Die Liebhaber moderner Kunst sind oft konservativ

Woher kommt das Neue? Ein innovativer Stil setzt sich meistens dann durch, wenn ihn kreative Künstler wollen und die neuen Ausdrucksformen den Geschmack der Auftraggeber treffen. Dabei gibt es ein Muster: moderne Bilder des Menschen werden von modern denkenden und noch moderner wirtschaftenden Menschen bestellt. Volker Reinhardt schränkt ein: „Doch diese Regel gilt nicht immer, zumindest nicht, was die Auftraggeber betrifft.“ Doch zwischen den Auftraggebern, die den alten und den neuen Stil bevorzugten, lassen sich weder soziale noch wirtschaftliche oder politische Unterschiede feststellen. Nicht selten waren die Liebhaber der modernen Kunst im täglichen Leben konservativer als ihre Konkurrenten, die bei der Ausschmückung ihrer Paläste und Kapellen das Bewährte bevorzugten. Volker Reinhardt ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg. Er gehört international zu den führenden Italien-Historikern.

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Die Kunst der Darstellung formt unsere Zivilisation

Die Kunst der Darstellung ist eine Ausdrucksform, die seit jeher alles Bereiche des menschlichen Lebens prägt. Richard Sennett spannt in seinem neuen Buch „Der darstellende Mensch“ einen weiten Bogen von der Antike bis zur Gegenwart, wodurch das Bild einer doppelbödigen Kunstform entsteht, die unsere Zivilisation formt, aber auch zerstören kann. Tatsächlich ist Darstellung einer der Künste, allerdings eine unreine Kunst. Richard Sennett schreibt: „Wir sollten die Kunst in ihrer ganzen Unreinheit verstehen wollen. Doch genauso sollten wir auch Kunst schaffen wollen, die moralisch gut ist, und zwar ohne jede Unterdrückung.“ In seiner ganzen schriftstellerischen Arbeit hat Richard Sennett nach dem gesucht, was die Menschen über Räume und Zeiten hinweg miteinander verbindet. Die Unterschiede, die es gibt, können Möglichkeiten des Lebens oder Ausdrucks offenlegen, die untergegangen oder durch Macht erstickt worden sind. Die Vergangenheit ist Kritik an der Gegenwart. Richard Sennett lehrt Soziologie und Geschichte an der London School of Economic und an der New York University.

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Die Zukunft kann schön oder schrecklich sein

Die Zukunft könnte nicht nur schön sein, sondern auch schrecklich. Dazu muss man sich nur einige der negativen Entwicklungen der Vergangenheit ansehen und sich eine Zukunft vorstellen, die von ihnen beherrscht wird. William MacAskill blickt zurück: „Erinnern wir uns zum Beispiel, dass England und Frankreich die Leibeigenschaft schon Ende des 12. Jahrhunderts fast völlig abgeschafft hatten, nur um dann im Kolonialzeitalter zu Sklavenhändlernationen zu werden.“ Oder dass Mitte des 20. Jahrhunderts einstige Demokratien zu totalitären Staaten wurden. Oder dass die Menschheit ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu verwendet, um Atombomben und Tiermastbetriebe zu bauen. Nicht nur die Eutopie ist eine reale Möglichkeit, sondern auch die Dystopie. In der Zukunft könnte ein totalitäres Regime die ganze Welt beherrschen, die Lebensqualität von heute könnte lediglich eine schwache Erinnerung an ein früheres Goldenes Zeitalter sein. William MacAskill ist außerordentlicher Professor für Philosophie an der Universität Oxford.

