Das Internet gilt als Klimakiller

Wenn das Internet ein Land wäre, gehörte es zu den Top Ten der Energieverbraucher, in einer Liga mit Staaten wie den USA, China, Indien, Russland, Japan oder Deutschland. Dirk Steffens und Fritz Habekuss wissen: „Und während in vielen Wirtschaftsbereichen langsam – zu langsam! – der Energiebedarf zu sinken beginnt, wächst der Energiehunger der digitalen Welt um neun Prozent pro Jahr.“ Allein die Streamingdienste sind für etwa 300 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr verantwortlich. Das entspricht immerhin fast einem Drittel der Emissionen des globalen Luftverkehrs. So gesehen sind Katzenvideos fast so klimaschädlich wie Flugreisen. In ihrem Buch „Über Leben“ erzählen der Moderator der Dokumentationsreihe „Terra X“ Dirk Steffens und Fritz Habekuss, der als Redakteur bei der „ZEIT“ arbeitet, von der Vielfalt der Natur und der Schönheit der Erde.

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Die sozialen Medien können ihr Glücksversprechen nicht einhalten

Im Jahr 2020 nutzten mehr als 3,6 Milliarden Menschen soziale Medien. Ein Blick auf ihre Bedeutung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und für die Stärkung von Empathie gegenüber der Natur ist daher unvermeidlich. Joachim Bauer stellt fest: „Das Versprechen, das die Social-Media-Plattformen ihren Nutzern machen, ist die zwischenmenschliche Verbundenheit.“ Man programmierte ihre digitale Architektur bewusst so, dass sie in maximal effizienter Weise das neurologisch verankerte Bedürfnis des Menschen anspricht. Nämlich mit anderen verbunden zu sein, also einerseits gehört und gesehen zu werden und andererseits sich selbst Ausdruck verleihen zu können und Gehör zu finden. Obwohl sie die Sehnsucht nach sozialer Verbundenheit offensichtlich in hohem Maße erfolgreich ansprechen, scheinen die sozialen Medien ihr Glücksversprechen jedoch nicht einhalten zu können. Prof. Dr. Med. Joachim Bauer ist Neurowissenschaftler, Psychotherapeut und Arzt.

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Lügen sind von Fakten schwer zu unterscheiden

Die alten Printmedien und Sendeanstalten öffneten den Raum für ein homogenes nationales Gespräch. Anne Applebaum kritisiert: „In vielen Demokratien gibt es heute keine gemeinsame Debatte mehr, von einer gemeinsamen Erzählung ganz zu schweigen.“ Menschen hatten immer unterschiedliche Ansichten. Heute haben sie unterschiedliche Tatsachen. In einer Informationssphäre ohne politische, kulturelle oder moralische Autorität ist es schwer, Verschwörungstheorien von Fakten zu unterscheiden. Falsche, parteiliche und oftmals bewusst irreführende Erzählungen verbreiten sich heute wie digitale Lauffeuer. Und die Lügenkaskaden sind zu schnell, als das Faktenchecker noch mithalten könnten. Und selbst wenn sie es könnten, spielt das keine Rolle mehr. Viele Menschen würden niemals eine Website von Faktenchecker besuchen, und wenn doch, dann würden sie ihnen keinen Glauben schenken. Anne Applebaum ist Historikerin und Journalistin. Sie arbeitet als Senior Fellow an der School of Advanced International Studies der Johns Hopkins University.

