Ein Ausweg aus de Wachstumsdilemma und der Klimakrise ist möglich

Anders Levermann beschäftigt sich in seinem Buch „Die Faltung der Welt“ unter anderem mit folgender Frage: „Wie ist unendliches Wachstum auf einem begrenzten Planeten möglich?“ In seinem Buch verbindet er Überlegungen aus zwei Welten – den Natur- und den Wirtschaftswissenschaften. Die Begrenztheit der Erde und seiner Ressourcen ist offensichtlich. Ein Dilemma entsteht dann, wenn man davon überzeugt ist, dass eine fortwährende Weiterentwicklung unausweichlich ist. Diese Weiterentwicklung muss darüber hinaus frei von Beschränkungen erfolgen, um tatsächlich effektive Lösungen für neue Herausforderungen zu finden. Dazu möchte Anders Levermann das Narrativ der Faltung anbieten, von dem er glaubt, dass es das Paradigma von unbegrenztem und stetigem Wachstum ersetzen kann. Der Physiker Anders Levermann arbeitet seit mehr als 20 Jahren am Potsdam-Institut für Klimaforschung. Zudem ist er Professor am physikalischen Institut der Universität Potsdam.

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Das Ende des Kalten Krieges ging tendenziell gewaltfrei vonstatten

Nach dem überraschenden Ende des Kalten Krieges, der Europa vier Jahrzehnte lang in Bann gehalten hatte, schien vieles möglich, was zuvor als ausgeschlossen galt. Denn die Umwälzung dieses Ausmaßes ging tendenziell gewaltfrei vonstatten. Zudem konnte ein waffenstarrendes System buchstäblich über Nacht implodieren. Die Politik löste die eben noch schwer bewachten Grenzen mit einer nie erlebten Leichtigkeit auf. Herfried Münkler fügt hinzu: „Die bewaffnete Konfrontation beider Blöcke hatte sich binnen weniger Monate in nichts aufgelöst, und die vormaligen Feindschaften erschienen mit einem Mal als ein einziges großes Missverständnis.“ Von diesem wusste im Nachhinein keiner mehr so recht zusagen, weswegen es eigentlich so lange das politische Denken und Empfinden beider Seiten bestimmt hatte. Herfried Münkler ist emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität. Viele seiner Bücher gelten als Standardwerke, etwa „Imperien“ oder „Die Deutschen und ihre Mythen“.

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Auf der Erde gibt es neun planetare Grenzen

Die Erde setzt dem Lebensstil der Menschen enge Grenzen. Ein Team von Resilienzforschern hat vor rund zehn Jahren erstmals versucht, diese Belastungsgrenzen zu definieren. Dirk Steffens und Fritz Habekuss erläutern: „Es beschrieb neun planetare Grenzen. Wenn wir sie dauerhaft überschreiten, verlassen wir den Bereich, in dem wir sicher leben können. Nicht alle dieser neun Grenzen müssen überschritten werden, um unsere jetzige Zivilisation zu vernichten.“ Eine reicht schon. Ohne genug Süßwasser beispielsweise wäre die Menschheit geliefert. Die acht weiteren Bereiche sind das Ozon, die Versauerung der Ozeane, der Klimawandel, die Luftverschmutzung, die biochemischen Kreisläufe, der Landverbrauch, die Verschmutzung der Erde mit neuartigen Substanzen wie Plastik und die Biodiversität. In ihrem Buch „Über Leben“ erzählen der Moderator der Dokumentationsreihe „Terra X“ Dirk Steffens und Fritz Habekuss, der als Redakteur bei der „ZEIT“ arbeitet, von der Vielfalt der Natur und der Schönheit der Erde.