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Leonardo da Vinci lernte bei Andrea Verrocchio

Das berühmteste Beispiel des „Renaissance-Menschen“, Leonardo da Vinci, ist zugleich eines der untypischsten. Er war kein Humanist, denn es mangelte ihm an humanistischer Bildung. Peter Burke ergänzt: „Möglicherweise hatte er nie eine Schule besucht, und im späteren Leben gelang es ihm nur unter Schwierigkeiten, Latein zu lesen.“ Seine künstlerische Ausbildung erhielt Leonardo da Vinci in der Werkstatt des berühmten Florentiner Meisters Andrea Verrocchio. Dort erlernte er nicht nur Malerei und Bildhauerei, sondern auch das Entwerfen von Kriegsgerät. Das entsprach ganz der toskanischen Ingenieurstradition von Brunelleschi bis zu Francesco die Giorgio. Leonardo da Vinci ist ein hervorstechendes Beispiel für die einzigartige Innovationstradition im Florenz des 15. und 16. Jahrhunderts. Sechzehn Jahre lehrte Peter Burke an der School of European Studies der University of Sussex. Im Jahr 1978 wechselte er als Professor für Kulturgeschichte nach Cambridge ans Emmanuel College.

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Die Kunst orientierte sich einst an der Nachahmung

Die Kunst zählt zu den großen Werten der europäischen Kultur. Dabei nimmt sie selbst an dem Wertekanon der Gesamtkultur Anteil. Silvio Vietta sagt: „Solange die Wahrnehmung der Welt in der europäischen Denkgeschichte als eine Art Abdruck der Dinge im Bewusstsein des Menschen begriffen wurde, orientierte sich auch die Kunst an dem Begriff der Nachahmung bzw. Mimesis.“ In seiner Poetik definiert Aristoteles das Drama als eine Form der „Mimesis der Handlung“ des Mythos. Die europäische Kunst und auch Literatur begriffen sich selbst dann im Weiteren als „Nachahmung der Natur“. Diese Vorstellung dominierte bis weit ins 18. Jahrhundert hinein. Und dieser Auffassung entsprach auch eine Praxis des Zeichnens und Malens „nach der Natur“. Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.

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Leonardo da Vinci ist unverwechselbar

Viele Künstler haben die Hoffnung, dass sie unverwechselbare, gar unvergängliche Spuren hinterlassen. Rüdiger Safranski blickt zurück: „Erst in der Renaissance wird es üblich, die Bilder zu signieren. Leonardo da Vinci bewahrt sogar seine Entwürfe auf, manche davon ebenfalls signiert.“ Es soll möglichst wenig verloren gehen, denn darauf kommt es an: irgendeine Erinnerung im Geist der Sterblichen zu hinterlassen. Leonardo da Vinci schreibt: „Auf dass dieser unser armseliger Lebenslauf nicht umsonst verfließe.“ Das ist noch recht bescheiden formuliert im Vergleich zu anderen Bekundungen gesteigerten künstlerischen Selbstbewusstseins. Tizian erzählte gerne, wie Kaiser Karl V. bei einer Porträtsitzung ihm den Pinsel aufgehoben habe, der ihm entglitten war. Rüdiger Safranski arbeitet seit 1986 als freier Autor. Sein Werk wurde in 26 Sprachen übersetzt und mit vielen Preisen ausgezeichnet.

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Der spielende Mensch ist der Urtyp der Künstlers

Volker Gerhardt weiß: „Platon erkennt schon in einem seiner frühen Dialoge im spielenden Menschen den Urtypus des Künstlers. Das Spiel und die Kunst stehen in enger Verbindung.“ Das gilt bis hin zu Immanuel Kants Rede vom „freien Spiel“ der Einbildungskraft, die das Erleben des Schönen und Erhabenen ermöglicht. Diese Formulierung beschränkt sich auf das Zusammenwirken von Anschauung und Verstand. Dennoch hat sie Friedrich Schiller zu einer poetischen Definition des Menschen inspiriert, die zum geflügelten Wort geworden ist: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ Schon Friedrich Schiller hätte bereits vom homo ludens sprechen können. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Das Christentum war das Unglück der Menschheit

Besonders grundlegend gerät Friedrich Nietzsches Abrechnung mit dem Apostel Paulus. Ihm hält er vor, er habe mit dem Symbol „Gott am Kreuze“ die ganze Erbschaft anarchischer Umtriebe im Reich, zu einer ungeheuren Macht aufsummiert. Es folgt eine Variante zum Sündenfallmythos unter der Überschrift „von der Höllenangst Gottes von der Wissenschaft“. Diese mündet in der Pointe, dass, in dieser Logik gedacht, der Mensch nicht als „Lernender“, sondern als „Leidender“ bestimmt war. Dieser hat zu jeder Zeit einen Priester nötig. Christian Niemeyer fasst zusammen: „In der Summe steht für Friedrich Nietzsche außer Frage, dass das Christentum bisher das größte Unglück der Menschheit war.“ Der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Prof. Dr. phil. habil. Christian Niemeyer lehrte bis 2017 Sozialpädagogik an der TU Dresden.

