In seinem Buch „Philosophie der Hoffnung“ zeigt Lars Svendsen, dass sich das Hoffen zu keiner Zeit vom Handeln eines Menschen loslösen lässt. Denn Hoffnung ebnet nicht nur den Weg zu einem lebenswerten Leben, sondern ist auch die Pflicht eines Jeden gegenüber sich selbst. Das menschliche Leben ist von Hoffnung durchdrungen. Lars Svendsen schreibt: „Es ist schwer, sich einen Menschen vorzustellen, der nicht hofft, aber dennoch funktioniert. Man kann ohne Hoffnung durchaus am Leben sein, aber nicht wirklich leben.“ Hoffnung ist nichts, was plötzlich wie aus dem Nichts im Gefühlsleben eines Menschen auftaucht. Sie muss gelernt und weiterentwickelt werden. Lars Frederik Händler Svendsen ist Philosoph und Professor für Philosophie an der Universität Bergen. Seine Werke wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet.
Handeln
Charles Pépin stellt sich auf die Seite der Philosophen der Kontingenz
Im Kern der Begegnung bietet sich der Zufall bisweilen als Schicksal dar. Doch das kann über seine wahre Natur nicht hinwegtäuschen, für die in der Philosophie der Begriff „Kontingenz“ verwendet wird. Charles Pépin erläutert: „Kontingenz ist das, was ist, aber auch hätte nicht sein können, und steht der Idee der Notwendigkeit oder Determiniertheit gegenüber: das, was ist und nicht hätte nicht sein können.“ Charles Pépin stellt sich auf die Seite der Philosophen der Kontingenz, zu denen Epikur oder Jean-Paul Sartre zählen, und gegen die Philosophen der Notwendigkeit wie Mark Aurel oder Baruch de Spinoza. Letztere gehen davon aus, dass alles einer höheren Notwendigkeit unterworfen ist. Charles Pépin ist Schriftsteller und unterrichtet Philosophie. Seine Bücher wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.
Auch künftige Menschen wollen gut leben
Künftige Menschen zählen. Es kann möglicherweise sehr viele von ihnen geben. Und die heute lebenden Menschen können einen Beitrag dazu leisten, dass sie gut leben. William MacAskill erläutert: „Das ist in aller Kürze ein Plädoyer für langfristiges Denken. Die Prämissen sind einfach und nicht besonders strittig. Doch wenn wir sie ernst nehmen, wäre das nicht weniger als eine moralische Revolution.“ Das hätte weitreichende Folgen für das Denken und Handeln von Aktivisten, Forschenden, Politikern, eigentlich für alle Menschen. Künftige Menschen zählen, doch man rechnet sie nur selten mit ein. Sie können nicht wählen und haben keine Lobby. Deshalb haben Politiker keinen Anreiz, sie mit einzubeziehen. Ebenso wenig sind sie auf dem Markt anzutreffen, und deshalb können sie auch nicht mit den heute lebenden Menschen verhandeln. William MacAskill ist außerordentlicher Professor für Philosophie an der Universität Oxford.
Der Mensch denkt in Begriffen
Es ist berechtigt und sogar zielführend, vom menschlichen Denken auszugehen und sich von dieser relativ sicheren Position aus den Leistungen von Tieren zu nähern. Schließlich wissen Mensch sowohl aus der Ich-Perspektive als auch durch die Du-Perspektive der gegenseitigen sprachlichen Vermittlung, wie sie bestimmte Entscheidungen treffen. Und sie erkennen dadurch die Motive ihres Handelns, welche Ziele sie verfolgen und wie sich dabei fühlen. Ludwig Huber erläutert: „Dieser Erlebens-Aspekt ist von zentraler Bedeutung. Darüber hinaus nehmen wir als Wissenschaftler auch noch die Perspektive der Person ein. So machen wir menschliches Denken und Handeln zu einem objektiven Untersuchungsgegenstand.“ Ein zentraler Aspekt menschlichen Denkens ist die Begriffsbildung. Ludwig Huber ist Professor und Leiter des interdisziplinären Messerli Forschungsinstituts für Mensch-Tier-Beziehungen an der Veterinärmedizinischen Universität Wien.