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Es gibt wenig Toleranz in der Demokratie

In den offenen Gesellschaften des Westens glauben viele Menschen mit einer gewissen Selbstgefälligkeit an die Toleranz für widerstreitende Standpunkte. Doch die Bandbreite dieser Standpunkte war in der jüngeren Geschichte stark eingeschränkt. Anne Applebaum weiß: „Seit 1945 fanden die Diskussionen vor allem zwischen Positionen rechts und links der Mitte statt. Entsprechend schmal war das Spektrum an möglichen Wahlergebnissen. Vor allem in Gesellschaften wie den skandinavischen, die stets auf Konsens bedacht waren.“ Aber selbst in den hemdsärmeligeren Demokratien war das Spielfeld relativ klar vorgegeben. In den Vereinigten Staaten ließ der Kalte Krieg in der Außenpolitik Einigkeit der beiden Lager entstehen. Anne Applebaum ist Historikerin und Journalistin. Sie arbeitet als Senior Fellow an der School of Advanced International Studies der Johns Hopkins University.

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Ethische Entscheidungen sind schwer zu treffen

Wenn man schwierige ethische Entscheidungen treffen muss, ist die Sachlage meist unklar. Das betrifft insbesondere Personen in moralisch anspruchsvollen und verantwortungsvollen Berufen, etwa Ärzte, Klinikdirektoren und Politiker. Markus Gabriel erklärt: „Die Corona-Krise hat uns dies in manchen Ländern in voller Härte vor Augen geführt.“ Teilweise musste darüber entschieden werden, wer leben darf und wer eventuell sterben muss. Entscheidungen, die viele Menschen traumatisieren werden. Diese Notsituation offenbart nur, was auch durchweg der Fall ist. Denn die Ressourcen auf der Erde sind knapp und werden durch internationale Politik und die globalen Produktionsketten der Wohlstandsgesellschaft gesteuert. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Auch die Guten lügen

Zeitgenossenschaft bedeutet, sich tastend dem anzunähern, was die Zeit, in der man lebt, ausmachen könnte. Konrad Paul Liessmann unternimmt in seinem Buch „Lauter Lügen“ mit seinen Texten solche Annäherungsversuche. Bei dieser Aufgabe, von markanten Vorkommnissen auf den Geist der Zeit zu schließen oder in manchen Nachrichten die Signaturen der Epoche zu erkennen, bewegt man sich stets auf schwankendem Boden und dünnem Eis. Es gibt nicht wenige Menschen, die die Gegenwart als postfaktisches Zeitalter bezeichnen. Konrad Paul Liessmann stellt fest: „Ungeniert können Populisten Lügen verbreiten, ihre Anhänger wissen das und jubeln trotzdem oder vielleicht gerade deshalb.“ Das ist jedoch nicht verwunderlich, denn in der Politik geht es nicht um Wahrheit, sondern um Machtfragen. Konrad Paul Liessmann ist Professor emeritus für Philosophie an der Universität Wien, Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist.

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Johannes Gutenberg revolutioniert die Kommunikation

Mitten in Europa, in Mainz, liegt der Geburtsort des Buchdrucks. Johannes Gutenbergs Erfindung von beweglichen Lettern, ab 1450 angewandt, revolutionierte die Kommunikation. Sie veränderte die Lebenswelt der Menschen und breitete sich über die ganze Welt aus. Edgar Wolfrum stellt fest: „Gutenbergs Buchdruck kann mit Fug und Recht als eine der bedeutendsten Erfindungen der Menschheitsgeschichte des letzten Jahrtausend bezeichnet werden.“ Mit der rasanten Entwicklung des Internets scheint nun allerdings das Gutenberg-Zeitalter seinem Ende entgegenzugehen. Die neue Art der Informationsverbreitung und Kommunikation beruht auf der von Millionen von Computern. Viele bezeichnen sie bereits als „Turing-Galaxis“. Benannt nach einem der wichtigsten Wegbereiter der Computertechnologie, dem britischen Mathematiker Alan Turing (1912 – 1954). Edgar Wolfrum ist Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Heidelberg.

