Die soziale Umwelt formt das menschliche Gehirn

Es gibt einen besonders starken, nachhaltigen und wissenschaftlich zweifelsfrei nachgewiesenen Einfluss auf das Gehirn. Dabei handelt es sich um das, was ein Mensch in seinem sozialen Umfeld erlebt und tut. Manche Kinder fühlen sich in ihren Familien geborgen. Denn dort bekommen sie viele Anregungen und werden sportlich und musikalisch gefördert. Dabei kommt es im Gehirn zur Aktivierung von Genen, die Wachstumsfaktoren der Nerven herstellen, die dann ihrerseits für eine gute Entwicklung des Gehirns sorgen. Joachim Bauer fügt hinzu: „Kinder, die vernachlässig wurden oder Gewalt erlebt haben, zeigen im Vergleich dazu eine bis zu dreißigprozentige Verminderung ihrer grauen Substanz.“ Dass die soziale Umwelt das menschliche Gehirn formt, ist heute alles andere als eine gewagte Außenseiterhypothese, sondern Stand der modernen Neurowissenschaften. Joachim Bauer ist Arzt, Neurowissenschaftler, Psychotherapeut und Bestsellerautor von Sachbüchern.

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Die Welt ist unwahrscheinlich reich und zugleich bedrückend arm

Unfreiheit kann auch daraus erwachsen, dass man andere Kulturen und Lebensweisen nicht kennt und versteht. Die Welt ist unwahrscheinlich reich und zugleich bedrückend arm. Amartya Sen stellt fest: „Der Überfluss, in dem wir heute leben, ist beispiellos, und das Ausmaß an Ressourcen, Wissen und Technik, die uns heute zu Gebote steht und das wir für selbstverständlich halten, hätten unsere Ahnen sich nicht ausmalen können.“ Gleichzeitig ist die Welt voller entsetzlicher Armut und bedrückender Entbehrung. Es ist skandalös, wie viele Kinder unzureichend ernährt und gekleidet sind, misshandelt werden, des Lesens und Schreibens unkundig und unnötigerweise krank sind. Millionen sterben jede Woche an Krankheiten, die gänzlich abgeschafft sein oder doch wenigstens daran gehindert werden könnten, massenhaft zu töten. Amartya Sen ist Professor für Philosophie und Ökonomie an der Harvard Universität. Im Jahr 1998 erhielt er den Nobelpreis für Ökonomie.

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Auch heute noch ist Hunger ein großes Problem

Den Großteil der Menschheitsgeschichte mussten unsere Vorfahren darum kämpfen, ihre Familien zu ernähren. Hannah Ritchie erklärt: „Es brauchte nur eine schlechte Saison – eine Dürre, Flut oder Pestwelle – und schon drohte eine Hungersnot. Nahrungsmittelunsicherheit und Hunger waren an der Tagesordnung.“ Möglicherweise verfügten viele Stämme und Gemeinschaften bereits vor der Agrarrevolution über ausreichend Nahrung, man weiß es allerdings schlechthin nicht. Was man jedoch weiß, ist, dass mit dem Aufkommen der Landwirtschaft und von kleinen Gruppen, die sich zu Dörfern wandelten, die Lebensmittelversorgung schwer zu kalkulieren war. Es gab einerseits mehr Menschen, die Nahrung benötigten, andererseits aber weniger Möglichkeiten, weiterzuziehen und Vorräte zu sammeln. Die Ernten waren zudem stark wetterabhängig, Knappheit und Hunger schienen unabwendbar. Dr. Hannah Ritchie ist Senior Researcher im Programm für globale Entwicklung an der Universität Oxford.