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Bei der Selbstverteidigung gibt es das Problem der Ungleichheit

Viele der Linken behaupten zwar, an Gewaltlosigkeit zu glauben. Dennoch nehmen sie für die Selbstverteidigung eine Ausnahme in Anspruch. Manche Menschen meinen, dass das eine Selbst verteidigungswürdig ist, das andere aber nicht. Damit stellt sich für Judith Butler das Problem der Ungleichheit, dass sich aus der Rechtfertigung von Gewalt im Dienst der Selbstverteidigung ergibt. Leben zählen in dem Sinn, dass sie in der Sphäre der Erscheinung physisch Gestalt annehmen. Sie zählen auch deswegen, weil sie alle gleich geschätzt werden müssen. Und doch ist die Berufung auf Selbstverteidigung vonseiten derjenigen, die Macht ausüben, allzu oft nichts anderes als die Verteidigung dieser Macht. Gleichzeitig beanspruchen sie damit ihre Vorrechte und die von ihnen vorausgesetzten und geschaffenen Ungleichheiten. Judith Butler ist Maxine Elliot Professor für Komparatistik und kritische Theorie an der University of California, Berkeley.

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Zwänge schränken Freiheiten ein

Viele kommunitaristische Denker neigen zu folgender Ansicht: Eine dominierende gemeinschaftliche Identität sei lediglich eine Sache der Selbsterkenntnis, nicht aber der Wahl. Für Amartya Sen ist es jedoch schwer zu glauben, dass ein Mensch wirklich keine Wahl hat, zu entscheiden, welche relative Bedeutung er den verschiedenen Gruppen beimisst, denen er angehört. Und dass er seine Identitäten lediglich zu entdecken braucht, so als handle es sich um ein rein natürliches Phänomen. In Wirklichkeit treffen alle Menschen ständig Entscheidungen über die Prioritäten, die sie ihren verschiedenen Zugehörigkeiten und Mitgliedschaften beimessen. Die Freiheit, über die persönlichen Loyalitäten und Gruppen, denen man angehört, selbst zu entscheiden, ist eine besonders wichtige Freiheit. Amartya Sen ist Professor für Philosophie und Ökonomie an der Harvard Universität. Im Jahr 1998 erhielt er den Nobelpreis für Ökonomie.

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Kevin Dutton plädiert für eine Welt der Grautöne

Kevin Dutton legt in seinem neuen Buch „Schwarz. Weiß. Denken!“ die evolutionären und kognitionspsychologischen Grundlagen des menschlichen binären Denkens dar. Außerdem zeigt er, wie man den Grautönen wieder zu ihrem Recht verhelfen kann. Kevin Dutton ist sich sicher: „Wenn wir uns unserer Anlagen bewusst werden, können wir künftig nuanciertere und klügere Entscheidungen treffen.“ Der Autor gibt seinen Lesern hervorragende Hilfsmittel an die Hand, die sie vor Beeinflussung schützen und ihnen dabei helfen, selbst überzeugender aufzutreten. Kevin Dutton weist darauf hin, dass das Schwarz-Weiß-Denken unübersehbare gefährliche Folgen hat. Die Unterschiede zwischen gegensätzlichen Meinung vergrößern sich. Zudem gedeihen der Populismus, der Extremismus und der Rassismus in nicht für möglich gehaltener Stärke. Die Fähigkeit der Menschen zu rationalem Denken beginnt zu schwinden. Kevin Dutton ist Forschungspsychologe an der University of Oxford und Mitglied der British Psychological Society.

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Das Phänomen der Grenze verändert sich ständig

Grenzen und Grenzziehungen – konkret oder ideell – sind von Beginn an ein zentrales Wesensmerkmal europäischer Selbstdarstellung. Jürgen Wertheimer erklärt: „Sie sind ein Mittel, um sich von der Umwelt abzusetzen und den eigenen Machtanspruch zu sichern.“ Sie waren es und sind es bis jetzt geblieben. Allerdings ist ihre Definition und Organisation in einem steten Wandel begriffen. Kaum ein anderes Phänomen hat in den vergangenen Jahrzehnten so einschneidende Veränderungen erfahren wie das der Grenze. Im Jahr 1961 wurde eine rigide innerdeutsche Grenze gezogen. Keine dreißig Jahre später fiel die für unüberwindbar gehaltene Mauer ohne nennenswerten Widerstand. Selbst der „Eiserne Vorhang“ erwies sich als Trugbild. Seit 2015 zieht man in Europa, das sich zwischenzeitlich als barrierefreier Inklusionsraum inszeniert hatte, wieder Stacheldrähte und Betonmauern hoch. Jürgen Wertheimer ist seit 1991 Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Komparatistik in Tübingen.