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Johannes Gutenberg erfindet den Buchdruck

Im Jahr 1450 erfindet Johannes Gutenberg den Buchdruck und löst damit eine Revolution der schriftlichen Kommunikation aus. Diese kommt an Wirkmächtigkeit dem durch das Internet und die elektronischen Medien ausgelösten Umbruch gleich. Im Jahr 1453 läutet die Eroberung Konstantinopels durch das türkische Heer das Ende des oströmisch-byzantinischen Reiches ein. Dies führt zu einer Neuorientierung Europas in Richtung Westen. Jürgen Wertheimer ergänzt: „1492: Kolumbus entdeckt Amerika und löst damit einen Prozess aus, der die globalen Machtverhältnisse dauerhaft verändern wird. Europa übernimmt in der Folgezeit das Kommando über die Welt.“ „Kein Reich, keine Religion, kein Stern hatte größeren Einfluss auf die menschlichen Angelegenheiten als Buchdruck, Schießpulver und Kompass“, jubelte Francis Bacon 1620 in seinem „Novum Organum“. Jürgen Wertheimer ist seit 1991 Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Komparatistik in Tübingen.

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Rechte Parteien verbrüdern sich

Bis vor Kurzem arbeiteten die Führungen der nationalistischen und identitäre Parteien Europas kaum zusammen. Anders als die Christdemokraten und Konservativen, die mit ihrer Zusammenarbeit die Europäische Union schufen, sind die nationalistischen Parteien in ihrer jeweils eigenen Geschichte verwurzelt. Anne Applebaum weiß: „Die französischen Rechte hat ihre fernen Ursprünge im Vichy-Regime. Die nationalistische Rechte Italiens stand lange unter dem Einfluss der geistigen Erben von Benito Mussolini.“ Darunter befand sich auch die Enkelin des Diktators. Die polnische PiS begründet sich im Flugzeugabsturz von Smolensk und ihrem eigenen historischen Wahn. Versuche der Verbrüderung scheiterten oft an alten Streitfragen. Die Beziehung zwischen der italienischen und der österreichischen Rechten ging in die Brüche, als die Rede auf die Zugehörigkeit von Südtirol kam, das früher österreichisch war. Anne Applebaum ist Historikerin und Journalistin. Sie arbeitet als Senior Fellow an der School of Advanced International Studies der Johns Hopkins University.

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Menschen wollen sich das Leben leichter machen

Der Einfallsreichtum des Menschen zeigt sich in Kunstwerken, Musik und Geschichten. Er lässt sich aber auch an Dingen ablesen, mit denen er sich umgibt. Heute ist es für viele Menschen selbstverständlich, bereits in der eigenen Wohnung Zugriff auf Tausende verschiedener Gegenstände zu haben. Stefan Klein fügt hinzu: „Die meisten dieser Objekte beachten wir kaum. Wir lagern sie in irgendeinem Winkel und erinnern uns nur unter besonderen Umständen an sie.“ Selbst ein Werkzeugkasten ist ein Monument der schöpferischen Intelligenz. Auf solche Zeugnisse der Kreativität stößt man, wohin man in der heutigen Welt nur schaut. Es scheint, als sei dem Menschen ein Drang angeboren, sich mit Einfällen das Leben leichter und interessanter zu machen. Stefan Klein zählt zu den erfolgreichsten Wissenschaftsautoren der deutschen Sprache. Er studierte Physik und analytische Philosophie in München, Grenoble und Freiburg.

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Ein Sturm aus Wissen fegt über die Menschen

Bibliotheken sind Monumente der Ära des Wissens. Ihr Umfang lässt erkennen, dass über die Menschen ein Sturm aus Wissen hereingebrochen ist, mit dem sie erst lernen müssen zu leben. Ille C. Gebeshuber fügt hinzu: „Um in der Welt des Wissensüberangebots zu überleben, haben die modernen Menschen sich anpassen müssen. Sie haben dazu spezielle Strategien entwickelt. Die wichtigste davon ist das Ausblenden von Informationen.“ Zudem haben viele Menschen gelernt, sehr schnell und selektiv zu lesen. Eine Kunst, die nicht einfach ist und dabei auch in Kauf nimmt, dass so manches übersehen wird. Fehlen dann Informationen, ist dies oft kein Problem, denn die heute gezielte Suche im Internet fördert sie schnell zu Tage. Ille C. Gebeshuber ist Professorin für Physik an der Technischen Universität Wien.

