Im Gehirn finden Prozesse der Selbstorganisation statt

Das menschliche Gehirn strukturiert sich primär anhand der während der frühen Phasen der Hirnentwicklung aus dem eigenen Körper zum Gehirn weitergeleiteten Signalmuster. Gerald Hüther ergänzt: „Es sind also eigenen Körpererfahrungen, die die Organisation synaptischer Verschaltungsmuster in den älteren, tiefer liegenden Bereich lenken.“ Und die primäre Aufgabe dieser bereits vor der Geburt und während der frühen Kindheit herausgeformten Hirnbereiche ist die Integration, Koordination und Harmonisierung der im Körper ablaufenden Prozesse. Dabei geht es um die Lenkung und Steuerung motorischer Leistungen beim sich Bewegen, beim Singen, Tanzen, und später auch beim Sprechen. Erst danach werden auf der Grundlage dieses Fundaments die in der Beziehung des Kindes zur Außenwelt, insbesondere zu seinen Bezugspersonen gemachten Beziehungserfahrungen zur wichtigsten strukturierenden Kraft für die sich in den ausreifenden Hirnstrukturen herausbildenden neuronalen Verschaltungsmuster. Gerald Hüther ist Neurobiologe und Verfasser zahlreicher Sachbücher und Fachpublikationen.

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Jede Handlung ruft eine Wirkung hervor

Die Inder sind völlig überzeugt, dass es ein universelles Kausalitätsgesetz gibt: Jede Handlung ruft eine Wirkung hervor. Frédéric Lenoir ergänzt: „Sie denken außerdem, dass jedes Lebewesen ein Körnchen des Göttlichen – des unpersönlichen Brahman – in sich trägt: den Atman.“ Der Atman wandert von Leben zu Leben, von Körper zu Körper, bis es ihm gelingt, den endlosen Kreislauf der Wiedergeburten zu durchbrechen, weil es sich von der Unwissenheit befreit. Dadurch wird ihm bewusst, dass er nicht mit dem Ich übereinstimmt, sondern mit einem Körnchen des Göttlichen. Dies ist die Verwirklichung des Selbst. Durch spirituelle Bewusstseinsfindung befreit er sich sowohl vom Unwissen als auch aus dem Gefängnis der Leidenschaften. Indem er vom Ich zum Selbst kommt, gelangt der Mensch zur Erlösung, welche die Buddhisten „Erwachen“ nennen. Frédéric Lenoir ist Philosoph, Religionswissenschaftler, Soziologe und Schriftsteller.

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Die Freiheit ist das bestimmende Kennzeichen der Demokratie

Den Begriff der Freiheit durchzieht von seiner griechischen Entdeckung her eine gewisse Spannung. Der Schritt, der von der einen zur anderen Seite führen kann, zeigt sich exemplarisch an der Existenz der Demokratie. Denn die Freiheit, sagt Aristoteles, ist ihr „bestimmendes Kennzeichen“. Christoph Menke ergänzt: „Die Freiheit definiert die Würdigkeit in der Demokratie – sie ist es, was die Demokratie hochschätzt, ja, worin sie nach Perikles ihr Glück sieht.“ Das kann auf zwei ganz verschiedene, ja entgegengesetzte Weisen verstanden werden. Das erste Verständnis ist politisch. Es definiert, so Herodot, die demokratische Freiheit als die „Herrschaft des Volkes“, durch die „Gleichberechtigung aller“. Demokratische Freiheit heißt, so erläutert Thukydides, dass „in den Streitigkeiten der Bürger alle ihr gleiches Teil“ haben. Christoph Menke ist Professor für Philosophie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main.

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Nicht jeder ist immer ein guter Mensch

Beim moralischen Wahlakt geht es immer um den fundamentalen Zielkonflikt zwischen positiven externen Effekten und dem Eigennutz. Armin Falk erläutert: „Wir wägen das moralisch Wünschbare ab mit den Unannehmlichkeiten und Nachteilen, die mit unseren Handlungen verbunden sind.“ In diesem Zielkonflikt, so simpel er erscheinen mag, liegt der Kern des Problems begründet, warum nicht jeder und immer ein guter Mensch ist und nicht automatisch den allgemein akzeptierten moralischen Vorstellungen folgt. Schlicht deswegen, weil es „teuer“ ist. Wer nicht bereit ist, die Kosten zu tragen, verhält sich nicht altruistisch, sondern egoistisch. Wäre der moralische Akt kostenlos zu haben, wären wohl alle Menschen moralische Superhelden. Armin Falk leitet das Institut für Verhaltensökonomik und Ungleichheit (briq). Außerdem ist er Direktor des Labors für Experimentelle Wirtschaftsforschung, sowie Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bonn.

