Die Auslegung der religiösen Quellen lässt viel Spielraum

Es kann große Unterschiede im Sozialverhalten verschiedener Anhänger ein und derselben Religion geben. Selbst auf Gebieten, von denen man vielfach meint, sie hingen eng mit der Religion zusammen. Diese Unterschiede darf man jedoch nicht als bloße Aspekte eines neuen, durch die Moderne in die muslimischen Länder getragenen Phänomens verstehen. Amartya Sen ergänzt: „Der Einfluss anderer Interessen, anderer Identitäten lässt sich in der gesamten Geschichte muslimischer Völker beobachten.“ In der Weltgeschichte sind oftmals die Einstellungen zur religiösen Toleranz gesellschaftlich bedeutsam gewesen. Und unter Muslimen findet man in dieser Beziehung eine große Bandbreite. Muslim zu sein ist keine alles überragende Identität, die alles, woran ein Mensch glaubt, determiniert. Amartya Sen ist Professor für Philosophie und Ökonomie an der Harvard Universität. Im Jahr 1998 erhielt er den Nobelpreis für Ökonomie.

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Die Religion schafft keine allumfassende Identität

Die Religion eines Menschen muss nicht seine allumfassende oder ausschließliche Identität sein. Amartya Sen nennt ein Beispiel: „Gerade der Islam als Religion enthebt die Muslime in vielen Lebensbereichen nicht der Notwendigkeit einer verantwortungsbewussten Entscheidung.“ Es ist durchaus möglich, dass der eine Muslim eine streitbare Haltung einnimmt, während sich ein anderer sich gegenüber Andersgläubigen vollkommen tolerant verhält. Keiner der beiden hört allein aus diesem Grund auf, ein Muslim zu sein. Es gibt ausgesprochen verworrene Reaktionen auf den islamischen Fundamentalismus und den damit verbundenen Terrorismus. Das liegt daran, wenn man generell versäumt, zwischen islamischer Geschichte und der Geschichte der muslimischen Völker zu unterscheiden. Amartya Sen ist Professor für Philosophie und Ökonomie an der Harvard Universität. Im Jahr 1998 erhielt er den Nobelpreis für Ökonomie.

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Jeder Mensch sollte einige Grundregeln beherrschen

Eine Flut von Wissen ist für Ille C. Gebeshuber genauso schlecht wie fanatischer, blinder Glaube, der nichts hinterfragt. Deshalb ist es notwendig, das in der generellen Ausbildung das additive Wissen der Wissenschaft durch mutatives, also angepasstes Wissen zu ersetzen. Dieses reduziert man auf ein klares, aber anwendbares Minimum. Dabei ist es im Prinzip nur notwendig, ein gesichertes Maß an Grundregeln zu besitzen. Daneben sollte man die Regeln kennen, mit denen die verfügbaren Informationen zu neuem Wissen zusammengefügt werden können. Ille C. Gebeshuber erklärt: „Mit der Erfahrung einiger Lebensjahre können wichtige Zusammenhänge so selbst erkannt und verstanden werden.“ Den riesigen Haufen an Wissen, der überall verfügbar ist, kann man zur Überprüfung der eigenen Schlüsse heranziehen. Ille C. Gebeshuber ist Professorin für Physik an der Technischen Universität Wien.

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Das Wissen hat die Welt zum Besseren verändert

Der Glaube und das Wissen verlangen im Rahmen der notwendigen Autorität die absolute Unterwerfung der Menschen. Ein Hinterfragen der „Wahrheiten“ ist oft nicht erwünscht. Ille C. Gebeshuber stellt fest: „Natürlich hat das System Wissen dem System Glauben, das Gott in den Mittelpunkt stellt, einiges voraus.“ Die Einführung des auf der Natur aufbauenden wissenschaftlichen Systems erlaubte nicht nur die Schaffung einer gesicherten Wissensbasis, sondern auch die Vernetzung des Wissens. Die gesellschaftliche Entwicklung, die auf diesem Wissen aufbaute, führte zum Umdenken der Renaissance. Das Interesse der Menschen an ihrem Umfeld wuchs, und wer um die Dinge weiß, den kümmern sie. Das Wissen hat, durch den mit ihm zusammenhängenden Humanismus, die Welt zum Besseren verändert. Ille C. Gebeshuber ist Professorin für Physik an der Technischen Universität Wien.