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Die homogene Gesellschaft ist eine Illusion

Die Deutschen leben in einer pluralisierten Gesellschaft. Das ist nicht nur ein relativ neues Faktum. Das ist auch ein unhintergehbares Faktum: Es gibt keinen Weg zurück in eine nicht-pluralisiert, in eine homogene Gesellschaft. Isolde Charim erklärt: „Um die Reichweite und das ganze Ausmaß der Neuheit zu ermessen, muss man sich den „prä-pluralen“ Gesellschaften, also den Gesellschaften Westeuropas vor ihrer Pluralisierung zuwenden.“ Denn diese geben das Vergleichsmodell ab. Diese homogenen Gesellschaften, also diese Gesellschaften einer relativen ethischen, religiösen und kulturellen Einheitlichkeit sind gewissermaßen die Negativfolie. Der Hintergrund, von dem sich die heutige, pluralisierte Gesellschaft abhebt. Diese homogenen Gesellschaften waren nicht einfach da. Sie sind nicht einfach gewachsen, sozusagen natürlich. Die Philosophin Isolde Charim arbeitet als freie Publizistin und ständige Kolumnistin der „taz“ und der „Wiener Zeitung“.

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Grenzkontrollen sind staatliche Machtpolitik

In der heutigen globalen Staatengesellschaft ist das Europa der offenen Grenzen ein Sonderfall. Mit den Worten von Hans-Peter Schwarz könnte man auch sagen: „Es war und ist ein Großexperiment mit höchst ungewissem Ausgang.“ Der völkerrechtliche Normalfall sind nicht offene Staatsgrenzen, sondern mehr oder weniger wachsam kontrollierte Landesgrenzen. Immer noch ist ein Staat mit Territorialhoheit und allein von ihm selbst kontrollierten Grenzen der Regelfall. Auf diesen haben sich die rund 200 Mitglieder der Staatengesellschaft mit ihren heterogenen Regimen geeinigt. Nach den schrecklichen Erfahrungen, welche die Völker Europas in endlosen Kriegen um Territorien – und damit auch um die geheiligten Staatsgrenzen – gemacht hatten, war es kein Wunder, dass nach dem Zweiten Weltkrieg die Vision eines Europas ohne Grenzen an Strahlkraft gewann. Hans-Peter Schwarz zählt zu den angesehensten Politologen und Zeithistorikern in Deutschland.

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Humor ist ein Gegengift gegen Fanatismus

Die Hälfte der von der Menschheit erzählten Witze stützt sich auf nationale, ethische, religiöse, soziale oder sexuelle Beleidigungen. Timothy Garton Ash weiß: „Seit mindestens 2500 Jahren genießen Komödie und Satire eine besondere Freiheit, die Grenzen von Zivilität, Anstand und Schicklichkeit zu überschreiten. Und schon genauso lange versuchen die Mächtigen den satirischen Geist zu unterdrücken.“ Humor wirkt entspannend wie ein Sicherheitsventil. Er bietet die Möglichkeit, über Dinge zu sprechen, über die man sonst schweigt. Und er ist ein unschätzbar wertvolles Gegengift gegen jeden Fanatismus. Der israelische Schriftsteller Amos Oz stellte einmal fest: „Ich habe niemals in meinem Leben einen Fanatiker mit Humor gesehen.“ Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.