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Die Technik ist mit sozialen Praktiken verknüpft

Wie in einer Gesellschaft gehandelt und gefühlt, wie produziert, geherrscht, kommuniziert und imaginiert wird, ist entscheidend von den Formen der Technik und Technologie beeinflusst, über die sie verfügt. Andreas Reckwitz schränkt ein: „Natürlich determiniert die Technik soziale Strukturen nicht in einem strengen Sinne.“ Vielmehr sind die technischen Artefakte immer mit sozialen Praktiken verknüpft, die sie sich auf eine spezifische Weise zu Eigen machen. Artefakte und Artefaktsysteme stellen materielle Angebotsstrukturen dar. Sie bieten einen Spielraum vielfältiger, aber nicht beliebiger Verwendungsweisen. Sie entwickelten sich vom Rad bis zur Schrift und Buchdruck. Die Entwicklung schreitet voran vom einfachen Werkzeug bis zur industriellen Produktion, von der Biotechnologie bis zur Computersoftware. Zu Recht gilt die moderne Gesellschaft im historischen Vergleich als eine genuin technische Kultur. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

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Das Internet kennt keine Gnade

Viele Bürger glauben, dass es heute ein bisschen riskanter ist als früher, sich in der Öffentlichkeit zu Wort zu melden. Roger de Weck stellt fest: „Denn das Netz kennt keine Gnade und alle Willkür. Es wechselt nahtlos von der Kritik zur Fertigmache, ganz ohne Proportionen skandaliert es Belangloses, während es Belangvolles ignoriert.“ Der öffentliche Raum kann sich in einen Strafraum verwandeln. Und als die wüstesten, gemeingefährlichsten haben sich rechte Shitstorms erwiesen. Vor allem sind Kulturkämpfer zugleich empfindlich und unerbittlich. Althergebrachte Verteilungskämpfer sind hat im Nehmen, hart im Geben. Mitten in einer Tarifrunde sparen Arbeitgeber und Gewerkschafter nicht mit Schelte und Kraftausdrücken. Stets sind sie dabei aber auf dem Weg zum Kompromiss. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom. Zudem lehrt er als Gastprofessor am College of Europe in Brügge.

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Rüdiger Maas beschreibt eine lebensunfähige Generation

Rüdiger Maas weist in seinem neuen Buch „Generation lebensunfähig“ darauf hin, dass jedes vierte Kind in Deutschland unglücklich ist. Rund 25 Prozent der Kinder haben Schwierigkeiten, Freunde zu finden und berichten von depressiven Symptomen. Während der Coronapandemie wurde die Misere noch verschärft. Rüdiger Maas schreibt: „Betrachtet man den Online- und Social-Media-Konsum während der Coronapandemie von Kindern und Jugendlichen, kann man nur staunen. Jugendliche waren während der Pandemie durchschnittlich 70,4 Stunden pro Woche online.“ Oder in anderen Worten: 42 Prozent ihres Tages verbringen Jugendliche in der Online-Welt. Jüngere können sich mittlerweile eine Welt ohne Internet und Smartphone gar nicht mehr vorstellen. Rüdiger Maas beunruhigt diese Entwicklung. Denn Internetsüchtige sind ein weit verbreitetes, aber noch wenig beachtetes Krankheitsbild. Rüdiger Maas studierte in Deutschland und Japan Psychologie. Er ist Gründer und Leiter eines Instituts für Generationenforschung.

