nicht für ein Weniger, sondern für ein Mehr an Politik. Und er fordert, die Politik ernster zu nehmen, statt sie abzuschreiben und ihr eine wohlüberlegte Chance zu geben. Zu diesem Zweck untersucht Ned O’ Gorman das Werk einer der prononciertesten Fürsprecherin der Politik im 20. Jahrhundert: Hannah Arendt (1906 – 1975). Die in Deutschland geborene Jüdin floh in den 1930er-Jahren vor den Nazis und ließ sich in den Vereinigten Staaten nieder. Von nun an arbeitete sie dreißig Jahre lang an „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“, einer scharfen Analyse des Totalitarismus. Sie schrieb zudem viele andere Bücher und Artikel, deren Themen von der Revolution bis zur Verantwortung des Menschen für den Erhalt der Welt reichten. Ned O’ Gorman ist Professor für Kommunikationswissenschaften an der University of Illinois.

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A hot planet is not cool

Auf den Pappschildern der Fridays-for-Future-Bewegung ist ein Bild stark vertreten: die handgemalte runde Erde. So bebildern sie ihre Parolen „no planet B“ oder „a hot planet is not cool“ und das überwölbende „save the planet“. Ulrich Grober ergänzt: „Allgegenwärtig in den Medien, besonders im Netz, ist das entsprechende Foto. Das Bild des Planeten aus einer Außenperspektive erscheint uns ganz natürlich, selbstverständlich.“ Dabei ist es noch gar nicht so alt. Ikone Erde und die Saga vom blauen Planeten, das meistpublizierte Foto der Mediengeschichte und eine große Erzählung in wenigen Worten, sind vielleicht das Beste, was das 20. Jahrhundert der Menschheit hinterlassen hat. Ein paar kalifornische Hippies kamen zuerst auf die Idee: Zeigt uns „whole earth“, die ganze Erde, so wie sie aus dem All zu sehen ist. Den Publizisten und Buchautor Ulrich Grober beschäftigt die Verknüpfung von kulturellem Erbe und Zukunftsvisionen.

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Die Vernunft ist die Sklavin der Leidenschaften

Seit Platon waren sich die Philosophen bewusst, dass die Sinne täuschen und Überzeugungen irregeleitet sein können. Aber sie nahmen an, dass den Menschen von Natur aus ein Drang zur Wahrheit innewohne und die Vernunft sie auf dem Weg zu ihr leiten würde. Jonathan Rauch blickt zurück: „Vor fast 300 Jahren formulierte der schottische Philosoph David Hume seine Kritik an dieser Standardauffassung.“ In seinem „Traktat über die menschliche Natur“ trug er eine der in dieser Sache entschiedensten und bekanntesten Thesen vor. Er schreibt: „Die Vernunft ist die Sklavin der Leidenschaften und sollte auch nur das sein. Auf kein anderes Amt kann sie Anspruch erheben als ihnen zu dienen und zu gehorchen.“ Jonathan Rauch studierte an der Yale University. Als Journalist schrieb der Politologe unter anderem für das National Journal, für The Economist und für The Atlantic.

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Der Organismus ist auf Energiesparen getrimmt

Da der Homo sapiens in den Grundfunktionen noch wie ein Steinzeitmensch funktioniert, ist sein Organismus auf Energiesparen getrimmt. Franc Cerutti weiß: „Unser Gehirn will faul sein. Daher nutzt es bereits existierende Nervenverbindungen viel lieber, als sich energieaufwendig neue schaffen zu müssen.“ Vertrautes, gewohntes und alltägliches Denken gleicht dem Fahren auf einer vierspurigen Autobahn. Neues, unvertrautes und daher noch unverknüpftes Denken gleicht dahingegen eher der mühsamen Bahnung eines neuen Trampelpfads durch unwegsames Gelände. Das kostet Kraft. Das menschliche Gehirn vermeidet es lieber. Und genau das kann im Leben eines Menschen zu ausgewachsenen Problemen führen. Fast jeder kennt zum Beispiel diesen Konflikt: Man reagiert angsterfüllt, obwohl man weiß, dass es nichts zum Fürchten gibt. Franca Cerutti ist Psychotherapeutin mit eigener Praxis und Podcasterin.