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Der Fundamentalismus fußt auf einer großen Lüge

Fundamentalismus ist eine Reaktion. Nämlich auf die Moderne und auf die Ideen der Globalisierung, die mit ihrer stetigen Ausbreitung die traditionellen Ideen und Machtstrukturen bedrohen. Die Moderne und die Globalisierung bringen Fragen und Zweifel hinsichtlich der Heiligen Schriften und ihrer exklusiven Mittler mit sich. Damit lösen sie Reaktionen aus. Eine davon ist die Integration von religiösen Ideen und Moderne. Nadav Eyal fügt hinzu: „Eine andere Reaktion ist die Ablehnung jeglicher derartiger Verquickungen und die Behauptung, nur Extremismus schütze vor Verfall.“ Der Fundamentalismus fußt auf einer gigantischen Lüge. Denn er setzt nicht den geistigen Weg des Propheten Mohammed oder irgendeines anderen Propheten fort. Der Fundamentalist erfindet Auslegungen, Geschichten oder Traditionen. Diese präsentiert er als altüberkommene religiöse Grundsätze. Nadav Eyal ist einer der bekanntesten Journalisten Israels.

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Traditionelle Tugenden sind nicht mehr zeitgemäß

Die vier alten Tugenden Tapferkeit, Klugheit, Gerechtigkeit und Mäßigung ragen aus der Antike in die Gegenwart. Die Dreiheit aus Glaube, Liebe, Hoffnung war lange die gültige christliche Ergänzung der griechisch-römischen Tugenden. Reimer Gronemeyer fügt hinzu: „Diese Klassiker wurden in der Industriegesellschaft noch durch Fleiß, Gehorsam, Sparsamkeit ergänzt.“ Die besagten Tugenden und Werte konnten in einem Milieu gedeihen, das gegenwärtig zerfällt: Familie, Nachbarschaft, Kommune, Vereine und Kirchen. Jenes Milieu bot den gesellschaftlichen Zusammenhang, es stellte sozusagen die Bausteine. Aber was bringt die Zukunft? Nur noch Menschen, die sich selbst vermessen und optimieren? Aus der Unternehmensberatung wird zum Beispiel von einem neuen „Werkzeug“ berichtet, das Personalentscheidungen auf eine sichere Basis stellen soll: Das Tool „Precire“ analysiert Sprachproben eines Menschen. Reimer Gronemeyer ist seit 1975 Professor für Soziologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen, wo er 2018 zum Ehrensenator ernannt wurde.

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Die Götter ließen sich nicht mit leeren Worten abspeisen

Für die größte theologische Schwäche von Blaise Pascals „Wette“ ist für Nassim Nicholas Taleb die Annahme, der Glaube wäre als frei Option zu haben: „Zum Glauben gehört eine Symmetrie zwischen dem, was Sie zahlen, und dem, Was Sie bekommen. Andernfalls wäre es zu einfach.“ In der heidnischen Welt des östlichen Mittelmeerraums gab es keine Verehrung der Götter ohne Opfer. Die Götter ließen sich nicht mit leeren Worten abspeisen. Es ging darum, seine Prioritäten offenzulegen. Die Brandopfer wurden nur deshalb verbrannt, damit die Menschen sie nicht verzehren konnten. Allerdings stimmt das auch wieder nicht ganz: Der Hohepriester erhielt durchaus seinen Anteil; das Priestertum war eine recht lukrative Berufssparte, und im vorchristlichen, griechischsprachigen Ostmittelmeerraum wurden die Ämter der Hohepriester häufig versteigert. Nassim Nicholas Taleb ist Finanzmathematiker, philosophischer Essayist, Forscher in den Bereichen Risiko und Zufall sowie einer der unkonventionellsten Denker der Gegenwart.