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Nur die Vernunft führt zur Erkenntnis

Den richtigen Weg zur Erkenntnis kann man nur mit dem richtigen Gebrauch des Logos beziehungsweise der Vernunft finden. Silvio Vietta ergänzt: „Der menschliche Geist kann, aber muss auch die Wahrheit selbst auffinden. Dies wiederum geht nur mit dem richtigen Gebrauch der Vernunft. Also ist die Freiheit des menschlichen Geistes, der auf sich gestellt den Weg finden muss zwischen dem wahren und dem falschen Weg zur Erkenntnis des Seins.“ Und wie in der Philosophie, so auch im antiken Drama. In vielen der Mythen herrscht ja ein Generationengeschick, das dem Menschen gar keine eigene Freiheit der Entscheidung lässt. Sondern sie binden ihn in ein zwanghaftes Geschehen ein, das er auf tragische Weise erfüllen muss. Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.

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Macht kann aktiv oder passiv wirken

Es gibt die sehr eingängige Vorstellung, dass soziale Macht eine Fähigkeit ist, die Menschen als soziale Akteure haben, um den Verlauf der Dinge in der Gesellschaft zu beeinflussen. Miranda Fricker hält zunächst einmal fest, dass Macht aktiv oder passiv wirken kann: „Zwischen aktiver und passiver Macht besteht ein Abhängigkeitsverhältnis. Denn die passive Macht schwindet im gleichen Maße, in dem die aktive Macht schwindet.“ Ein zweiter Punkt ist folgender: Macht ist eine Fähigkeit, die auch in jenen Zeiten Bestand hat, in denen sie nicht ausgeübt wird. Michel Foucault behauptet bekanntlich: „Macht existiert nur in actu.“ Miranda Fricker ist Professorin für Philosophie an der New York University, Co-Direktorin des New York Institute für Philosophy und Honorarprofessorin an der University of Sheffield.

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Hegel war der letzte Systembauer von Bedeutung

Heute geschieht mit der Philosophie etwas Ähnliches wie früher mit der Tragödie. Ágnes Heller erklärt: „Nach dem Zusammenbruch des hegelschen Systems traten mehrere repräsentative Denker in die Tradition der philosophischen Literaturgattung ein.“ Schon vor Georg Wilhelm Friedrich Hegel haben nicht alle Philosophen Systeme errichtet. Aber nach ihm gab es keine Systembauer von Bedeutung mehr. Was vom traditionellen philosophischen Denken blieb, ist die Trennung der empirischen und der transzendentalen Untersuchungsebene und die Hermeneutik als Interpretation des Anderen. Ágnes Heller, Jahrgang 1929, war Schülerin von Georg Lukács. Ab 1977 lehrte sie als Professorin für Soziologie in Melbourne. 1986 wurde sie Nachfolgerin von Hannah Arendt auf deren Lehrstuhl für Philosophie an der New School for Social Research in New York. Ágnes Heller starb am 19. Juli 2019 in Ungarn.

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Das Soziale liegt im Auge des Betrachters

Die Sozialontologie ist eine Teildisziplin der Philosophie. Sie untersucht systematisch die Frage, ob es allgemeine strukturelle Bedingungen dafür gibt, dass das So-Sein bestimmter Tatsachen sozial ist. Markus Gabriel erklärt: „Eine Tatsache ist dann sozial, wen ihr So-Sein das aufeinander abgestimmte Verhalten mehrerer Individuen einer Spezies involviert.“ Eine soziale Tatsache liegt nicht nur dann vor, wenn mehrere Individuen faktisch eine Handlung derselben Art vollziehen. Denn auch ein einziges Individuum kann durch sein Handeln soziale Tatsachen schaffen oder in sie eingebettet sein, ohne diesen Umstand jemals zur Kenntnis zu nehmen. Das Soziale liegt ziemlich buchstäblich im Auge des Betrachters. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Das Denken kommt vor der Handlung