Alles könnte auch anders sein
Nichts, buchstäblich nichts, ist mit absoluter Notwendigkeit so, wie es gerade ist. Daraus lässt sich ableiten, dass alles auch anders sein könnte. Armin Nassehi erklärt: „Der Fachbegriff dafür ist Kontingenz. Er meint: nichts ist notwendigerweise so, wie es ist, aber eben auch nichts ist zufällig so, wie es ist.“ Das sozialwissenschaftliche Denken beginnt also mit einer doppelten Erfahrung. Einerseits weiß man am besten von allen, wie arbiträr, bisweilen sogar fragil, in jedem Fall aber historisch relativ und damit konstruiert das Meiste ist. Andererseits weiß man mit am genauesten, wie wirkmächtig gesellschaftliche Muster sind und wie stark das menschliche Verhalten strukturiert ist. Das individuelle Verhalten wie auch der Zustand sozialer Aggregate sind sehr berechenbar. Armin Nassehi ist Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Soziologie und Gesellschaftstheorie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Die Philosophie ringt mit dem Guten
Die Frage nach der moralischen Verantwortung stellt sich, sobald man darüber nachdenkt, wie man sein Tun an dem ausrichtet, was man für gut hält. Darin stößt man beständig auf Uneinigkeiten und kontroverse Deutungen. Diese wischte man lange Zeit mit dem Hinweis weg, dass sich das Moralische doch von selbst verstehe. Es müsse also nicht eigens zum Thema gemacht werden. Ina Schmidt weiß: „Die Philosophie ringt dennoch und weil es eben nicht evident ist, seit über zweitausend Jahren um Antworten.“ Dabei ist die Philosophie nicht einmal sicher, was dieses Gute nun eigentlich ganz genau ist. Ina Schmidt ist Philosophin und Publizistin. Sie promovierte 2004 und gründete 2005 die „denkraeume“. Seitdem bietet sie Seminare, Vorträge und Gespräche zur Philosophie als eine Form der Lebenspraxis an.
Die Intention gibt einer Handlung eine Richtung
Worauf gründet sich das Handeln eines Menschen? Der Karlsruher Philosoph Hans Lenk spricht von der Intention, die der Handlung eine bestimmte Richtung gibt. Sie ist damit entscheidend dafür, wie man seine Handlungen begründet. Menschen sind in der besonderen Lage, dies tun zu können, und werden so einer moralischen Würde gerecht, so Hans Lenk. Ina Schmidt erklärt: „In der Idee einer solchen Würde sind wir also mit der Gabe zur Verantwortung ausgezeichnet und gleichzeitig aufgerufen, eben weil wir unser Handeln von Gründen leiten lassen können.“ Manche dieser Gründe sind individuell und gelten nicht für jeden. Andere stehen in einem sozialen Kontext schlicht nicht zur Verhandlung. Ina Schmidt ist Philosophin und Publizistin. Sie promovierte 2004 und gründete 2005 die „denkraeume“. Seitdem bietet sie Seminare, Vorträge und Gespräche zur Philosophie als eine Form der Lebenspraxis an.
Verantwortung verlangt nach Entscheidungen
Ina Schmidt erklärt: „Verantwortliches Handeln ist keine Selbstverständlichkeit. Es versteht sich nicht von selbst und bezieht sich auf verschiedene Ebenen des eigenen Tuns.“ In Situationen, in denen ein Mensch verantwortlich ist, muss er – aufgrund von Rolle, Zuständigkeit oder Kompetenz – in der Lage sein, eine Entscheidung zu treffen. Dazu gehört auch Gründe anzuführen und sich zu rechtfertigen gegenüber Institutionen, der Öffentlichkeit oder dem eigenen Umfeld. Man ist also in einer konkreten Situation immer verantwortlich für etwas oder jemanden oder gegenüber mindestens einem anderen. Jede Verantwortlichkeit lässt sich also als eine mindestens dreistellige Relation zum Ausdruck bringen. Ina Schmidt ist Philosophin und Publizistin. Sie promovierte 2004 und gründete 2005 die „denkraeume“. Seitdem bietet sie Seminare, Vorträge und Gespräche zur Philosophie als eine Form der Lebenspraxis an.
Immanuel Kant sucht eine widerspruchsfreie Welt
Immanuel Kant formulierte den kategorischen Imperativ: „Handle so, dass die Maxime deines Handelns Grundlage eines allgemeinen Gesetzes sein könnte.“ Der Philosoph glaubt damit ein moralisches Gesetz formuliert zu haben. Diesem müsse jedes vernünftige Wesen auf alle Zeiten entsprechen. Axel Braig erklärt: „Er war der Ansicht, durch sein Lebenswerk wieder eine zusammenhängende und widerspruchsfreie Weltsicht zu bieten. Diese gebe den Menschen klare Richtlinien für ihr Handeln.“ Immanuel Kant war überzeugt, dass die durch die kopernikanische Wende ausgelösten existenziellen Verunsicherungen mittels der Physik Isaac Newtons und seiner eigenen Philosophie befriedigt werden können. Doch dieser Friede währte nicht lange. Die allgemeine Relativitätstheorie Albert Einsteins relativierte die Physik Isaac Newtons. Axel Braig wandte sich nach Jahren als Orchestermusiker und Allgemeinarzt erst spät noch einem Philosophiestudium zu.