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Der Markt regelt Angebot und Nachfrage

Nicht nur Wirtschaftstheoretiker, sondern auch Philosophen setzen sich für den Wettbewerb ein. In der Neuzeit etwa von Montesquieu über David Hume und Condorcet bis Immanuel Kant. Montesquieu spricht im „Esprit des Lois“ (Geist der Gesetze, 1748) von der zivilisierenden Kraft des „sanften Handels“. Denn dieser löst den Krieg der Leidenschaften durch den Kompromiss zwischen divergierenden Kräften ab. Otfried Höffe ergänzt: „Und nach Kant ist der Mensch dazu bestimmt, alle seine auf den Vernunftgebrauch abzielenden Naturanlagen vollständig zu entwickeln. Das geschieht wiederum außer durch gezielte Förderung mittels eines Wettbewerbs. Denn dieser erweckt „alle Kräfte des Menschen. Er bringt ihn dahin, seinen Hang zur Faulheit zu überwinden und, getrieben durch Ehrsucht, Herrschsucht oder Habsucht, sich einen Rang unter seinen Mitgenossen zu verschaffen“.“ Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Die Gegenwart ist unbehaglich

Im Grunde, und hier teilt Daniel Goeudevert die Auffassung der Bewegung Fridays-for-Future, ist gar kein Expertenwissen nötig, um die offensichtliche Probleme der Gegenwart zu erkennen. Dann könnte man auch über deren Ursachen nachdenken. Jeder und jede ist zum Nachdenken aufgefordert. Man müsste dabei nur bereit sein, persönliche Interessen und Neigungen einmal hintanzustellen. Es ist aber gar nicht leicht, von den eigenen Wünschen und Vorlieben, Vorstellungen und Gewohnheiten abzusehen. Von den echten Bedürfnissen will Daniel Goeudevert in diesem Zusammenhang gar nicht sprechen. Denn die meisten Menschen können kaum noch zwischen Konsumwünschen und Bedürfnisbefriedigung unterscheiden. Sie haben die Konsummentalität so verinnerlicht, dass sie gewissermaßen zum Teil der Maschinerie geworden sind. Daniel Goeudevert war Vorsitzender der deutschen Vorstände von Citroën, Renault und Ford sowie Mitglied des Konzernvorstands von VW.

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Die Demokratie braucht keine Nachrichtenflut

Interessanterweise lebten die geistigen Väter der modernen Demokratie wie Jean-Jacques Rousseau, David Hume, John Locke und Montesquieu in einer Zeit vor der Nachrichtenschwemme. Dennoch gab es damals einen gehaltvollen politischen Diskurs. Einerseits wurde er über Bücher, Pamphlete, Essays, Debattierklubs und öffentliche Versammlungen geführt. Anderseits schossen überall politische Salons aus dem Boden, die zu einem lebhaften politischen Diskurs beitrugen. Interessanterweise führten diese Begegnungsstätten meist Frauen. Rolf Dobelli fügt hinzu: „Die großen demokratischen Umwälzungen der letzten vierhundert Jahre brauchten keine Tagesschau, keine Nachrichtenportale und keine News-Feeds.“ Dazu zählen die Amerikanische Revolution, die Französische Revolution, die Revolutionen von 1848 und der Fall der DDR. Der Bestsellerautor Rolf Dobelli ist durch seine Sachbücher „Die Kunst des klaren Denkens“ und „Die Kunst des klugen Handelns“ weltweit bekannt geworden.

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Der Kampf um die Wortmacht hat begonnen

Ohne dass viele Menschen es überhaupt bemerken, stecken sie mitten in einem großen Kampf. Dabei geht es um die Form, die Bedingungen und die Grenzen der globalen Redefreiheit. Sowohl in den Smartphones in ihren Taschen und vielleicht auch in ihren Köpfen. Timothy Garton Ash nennt dieses Ringen den Kampf um die Wortmacht. Wie das Wort „Rede“ in „Redefreiheit“ schließt der Begriff „Wort“ in „Wortmacht“ offensichtlich viel mehr mit ein als nur Worte. Timothy Garton Ash erklärt: „Er umfasst auch Bilder, Töne, Symbole, Informationen und Wissen sowie Kommunikationsstrukturen und Kommunikationsnetze.“ Der spanische Soziologe Manuel Castells spricht von der „Kommunikationsmacht“. Aber Timothy Garton Ash ist das kurze Wort lieber als das lange, besonders weil ohnehin jede Bezeichnung nur einen Teil des Ganzen erfasst. Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.