Das menschliche Gehirn verfügt gleichsam über ein Modell des Raumes. Matthias Glaubrecht erklärt: „So können wir uns beispielsweise in Gedanken vorstellen zu hantieren, ohne dies bereits handgreiflich zu tun. Wir können Handlungen vollziehen, ohne sie wirklich schon auszuführen.“ Die Vorfahren der heutigen Menschen konnten irgendwann dank ihres sich entwickelnden Gehirns denken, ehe sie handelten. Diese Fähigkeit, bereits vorstellungsmäßig verschiedene Lösungsmöglichkeiten durchzuprobieren, ist leicht nachvollziehbar. Zudem ist sie von erheblichem biologischem Wert. Der Verhaltensforscher Konrad Lorenz betonte, dass man so bereits im Vorfeld etwas zu den Folgen verschiedener Handlungsweisen erfährt, ohne etwaige Konsequenzen in Kauf nehmen zu müssen. Dieses sogenannte Hantieren im Vorstellungsraum ist eine ursprüngliche Form des Denkens. Draußen sind Objekte, drinnen sind Gedanken und Träume, Fiktionen und Halluzinationen. Matthias Glaubrecht ist Evolutionsbiologe, Systematiker und Wissenschaftshistoriker.

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Markus Gabriel kennt die moralischen Grundregeln

Wenn Begriffe unklar und verschwommen sind, begeht man leicht logische Fehler. Markus Gabriel stellt fest: „Es gelingt uns dann nicht, gut begründete und im besten Fall wahre und kohärente Meinungen zu formulieren. Besonders schlimm, weil lebensweltlich folgenreich, ist dies im Bereich der praktischen Philosophie, in der es um unser Handeln geht.“ Viele Menschen haben nur eine verschwommene Vorstellung von Glück, Moral, Pflichten und Rechten. Sie begehen genau deswegen oft Fehler, weil sie die grundlegenden Definitionen dieser Begriffe nicht überblicken. Eine der Hauptaufgaben der Philosophie ist deshalb die Begriffsklärung. Diese ist spätestens seit Immanuel Kant eng mit dem modernen Ideal der Aufklärung verbunden. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Die Tragödie ist die Nachahmung der Natur

Die Tragödie ist nach Aristoteles eine Untergattung innerhalb der allgemeinen Gattung der Kunst. Sie ist Mimesis, also eine Art Imitation, und zwar in seinen Augen die Nachahmung der Natur. Ágnes Heller stellt fest: „Der Begriff umfasst nicht nur Poesie oder Drama oder Malerei, sondern auch Werkzeuge für den praktischen Gebrauch. Aristoteles betont das Offensichtliche: Von der frühen Kindheit an ahmen wir immer nach. Wir können nicht aufwachsen, ohne zu imitieren.“ Ágnes Heller, Jahrgang 1929, war Schülerin von Georg Lukács. Ab 1977 lehrte sie als Professorin für Soziologie in Melbourne. 1986 wurde sie Nachfolgerin von Hannah Arendt auf deren Lehrstuhl für Philosophie an der New School for Social Research in New York. Ágnes Heller starb am 19. Juli 2019 in Ungarn.

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Stummes Wissen durchzieht den Alltag

Künstliche Intelligenz baut keine Welt auf und schon gar nicht das Gefühl, sich in einer solchen Welt zu befinden. Doch gerade dieses „In-der-Welt-Sein“ ist elementar für alles menschliche Erleben. Der deutsche Philosoph Martin Heidegger hat das schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert gezeigt. Von hier aus unterscheiden Menschen, was für sie relevant ist und was nicht. Richard David Precht stellt fest: „Eine riesige Menge stummen Wissens durchzieht unseren Alltag, bestimmt unsere Handlungen und unsere Sprache. Bedeutungen werden nicht logisch erschlossen, sondern dem Kontext abgelauscht. Unser Denken hat einen feinen, gesamtkörperlichen Sinn für Stimmungen, Zwischentöne und komplexe Zusammenhänge.“ Jedes Thema erscheint einem Menschen in einem Horizont von persönlichem und kulturellem Vorwissen. Der Philosoph, Publizist und Autor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

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Recht und Moral sind nicht deckungsgleich

Moral und Recht hängen zwar zusammen, sind aber weit davon entfernt, deckungsgleich zu sein. Markus Gabriel erläutert: „Die Geltung rechtlicher Normen, ihre Macht über Akteure, besteht selbst dann fort, wenn die faktische Rechtsprechung und die ihr zugrunde liegenden Gesetze erkennbar unmoralisch sind.“ Stalinistische Schauprozesse waren „rechtlich legal“, auch wenn man sie für „moralisch illegitim“ hält. Das ist der grundlegende Unterschied zwischen Legalität und Legitimität. Die Moral artikuliert Regeln, die konkret festlegen, welche Handlungen verboten und welche erlaubt sind. Auf diese Weise kann man exakt zwei Extrempunkte, zwei Pole, und eine moralische Mitte markieren. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Die Manipulation spielt sich im Verborgenen ab