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Klagen von Kindern über Erziehungsfehler sind recht neu

Kinder und Eltern suchen, längst erwachsen und wirtschaftlich getrennt, immer noch nach Nähe und klagen über einen Mangel an Aufmerksamkeit. Wolfgang Schmidbauer schreibt in seinem neuen Buch „Böse Väter, kalte Mütter?“: „Entwertend und voller Klagen über nahe Verwandte bedeutet keineswegs, dass die Bindung an sie schwach, die Wünsche an sie zurückgenommen sind. Sie werden nach wie vor gebraucht.“ Manches an den Äußerungen hört sich an, als ginge es um die Rechtfertigung für einen eigenen Mangel an Lebenszufriedenheit oder Zukunftshoffnung. Während Klagen über missratene Kinder seit Anbeginn der Schriftkultur überliefert sind, sind Klagen von Kindern über Erziehungsfehler und Zuwendungsmängel der Eltern recht neu. Die Kinder vergleichen ihre Eltern mit dem Bild, das sie von „wirklich guten“ Eltern haben. Wolfgang Schmidbauer gilt als einer der bekanntesten Psychoanalytiker Deutschlands.

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Die Generation Angst hat kein Enddatum

Das neue Buch „Generation Angst“ von Jonathan Haidt erzählt die Geschichte der Generation, die nach 1995 geboren wurde, allgemein als Generation Z bezeichnet. Dabei handelt es sich um jene Generation, die auf die sogenannten Millennials – geboren 1981 bis 1995 – folgte. Jonathan Haidt glaubt nicht, dass die Generation Z – die ängstliche Generation – ein Enddatum hat. Sie endet nur dann, wenn die Erwachsenen die Bedingungen für eine Kindheit verändern, die junge Menschen so ängstlich macht. Jonathan Haidt schreibt: „Generation Z wurde die erste Generation in der Geschichte, die ihre Pubertät mit einem Portal in der Tasche durchlebte, das sie fort von den Menschen um sie herum in ein alternatives Universum rief, das aufregend, suchterzeugend, instabil und – wie ich zeigen werde – für Kinder und Heranwachsende ungeeignet war.“ Jonathan Haidt ist Professor für Sozialpsychologie an der New York University. Seine Forschungsschwerpunkte sind die psychischen Grundlagen von Moral, moralische Emotionen und Moralvorstellungen in verschiedenen Kulturen.

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Unterdrückung passt nicht mehr in diese Welt

Die Menschheit lebt heute in einer globalisierten und digitalisierten Welt, die immer weiter zusammenrückt. In diese Welt passen die unterdrückenden Systeme nicht nur nicht mehr, sondern die Unterdrückten wehren sich ach stärker dagegen. Hadija Haruna-Oelker fügt hinzu: „Diese Menschen tun das im Foucaultschen Sinn und lassen sich nicht mehr zu Gefangenen unserer Geschicke machen.“ Menschenfeindliche Strukturen sind jedoch hartnäckig und das negative Bild einer Differenz spielt bereits im frühen Kindesalter eine Rolle. Es ist eine große und Generationenaufgabe, diese Situation zu verändern. Deshalb ist es Hadija Haruna-Oelker im Zusammenhang mit der Sozialisation und Prägung wichtig, über Kinder als die zukünftige Generation zu sprechen. Hadija Haruna-Oelker lebt als Autorin, Redakteurin und Moderatorin in Frankfurt am Main. Hauptsächlich arbeitet sie für den Hessischen Rundfunkt.

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Kinder können den Eltern sehr gut tun

Zwei jüngere Freundinnen von Karl-Markus Gauß haben jetzt, ehe es zu spät für sie geworden wäre, doch noch Kinder bekommen. Er freut sich für sie, nicht weil er glaubt, dass es die Berufung der Frau wäre, Mutter zu werden. Vielmehr weil Karl-Markus Gauß erfahren hat, wie gut einem Kinder tun können. Ihn haben die seinen von der schweren Krankheit des Zynismus, der ihn an Leib und Seele zu zersetzten drohte, geheilt. So haben sie ihn vor dem selbst verschuldeten Untergang gerettet. Wer Kinder hat, kann sich nicht gemütlich in seinem Weltverdruss einrichten. Ebenso wenig darf er als Kollaborateur des Missglückenden darauf setzen, dass die Dinge ihn schon in der schlechten Meinung, die er von ihnen hat, bestätigen werden. Karl-Markus Gauß lebt als Autor und Herausgeber der Zeitschrift „Literatur und Kritik“ in Salzburg. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt und oftmals ausgezeichnet.