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Der Drang nach Erkenntnis ist nicht unchristlich

Der um 1200 geborene Albertus Magnus war mit Anfang 20 in den Bettelorden der Dominikaner eingetreten und schon früh in Lehrämter berufen worden. Zuletzt hatte er als Magister einen der beiden Dominikaner-Lehrstühle an der Universität Paris innegehabt. Hartmut Sommer ergänzt: „Nach Köln ging er um 1248, um dort im Auftrag des Ordens ein Generalstudium, also … Weiterlesen

Der Gottesglaube ist eine Form von Geisteskrankheit

In seinem Buch „Nach Gott“ stimmt der Philosoph Peter Sloterdijk einen radikalen Abgesang auf den jüdisch-christlichen Monotheismus an. Der Autor vertritt die These, dass auch Götter sterblich und dem Gesetz der Geschichte unterworfen sind. Solange Menschen denken können, müssten Götter sterben oder wurden ins Exil geschickt – ob nun die Gottheiten des antiken Polytheismus oder die der germanischen Mythologie. Irgendwann war ihr sinngebendes Potential verbraucht und es trat schleichend ihre Agonie ein. Ihr Tod wurde notwendig, um Raum für einen neuen Lebenszyklus mit neuen Göttern zu schaffen. Laut Peter Sloterdijk befindet sich die Menschheit im 21. Jahrhundert in einer Epoche der erneuten Götterdämmerung, wobei es sich um die allmähliche Sinnentleerung des Bildes vom allmächtigen und allwissenden Gott handelt, der graduell ausblutet und zwangsläufig verblasst.

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Der Glaube ist etwas Irrationales

Søren Kierkegaard (1813 – 1855) beschäftigt sich in seinem berühmtesten Werk „Entweder – Oder“ (1843) mit dem Thema der Entscheidungsfindung. Nigel Warburton erklärt den Inhalt: „Dieses Buch stellt den Leser vor die Entscheidung, entweder ein Leben des Vergnügens und der Schönheit zu wählen oder eines, das auf konventionellen Moralregeln gründet – eine Entscheidung zwischen Ästhetik und Ethik.“ Und immer wieder kehrte er in seinen Schriften auf ein Thema zurück – den Glauben an Gott. Den Mittelpunkt bildet die Geschichte von Abraham. Für Søren Kierkegaard ist der Glaube an Gott keine einfache Entscheidung, sondern eine, die einen Sprung ins Ungewisse erfordert, eine im Glauben getroffene Entscheidung, die sich sogar gegen konventionelle Vorstellungen von dem, was man tun sollte, wendet. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Auf kurze Sicht sind Religion und Bildung kein Widerspruch

In Europa war eine religiöse Revolution die Ursache der universellen Alphabetisierung, die ihrerseits den wirtschaftlichen Aufschwung ermöglichte. Emmanuel Todd fügt hinzu: „Der Glaube nährte den Fortschritt. Dem Protestantismus gelang auf dem Kontinent das, was das Judentum in den Hochlagen des Nahen Ostens nur ansatzweise zu erreichen versucht hatte: eine Bevölkerung in ihrer Gesamtheit in die Welt der Schrift einzuführen.“ Auf kurze Sicht ist zwischen Bildung und Religion kein Widerspruch erkennbar. Der französische Historiker Lucien Febvre zeigte sehr gut die Unfähigkeit der Humanisten, sich vom Bild eines höheren Wesens zu lösen. Zwischen 1550 und 1650 ist ein Europa eine Koexistenz zwischen einem wieder auflebenden religiösen Glauben, einer ersten Alphabetisierung der Massen, der Angst vor dem Teufel und großen Hexenverfolgungen zu verzeichnen. Emmanuel Todd ist einer der prominentesten Soziologen Frankreichs.