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Hans Rudi Fischer reist ins Dazwischen

Die Fragen, denen Hans Rudi Fischer in seinem Buch „Ins Dazwischen“ nachgeht, führen in das Krisengebiet der Vernunft. Dabei handelt es sich um eine Gebiet, in dem man die Orientierung verliert. Denn dort reichen die klassischen Kategorien und die übliche Logik nicht mehr, um die Welt zu begreifen. Hans Rudi Fischer schreibt: „Wir geraten in ein Dazwischen, in dem die alten kognitiven Muster nicht mehr greifen und die neue noch nicht vorhanden sind. Dieser Raum des Dazwischen soll hier erkundet werden.“ Als Beispiel für dieses Dazwischen nennt Hans Rudi Fischer die Metapher. Denn sie ist weder logisch richtiges Denken noch ein Denkfehler. Sie markiert ein Dazwischen, eine Metamorphose des Zeichensystems der Menschen, mit dem sie die Welt repräsentieren. Hans Rudi Fischer ist Philosoph und Psychologe. Seit 30 Jahren arbeitet er als Lehrender Therapeut, Coach und Organisationsberater.

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Die Kunst orientierte sich einst an der Nachahmung

Die Kunst zählt zu den großen Werten der europäischen Kultur. Dabei nimmt sie selbst an dem Wertekanon der Gesamtkultur Anteil. Silvio Vietta sagt: „Solange die Wahrnehmung der Welt in der europäischen Denkgeschichte als eine Art Abdruck der Dinge im Bewusstsein des Menschen begriffen wurde, orientierte sich auch die Kunst an dem Begriff der Nachahmung bzw. Mimesis.“ In seiner Poetik definiert Aristoteles das Drama als eine Form der „Mimesis der Handlung“ des Mythos. Die europäische Kunst und auch Literatur begriffen sich selbst dann im Weiteren als „Nachahmung der Natur“. Diese Vorstellung dominierte bis weit ins 18. Jahrhundert hinein. Und dieser Auffassung entsprach auch eine Praxis des Zeichnens und Malens „nach der Natur“. Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.

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Stammesmentalität hindert oft beim klaren Denken

Menschen denken in Gruppen und drehen in Gruppen durch. Doch um wieder zu Sinnen zu kommen, ist jeder auf sich gestellt. Philipp Hübl weiß: „Unsere Stammesmentalität hindert uns oft am klaren Denken.“ Mit der progressiven Revolution legen viele Menschen insgesamt weniger Wert auf Autorität und Loyalität und sind dadurch weltweit weniger kollektivistisch. Doch gerade im Internet kann man eine „Retribalisierung“ beobachten, nämlich die Ausbildung moderner Stämme und die Radikalisierung der Etablierten. Es kämpfen neue Rechte gegen alte Linke, Veganer gegen Fleischesser, Fahrradfahrer gegen Autofahrer, Impfgegner gegen Naturwissenschaftler, Gläubige gegen Atheisten. Denn wer aus dem Blickwinkel seiner Stammesidentität lange genug hinschaut, entdeckt immer irgendwo Nachteile für die eigene Gruppe und moralische Verstöße bei den anderen Gruppen. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).

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Nur die Vernunft führt zur Erkenntnis

Den richtigen Weg zur Erkenntnis kann man nur mit dem richtigen Gebrauch des Logos beziehungsweise der Vernunft finden. Silvio Vietta ergänzt: „Der menschliche Geist kann, aber muss auch die Wahrheit selbst auffinden. Dies wiederum geht nur mit dem richtigen Gebrauch der Vernunft. Also ist die Freiheit des menschlichen Geistes, der auf sich gestellt den Weg finden muss zwischen dem wahren und dem falschen Weg zur Erkenntnis des Seins.“ Und wie in der Philosophie, so auch im antiken Drama. In vielen der Mythen herrscht ja ein Generationengeschick, das dem Menschen gar keine eigene Freiheit der Entscheidung lässt. Sondern sie binden ihn in ein zwanghaftes Geschehen ein, das er auf tragische Weise erfüllen muss. Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.

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Immanuel Kant ist der bedeutendste Philosoph der Neuzeit

Marcus Willascheks Buch „Kant“ vermittelt einen umfassenden Einblick in die Philosophie Immanuel Kants. In dreißig kurzen Kapiteln stellt der Autor die verschiedenen Themen und Aspekte von Kants Denken vor. Marcus Willascheks Darstellungen sind jeweils verflochten mit biographischen und historischen Miniaturen. Dadurch entsteht ein Bild von Immanuel Kant als Mensch und Philosoph seiner Zeit. Zugleich verdeutlicht Marcus Willaschek die aktuelle Relevanz – und gelegentlich auch die Problematik – seines revolutionären Denkens. Im Vorwort schreibt Marcus Willaschek: „Immanuel Kant ist der bedeutendste Philosoph der Neuzeit, die „Kritik der reinen Vernunft“ ein Meilenstein der Geistesgeschichte. Seit Platon und Aristoteles hat niemand über so viele und unterschiedliche Themen tiefer und innovativer nachgedacht als Kant.“ Marcus Willaschek ist ein international führender Kant-Experte und Professor für Philosophie der Neuzeit an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