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Adalbert Stifter will nicht Tugend oder Sitte predigen

In einer Vorrede zu den sechs Erzählungen, denen er nach mehrfacher Umarbeitung schließlich den programmatisch gemeinten Obertitel „Bunte Steine“ gab, erläutert Adalbert Stifter (1805 – 1869) seine literarischen Absichten und einige Grundsätze seiner Weltanschauung auf wenigen Seiten. Diese sind in Aufbau und einfacher, aber einprägsamer Gedankenführung kaum zu überbieten. Ausgehend von einer dreifachen Verneinung. Er sei kein Künstler (Dichter). Er wolle nicht Tugend oder Sitte predigen und er habe weder „Großes“ noch „Kleines“ als Ziel. Damit will Adalbert Stifter sich und seine Freunde abgrenzen gegen die alles zersetzende Außenwelt. Denn, so sagt er, er wolle nur „Geselligkeit unter Freunden“ und ein Körnchen Gutes zum Bau der Welt beitragen – und natürlich wolle er auch vor falschen Propheten schützen. Erst nach dieser fast familiären Erklärung greift Adalbert Stifter weiter aus und erläutert, was er mit dem Großen und dem Kleinen meint.

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Die Kunstfreiheit gehört zur Demokratie

Martin Heideggers Ansicht, in der Kunst könne die für das Dasein des Menschen entscheidende Wahrheit geschehen, mag mit „Nein“ beantwortet werden, zumal die Kunst sich selbst zum Problem geworden ist. Für die Frage nach dem Freiheitsrang und Freiheitswerk der Kunst genügt laut Otfried Höffe die weit bescheidenere Annahme, die Kunst sei nicht belanglos geworden. Heutzutage hält man die Kunstfreiheit für ein selbstverständliches Recht, weshalb man gegen deren Nichtanerkennung protestieren muss und Staaten, in denen die Kunst systematisch unterdrückt wird, als Unrechtsstaaten kritisiert. Obwohl es zutrifft, dass die Kunstfreiheit zu den unverzichtbaren Elementen konstitutioneller Demokratien gehört, ist sie aber als Grundrecht relativ jung. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Peter Beards Leben ist ein Gesamtkunstwerk

In seinem fantastischen Bildband weckt Peter Beard die Geister auf, die das 20. Jahrhundert heimgesucht haben. Zugleich besitzt der Künstler die Fähigkeit, Schweres ganz leicht erscheinen zu lassen. Owen Edwards schreibt in seinem Vorwort über die Bilder von Peter Beard folgendes: „Beards Fotos von afrikanischen Wildtieren erinnern in ihrer Reduziertheit und kristallenen Klarheit an Kriegsberichterstattung: Gefahr, Tod und alles was dazwischen lauert.“ Peter Beard gestaltete sein Leben auf dem afrikanischen Kontinent zum genialen Gesamtkunstwerk. Er stieß vor einem halben Jahrhundert in Kenia auf einen rätselhaften Garten Eden, der ihn unwiderstehlich in seinen Bann zog. Zu seinen eindrucksvollsten Bildern zählen Luftaufnahmen toter Elefanten, deren Stoßzähne noch unbeschädigt waren. Entstanden sind dabei viele Collagen aus Fotografie, Umweltaktivismus und Tagebüchern. Diese XL-Ausgabe Taschen-Verlags präsentiert die gesamte Welt des Künstlers.

