Das Eingeständnis eines Fehlers kann sich lohnen

In freiheitlichen Gesellschaften, in denen Journalisten recherchieren und die politische Konkurrenz aufpasst, haben Vertuschungsversuche von Politikern oft kurze Beine. Sie können sich als der größere Fehler erweisen. Aristoteles wird der Satz zugeschrieben: „Eine Fehler durch eine Lüge zu verdecken heißt, einen Flecken durch ein Loch zu ersetzen.“ Wenn man die Sache vom Ende her denkt, liegt ein guter Umgang mit Fehlern im eigenen Interesse. Helene Bubrowski meint: „Und auch kurzfristig kann sich das Eingeständnis eines Fehlers lohnen, denn oft nimmt er einer Empörungswelle die Spitze.“ Die meisten Entschuldigungen erfolgen aus Eigeninteresse – aus dem Kalkül, dass es weniger Nachteile hat, sich zu entschuldigen als es nicht zu tun. Die Bitte um Verzeihung dient aber letztlich doch auch einem gesellschaftlichen Zweck. Helene Bubrowski arbeitet als Politikkorrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Berliner Hauptstadtbüro.

Jeder Mensch ist am Ende fehlbar

Laut Nicholas Tavuchis ließen sich die Verantwortlichen auf einen „säkularen Ritus der Buße“ ein. Das ist mehr als eine Erklärung oder ein Eingeständnis. Denn es geht darum, mit den Betroffenen in einen Austausch zu treten, um ein Problem hinter sich zu lassen und gemeinsam nach vorne zu schauen. Helene Bubrowski erklärt: „Der Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz von Thun unterscheidet zwischen der Souveränität erster und höherer Ordnung.“

Den Menschen, der nach der Souveränität erster Ordnung strebt, beschreibt er als „wandelnde Exzellenzinitiative“. Ihm gehe es darum, „möglichst perfekt alles im Griff zu haben, sich garantiert keine Blöße zu gebe, keine Fehler einzugestehen, Schwächen zu verbergen. Helene Bubrowski weiß: „Das Dilemma ist, dass Menschen eben keine wandelnden Exzellenzinitiativen sind. Sie können noch so viele Berater haben, am Ende sind sie fehlbar, und das weiß auch jeder.“

Zum Menschsein gehören die Anfälligkeit für Fehler und Irrtümer

Deshalb ist dieses Konzept nicht glaubwürdig. Die Souveränität höherer Ordnung besteht dagegen darin, so schreibt Schulz von Thun, das Menschsein einzugestehen. Und dazu gehört eben auch „die Begrenztheit, die Schwäche, die teilweise Ohnmacht, die Anfälligkeit für Fehler und Irrtümer“. Man könnte auch sagen: Es ist eine Stärke, Schwäche zu zeigen. Helene Bubrowski erläutert: „Diese Stärke ist auch politisch messbar. Denn Verantwortung für einen Fehltritt kann man nur übernehmen, wenn man auch verantwortlich ist.“

Als die Bundeskanzlerin Angela Merkel im Frühjahr 2021 die zur Eindämmung der Pandemie geplante „Osterruhe“ zurücknahm, sagte sie, die Entscheidung sei ihr Fehler gewesen: „[…] denn am Ende trage ich für alles die letzte Verantwortung. Qua Amt ist das so.“ Fehlerkultur wird noch immer in eine esoterische Ecke gestellt. Als sei sie eine Art Selbstbespiegelung zum Selbstzweck, höchstens ein Nice-to-have, wenn man sonst keine Probleme hat. Das ist für Helene Bubrowski eine überkommene Vorstellung. Quelle: „Die Fehlbaren“ von Helene Bubrowski

Von Hans Klumbies

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