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Wachsender Wohlstand verringert die Kinderzahl

Sobald Frauen Zugang zu Bildung und Beruf haben, erhalten sie einen größeren Einfluss auf die Familienplanung. Dirk Steffens und Fritz Habekuss wissen: „Sie bekommen später Kinder und vor allem: weniger. Wachsender Wohlstand entbindet Eltern außerdem von der Notwendigkeit, Kinder als Altersvorsorge zu betrachten.“ Entsprechend den sozioökonomischen Unterschieden ist das aktuelle Bevölkerungswachstum global sehr ungleich verteilt. Im Niger bekommt eine Frau durchschnittlich sieben Kinder, in Taiwan nur 1,1. Aber die Geburtenrate gleicht sich weltweit immer weiter an. Nur leider zu spät. Die Menschheit hat kein Jahrhundert mehr zur Verfügung, in dem sie abwarten kann, bis weniger Babys eine ökologische Entlastung bescheren. In ihrem Buch „Über Leben“ erzählen der Moderator der Dokumentationsreihe „Terra X“ Dirk Steffens und Fritz Habekuss, der als Redakteur bei der „ZEIT“ arbeitet, von der Vielfalt der Natur und der Schönheit der Erde.

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Rüdiger Maas beschreibt eine lebensunfähige Generation

Rüdiger Maas weist in seinem neuen Buch „Generation lebensunfähig“ darauf hin, dass jedes vierte Kind in Deutschland unglücklich ist. Rund 25 Prozent der Kinder haben Schwierigkeiten, Freunde zu finden und berichten von depressiven Symptomen. Während der Coronapandemie wurde die Misere noch verschärft. Rüdiger Maas schreibt: „Betrachtet man den Online- und Social-Media-Konsum während der Coronapandemie von Kindern und Jugendlichen, kann man nur staunen. Jugendliche waren während der Pandemie durchschnittlich 70,4 Stunden pro Woche online.“ Oder in anderen Worten: 42 Prozent ihres Tages verbringen Jugendliche in der Online-Welt. Jüngere können sich mittlerweile eine Welt ohne Internet und Smartphone gar nicht mehr vorstellen. Rüdiger Maas beunruhigt diese Entwicklung. Denn Internetsüchtige sind ein weit verbreitetes, aber noch wenig beachtetes Krankheitsbild. Rüdiger Maas studierte in Deutschland und Japan Psychologie. Er ist Gründer und Leiter eines Instituts für Generationenforschung.

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In Deutschland lebt eine alternde Gesellschaft

Man kann lange leben, wenn man sich – wie beim Fasten – nur etwas bescheidet. Wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit können die in der Gegenwart lebenden Menschen mit einem langen Leben rechnen. Also lohnt es sich auch, in dieses lange Leben in jeder nur möglichen Weise zu investieren. Sei es geistig, psychisch, physisch oder sozial. Horst Opaschowski weiß: „Unter allen westlichen Industriegesellschaften weist Deutschland die stärkste Alterung auf. Drastischer Geburtenrückgang lassen uns von einer alternden Gesellschaft sprechen.“ Diese kann in naher Zukunft allenfalls durch Zu- und Einwanderung gemildert, aber nicht mehr gestoppt werden. Horst Opaschowski gründete 2014 mit der Bildungsforscherin Irina Pilawa das Opaschowski Institut für Zukunftsforschung. Bis 2006 lehrte er als Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg. Ab 2007 leitete er die Stiftung für Zukunftsfragen.

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Die Wurzeln des Glücks liegen in der Natur

In ihrem Buch „Die Wurzeln des Glücks“ erklärt Lucy F. Jones wie Wissenschaftler und Therapeuten viele erstaunliche Wechselwirkungen zwischen der natürlichen Umgebung und der geistigen und seelischen Gesundheit der Menschen entdecken. Im Jahr 2005 prägte der amerikanische Autor Richard Louv den Begriff der „Naturdefizit-Störung“. Er bezeichnete damit die negativen Auswirkungen mangelnder Berührungspunkte mit der Natur auf die allgemeine Gesundheit des Menschen. Es kommt dabei zu einer Unterentwicklung der Sinne, Konzentrationsschwierigkeiten und zur Zunahme von körperlichen und geistigen Krankheitsbildern. Wer sich dagegen auf die Natur einlässt, erneuert und regeneriert sich. Denn die Natur hilft den Menschen dabei, die Welt, in der sie sich wiederfinden, zu verstehen und ihr Bedeutung abzugewinnen. Lucy F. Jones ist Journalistin und schreibt regelmäßig zu wissenschaftlichen Themen, Gesundheit, Umwelt und Natur für die BBC, The Guardian und The Sunday Times.