Der Geist bringt technische Innovationen hervor
Ein Grund für die Hochschätzung der geistigen Leistung kann bereits ihrem Anteil an den technischen Innovationen entnommen werden. Ein prominentes Beispiel für eine echte Erfindung ist bekanntlich das Rad. Für dieses hat es kein Vorbild in der Natur gegeben. Volker Gerhardt erklärt: „Konstruktion und Installation eines Rads verdanken wir allein dem geistigen Einfall eines homo sapiens.“ Ob die Idee aber etwas taugt, zeigt sich nur im folgenden Fall. Ein geschickter homo faber muss in der Lage ist, ein sich drehendes und belastbares Rad zu bauen, das der praktischen Belastung standhält. Für Volker Gerhardt haben homo sapiens und homo faber vieles gemeinsam. Aus den modernen Unterscheidungen zwischen den beiden Typen geht das nicht hervor. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.
Handeln hat etwas mit Pflichtgefühl zu tun
Kein Bereich des Lebens kann von Verpflichtung frei sein. Der römische Politiker und Philosoph Marcus Tullius Cicero schreibt: „Es beruht in ihrer Beachtung alle Ehrenhaftigkeit der Lebensführung, in ihrer Nichtachtung alle Schande.“ Für ihn war es noch selbstverständlich, dass jedes Handeln etwas mit Pflicht und Pflichtgefühl zu tun hat. Das betrifft sowohl die private als auch die öffentliche Sphäre. Richard David Precht erklärt: „Was auch immer ich tue, ehrenhaftes Verhalten muss von schändlichem Verhalten getrennt werden. Das, was man achtet, muss von dem unterschieden werden, was man ächtet.“ Und hat man einmal für sich erkannt, was genau man für achtenswert hält, so sollte man sich als Leitfaden daran orientieren. Der Philosoph, Publizist und Autor Richard David Precht einer der profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.
Alle Zwecke sind auf Mittel angewiesen
Das entscheidende Moment des moralischen Handels liegt in dem durchgängig von allen Beteiligten verfolgten Bemühen, sich wechselseitig durch Leistungen zu verbinden. Diese kann man aus freien Stücken derart erbringen, dass der Begünstigte einen merklichen Vorteil hat. Aber der moralisch Handelnde darf sich dabei nicht selbst in seiner Existenz vernichten. Volker Gerhardt erläutert: „Nur so kann die Freiwilligkeit beider Seiten eingebunden und das niemals bloß als Mittel verständlich gemacht werden.“ Ein Mensch muss sich nicht vom Leben distanzieren, um moralisch zu sein. Im Gegenteil: Er hat auch hier auf die durchgängige Vermittlung von Zwecken und Mitteln zu vertrauen. Zudem muss er wissen, dass alle Zwecke auf Mittel angewiesen sind, damit er sie erreichen kann. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.
Die homogene Gesellschaft ist eine Illusion
Die Deutschen leben in einer pluralisierten Gesellschaft. Das ist nicht nur ein relativ neues Faktum. Das ist auch ein unhintergehbares Faktum: Es gibt keinen Weg zurück in eine nicht-pluralisiert, in eine homogene Gesellschaft. Isolde Charim erklärt: „Um die Reichweite und das ganze Ausmaß der Neuheit zu ermessen, muss man sich den „prä-pluralen“ Gesellschaften, also den Gesellschaften Westeuropas vor ihrer Pluralisierung zuwenden.“ Denn diese geben das Vergleichsmodell ab. Diese homogenen Gesellschaften, also diese Gesellschaften einer relativen ethischen, religiösen und kulturellen Einheitlichkeit sind gewissermaßen die Negativfolie. Der Hintergrund, von dem sich die heutige, pluralisierte Gesellschaft abhebt. Diese homogenen Gesellschaften waren nicht einfach da. Sie sind nicht einfach gewachsen, sozusagen natürlich. Die Philosophin Isolde Charim arbeitet als freie Publizistin und ständige Kolumnistin der „taz“ und der „Wiener Zeitung“.