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Das Subjekt will einzigartig sein

Die digitalen Technologien transformieren, was es heißt, ein Subjekt zu sein. Andreas Reckwitz erläutert: „Sie unterwerfen das spätmoderne Selbst einer spezifischen Form von Singularisierung, die es zugleich selbst aktiv betreibt.“ Das Subjekt arbeitet nun an sich selbst als etwas Einzigartigem. Die Außenwelt betrachtet es als potenziell Singuläres. Andreas Reckwitz unterscheidet zwei Formen der Singularisierung des Subjekts. Erstens die kulturelle Singularisierung seiner öffentlichen Darstellung, die von einem Publikum zertifiziert wird. Zweitens die maschinelle Singularisierung des Subjekts, die gewissermaßen „hinter seinem Rücken“ abläuft. In beiden Prozeduren werden Subjekte als einzigartige fabriziert, und zwar als eine modularische oder kompositorische Singularität. Diese ergibt sich dadurch, dass sie aus einzelnen unterschiedlichen Elementen – Modulen – zusammengesetzt wird. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

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Autoritäre und totalitäre Regime sind paternalistisch

Der amerikanische Rechtsphilosoph Joel Feinberg schrieb ein maßgebliches Werk über die Rechtfertigungen für die Einschränkung der Redefreiheit durch das Strafrecht. Für Timothy Garton Ash ist sein Buch eine gute Grundlage, um darüber nachzudenken, mit welchen Mitteln, vom härtesten Gesetz bis zur weichsten Norm, die freie Meinungsäußerung legitimerweise beschränkt werden darf. Die ersten vier Rechtfertigungen, denen er je einen ganzen Band widmet, lauten: Schaden für andere, Beleidigung anderer, Schaden für die eigene Person und harmloses Fehlverhalten. Joel Feinberg beschreibt Versuche, die beiden Letzteren vom gesetzlichen Paternalismus und gesetzlichem Moralismus abzugrenzen. Gesetzlicher Paternalismus bedeutet, dass sich der Staat wie ein Vater zu seinen Kindern verhält und versucht, seine Bürger davon abzuhalten, sich selbst zu schaden. Der britische Zeitgeschichtler Timothy Garton Ash lehrt in Oxford und an der kalifornischen Stanford University.

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Die Ideologen des Internets sind antielitär

Mit der Sorge um das Schicksal der Individualität in der gegenwärtigen Kultur setzt man sich vermutlich dem Verdacht aus, altmodisch zu sein. Denn heutzutage sind nicht wenige Menschen von der „Weisheit der vielen“ und der „Schwarmintelligenz“ fasziniert. Man suggeriert ihnen, das Internet bringe eine überlegene globale Intelligenz hervor. Matthew B. Crawford erklärt: „Dieser kollektive Verstand ist „meta“. Er ist synoptischer und synthetischer als jeder von uns.“ Natürlich passt all diese Liebe zur Crowd sehr schön zur Abneigung des Silicon Valley gegen das Konzept des geistigen Eigentums. Und zu der Tatsache, dass man mit der Anhäufung von Inhalten viel mehr Geld verdienen kann als mit der Produktion dieser Inhalte. Matthew B. Crawford ist promovierter Philosoph und gelernter Motorradmechaniker.