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Adalbert Stifter will nicht Tugend oder Sitte predigen

In einer Vorrede zu den sechs Erzählungen, denen er nach mehrfacher Umarbeitung schließlich den programmatisch gemeinten Obertitel „Bunte Steine“ gab, erläutert Adalbert Stifter (1805 – 1869) seine literarischen Absichten und einige Grundsätze seiner Weltanschauung auf wenigen Seiten. Diese sind in Aufbau und einfacher, aber einprägsamer Gedankenführung kaum zu überbieten. Ausgehend von einer dreifachen Verneinung. Er sei kein Künstler (Dichter). Er wolle nicht Tugend oder Sitte predigen und er habe weder „Großes“ noch „Kleines“ als Ziel. Damit will Adalbert Stifter sich und seine Freunde abgrenzen gegen die alles zersetzende Außenwelt. Denn, so sagt er, er wolle nur „Geselligkeit unter Freunden“ und ein Körnchen Gutes zum Bau der Welt beitragen – und natürlich wolle er auch vor falschen Propheten schützen. Erst nach dieser fast familiären Erklärung greift Adalbert Stifter weiter aus und erläutert, was er mit dem Großen und dem Kleinen meint.

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In Deutschland gibt es keine Chancengerechtigkeit

Das deutsche Bildungssystem funktioniert nicht, wie es sollte. Für die Frage, wie viel Geld einer nach Hause bringt, spielt der Berufsabschluss eine zentrale Rolle. Wer ein Uni-Diplom hat, verdient in Deutschland im Durchschnitt 70 Prozent mehr als ein Realschüler, der eine Lehre macht. Alexander Hagelüken fügt hinzu: „Jedes Jahr, das ein mittelalter Arbeitnehmer vor seinem Job länger mit seiner Bildung verbringt, zahlt sich für ihn aus: Mit einem zehn Prozent höheren Einkommen.“ Das macht schnell den Unterschied zwischen einem mäßig bezahlten Job und einem Platz in der Mittelschicht. Wenn sich der Verdient so stark nach dem Abschluss richtet, ist natürlich entscheidend, wovon es abhängt, welchen Abschluss einer macht. Alexander Hagelüken ist als Leitender Redakteur der Süddeutschen Zeitung für Wirtschaftspolitik zuständig.

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Ohne Schemata würde Chaos herrschen

Ohne Schemata wäre das Leben der Menschen, in William James` berühmten Worten, ein „blühendes, brummendes Durcheinander“. Verfügten sie nicht über Schemata für Hochzeiten, Beerdigungen oder Arztbesuche, würden sie ständig ein Chaos anrichten. Dazu gehören implizite Regeln, wie man sich in solchen Situationen zu verhalten hat. Richard E. Nisbett fügt hinzu: „Diese Generalisierung betrifft auch unsere Stereotype oder Schemata in Bezug auf bestimmte Typen oder Personen. Dazu gehören „Introvertierte“, „Feierbiest“, „Polizeibeamter“, „Elitestudentin“, „Arzt“, „Cowboy“, „Pfarrerin.“ Solche Stereotype beinhalten Regeln über die übliche Art und Weise, wie man sich gegenüber Personen, die den Stereotyp verkörpern, verhält oder verhalten sollte. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird das Wort „Stereotyp“ oft abwertend verwendet. Richard E. Nisbett ist Professor für Psychologie an der University of Michigan.