Der Mensch erkennt sich selbst in seinem Handeln
Der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel beschäftigte sich eingehend mit den Wechselwirkungen zwischen der Welt im Inneren und der Außenwelt. Zudem untersuchte er ihre Funktion für die Selbsttäuschung. Nach Georg Wilhelm Friedrich Hegel erkennen wir uns selbst in unserem Handeln. Und das Handeln ist an sich sozial. Seine Bedeutung hängt weitgehend davon ab, wie es von anderen wahrgenommen wird. Matthew B. Crawford erläutert: „Die wesentliche Frage der Selbsterkenntnis lautet, wie wir uns anderen durch unser Handeln verständlich machen können. Nur dann können sie uns ein Spiegelbild von uns vorhalten.“ Für Georg Wilhelm Friedrich Hegel gibt es kein Selbst zu entdecken, das vor dem in der Welt seienden Selbst oder auf einer „tieferen Ebene“ als dieses existieren würde. Matthew B. Crawford ist promovierter Philosoph und gelernter Motorradmechaniker.
Am Anfang war die Schönheit
Nichts ist für den Philosophen Konrad Paul Liessmann so verführerisch wie die Verführung: „Das Lockende und Verlockende, die Andeutungen und Versprechungen, die Eröffnung von bisher ungeahnten Möglichkeiten, das Verlassen eines sicheren Bodens, das Umgehen des Gewohnten, das Faszinosum des Neuen: Wer wollte dem widerstehen?“ Im Paradies muss es schön gewesen sein, so war es wohl. Am Anfang war die Schönheit, aber diese führte zu Wut, Trauer und Neid. Und der Schöpfer des Menschen ähnelte weniger einem Gott in seiner Machtvollkommenheit als einem Bastler. Dieser probiert einiges aus, um bei einem Produkt zu landen, das er nach kurzer Zeit wieder entsorgen muss. Die Erzählung vom Paradies ist von Anbeginn an eine Geschichte des Aufbegehrens und der Vertreibungen. Die Schöpfung in ihrer Schönheit provoziert den Widerstand desjenigen, dessen Licht diese Schönheit sichtbar macht, ohne selbst daran Anteil nehmen zu können.
Jeder Mensch kann sein Leben sofort ändern
Jeder Mensch kann sich zu jedem Zeitpunkt seines Lebens dafür entscheiden, fortan anders zu leben als bisher. Gerald Hüther erklärt: „Etwas bewusster vielleicht, etwas achtsamer gegenüber sich selbst und auch anderen gegenüber. Mehr im Einklang mit sich und der Natur, zuversichtlicher und auch wieder etwas neugieriger.“ Es ist den Versuch wert und auch ganz einfach. Es ist beispielsweise nicht so schwer, die Lebensmittel, die man isst, sorgfältiger auszuwählen als bisher und sich gelegentlich auch körperlich zu betätigen. Es schadet nichts, wenn man dabei ins Schwitzen gerät. Wer sich darauf einlässt, beginnt auch wieder, sich zu spüren. Und damit kann jeder Mensch noch heute beginnen. Und wer sich auf diese Weise auf den Weg macht, beim dem entwickelt sich von ganz allein auch ein anderes Lebensgefühl. Gerald Hüther zählt zu den bekanntesten Hirnforschern in Deutschland.
Die Bildung von Theorien macht den Menschen so erfolgreich
Politische Theorien bauen typischerweise auf Theorien über das menschliche Verhalten auf. Diese arbeiten Gesetzmäßigkeiten des menschlichen Handelns aus der Menge empirischer Informationen heraus, die Menschen über ihre Umgebung gewinnen und stellen Kausalverbindungen zwischen solchen Handlungen und der Umwelt her. Francis Fukuyama erläutert: „Die Fähigkeit zu theoretisieren ist ein wichtiger Faktor für den evolutionären Erfolg der Gattung Mensch.“ Viele praktisch veranlagte Individuen lehnen diese Meinung allerdings ab, handeln jedoch stets im Einklang mit unausgesprochenen Theorien, deren Existenz sie schlicht leugnen. Die moderne Wirtschaftswissenschaft beruht auf einer Theorie, nach der Menschen „rationale Nützlichkeitsmaximierer“ sind, also Individuen, die ihre beeindruckenden kognitiven Fähigkeiten für ihr Eigeninteresse einsetzen. Francis Fukuyama ist einer der bedeutendsten politischen Theoretiker der Gegenwart. Sein Bestseller „Das Ende der Geschichte“ machte ihn international bekannt.