In seinem Buch „Mach doch, was ich will“ enthüllt Thorsten Havener die Geheimnisse der Manipulation. Er beschreibt darin die psychologischen Strategien, mit denen man Meinungen und Entscheidungen sabotieren kann. Er erklärt, welche Schwachstellen eines Menschen ihn angreifbar machen und der unbewussten Einflussnahme anderer aussetzen. Vor allem aber verrät er, wie man sich gegen diese mächtigen Kräfte wehren und die Selbstbestimmung zurückgewinnen kann. Dies gelingt, indem man die häufigsten und wirksamsten Manipulationsmethoden durchschaut und die verborgenen Interessen seiner Mitmenschen erkennt. Thorsten Havener ist unter anderem deswegen so von der Manipulation fasziniert, weil sie sich im Verborgenen abspielt. Eines der wesentlichen Werkzeuge der Beeinflussung ist dabei die Sprache. Der Autor hat sein Buch aus der Sicht eines „Gedankenlesers“ geschrieben. Thorsten Havener ist Deutschlands bekanntester Mentalist.

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Menschen müssen täglich Entscheidungen treffen

In die „Freiheit geworfen“ wie es bei Jean-Paul Sartre heißt, ist der Mensch ständig gefordert, Entscheidungen zu treffen. Und egal, was er tut, es geht weiter und weiter. Ina Schmidt ergänzt: „Wir haben die Wahl, in den großen Fragen wie in den ganz normalen Alltäglichkeiten. Täglich entscheiden wir uns viel Hundert Mal, selbst wenn wir es nicht immer bemerken.“ In einer Welt voller Möglichkeiten jagt eine Entscheidung die nächste. Und wie man damit umgeht, hängt vielfach davon ab, welche Perspektive man einnimmt, wenn man auf diesem Grat des Möglichen entlangwandert. Es geht Ina Schmidt nicht darum, die Inhalte von Entscheidungen auf den Prüfstand zu stellen. Sondern sie denkt darüber nach, was ein Mensch eigentlich tut, wenn er eine Wahl trifft. Ina Schmidt gründete 2005 die „denkraeume“, eine Initiative, in der sie in Vorträgen, Workshops und Seminaren philosophische Themen und Begriffe für die heutige Lebenswelt verständlich macht.

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Taten haben den Charakter der Offenbarung

Für Georg Wilhelm Friedrich Hegel sind das „Wer“, auf das man Bezug nimmt, um seine Handlungen zu rechtfertigen, jene Menschen, die gewohnheitsmäßig eine ähnliche Form des ethischen Lebens führen wie man selbst – eine kulturelle Hilfsvorrichtung, die sich im Lauf der Zeit entwickelt hat und einen sinnvollen Rahmen für die eigenen Aktivitäten darstellt. Matthew B. Crawford erklärt: „In einer solchen Welt haben Taten einen Offenbarungscharakter. Sie sprechen für sich, und zwar deswegen, weil sie sich an andere richten oder womöglich von anderen aufgenommen werden, die in derselben Kultur leben, in der die Taten mehr oder minder feststehende Bedeutungen haben.“ Das bedeutet jedoch, dass in Zeiten kultureller Veränderlichkeit und Ungewissheit, in denen keine Klarheit über die Regeln besteht, das soziale Verständnis für die individuelle Handlungsmacht auf eine grundlegende Schwierigkeit stößt. Matthew B. Crawford ist promovierter Philosoph und gelernter Motorradmechaniker.

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So unterscheiden sich Tragödie und Philosophie

Was in einer Tragödie geschieht, entfaltet sich in der Handlung. Dagegen entfaltet sich in Argumenten und Beweisführungen, was in der Philosophie geschieht. Ágnes Heller fügt hinzu: „Beide – Geschichten und Argumente – führen zu einem Ergebnis, zum Ausgang, beide sind teleologisch konstruiert.“ Aristoteles setzte voraus, dass fast alle guten Tragödiendichter das Endergebnis ihrer Geschichte kennen, bevor sie zu schreiben beginnen. Er missbilligte Tragödienreihen. Wo etwas endet, da sollte es auch enden, es gibt nichts anderes mehr zu beginnen. Ágnes Heller, Jahrgang 1929, war Schülerin von Georg Lukács. Ab 1977 lehrte sie als Professorin für Soziologie in Melbourne. 1986 wurde sie Nachfolgerin von Hannah Arendt auf deren Lehrstuhl für Philosophie an der New School for Social Research in New York. Ágnes Heller starb am 19. Juli 2019 in Ungarn.