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Blaise Pascal hat die Philosophiegeschichte nachhaltig beeinflusst

Blaise Pascals „Gedanken“ liegen nun im Marix Verlag vollständig in einer neuen präzisen Übersetzung von Bruno Kern vor. Die Fragmente aus dem Nachlass von Blaise Pascal wurden zu Themen gegliedert, die der heutigen Zeit entsprechen. Zudem erleichtern eine ausführliche Einleitung und zahlreiche Fußnoten die Orientierung und das Verständnis des Textes. Blaise Pascals Gedanken, die die Geistesgeschichte erschüttert haben, sind auch in der heutigen Zeit noch aktuell. Der französische Philosoph, Mathematiker, Physiker und Literat hat äußerst scharf über die menschliche Existenz nachgedacht und mit seinen „Pensées“ die Philosophiegeschichte und darin vor allem die Existenzphilosophie nachhaltig beeinflusst. Dem Rationalismus seiner Zeit antwortet er mit seinem „esprit de finesse“ und seiner „Logik des Herzens“. Der Übersetzer und Herausgeber Bruno Kern lebt in Mainz und arbeitet als selbstständiger Lektor, Übersetzer und Autor.

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Optimismus ist immer auch eine Frage des Zukunftsglaubens

Unter „Optimismus“ wird im Alltag wie in der Forschung eine positive Erwartung im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen verstanden. Jens Weidner erklärt: „Optimismus ist damit auch immer eine Frage der Fantasie und des Zukunftsglaubens.“ Die Optimismusforschung beschäftigt sich primär mit zwei Ansätzen: Die erste Forschungsrichtung beschreibt typische Fehler in der menschlichen Urteilsbildung, etwa wenn Menschen sich durch eine positiv verzerrte Zukunftssicht auszeichnen und dann die Hände in den Schoss legen, weil sie glauben, das Glück käme von alleine. Die zweite Forschungsrichtung versteht Optimismus als Persönlichkeitsmerkmal. Sie untersucht die Folgen unterschiedlicher Ausprägungen des Optimismus. Dabei beleuchtet die Sozialisation die Entwicklung eines Menschen und erklärt wie der Weg zum Optimisten gelingen kann. Jens Weidner ist seit 1995 Professor für Erziehungswissenschaften und Kriminologie an der Fakultät Wirtschaft und Soziales der Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Hamburg.

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Hochstapler machen Menschen zu ihren Komplizen

Es passiert nur anderen Menschen, den Gierigen und Leichtgläubigen, aber niemals einem selbst: Diebstahl im Internet, Abzockerei, Anlagebetrug. Das ist ein großer Irrtum. Wahre Künstler des Betrugs finden bei jedem Menschen die Schwachstelle. Das hat die amerikanische Psychologin Maria Konnikova in ihrem neuen Buch „Täuschend echt und glatt gelogen“ herausgefunden. Ob bei Investitionslügen, Kunstfälschungen, falschen Doktortiteln oder Schneeballsystem: Immer geht es um Vertrauen, um die Fähigkeit, andere etwas glauben zu lassen. Der Künstler des Betrugs begeht dabei keine Schwerverbrechen. Seine Kunst ist die Anwendung seiner hochentwickelten Sozialkompetenz: Überredung, Sympathie und Vertrauen. Ein guter Hochstapler zwingt einen Menschen nicht, irgendetwas zu tun, sondern macht ihn zu seinem Komplizen. Maria Konnikova analysiert: „Er stiehlt nicht, wir geben. Freiwillig. Wir glauben ihm, weil wir glauben wollen.“

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Die Religion ist nichts weiter als eine Illusion