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Der Mensch gilt als „Bürger zweier Welten“

Warum macht das Nachdenken über den Menschen es immer wieder nötig, das Offensichtliche seiner Zugehörigkeit zur Natur hervorzuheben? Volker Gerhardt stellt fest: „Vermutlich ist es die im Nachdenken eingenommene reflexive Distanz. Sie lässt es als selbstverständlich ansehen, dass sich das Denken prinzipiell von der Natur unterscheidet.“ Sowohl in ihrer physischen Materialität wie auch in ihrer kausalen Determination steht die Natur der freien Spiritualität des Intellekts in auffälliger Opposition gegenüber. Die Welt scheint spätestens mit dem Auftritt des menschlichen Denkens in zwei Sphären auseinanderzufallen. So hat man sich daran gewöhnt, den Menschen teils als göttlich oder geistig, teils als natürlich anzusehen. Er gilt als „Bürger zweier Welten“. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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Auch künftige Menschen wollen gut leben

Künftige Menschen zählen. Es kann möglicherweise sehr viele von ihnen geben. Und die heute lebenden Menschen können einen Beitrag dazu leisten, dass sie gut leben. William MacAskill erläutert: „Das ist in aller Kürze ein Plädoyer für langfristiges Denken. Die Prämissen sind einfach und nicht besonders strittig. Doch wenn wir sie ernst nehmen, wäre das nicht weniger als eine moralische Revolution.“ Das hätte weitreichende Folgen für das Denken und Handeln von Aktivisten, Forschenden, Politikern, eigentlich für alle Menschen. Künftige Menschen zählen, doch man rechnet sie nur selten mit ein. Sie können nicht wählen und haben keine Lobby. Deshalb haben Politiker keinen Anreiz, sie mit einzubeziehen. Ebenso wenig sind sie auf dem Markt anzutreffen, und deshalb können sie auch nicht mit den heute lebenden Menschen verhandeln. William MacAskill ist außerordentlicher Professor für Philosophie an der Universität Oxford.

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Gerhard Gleißner erklärt den Aufbau der Stoa

Die gesamte Lehre der Stoa umfasst neben der Ethik auch noch die Bereiche der Logik und der Physik. Gerhard Gleißner erläutert: „Die Logik beschäftigte sich mit dem vernünftigen, folgerichtigen Denken, um dadurch neue Erkenntnisse zu gewinnen und Fortschritte zu erzielen.“ Zum anderen sollte man die erworbenen Einsichten und Erkenntnisse ja auch den anderen Menschen mitteilen und vermitteln können. Dafür waren vernünftige sprachliche – rhetorische – Fähigkeiten sehr wichtig. Die Physik versuchte, den Aufbau der Welt beziehungsweise des gesamten Kosmos zu erklären. Anders als bei der heutigen Naturwissenschaft spielte hier zusätzlich die Theologie mit hinein. Die Stoiker bezeichneten diesen Gesamtzusammenhang als „logos“ – Wort, Sinn, Vernunft. Der „logos“ entspricht einer übergeordneten Einheit, auf die alles zurückgeht. Somit haben logische Gesichtspunkte in der stoischen Physik einen festen Platz. Dr. med. Gerhard Gleißner ist seit 2014 als Amtsarzt und Gutachter im öffentlichen Gesundheitsdienst tätig.

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Johannes Gutenberg erfindet den Buchdruck

Die moderne Weise zu denken entstand im Lauf einer Reihe von Krisen. Diese erschütterten ab dem Jahr 1500 Europa und breiteten sich später über die ganze Welt aus. Stefan Klein blickt zurück: „Viele Konflikte dieser Zeit erinnern an die Auseinandersetzungen, die unsere Gesellschaften heute aus dem Gleichgewicht bringen. Globalisierung und die explosive Verbreitung neuer Medien stellten auch damals die soziale Ordnung in Frage.“ Technischer Fortschritt entschied über wirtschaftlichen Erfolg, und die Gewissheiten der Religion galten nicht mehr. So gut wie alle Lebensbereiche veränderten sich. Ausgelöst hatte den Umbruch die bis heute folgenreichste Innovation seit der Antike. Die Anfänge dieser Erfindung liegen im Dunklen. Stefan Klein zählt zu den erfolgreichsten Wissenschaftsautoren der deutschen Sprache. Er studierte Physik und analytische Philosophie in München, Grenoble und Freiburg.