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Der Mensch erkennt sich selbst in seinem Handeln

Der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel beschäftigte sich eingehend mit den Wechselwirkungen zwischen der Welt im Inneren und der Außenwelt. Zudem untersuchte er ihre Funktion für die Selbsttäuschung. Nach Georg Wilhelm Friedrich Hegel erkennen wir uns selbst in unserem Handeln. Und das Handeln ist an sich sozial. Seine Bedeutung hängt weitgehend davon ab, wie es von anderen wahrgenommen wird. Matthew B. Crawford erläutert: „Die wesentliche Frage der Selbsterkenntnis lautet, wie wir uns anderen durch unser Handeln verständlich machen können. Nur dann können sie uns ein Spiegelbild von uns vorhalten.“ Für Georg Wilhelm Friedrich Hegel gibt es kein Selbst zu entdecken, das vor dem in der Welt seienden Selbst oder auf einer „tieferen Ebene“ als dieses existieren würde. Matthew B. Crawford ist promovierter Philosoph und gelernter Motorradmechaniker.

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Dacher Keltner definiert einen neuen Begriff der Macht

Seit Niccolò Machiavelli und der Renaissance hat sich die Gesellschaft dramatisch verändert, und zwar in einer Weise, die es erforderlich macht, die ausgediente Definition von Macht fallenzulassen. Dacher Keltner erklärt: „Es wird uns eher gelingen, das Macht-Paradox zu überlisten, wenn wir unser Denken erweitern und Macht als die Fähigkeit definieren, etwas in der Welt zu verändern, insbesondere, indem wir mit Hilfe der Macht andere in unseren sozialen Netzen aufrütteln.“ Nach dieser neuen Definition ist Macht nicht auf ganz besondere Menschen beschränkt, also weder auf grausame Diktatoren noch hochrangige Politiker oder die Reichen und Berühmten des Jet-Sets, die in der Öffentlichkeit stehen. Dacher Keltner ist Professor für Psychologie an der University of California in Berkeley und Fakultätsdirektor des UC Berkeley Greater Good Science Center.

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Zorn entsteht oft durch eine Statusverletzung

In der von der Psychologin Carol Travis vorgelegten umfangreichen empirischen Untersuchung des Zorns finden sich überall Belege für „Kränkungen“, „Geringschätzigkeit“, „herablassendes Verhalten“ und eine „Behandlung, als hätte man keine Bedeutung“. Die Menschen sind heutzutage wie auch in früheren Zeiten ungemein besorgt um ihr Ansehen. Und sie haben eine endlose Bereitschaft, sich von Handlungen, die sie dem Anschein nach darin bedrohen, in Zorn versetzen zu lassen. Diese Art der empfundenen Herabsetzung bezeichnet Martha Nussbaum als „Statusverletzung“. Allein die Idee der Statusverletzung schließt bereits die Vorstellung einer Unrechtmäßigkeit ein. Denn Statusminderung ist gemeinhin beabsichtigt, wie schon der griechische Philosoph Aristoteles wusste. Martha Nussbaum ist Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago. Sie ist eine der einflussreichsten Philosophinnen der Gegenwart.

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Der Hass ist umfassend und allgemein

Der Hass stellte eine negative Emotion dar, der sich auf das Ganze der Person konzentriert statt auf die einzelne Tat. Obgleich auch der Zorn auf eine Person gerichtet ist, liegt sein Focus auf der Tat, und wenn die Tat irgendwie aus der Welt geschafft wird, kann man erwarten, dass sich auch der Zorn verflüchtigt. Martha Nussbaum fügt hinzu: „Der Hass hingegen ist umfassend und allgemein, und wenn dabei Handlungen eine Rolle spielen, dann einfach deshalb, weil alles an der Person in einem negativen Licht gesehen wird.“ Aristoteles zufolge gibt es nur eine einzige Sache, die gegen den Hass hilft und ihn wirklich zur Ruhe kommen lässt: nämlich dass die Person zu existieren aufhört. Martha Nussbaum ist Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago. Sie ist eine der einflussreichsten Philosophinnen der Gegenwart.