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Wissen war mit einem Erlebnis verbunden

Wissen ist eine Ressource der Klugheit. Das Wissen, das man sich angeeignet hat, dient dazu innere Bilder und äußere Eindrücke zu sichten und Schlussfolgerungen zu ziehen. Um kluge Schlüsse zu ziehen, muss der Mensch sein Wissen verinnerlichen. Die mündliche Überlieferung von Wissen war und ist hierbei wahrscheinlich von Vorteil. Allan Guggenbühl erklärt: „Das Wissen wurde memoriert und in eindrücklichen, wenn auch möglicherweise langweiligen Zeremonien weitergegeben. Folge war, dass sich die Menschen viel Wissen aneigneten. Sie kannten die Sprüche und Bilder auswendig, sodass sie beim Denken spontan auf sie zurückgreifen konnten.“ Ein weiterer Vorteil der mündlichen Vermittlung war, dass Wissen mit einem Erlebnis verbunden war. Allan Guggenbühl ist seit 2002 Professor an der Pädagogischen Hochschule Zürich tätig. Außerdem fungiert er als Direktor des Instituts für Konfliktmanagement in Zürich.

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Die Medien kommunizieren über das Strafen

Die Kommunikation über das Strafen findet ganz überwiegend durch die Vermittlung von technischen Medien statt: Presse, Film, Fernsehen und Internet. Thomas Fischer fügt hinzu: „Jedes dieser Medien hat spezifische Bedingungen und Wirkmechanismen. Jedes konstruiert Sinn anders.“ Zwischen Kunst-Medien wie insbesondere dem Film und einer Berichterstattung in Presse und Fernsehen bestehen für jeden sichtbare Unterschiede. Der symbolische Charakter der Kommunikation ist im Film nicht mehr so offenkundig wie im Theater, aber noch weithin rekonstruierbar. Im Fernsehen verschwimmen die Grenzen zwischen symbolisierender Fiktion und scheinbar authentischem Sprechen mit dem „lieben Zuschauer“ zusehends. Teilweise sucht man diese Grenzauflösung ausdrücklich. Etwa wenn Talkshows im Anschluss und mit unmittelbarem Bezug zu Kriminalfilmen gesendet werden. Thomas Fischer war bis 2017 Vorsitzender des Zweiten Senats des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe.

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Der moderne Mensch strebt nach Authentizität

Das Streben nach Authentizität begleitet auch die Selbstgestaltung der digitalen Subjekte und hat die paradoxe Form der performativen Authentizität. Andreas Reckwitz erklärt: „Sie ist paradox, weil die Authentizität eines Subjekts dem Wortsinne nach allein sein Selbstverhältnis betrifft: Es ist authentisch, wenn es sich nicht künstlich, sondern echt fühlt. Und das heißt: wenn es seinen eigenen Wünschen und Idealen eigensinnig folgt, notfalls gegen den Widerstand der Anderen.“ Das ist es, was das spätmoderne Subjekt will. Zugleich lebt dieses Subjekt in einer Kultur, in der diese Authentizität eine zentrale soziale Erwartung geworden ist. Das Subjekt soll authentisch sein – „Sei ganz du selbst, aber bitte sei es auch!“ Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

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Freiheitsrechte bilden den Kern der Menschenrechte

Nach einem für die politische Moderne unverzichtbaren Prinzip, dem der allgemeinverträglichen Freiheit, gibt es Menschenrechte, und deren Kern bilden zwei Grundarten von Freiheitsrechten: Die negativen Freiheitsrechte schützen jeden Einzelnen vor Übergriffen seiten der Rechtsgenossen als auch seitens der Staatsgewalten. Und positive Freiheitsrechte bündeln sich im Staatsziel des Sozialstaates. Als Beispiel eines Freiheitsrechts greift Otfried Höffe ein junges, aber keineswegs geringes Recht heraus, den Datenschutz. Wegen des Internets verlieren räumliche Entfernungen an Gewicht, werden Ereignisse weltweit so gut wie gleichzeitig wahrgenommen und Informationen in Sekundenschnelle ausgetauscht. Nicht zuletzt sind die revolutionär neuen Formen audiovisueller Kommunikation enorm preisgünstig. Für Otfried Höffe geht damit ein erheblicher Demokratisierungsgewinn einher. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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