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In Deutschland ist der Rechtspopulismus ein Problem

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben die Familien in Deutschland viel Rückenwind gehabt. Der damit verbundene fürsorgliche Umgang mit den Kindern macht den Neuen Rechten jetzt tatsächlich zu schaffen. Herbert Renz-Polster erklärt: „Die Alternative für Deutschland (AfD) ihr Problem selbst: Es fehlt der politische Nachwuchs. Es fehlen aber auch die Frauen.“ In den meisten Bundesländern stimmen nicht einmal sieben Prozent der Frauen für die AfD. Damit wird man keine Gesellschaft umbauen können. Man könnte es auch so sagen: Ja, in Deutschland gibt es ein Problem mit dem Rechtspopulismus, aber es gibt hierzulande auch einen wunderbaren Schutz. Den effektivsten und einzig nachhaltigen, den es gibt: Kindheitsressourcen. Der Kinderarzt Dr. Herbert Renz-Polster hat die deutsche Erziehungsdebatte in den letzten Jahren wie kaum ein anderer geprägt.

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Die Natur ist gut für die Psyche

Eine Studie, die den seelischen Zustand von einer Million Dänen auswertete, zeigte: Wer als junger Mensch umgeben von Parks, Wiesen oder Wälder aufwuchs, hatte als Erwachsener eine bis zu 55 Prozent geringere Gefahr, psychisch zu erkranken. Dirk Steffens und Fritz Habekuss ergänzen: „Eine amerikanische Studie wies nach, dass Probanden eine deutlich niedrigere Konzentration des Stresshormons Cortisol im Blut hatten, wenn sie täglich zwanzig bis dreißig Minuten im Grünen waren. Japanische Wissenschaftler wollen sogar eine erhöhte Konzentration von Immunzellen im Blut gemessen haben, wenn Versuchspersonen eine Nacht lang Luft einatmeten, in der von Pflanzen produzierte Terpene zerstäubt wurden. In ihrem Buch „Über Leben“ erzählen der Moderator der Dokumentationsreihe „Terra X“ Dirk Steffens und Fritz Habekuss, der als Redakteur bei der „ZEIT“ arbeitet, von der Vielfalt der Natur und der Schönheit der Erde.

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Lehrer sind heute auch Sozialarbeiter

Der öffentliche Stellenwert, den man dem wahrscheinlich wichtigsten Zukunftsberuf in der Gesellschaft gibt, ist bedauerlich. Andras Salcher kann die Gefühle vieler engagierter Lehrer gut nachvollziehen, wenn Politiker und Interessenvertreter Kampagnen zur Aufwertung des Lehrerberufs fordern. Der „Mut zum aufrechten Gang“ ist verdammt schwer in einem Umfeld, das einem jede Freude an der Aufgabe nimmt. Lehrer sind heute auch – an manchen Schulen sogar primär – Sozialarbeiter. Zudem ist die Schule ein System, das hohe Krankenstandraten durch Burn-out und Frühpensionierungen durch die ständig steigenden psychischen Belastungen produziert. Die wenigen Aufstiegsmöglichkeiten hängen in Österreich stark vom richtigen Parteibuch und nicht von hervorragender Leistung ab. Vor allem die Freude an der Arbeit mit Kindern wird durch eine bürokratische fremdbestimmte Kultur verhindert. Dr. Andreas Salcher ist Unternehmensberater, Bestseller-Autor und kritischer Vordenker in Bildungsthemen.

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Konsequent gedacht gibt es gar keine Pflicht

Leiden wird oft mit der „Pflicht“ erklärt. Wer seine Pflicht tut, scheint vor jedermann gerechtfertigt – vor anderen und sich selbst. Reinhard K. Sprenger erklärt: „Pflichtbewusst erfreut man sich allseitiger Wertschätzung: als Mutter, als Vater, als Briefträger, als Beamter, als Soldat. Wer seine Pflicht tut, tut das, was sich gehört.“ Die Pflicht kommt dabei meist im grauen Leinensack der Entbehrung daher und wird begleitet von einer Aura der Selbstaufopferung. Viele Menschen kennen das Gefühl der Pflichterfüllung, einige seufzen unter dieser Last. „Dazu fühle ich mich verpflichtet“ oder „Dafür habe ich mich in die Pflicht nehmen lassen“, sagen jene, die irrigerweise glauben, eigentlich etwas anderes zu wollen. Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