Sigmund Freud leitete die Religion aus der kulturellen Entwicklung ab, als deren Bestandteil sie die Zumutungen der Natur und der Gesellschaft gleichermaßen zu bewältigen gestattet. Gegen die Zufälle und Gefahren der Natur erzeugt sie die Illusion, dass alles nach Plan erbaut und durch den Willen des Schöpfers kontrolliert wird. Peter-André Alt ergänzt: „Gegen die sozialen Zwänge setzt sie den Gedanken der Belohnung für entgangene Befriedigung in der Idee der Erlösung nach dem Tod.“ Betrachtet man den Kern religiöser Aussagen über Jenseits und ewiges Leben, Gottes Schöpfungsidee und die Segnungen des Paradieses genauer, dann kommt man allerdings schnell zur Einsicht in ihren irrationalen Charakter. Die religionsimmanenten Argumente, die ihrer Absicherung dienen, lassen sich, so Sigmund Freud, durchgehend als bedenklich bezeichnen. Peter-André Alt ist Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der Freien Universität Berlin.

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Friedrich Nietzsche brachte den Sprengstoff in die Philosophie

Die neue Sonderausgabe des Philosophie Magazins ist dem großen deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche gewidmet, der von sich selbst in „Ecce homo“ schrieb: „Ich bin kein Mensch, ich bin Dynamit.“ In dem Heft sind Auszüge seiner wichtigsten Texte versammelt, die von unter anderem von Sigmund Freud, Theodor W. Adorno, Michel Foucault und Rüdiger Safranski kommentiert werden. Rüdiger Safranski bezeichnet Friedrich Nietzsche als einen Künstler des Denkens. Das Denken, das soll nach seiner Vorstellung ein reiches, lebendiges Denken sein: „Nietzsche will gewissermaßen mit dem Denken selbst musizieren. Was dabei herauskommt, ist neben vielen blitzenden Gedanken ein unnachahmlicher Stil.“ Der Nietzsche-Sound ist bisweilen von einer überwältigenden Wucht und Schönheit. Friedrich Nietzsche übte furiose Kritik an der religiösen Sklavenmoral: „Der christliche Glaube ist von Anbeginn Opferung: Opferung aller Freiheit, alles Stolzes, aller Selbstgewissheit des Geistes; zugleich Verknechtung und Selbst-Verhöhnung, Selbst-Verstümmelung.“

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Mit jeder Tugend geht ein Laster einher

Augustinus, der lateinische Kirchenlehrer der Spätantike, glaubte nicht daran, dass die Welt feinsäuberlich in die Kräfte des reinen Guten und des reinen Bösen geschieden werden könne. Vielmehr gehe jede Tugend mit einem Laster einher – Selbstvertrauen mit Stolz, Aufrichtigkeit mit Brutalität, Mut mit Leichtsinn und so weiter. Der Ethiker und Theologe Lewis Smedes beschreibt die menschliche Natur der Innenwelt wie folgt: „Unser Seelenleben ist nicht so scharf geschieden wie Tag und Nacht – mit reinem Licht auf der einen Seite und totaler Finsternis auf der anderen. Unsere Seelen sind überwiegend Schattenräume; wir leben an der Grenze, wo unsere dunklen Seiten uns Licht blockieren und einen Schatten auf unsere inneren Plätze werfen. Wir können nicht immer sagen, wo unser Licht endet und unser Schatten beginnt und wo unser Schatten endet und unsere Finsternis beginnt.“

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Bertrand Russell greift die Religion scharf an