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Der menschliche Geist ist eine Art Spiegel

Selbst komplexe Handlungsmuster bedürfen nicht unbedingt einer bewussten Entscheidung. William James schrieb in seinem berühmten Kapitel „Der Willen“ von 1890, dass menschliches Verhalten aus unbewussten und nicht intentionalen Quellen entspringt, auch das Verhalten, das dem, was jemand gegenwärtig in der Welt erlebt und sieht, angemessen ist und ihm nahegelegt wird. Die bewussten Willensakte, so William James, sind Akte der Kontrolle über diese unbewussten Impulse, die manche durchlassen, andere hingegen nicht. John Bargh erläutert: „Der menschliche Geist ist eine Art Spiegel: Er generiert potenzielles Verhalten, das die Situation und die Umgebung widerspiegelt, in der man sich gerade befindet. Bevor man es merkt, wird das, was man tut, von dem bestimmt, was man sieht.“ Prof. Dr. John Bargh ist Professor für Psychologie an der Yale University, wo er das Automaticity in Cognition, Motivation, and Evaluation (ACME) Laboratory leitet.

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Meistens haben Menschen keinen Zugang zu ihrem Denken

Normalerweise haben Menschen das Gefühl, dass sie über die Vorgänge in ihrem Kopf recht gut Bescheid wissen – worüber sie gerade nachdenken und welche Denkprozesse gerade ablaufen. Aber diese Überzeugung ist laut Richard E. Nisbett meilenweit von der Wirklichkeit entfernt. Denn ein immenser Teil der Einflüsse auf die Urteile eines Menschen und sein Verhalten wirkt im Verborgenen. Reize, die man bewusst kaum wahrnimmt – falls man ihnen überhaupt Beachtung schenkt –, können sich auf das, was man tut, gravierend auswirken. Richard E. Nisbett ergänzt: „Viele der Reize, die wir bemerken, haben Konsequenzen, die über das, was uns plausibel erscheint, weit hinausgehen.“ Ein Mensch weiß zum Beispiel nicht, dass er langsamer geht, wenn er an alte Leute denkt. Richard E. Nisbett ist Professor für Psychologie an der University of Michigan.

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David Gelernter begibt sich in die Welt der Tagträume

Träume sind Themenkreise, die die Vergangenheit in die Gegenwart holen. Tagträume und Phantasien – bei denen der Geist weit abschweift, bilden eine Übergangszone; anschließend nähert man sich den Gedanken des Einschlafens, den Halluzinationen und den Träumen. Tagträume können sich zu jeder Zeit einstellen. Eric Klinger, ein Spezialist für Tagträume, schreibt: „Tagträume erinnern uns immer wieder an unsere aktuellen Angelegenheiten … Bei den Angelegenheiten, auf die sie zurückkommen, handelt es sich meist um jene, die emotional für uns am wichtigsten sind.“ David Gelernter ergänzt: „Tagträume und Träume sind zuerst und vor allem Erinnerungsvorgänge.“ Das Erinnern ist – unter ansonsten gleichen Voraussetzungen – ein Vorgang, der die neuesten, frischesten Erinnerungen stark bevorzugt. Die gleiche Präferenz zeigen auch Tagträume. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

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Die Urteilskraft minimiert die Gefahr der Täuschung

Der Besitz von Urteilskraft ist eine der wesentlichen Eigenschaften eines Philosophen. Diese Fähigkeit besteht darin, vor der Äußerung eines Urteils, der Zustimmung zu einer Aussage beziehungsweise ihrer Ablehnung oder der Entscheidung für eine Handlungsweise die dazu leitenden Vorstellungen beziehungsweise Beweggründe präzise zu analysieren und so alles auf sein wahren Prinzipien zurückzuführen. Da dieses Vorgehen eine klare Erkenntnis der Wahrheit, der Wahrscheinlichkeit, der Zweifelhaftigkeit oder der Falschheit der untersuchten Aussagen mit sich bringt, minimiert der Besitz von Urteilskraft die Gefahr diesbezüglicher Täuschung. Urteilskraft fungiert also als Instanz zur Bewertung des Verhältnisses von Aussagen zu den unabhängig von Aussagen bestehenden Sachverhalten und bewirkt die treffende, obgleich nicht schnelle Bewertung der Weise, in der Aussagen Aufschluss über die Wirklichkeit geben. Allgemein gefasst heißt das, dass die Urteilskraft Aussagen überhaupt erst in eine bewertbare Beziehung zur Wirklichkeit setzt.

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