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Die Pflicht des Vergebens gilt nicht für das Böse

Die Philosophin Hannah Arendt vertritt die Meinung, verstimmte Verbrechen von der Möglichkeit des Verzeihens auszuschließen: „Zweifellos bildet die Einsicht >Denn sie wissen nicht, was sie tun< den eigentlichen Grund dafür, dass Menschen einander vergeben sollen; aber gerade darum gilt auch diese Pflicht des Vergebens nicht für das Böse, von dem der Mensch im Vorhinein weiß, und sie bezieht sich keineswegs auf den Verbrecher.“ Während für den französischen Philosophen Jacques Derrida nur das Unverzeihbare Gegenstand des Verzeihens ist, zieht Hannah Arendt genau den entgegengesetzten Schluss: Das Unverzeihliche mag rufen, so viel es will – verziehen wird es nicht. Svenja Flaßpöhler ergänzt: „Damit bleibt Arendts Begriff des Verzeihens innerhalb der Grenzen der Rationalität: Was jenseits der Grenzen liegt, ist nicht mehr verzeihbar.“ Svenja Flaßpöhler ist promovierte Philosophin und stellvertretende Chefredakteurin des „Philosophie Magazin“.

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Computer lösen keine Aufgaben durch Klugheit

Computer sind noch weit davon entfernt, das zu können, was Menschen können. Der Menschheit bleiben immer noch einige Jahrzehnte, bis die künstliche Intelligenz an die der Menschen heranreichen könnte. Timothy Garton Ash stellt fest: „Viel grundsätzlicher aber müssen wir uns fragen, was wir wollen, was Computer tun – nicht, was sie tun können.“ Der Computerwissenschaftler Joseph Weizenbaum, der das sprechende Computerprogramm „Eliza“ entwickelt hat, schreibt in seinem später verfassten Buch „Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft“. Die Grenzen dessen, was Menschen von Computern erwarten, sind nach ethischen und nicht nach technischen oder mathematischen Gesichtspunkten zu ziehen. Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.

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Die universalen Menschenrechte gelten nicht überall auf der Welt

Die Aufgabe der Grenze, zu ordnen und zu kontrollieren, sichert gegenwärtig insbesondere eine geordnete Zuwanderung. An der deutschen Grenze hat der Deutsche einen Anspruch auf Einreise und ein Bleiberecht. Der Nichtdeutsche hat dieses Recht grundsätzlich nicht. Paul Kirchhof erläutert: „Diese rechtliche Unterscheidung folgt dem Demokratieprinzip, das den Staatsbürgern in ihrem Gebiet Existenz, freiheitliche Entfaltung und politische Mitwirkung sichert, den Zugang anderer zu diesem Staatsgebiet von der Aufnahmebereitschaft der Staatsbürger abhängig macht, kulturelle Eigenheiten und Prinzipien des friedlichen Zusammenlebens geordnet für andere Kulturen und Lebenssichten öffnet.“ Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Als Richter des Bundesverfassungsgerichts hat er an zahlreichen, für die Entwicklung der Rechtskultur der Bundesrepublik Deutschland wesentlichen Entscheidungen mitgewirkt.

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Grenzkontrollen gehören wieder zum europäischen Alltag

Es gibt Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Österreich, zwischen Dänemark und Schweden, zwischen Frankreich und Belgien. Was vor wenigen Jahren noch undenkbar schien, gehört mittlerweile wieder zum europäischen Alltag. Konrad Paul Liessmann stellt fest: „Das Verschwinden der Grenzen war offenbar nur von kurzer Dauer, Grenzen treten wieder ins allgemeine Bewusstsein, und damit auch die Frage nach deren Sinn und Funktion.“ Die Flüchtlingsströme des Jahres 2015, die ohne Kontrolle und Registrierung durch Europa zogen, galten den einen dann auch als Symbol für einen grenzenlosen, offenen, humanisierten Kontinent, den anderen als Indiz dafür, dass dieser Kontinent im Begriff war, sich vor einer unkontrollierten Wanderungsbewegung überrollen zu lassen und damit aufzugeben. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Gute Erziehung ist weder streng noch liberal