Seine Ansichten über die Sexualität brachten den britischen Philosophen, Mathematiker und Logiker Bertrand Russell in Schwierigkeiten. Im Jahr 1929 veröffentlichte der ein Buch mit dem Titel „Ehe und Moral“. In diesem Werk beschäftigte er sich mit den christlichen Ansichten zur ehelichen Treue. Er fand nicht, dass man treu sein müsse, was zu der Zeit ziemliches Kopfschütteln verursachte. Aber daraus machte sich Bertrand Russell wenig. Nigel Warburton fügt hinzu: „Er hatte bereits sechs Monate im Gefängnis von Brixton verbracht, weil es sich 1916 als Aktivist gegen den Ersten Weltkrieg ausgesprochen hatte.“ In späteren Jahren war er Präsident der Campaign for Nuclear Disarmament (CND), einer internationalen Bewegung gegen Massenvernichtungswaffen. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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George Eliot beschreibt das Schicksal junger Frauen

Die englische Schriftstellerin George Eliot, die eigentlich 1819 unter dem Namen Mary Anne Evans geboren wurde, schrieb: „Ein Menschenleben, so meine ich, sollten in einem heimatlichen Flecken tief verwurzelt sein, wo es die Liebe zärtlicher Verbundenheit für das Gesicht der Erde erfährt, für die Arbeiten, die die Leute verrichten, für die Klänge und Akzente, für alles, was dieser frühen Heimat eine unverwechselbare Vertrautheit verleiht inmitten der Erfahrungen, die noch kommen werden.“ In dem berühmten Vorwort zu ihrem Roman „Middlemarch“ schreibt George Eliot von den Schwierigkeiten vieler junger Frauen, ihre Bestimmung im Leben zu finden. Sie spüren in ihrem Innern eine starke Sehnsucht, schrieb sie, eine geistige Inbrunst, ihre Energien auf ein gewichtiges, hohes und bedeutsames Ziel zu lenken. Sie werden von hehren moralischen Ambitionen angetrieben, dem dringenden Bedürfnis, ihr Leben in den Dienst einer heroischen gerechten Sache zu stellen.

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Toleranz muss zur Anerkennung führen

Zu den massivsten und erfolgreichsten Kampagnen der Aufklärung zielt auf Religionsfreiheit und Toleranz. Religiöse Toleranz ist als Postulat und als Praxis nicht auf die Frühe Neuzeit und die Moderne und nicht auf Europa und Nordamerika beschränkt, wie eine eurozentrierte Aufklärungshistorie oft unterstellt. Gleichwohl findet sich hier ihre ausdifferenzierteste Form. Die Toleranzdebatte zielt auf religiöse Freiheit sowie auf individuelle Freiheits- und Menschenrechte, ganz im Sinne des französischen Philosophen und Theologen Sebastians Castellios (1515 – 1563), der gegen die Intoleranz geltend gemacht hatte: „Einen Menschen töten heißt nicht, eine Lehre verteidigen, sondern einen Menschen töten.“ Sie verschränkt naturrechtliche, vertragstheoretisch akzentuierte, oft skeptisch getönte, und pragmatische oft ökonomische Überlegungen und richtet sich gegen die Vertreter religiöser Orthodoxie, die eine auf Einheit gerichtete Autorität im kirchlichen und staatlichen Bereich durchsetzen wollen.

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Ohne freien Willen gibt es keine Entscheidung

Bevor ein Mensch den Sinn seines Lebens wählt, sollte er sich vielleicht erst einmal fragen, ob er überhaupt einen freien und unabhängigen Willen hat, der ihm eine solche Wahl ermöglicht. Daniel Klein kennt kein bündigeres und wirkungsvolleres Argument, um an den freien Willen zu glauben als folgenden Ausspruch des amerikanischen Philosophen William James (1842 – 1910): „Mein erster Akt des freien Willens soll sein, an den freien Willen zu glauben.“ Zum geradlinigen Pragmatismus eines William James fühlt sich Daniel Klein seit jeher hingezogen. Sein Ziel ist es, die Philosophie relevant für das wirkliche Leben zu machen und die Frage nach dem freien Willen zu beantworten. Daniel Klein, Jahrgang 1939, studierte Philosophie in Harvard. Zusammen mit Thomas Cathcart schrieb er „Platon und Schnabeltier gehen in eine Bar“, das in 26 Sprachen übersetzt wurde.