Ohne Aufklärung gibt es keinen freien Willen
Nur ein kleiner Teil dessen, was die Wahrnehmung des Menschen erreicht, findet auch Eingang in das Bewusstsein. Allerdings hindert dies die zahlreichen nicht bewusst registrierten Wahrnehmungen nicht daran, in uns eine Wirkung zu entfalten. Vom Bewusstsein nicht aufgenommene Signale können das Denken, Fühlen und Handeln beeinflussen. Joachim Bauer betont: „Die Annahme, die Existenz des Unbewussten bedeute per se die Außerkraftsetzung unseres freien Willens, halte ich jedoch für unbegründet, eine Sichtweise, die auch von anderen Neurowissenschaftlern geteilt wird.“ Das Unbewusste ist ein Teil der Person, deren übergeordneten Interessen es zuarbeitet. Es erspart den Menschen, alle kognitiven Verarbeitungsprozesse über die manchmal anstrengende und zeitaufwendige Schiene des bewussten Denkens laufen lassen zu müssen. Der Neurobiologe, Arzt und Psychotherapeut Joachim Bauer lehrt an der Universität Freiburg.
Paul Kirchhof stellt das Ideal der Freiheit vor
Freiheit ist ein Ideal. Der Mensch soll selbstbestimmt, unbedrängt von fremden Mächten, sein Leben gestalten und sein Handeln verantworten. Paul Kirchhof weiß: „Dieses Ideal greift über das in der Wirklichkeit mögliche hinaus, setzt ein Ziel, das stetig verfolgt, aber nie gänzlich erreicht wird.“ Die Freiheit wird den Menschen nicht vor Krankheit noch Gebrechlichkeit bewahren, nicht Krieg und Hunger fernhalten, nicht gegen Hass und Häme abschirmen. Doch gibt das Ideal der Freiheit dem Menschen täglich den Impuls, sich seiner selbst und seiner Verantwortung anzunehmen. Dieser Leitstern des freiheitsfähigen und freiheitsbereiten Menschen formt die Freiheitsidee, die dem Menschen Rechte gibt. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Als Richter des Bundesverfassungsgerichts hat er an zahlreichen, für die Entwicklung der Rechtskultur der Bundesrepublik Deutschland wesentlichen Entscheidungen mitgewirkt.
Von der Lebensschule Senecas kann jeder Mensch viel lernen
Für die Lebenslehre Senecas war die Philosophie nie Bremsklotz, sondern Antrieb. Sie verlangte keineswegs erst zu handeln, wenn man die „Wahrheit“ gefunden hat. Sie ist besonnen und abwägend, nicht zaudernd und grüblerisch. Seneca schreibt: „Niemals erwarten wir das sicherste Begreifen der Dinge, da die Wahrheit ja in steilem Gelände erforscht werde, sondern folgen der Wahrscheinlichkeit.“ Von der Lebensschule Senecas kann jeder Mensch viel lernen. Albert Kitzler erläutert: „Ihre Grundsätze und Weisheiten sind weder beliebig, noch verlieren sie sich in grauer Theorie. Für alle Lebensprobleme bietet sie brauchbare und effiziente Ratschläge und Weisungen.“ Aber in keinem Fall wird sie einem Menschen das eigenverantwortliche Entscheiden und Handeln im jeweiligen Augenblick abnehmen oder vorschreiben. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.
Philosophie ist kein absolutes Wissen
Wer die Philosophie als Lehrerin für sein Leben wählt, darf nicht erwarten, sie sage einem mit allgemeiner Gültigkeit, was zu tun und zu lassen ist. Das wäre nach Seneca ein großes Missverständnis. Albert Kitzler erläutert: „Zwar geht es ihr um Erkenntnis, Einsicht, Schärfung der Begriffe, Unterscheidung, um Wahrheit und Irrtum. Aber unser Leben, das wir zu bewältigen haben, ist immer einmalig, jeder von uns ist einmalig.“ Es ist noch eine Kluft zu überbrücken, die sich immer und unvermeidlich zwischen einer Erkenntnis und allgemeinen Weisheitsregeln einerseits und den individuellen Umständen einer konkreten Lebenssituation andererseits auftut. Dies kann dazu führen, dass eine Weisheit modifiziert werden und hinter einer anderen zurücktreten muss. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.