Auch der Bereich der Erziehung – ob in der Familie, der Kita oder anderswo – ist bekanntlich keine konfliktfreie Zone. Nicht zuletzt ist gerade aggressives Verhalten von Kindern immer wieder ein Thema für pädagogische Diskussionen. Hans-Peter Nolting stellt fest: „Wenn Kinder sich rücksichtslos verhalten oder als kleine Tyrannen aufspielen, wird in breitem Konsens vor allem ein Erziehungsprinzip hervorgehoben: Man muss Kindern Grenzen setzten.“ Das stimmt sicherlich, dennoch ist mit dieser Einsicht nicht viel gewonnen. Zum einen kommt es sehr darauf an, auf welche Weise man Grenzen setzt, denn zuweilen geschieht das mit Methoden, die das Problem eher noch verschärfen. Dr. Hans-Peter Nolting beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkreis Aggression und Gewalt, viele Jahre davon als Dozent für Psychologie an der Universität Göttingen.

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Stefan Brunnhuber entwickelt ein Modell der Offenen Gesellschaft

Die Offene Gesellschaft steht in Konkurrenz und im Wettstreit mit anderen Formen des Zusammenlebens, etwa autokratischen Systemen, Neonationalismen und auch anderen Formen von Demokratien, in denen die Stabilität wichtiger ist als die Partizipation. In seinem neuen Buch „Die Offene Gesellschaft“ entwickelt Stefan Brunnhuber Karl Poppers Konzept der „offenen Gesellschaft und ihrer Feinde“ weiter und plädiert für eine Ordnung der Freiheit, welche die Voraussetzung dafür bildet, dass die Menschen auch morgen noch das Leben führen können, das eine große Mehrheit in Staaten, in denen eine Demokratie herrscht, befürwortet. Diese Freiheit erscheint umso bedeutender, da sich viele gesellschaftliche Bereiche, die als offen galten, sich wieder zunehmend verschließen. Der Ökonom und Psychiater Stefan Brunnhuber ist ärztlicher Direktor der Diakonie Kliniken in Sachsen. Außerdem lehrt er Psychologie und Nachhaltigkeit an der Hochschule Mittweida.

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Christian Schüle untersucht die Sehnsucht nach Identität

In einer Epoche des Verlustes von Grenzen mag die Sehnsucht nach Identität vor allem ein Verlangen nach Leiblichkeit in einer Welt sein, die sich im Zuge der Globalisierung zugleich entleiblicht. Christian Schüle erläutert: „Heimat ist immer auch Raum-Philosophie – die Philosophie einer spürbaren, in ihren Grenzen erfahrbaren Identität. Die Klärung dessen, was unter zeitgemäßer Identität zu verstehen sein könnte, ist mittlerweile zu einem globalen Desiderat geworden.“ Was aber begründet nationale Identität? Sprache? Sitte? Tradition? Vermutlich von allem etwas. Die Meinungsforscher des amerikanischen Pew Research Centers bestätigen, dass 80 Prozent der 2016 von ihnen Befragten Europäer der Auffassung sind, nationale Identität erfordere die Kenntnis der Landessprache. Seit dem Sommersemester 2015 lehrt Christian Schüle Kulturwissenschaft an der Universität der Künste in Berlin.

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Die Besonnenheit macht das eigene Denken überprüfbar

Es geht in der Besonnenheit darum, eine Pause zu machen, aber nicht, um sich dabei in einen Zustand des Nichtdenkens zu katapultieren, um dann kurze Zeit später den Hebel wieder umzulegen, sondern darum, in diesem Moment der Pause, des Anhaltens, die Freiheit zurückzuerlangen, sich einen eigenen Blick auf die Dinge zu ermöglichen, um von dort aus das eigene Denken und Handeln überprüfbar zu machen. Ina Schmidt erläutert: „Herder spricht damit dem Menschen die Fähigkeit zu, Grenzen zu ziehen, Prozesse zu verändern oder zu beenden, letztlich nein sagen zu können. Anders als die Idee der Achtsamkeit, die die Übereinstimmung mit dem gegenwärtigen Moment anstrebt, geht es der Besonnenheit also um eine Form des Innehaltens. Ina Schmidt gründete 2005 die „denkraeume“, eine Initiative, in der sie in Vorträgen, Workshops und Seminaren philosophische Themen und Begriffe für die heutige Lebenswelt verständlich macht.