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Friedrich Nietzsche entwickelt eine Philosophie des Fragens

Schaut man genauer hin, verbergen sich schon in Friedrich Nietzsches Werk „Menschliches, Allzumenschliches“ Aphorismen, seine Kurz- und Kürzesttexte. Sie nehmen hier in ihrer Gestalt die verschiedensten Formen an. Andreas Urs Sommer kennt sie: „Selbstgespräche gibt es ebenso wie kurze Dialoge. Sprichwörtlich pointierte Epigramme ebenso wie Experimentanleitungen. Merksätze ebenso wie Miniaturerzählungen, Prosagedichte ebenso wie Parabeln.“ Vielen dieser Texte gemeinsam ist, wenigstens dem Anspruch nach, ihr „dickes Ende“: Das in ihnen nämlich sehr viel mehr steckt, als der knappe Raum, den sie einnehmen, eigentlich zu fassen erlaubt. In seinem Nachlass schrieb Friedrich Nietzsche 1885: „In Aphorismen-Büchern gleich den meinigen stehen zwischen und hinter kurzen Aphorismen lauter verbotene lange Dinge und Gedanken-Ketten.“ Andreas Urs Sommer lehrt Philosophie an der Universität Freiburg i. B. und leitet die Forschungsstelle Nietzsche-Kommentar der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.

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David Hockney zählt zu den einflussreichsten Künstlern des 20. Jahrhunderts

Obwohl David Hockney seit seiner Kindheit malt, was er bis heute nicht, was auf seinen Bildern in der nächsten Sekunde passieren wird. Wenn er sich einer gesellschaftlichen Gruppe zugehörig fühlt, dann der Boheme. Denn ohne Tabakrauch und Drogen gibt es sie nun einmal nicht. Als im November 2018 sein Bild „Portrait of an Artist“ in New York für rund 90 Millionen Dollar versteigert wurde, avancierte David Hockney zum teuersten lebenden Künstler. Das Gemälde ist die Darstellung einer traumatischen Trennung. Am Rand des Swimmingpools steht Peter Schlesinger, die erste große Liebe des Künstlers, der ihn kurz zuvor verlassen hatte. Unter Wasser schwimmt Schlesingers neuer Freund. Der britische Maler, Grafiker, Bühnenbildner und Fotograf David Hockney gilt als einer der einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts.

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Die schönen Künste haben sich im 18. Jahrhundert entwickelt

Kunst und Wissenschaft haben zumindest eines gemeinsam: Sie werden gerne in einem Atemzug genannt. Seit wann und warum treten Wissenschaften und Künste gemeinsam auf? Man könnte die Geschichte der Künste und Wissenschaften seit dem Mittelalter auch mit folgenden Paradoxien beschreiben: Als die Wissenschaften noch Künste waren, gab es keine Kunst. Als die Künste entstanden, waren sie Wissenschaften. Konrad Paul Liessmann ergänzt: „Und als sich endlich die Wissenschaften als Wissenschaften und die Künste als Künste begriffen, nährte dies nur den Verdacht oder auch den Wunsch, dass die Wissenschaften eigentlich Künste und de Künste letztlich doch Wissenschaften seien.“ Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Die Machtzentren der Welt haben sich nicht verlagert

Die politische Ökonomie ist laut Emmanuel Todd nicht in der Lage, die gewaltigen Umwälzungen in der Welt zu erfassen. Um dies zu erkennen hält sich der französische Soziologe an die am weitesten entwickelten Länder. Die gegenwärtigen Schwierigkeiten Brasiliens und Chinas räumen mit der Illusion auf, die Geschichte werde fortan maßgeblich durch die Schwellenländer geprägt. Emmanuel Todd schreibt: „Die Spielregeln der wirtschaftlichen Globalisierung wurden in den Vereinigten Staaten, Europa und Japan festgelegt. Diese „Triade“ hat seit 1980 die jüngst alphabetisierten Erwerbsbevölkerungen der Dritten Welt in Arbeit gebracht, dadurch die inländischen Arbeitseinkommen gewaltig unter Druck gesetzt und – wie man sagen muss – auf diese Art weltweit die Profitraten erhöht.“ Wohl noch besser drückt sich die Vorherrschaft der alternden entwickelten Welt in einer anderen Fähigkeit aus. Emmanuel Todd ist einer der prominentesten Soziologen Frankreichs.