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Nein ist eines der besten und sinnvollsten Wörter überhaupt

Das neue Buch „NEIN“ von Anja Förster und Peter Kreuz sagt Ja zum Nein, obwohl Menschen, die auch einmal nein sagen, schnell als schwierig gelten. Für die Autoren ist Nein nicht das böse Wort, das man nicht aussprechen darf, sondern eines der wichtigsten, besten und sinnvollsten Wörter überhaupt. Denn wer selbstbestimmt leben und eigenständige Entscheidungen für oder gegen etwas treffen will, muss sehr oft nein sagen. Außerdem stehen hinter jedem Ja viele Neins. Im 21. Jahrhundert haben mehr Menschen als jemals zuvor die Möglichkeit, ihr Leben selbst zu gestalten. Dieses Phänomen ist etwas völlig Neues. Damit einher geht eine enorme Verbesserung der Lebensqualität. Dennoch ist es offensichtlich, dass die meisten Menschen die freie Wahl ihrer Wünsche und Ziele nicht glücklich macht.

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Friedrich Nietzsche postuliert: „Gott ist tot.“

„Gott ist tot“. Das ist der berühmteste Satz des deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche (1844 -1900). Wörtlich genommen, wollte er nicht sagen, Gott habe zu einer bestimmten Zeit gelebt oder lebe jetzt nicht mehr, sondern eher, dass der Glaube an Gott nicht mehr vernünftig ist. Ganz anders als zum Beispiel bei Immanuel Kant, der seine Gedanken zu einem strengen System ordnete, stürmen die Gedanken bei Friedrich Nietzsche von allen Seiten auf den Leser ein. Nigel Warburton erklärt: „Viele seiner Schriften sind in der Form von kurzen, bruchstückhaften Absätzen und Aphorismen, also Merksätzen, verfasst, einige ironisch, andere ernst, viele deutlich provokant. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Niall Ferguson nennt fünf Gründe für den Populismus

Der in diesen Tagen um sich greifende Populismus versetzt die Regierungen in Europa und den USA in Alarmstimmung. Der Duden beschreibt dieses Phänomen „als eine von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft auch demagogische Bewegung, die das Ziel hat, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen zu gewinnen“. Im Klartext wird den Politikern die Bereitschaft abgesprochen, dem Volk zu dienen. Sie hätten keine Antworten auf die großen Probleme der Zeit. Die Populisten sind daher tief davon überzeugt, dass nur sie die wahren Interessen der schweigenden Mehrheit mit ihrem gesunden Menschenverstand vertreten. Wie konnte es überhaupt zu so einer, die repräsentative Demokratie gefährdenden Entwicklung kommen? Der amerikanische Historiker Niall Ferguson von der Harvard-Universität macht dafür fünf Faktoren verantwortlich.

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Im 18. Jahrhundert beginnt die moderne Zeit

Das 18. Jahrhundert ist von den Zeitgenossen und später von Historikern als eine Epochenwende und als Beginn der modernen Zeit empfunden worden. Das Deutsche Reich war seit dem Dreißigjährigen Krieg in eine Vielzahl von kleinen und kleinsten Territorien zersplittert und war in seiner Form weit von einem modernen Staat entfernt. Neben über dreihundert souveränen Territorien gab es eine Fülle von halbautonomen Gebieten und Städten, die eine kaum zu entwirrende Parzellierung des Reichsgebietes bewirkt hatten. Die Reichsgewalt des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation lag zwar bis zum Jahr 1806 beim deutschen Kaiser, sie war aber auf ganz wenige Rechte beschränkt und hatte eine mehr symbolische Bedeutung. Die wichtigen politischen Entscheidungen lagen bei den Territorialstaaten, die ihre Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit, Landesverteidigung, Polizeigewalt und so weiter unabhängig von der Reichsgewalt ausübten.

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