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Die Politik muss die gesellschaftlichen Werte schützen

Georg Pieper vertritt die These, dass beim Thema Werte zunächst einmal die Politik gefragt ist. Die Werte zu schützen ist ihre große Aufgabe: „Politiker müssen unmissverständlich vermitteln, dass Werte wie Demokratie, Akzeptanz des Andersartigen, Freiheitsrechte oder Gleichberechtigung unantastbar sind und absolute Gültigkeit haben.“ Sie müssen Regeln formulieren und deutlich machen, dass diese Regeln von jedem Einzelnen einzuhalten sind. Hier sind nach der Überzeugung von Georg Pieper Klarheit und Konsequenz gefragt. Sowohl was den Umgang mit Gruppierungen und Bewegungen angeht, welche die Werte in Deutschland in Frage stellen oder sogar bekämpfen, als auch im Zusammenleben mit Geflüchteten, die eine andere Sozialisation als die Deutschen haben. Das konsequente Eintreten des Staates für die Grundwerte des Zusammenlebens gibt den Bürgern ein Sicherheitsgefühl und psychischen Halt und Orientierung. Dr. Georg Pieper arbeitet als Traumapsychologe und ist Experte für Krisenintervention.

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Migrantion ist das beherrschende Phänomen der Gegenwart

Kein Mensch wird absichtlich heimatlos. Vermutlich keiner verlässt gerne den Ort, an dem die Vorfahren gelebt und gestorben sind. Christian Schüle erläutert: „Wer migriert, hat fast immer seine Heimat verloren oder war gezwungen, sie zu verlieren.“ Ihm wurde die Heimat genommen, durch Krieg, Gewalt, Dürre, Hunger, Verfolgung, Vergewaltigung, Verstoßung. Sein Zuhause ist von da an die Unbehaustheit, sein Habitat die Heimatlosigkeit. Das Selbstverständnis eines Fliehenden besteht in seiner Vertriebenheit. Migration ist das beherrschende Phänomen der Gegenwart, und der Flüchtling das traurige Extrem erzwungener Wanderungsbewegungen. Heimat richtet heute an jeden Einzelnen die Frage, wie er mit Fremdheit umgehen kann und will und was er, bezogen auf das Fremde, unter dem Eigenen versteht. Seit dem Sommersemester 2015 lehrt Christian Schüle Kulturwissenschaft an der Universität der Künste in Berlin.

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Die klassischen politischen Institutionen sind in Gefahr

Die Demokratie gibt es seit rund 2500 Jahren, aber in unterschiedlicher Gestalt. Von der überschaubaren Herrschaft der Bürger, wie sie die antike Polis zeitweilig bestimmte, über die römische res publica bis zu den neuzeitlichen Formen des Parlamentarismus wandelte sich die Gestalt einer Idee, die, und das scheint entscheidend, Politik als eine öffentliche, gemeinsame Angelegenheit und Herrschaft, als eine vom Volk legitimierte und kontrollierte Form der begrenzten Machtausübung verstanden hatte. Heute ist die Demokratie laut Konrad Paul Liessmann in Gefahr: „Wir beobachten nicht nur eine Erosion und Schwächung klassischer demokratischer Institutionen, sondern überhaupt die Verdrängung des Politischen durch die Interessen der Ökonomie.“ Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Andreas Salcher beschreibt das ganze Leben in einem Tag