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Eine Kultur lässt sich nie vollständig beschreiben

Die Aufgabe der Intellektuellen besteht darin, dem kollektiven Denken der Menschen einen besonders klaren Ausdruck zu verleihen – und das nicht nur zu ihrem privaten Vergnügen. Beispielsweise sah W. B. Yeats die Aufgabe seiner Dichtkunst darin, den Mythen und Archetypen der irischen Landarbeiter eine Stimme zu geben. Genauso wie in „Das wüste Land“ nicht T. S. Eliot spricht, sondern das, was er selbst ziemlich vollmundig den europäischen Geist nannte, so sieht sich W. B. Yeats einfach als Medium – fast im spiritistischen Sinne – für die zeitlose Weisheit des Volkes. Terry Eagleton nennt ein weiteres Beispiel: „Nach Martin Heideggers etwas düsterer Sichtweise besteht die Aufgabe des Dichters darin, dem Schicksal der Nation seine Sprache zu schenken. Der Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker Terry Eagleton ist Professor für Englische Literatur an der University of Manchester und Fellow der British Academy.

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Guter Journalismus versucht der Wahrheit auf die Spur zu kommen

Timothy Garton Ash ist seit 40 Jahren als Journalist und Wissenschaftler tätig. In dieser Zeit hat sich die Antwort auf die Frage „Was ist ein Journalist?“ dramatisch verändert, während die Antwort auf die Frage „Was ist guter Journalismus?“ völlig gleich geblieben ist. Es ist völlig gleichgültig, ob jemand als Journalist betrachtet wird oder nicht, er kann auf jeden Fall guten Journalismus machen. Im Oxford English Dictionary lautet die erste Definition von Journalist: „eine Person, die durch Redigieren oder Schreiben für eine oder mehrere Zeitschriften ihren Lebensunterhalt verdient.“ Das wirkt heute herrlich altmodisch. Denn sehr schlecht bezahlte freie Mitarbeiter und frisch entlassene Redakteure sind heute eher die Regel. Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.

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Die Welt ist von Friedrich Nietzsche und Karl Marx geprägt

Der berühmte deutsche Soziologe Max Weber sagte einst zu einem Studenten: „Die Redlichkeit eines heutigen Gelehrten, und vor allem eines heutigen Philosophen, kann man daran messen, wie er sich zu Friedrich Nietzsche und Karl Marx stellt. Wer nicht zugibt, dass er gewichtige Teile seiner eigenen Arbeit nicht leisten könnte, ohne die Arbeit, die diese beiden getan haben, beschwindelt sich selbst und andere. Die Welt, in der wir selber geistig existieren, ist weitgehend eine von Karl Marx und Friedrich Nietzsche geprägte Welt.“ Andreas Urs Sommer zitiert Oswald Spengler, der im Vorwort seines Bestsellers „Untergang des Abendlandes“ schreibt: „Von Johann Wolfgang von Goethe habe ich die Methode, von Friedrich Nietzsche die Fragestellungen.“ Andreas Urs Sommer lehrt Philosophie an der Universität Freiburg i. B. und leitet die Forschungsstelle Nietzsche-Kommentar der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.

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Heinrich Heine stand an der Spitze der literarischen Avantgarde

Heinrich Heine (1797 – 1856), der sich selbst den „letzten, abgedankten Fabelkönig“ der deutschen Romantik nannte, knüpft an George Gordon Byron an, dem Vertreter der liberalen westeuropäischen Romantik und aktiven Teilnehmer am griechischen Freiheitskampf. Bei George Gordon Byron schon findet sich die für die dann in den 20er Jahren gemeineuropäisch verbreitete literarische Haltung des „Weltschmerzes“ charakteristische Verbindung von radikaler Subjektivität und reflexiv gebrochenem Gefühl. Mit ihr verbunden sind die Erscheinungen der „Zerrissenheit“, der Hamlet-Gestalten und „problematischen Naturen“, die als Ausdruck einer ersten fundamentalen Krise der sozialen Identität oppositioneller Intellektueller in der Zeit der Heiligen Allianz und metternichschen Restauration gedeutet werden können. Diese mit sich selbst Zerfallenen sind zugleich resignierend und – im dialektischen Umschlag des Gefühls – revoltierend gegenüber der bestehenden Wirklichkeit, ohne dass allerdings die gesellschaftlichen Ursachen sofort ganz in den Blick geraten.