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Der Rechtspopulismus gedeiht in ländlichen Regionen

Herbert Renz-Polster kennt das auffälligste Kennzeichen der rechtspopulistischen Strömungen: „Sie haben auf dem Land deutlich mehr Anhänger als in der Stadt.“ Und dieser Unterschied ist umso deutlicher, je tiefer der Graben zwischen Stadt und Land in einer Nation ausfällt. In Deutschland kommen rund 75 Prozent der Wähler der AfD aus Gemeinden unter 50.000 Einwohnern. Warum konzentriert sich der Hang zum Autoritarismus so hartnäckig auf das weite Land? Die erste Antwort, die Herbert Renz-Polster gibt, ist überraschend simpel: „Weil die Binnenmigration, die seit der Antike beständig in allen Ländern stattfindet, einem klaren Muster folgt.“ Wer da den Jobs oder den größeren Entfaltungsmöglichkeiten in der Stadt hinterherwandert, gehört eher zu den für die neuen Aufgaben qualifizierteren, flexibleren und gegenüber Neuerungen offeneren Menschen. Der Kinderarzt Dr. Herbert Renz-Polster hat die deutsche Erziehungsdebatte in den letzten Jahren wie kaum ein anderer geprägt.

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Konflikte sind der Motor des Fortschritts

Konflikte drängen zur Bewegung, sind manchmal anstößig und stoßen an. Reinhard K. Sprenger weiß: „Dieses Belebende können wir entdecken, wenn wir auf die Konflikte schauen, die uns selbst betreffen. Alles, was wir können, all unsere Talente verdanken wir Grenzsituationen: Widerständen und Problemen.“ Sie fordern einen Menschen heraus, lassen ihn wachsen und durch sie entwickeln sich neue Sichtweisen und Fähigkeiten. Wenn die gesellschaftliche Lebensqualität darin besteht, jeder einzelnen Person zur bestmöglichen Verwirklichung ihrer individuellen Fähigkeiten zu verhelfen, dann war das historisch noch immer mit häufig erbitterten Konflikten verbunden. Das Negative ist für Reinhard K. Sprenger das eigentlich Positive. Der englische Philosoph Francis Bacon bürgerte 1620 den Konflikt als Fortschrittsmotor der Neuzeit ein: „Viele werden ratlos umherirren, und die Erkenntnis wird groß sein.“ Reinhard K. Sprenger zählt zu den profiliertesten Managementberatern und wichtigsten Vordenkern der Wirtschaft in Deutschland.

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Nicht jedes Kind ist hochbegabt

Wenn sich Andreas Salcher durch die Flut an Büchern zum Thema Talent durcharbeitet, stößt er immer auf eine Kernthese: „Angeborenes Talent ist nicht entscheidend. Ja dieses wird sogar maßlos überschätzt.“ Es geht vor allem um andere Faktoren, wie Selbstvertrauen, Hartnäckigkeit, Leidenschaft, intensives Training, Teamwork, Charakter. Wer sich darauf konzentriert und die richtigen Entscheidungen trifft, kann fast alles erreichen. Versucht man ohne ideologische Brille, wissenschaftliche Fakten über die menschliche Fähigkeit der persönlichen Entwicklung zu analysieren, kann man zu folgenden Ergebnissen kommen: Nicht jedes Kind ist hochbegabt, auch wenn die gegenteilige Behauptung des Neurobiologen Harald Hüther noch so wünschenswert wäre. Jeder Mensch kann nicht alles erreichen, selbst wenn er sich selbst noch so anstrengt. Dr. Andreas Salcher ist Unternehmensberater, Bestseller-Autor und kritischer Vordenker in Bildungsthemen.