Der freie Wille dient als zentrales Totem des Konsumkapitalismus
Matthew B. Crawford erklärt: „Die Vorstellungen Immanuel Kants sind der philosophische Ursprung der modernen Gleichsetzung von Freiheit und Wahlmöglichkeit, wobei die Wahl als bloßer Ausdruck des unbedingten Willens verstanden wird.“ Das ist grundlegend für das Verständnis der gegenwärtigen Kultur, denn der so verstandene freie Wille dient als zentrales Totem des Konsumkapitalismus, und viele Menschen halten jene, die ihnen die Wahlmöglichkeiten anbieten, für Diener ihrer Freiheit. Wenn man von der Prämisse ausgeht, die stumpfsinnige Natur bedroht die menschliche Freiheit als vernünftige Wesen, ist die Verlockung groß, eine virtuelle Realität zu konstruieren, die weniger real ist und in der das Selbst nicht mit der Welt kollidiert. Immanuel Kant versuchte, die Freiheit des Willens gegen äußere Einflüsse abzuschotten und zu einem „unbedingten“ apriorischen Gesetz zu machen. Matthew B. Crawford ist promovierter Philosoph und gelernter Motorradmechaniker.
Fast alle Menschen streben nach dem Glück
Aristoteles erklärt das Glück – die „eudaimonia“, die genauer mit Glückseligkeit zu übersetzen ist – zu einem Gut, das man um seiner selbst willen anstrebt, das aber nicht in der Abstraktion oder dem Reich der Ideen zu finden ist, sondern nur in der konkreten Verwirklichung, also dem, was ein Mensch aus gutem Grund tut. Ina Schmidt fügt hinzu: „Dieses Glück ist ein „sich selbst genügendes“ Gut, das wir laut Aristoteles aber nicht im Rückzug auf uns selbst, also in einem auf das „Ich beschränkte Leben“ finden können.“ Nur in einem Leben voller Beziehungen, „in der Verflochtenheit mit Eltern, Kindern, der Frau, überhaupt den Freunden und Mitbürgern“ sei die Glückseligkeit zu erwarten, „denn der Mensch ist von Natur bestimmt für die Gemeinschaft“ so der griechische Philosoph in seiner „Nikomachischen Ethik“. Ina Schmidt gründete 2005 die „denkraeume“, eine Initiative, in der sie in Vorträgen, Workshops und Seminaren philosophische Themen und Begriffe für die heutige Lebenswelt verständlich macht.
Eine Kultur lässt sich nie vollständig beschreiben
Die Aufgabe der Intellektuellen besteht darin, dem kollektiven Denken der Menschen einen besonders klaren Ausdruck zu verleihen – und das nicht nur zu ihrem privaten Vergnügen. Beispielsweise sah W. B. Yeats die Aufgabe seiner Dichtkunst darin, den Mythen und Archetypen der irischen Landarbeiter eine Stimme zu geben. Genauso wie in „Das wüste Land“ nicht T. S. Eliot spricht, sondern das, was er selbst ziemlich vollmundig den europäischen Geist nannte, so sieht sich W. B. Yeats einfach als Medium – fast im spiritistischen Sinne – für die zeitlose Weisheit des Volkes. Terry Eagleton nennt ein weiteres Beispiel: „Nach Martin Heideggers etwas düsterer Sichtweise besteht die Aufgabe des Dichters darin, dem Schicksal der Nation seine Sprache zu schenken. Der Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker Terry Eagleton ist Professor für Englische Literatur an der University of Manchester und Fellow der British Academy.
Gerald Hüther erkundet den Begriff der Würde in der Philosophie
Sogar die griechischen Philosophen, so gern und oft zitiert, machten sich um die Würde weit weniger Gedanken, als man annehmen konnte. Wenn sie ein Wort hatten, das dem der „Würde“ ähnelte, dann war es das griechische „to axioma“, was „Ansehen“ bedeutete, „Machtstellung“, „Ehre“ oder „Wertschätzung“. Gerald Hüther stellt fest: „Aber all das waren veränderliche Merkmale, abhängig von anderen und den Umständen ausgeliefert. Die Würde als eine dem Menschen eigene und innewohnende Eigenschaft, unabhängig von den Zeitläufen und nicht jederzeit neu verhandelbar: Das war keine Vorstellung, von der sich die antiken Denker leiten ließen.“ Intensiver beschäftigten sie sich mit der Seele des Menschen, der Psyche, und zum Beispiel der Frage, um wie viel wertvoller diese gegenüber dem Körper sei. Gerald Hüther zählt zu den bekanntesten Hirnforschern in Deutschland.