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William MacAskill fordert ein radial neues Denken beim Thema Nachhaltigkeit

Der britische Philosoph William MacAskill fordert in seinem Buch „Was wir der Zukunft schulden“ ein radikal neues Denken beim Thema Nachhaltigkeit. Das Handeln der heute lebenden Menschen muss nicht nur die Konsequenzen für die nächsten Generationen miteinbeziehen, sondern auch die Folgen für die Menschheit in einer weit entfernten Zukunft. William MacAskill schreibt: „Es reicht nicht aus, den Klimawandel einzudämmen oder die nächste Pandemie zu verhindern. Wir müssen sicherstellen, dass sich die Menschheit nach einem Kollaps auch wieder erholt.“ In seinem Buch geht es William MacAskill vor allem um langfristiges Denken. Nämlich um den Gedanken, dass es die oberste moralische Priorität unserer Zeit ist, positiven Einfluss auf die Zukunft zu nehmen. Das langfristige Denken nimmt die Tatsache ernst, dass die Zukunft sehr groß sein kann und bei ihrer Gestaltung sehr viel auf dem Spiel steht. William MacAskill ist außerordentlicher Professor für Philosophie an der Universität Oxford.

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Das Denken entspricht einem Feldsinn

Es gibt keine sinnlosen Gegenstände. Markus Gabriel erklärt: „Sinnlose Gegenstände wären Gegenstände, die in keinem Medium erscheinen, die in keinem Sinn Träger von Informationen wären.“ Einen Zusammenhang von Gegenständen in einem oder mehreren Medien nennt Markus Gabriel ein Sinnfeld. Wenn man so will, könnte man das menschliche Denken entsprechend als einen Feldsinn auffassen. Menschen befinden sich in Sinnfeldern und sind imstande, diese zu erkennen. Die philosophische Theorie, die sich mit der Existenz von Sinnfeldern befasst – also die von Markus Gabriel –, heißt entsprechend die Sinnfeldontologie. Dieser Theorie zufolge gibt es keine nackten Gegenstände, die isoliert vorkommen. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Julian Nida-Rümelin plädiert für ein eigenständiges Denken

„Cancel Culture“ ist ein Reizwort, das die Gesellschaft spaltet. Die einen praktizieren Cancel Culture und weisen entrüstet zurück, dass es sich dabei um eine Form der Zensur handelt. Schließlich könnten nur Staaten Zensur ausüben. Die anderen sehen in der Cancel Culture eine große Gefahr für die Demokratie und verteidigen das freie Wort gegen die „Sprachpolizei“ des linksliberalen Mainstreams. Julian Nida-Rümelin unterzieht dieses Phänomen in seinem Buch „>>Cancel Culture<< - Ende der Aufklärung?“ einer tiefschürfenden Analyse. Tatsächlich ist die Praxis, unliebsame Meinungen zum Schweigen zu bringen, uralt. Julian Nida-Rümelin weiß: „Sie prägt in unterschiedlichen Formen das politische und gesellschaftliche Leben in den meisten Kulturen zu fast allen Zeiten.“ Wenn man sich gegen diese Praxis der Verfolgung Andersdenkender wendet, verteidigt man die Demokratie als ein Projekt der Aufklärung. Julian Nida-Rümelin gehört zu den renommiertesten deutschen Philosophen und „public intellectuals“.

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Das menschliche Denken ist ein Sinn

Das menschliche Denken ist ein Sinn. Markus Gabriel erläutert: „Unser Denksinn setzt uns in Kontakt mit einer Unendlichkeit an Möglichkeiten und Wirklichkeiten, den Sinnfeldern.“ Das Besondere am menschlichen Denksinn besteht darin, dass man mit einer beeindruckend hohen Auflösung die Tiefenstrukturen des Universums ausloten kann. Zudem kann man die Abgründe des Geistes, die Kunstgeschichte, Kreuzworträtsel und vieles Weitere erforschen. Das gelingt den Menschen deswegen, weil die Gegenstände des Denksinns insgesamt logisch strukturiert sind. Jeder Sinn hat spezifische Sinnesqualitäten, Qualia, die er direkt aufnimmt. Menschen hören Töne, sehen Farben, fühlen Wärme, denken Gedanken und so weiter. Seit 2009 hat Markus Gabriel den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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