Andreas Salcher beschreibt in seinem neuen Buch „Das ganze Leben in einem Tag“ die Methode, die eigene Existenz in einem Tag zu betrachten. Denn das eröffnet dem Betrachter ungeahnte Möglichkeiten: Er kann jeden Tag neu entscheiden, wohin er sich weiterentwickeln will. Alle wichtigen Themen, die normalerweise langsam über Jahre reifen, und Ereignisse, die sich über lange Zeiträume aneinanderreihen, werden mit einem Mal aus neuer Perspektive erlebbar. Die in 24 Stunden beschriebenen Lebensthemen ermöglichen es dem Leser, wie ein Forscher auf sein Leben zu schauen. Andreas Salcher schreibt unter anderem über den erkennenden Menschen, der seinen Verstand zu nutzen weiß; den suchenden Menschen, der über seine Existenz hinausdenkt; den verzeihenden Menschen, der mit sich und seinen Mitmenschen im Reinen ist. Dr. Andreas Salcher ist Unternehmensberater, Bestseller-Autor und kritischer Vordenker in Bildungsthemen.

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Selbstbestimmt zu leben entspricht nicht der Norm

Das Industriezeitalter und die damit verbundenen Kultur der engen Vorschriften, strikten Hierarchien und dumpfen Routinearbeit ist längst mausetot. Heute existiert ein weit offener Raum an möglichen Arbeits- und Lebensformen. Es ist eine Zeit des Aufbruchs und der Veränderung angebrochen. Anja Förster und Peter Kreuz erklären: „Und hier kommen die Menschen ins Spiel, die ihre Freiheit annehmen und auf ihre Selbstbestimmung setzen. Sie hinterfragen die ausgediente Wertewelt eines längst vergangenen Zeitalters und akzeptieren die engen Grenzen nicht mehr.“ Jede Gesellschaft braucht dringend Erneuerer, die nach praktikablen Wegen für eine neue Zeit suchen. Sie braucht Persönlichkeiten, die Neues vorantreiben. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass das alte Denken auf dem Rückzug ist. Anja Förster und Peter Kreuz nehmen als Managementvordenker in Deutschland eine Schlüsselrolle ein.

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Hilfe für andere stabilisiert die eigene Psyche

Wer sich weniger hilflos fühlen will, hilft sich selbst, indem er anderen hilft. Georg Pieper erläutert: „Das Bewusstsein, ich bin solidarisch, ich setze mich dafür ein, dass wir diese Situation gemeinsam meistern, lässt die eigene Angst und das eigene Ohnmachtsgefühl in den Hintergrund treten.“ Wer anderen hilft und sie unterstützt, stabilisiert damit gleichzeitig seine eigene Psyche. Besonders beeindruckend findet Georg Pieper in diesem Zusammenhang die Geschichte des berühmten österreichischen Neurologen und Psychiaters Viktor Frankl, der 1942 von den Nationalsozialisten deportiert und Gefangener in mehreren Konzentrationslagern war. In seinem Buch über diese furchtbare Zeit erzählt er immer wieder von seinem starken inneren Bedürfnis, Mitgefangene zu unterstützen und sich um sie zu kümmern, denen es noch schlechter ging als ihm selbst. Der Psychologe, Therapeut und Traumaexperte Georg Pieper betreut seit Jahrzehnten Menschen nach extremen Katastrophen.

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Das römische Weltreich herrschte über Jahrhunderte

Das Erstaunliche an der Geschichte des römischen Weltreichs ist, wie lange es Bestand hatte. Nach der Krise der Republik und dem Bürgerkrieg waren mit Errichtung der monarchischen Ordnung die Grundlagen für sein Überleben für weitere Jahrhunderte gelegt. Bernd Roeck weiß: „Bis in die Regierungsjahre Marc Aurels (161 – 180 n. Chr.) war ihm allein das Partherreich als ernstzunehmender Gegner geblieben.“ In diesem Sinn war es ein „Weltreich“. Marionettenherrscher und Klientelkönige zwischen Schwarzem Meer und Nordafrika halfen, vor den Grenzen Pufferzonen zu schaffen. Die Kaiser mochten Monster wie Nero oder Musterherrscher wie Trajan (98 – 117) sein, über ihren Wechsel hinweg stabilisierte den Staat eine alles in allem gut funktionierende Maschinerie der Verwaltung. Bernd Roeck ist seit 1999 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Zürich und einer der besten Kenner der europäischen Renaissance.

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