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Alle Kinder haben eine Vielzahl von Talenten

Wenige Kinder werden als Genies geboren. Aber alle Kinder haben eine Vielzahl von Talenten. Wenn man ein Neugeborenes betrachtet, sieht man kein dummes oder kluges Baby. Kinder lernen nach dem Prinzip Trial-and-Error: Ausprobieren – Fehler machen. Andreas Salcher weiß: „Das funktioniert großartig, wenn man bedenkt, was Kinder alles von ihrer Geburt bis zu ihrem sechsten Lebensjahr lernen: Krabbeln, Brabbeln, Sprechen, Singen, Tanzen, Sandburgen bauen, Drachen steigen lassen, Fahrrad fahren und vieles mehr.“ Daher kann es nur die Aufgabe einer entwickelten Gesellschaft sein, jedem Kind die maximale Chance auf die Entfaltung seiner Talente zu geben. Das Denkmodell, auf dem das gesamte österreichische Schulsystem aufgebaut ist, basiert aber auf der industriellen Massenproduktion. Dr. Andreas Salcher ist Unternehmensberater, Bestseller-Autor und kritischer Vordenker in Bildungsthemen.

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Misshandelnden Eltern fehlt es an Erziehungskompetenz

Misshandlungen von Kindern kommen in unterschiedlichsten Formen vor, und der Übergang zu „grobem Verhalten“ ist fließend. Ähnlich gravierend wie die Misshandlung kann die Vernachlässigung eines Kindes sein – bezüglich Ernährung, Pflege, Schutz, Zuwendung etc. Wenn man von einer Kindesmisshandlung hört, kommt fast von selbst die Frage auf: Was sind das für Eltern, die so etwas tun? Das heißt: Man sucht eine Erklärung des Problems in der Person der Täter. Hans-Peter Nolting erklärt: „Tatsächlich kann man dabei auf typische Merkmale stoßen. Häufig stellt man fest, dass es den misshandelnden Eltern bzw. Betreuungspersonen an Erziehungskompetenz mangelt.“ Sie wissen zum Beispiel nicht, wie sie mit einem schreienden Baby oder einem trotzigen Kind umgehen könnten. Dr. Hans-Peter Nolting beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkreis Aggression und Gewalt, viele Jahre davon als Dozent für Psychologie an der Universität Göttingen.

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Autorität beruht auf Unterschied und Abstand

Autorität funktioniert über eine freiwillige Unterwerfung, einen inneren Zwang. Beides kommt aber erst, wenn die Umgebung dem Nachwuchs lange genug ihre Erwartungen vorhält. Die Voraussetzung dafür liegt auf der Hand. Paul Verhaeghe erklärt: „Die beteiligten Personen müssen Tatkraft und Präsenz an den Tag legen. Nach einiger Zeit übernehmen die Kinder diese Erwartungen, und die konkrete Anwesenheit muss nicht mehr so konkret sein.“ Heute ist dieser Prozess aus zwei Gründen problematisch. Zum einen können Eltern immer weniger Zeit mit ihren Kindern verbringen. Zudem schrecken viele davor zurück, eine Autoritätsposition einzunehmen und ein deutliches „Nein“ verlauten zu lassen. Einerseits meinen sei, das sei nicht angemessen, andererseits fürchten sie – oft zu Recht – eine brutale Reaktion. Paul Verhaeghe lehrt als klinischer Psychologe und Psychoanalytiker an der Universität Gent.

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Selbst- und Nächstenliebe bilden eine Einheit

Obwohl in der Geschichte der Ethik von Cicero bis Friedrich Nietzsche immer wieder Argumente vorgetragen wurden, die es verbieten sollten, Egoismus und Altruismus als Gegensätze zu behandeln, herrscht im alltäglichen Urteil wie auch in öffentlichen Debatten die Neigung vor, in beiden eine Art ewiger Alternative auszumachen. Volker Gerhard kann das verstehen, wenn er es mit den individuellen und kollektiven Erscheinungsformen des persönlichen, ökonomischen und politischen Egoismus zu tun hat. Volker Gerhardt schränkt allerdings ein: „Blickt man hingegen auf die Entwicklung einzelner Individuen und stellt sie in Relation zu dem was wir überhaupt über den Umgang mit Neugeborenen, heranreifenden Kindern und Jugendlichen sagen können, wird man das allgemeine Urteil nicht zurückhalten können, dass ohne den Altruismus der Eltern und ohne den Egoismus ihrer Schützlinge gar nichts geht.“ Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

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