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Friedrich Nietzsche will denkend die Welt umgestalten

Friedrich Nietzsche stellt alles in Frage. Andreas Urs Sommer vertritt in seinem Buch „Nietzsche und die Folgen“ die These, dass ihm im Übergang vom letzten Ernst der ersten Werke zu ausgelassener Heiterkeit in späten Schriften die Lust zu unbedingten Festschreibungen immer mehr abhandenkam. Dennoch scheint er ein Denker zu sein, der zu Vereinseitigungen einlädt. Andreas Urs Sommer arbeitet in seinem Buch heraus, was seinen Lesern heute noch von Friedrich Nietzsches Denken bleibt. Das Buch erschließt, welchen Rollen Friedrich Nietzsche auf so unterschiedlichen Feldern wie der Literatur und der bildenden Kunst oder der Religion und der Politik bis heute spielt. Andreas Urs Sommer lehrt Philosophie an der Universität Freiburg i. B. und leitet die Forschungsstelle Nietzsche-Kommentar der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.

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Ein denkendes Wesen möchte nicht der Natur ausgesetzt sein

Nichts ist für den Philosophen Konrad Paul Liessmann so verführerisch wie die Aussicht, die Natur zu überlisten. Denn der Natur ausgesetzt zu sein, ist für ein denkendes Wesen furchtbar, kränkend, demütigend. Daidalos, dessen Name sich vom griechischen Wort „daidallein“ ableitet, ein kunstvolles Arbeiten bezeichnet, hat im antiken Sinne eher nicht gearbeitet. Er war Künstler, Handwerker, Erfinder, aber kein Sklave. Konrad Paul Liessmann erklärt: „Die Antike unterschied feinsinnig unterschiedliche Formen menschlicher Tätigkeit: „ascholía“, eigentlich die Nichtmuße, die Beschäftigung, die eher freudlosen Dinge, die verrichtet werden müssen, um das Lebensnotwendige bereitzustellen, das tägliche Brot im Schweiße unseres Angesichts zu verdienen.“ Diese Arbeit, die auch zur Mühe und Plage, zur Qual – „ponos“ – werden konnte, erachtete man aber eines freien Menschen für unwürdig, dafür hielt man sich Sklaven.

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Die Literatur der Spätromantik war düster und sarkastisch

Die frühromantische Aufbruchsstimmung wich in der Spätphase der Romantik einer eher düsteren, sarkastischen und gebrochenen Sicht auf die Verhältnisse. Beispielhaft für diese neue Phase der romantischen Bewegung ist das Werk von E. T. H. Hoffmann(1776 – 1822), das schon bald über Deutschland hinaus beachtet wurde und auf Autoren wie Nikolai Wassiljewitsch Gogol, Charles Baudelaire und Edgar Allan Poe entscheidende Wirkung hatte. E. T. H. Hoffmann führte ein Doppelleben wie so viele seiner Figuren, die sich in verschiedene Ichs aufspalten. Tagsüber arbeitete er in dem ungeliebten Beruf eines Kammergerichtsrats, nachts führte ein sein „eigentliches“ Leben. Seine Begabungen waren weit gespannt und machten es ihm schwer, sich zu entscheiden. Er zeichnete, musizierte und komponierte und schrieb immer wieder über jenen Zwiespalt zwischen „Künstler“ und „Philister“, dem nicht nur er, sondern dem sich auch andere romantische Autoren ausgesetzt fühlten.

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Ein Künstler darf keinem Ideal hinterherhecheln

In der Kunst muss es für den österreichischen Künstler Erwin Wurm den Punkt geben, an dem man sagt: Es reicht, jetzt ist es gut: „Es gibt immer zwei Kunstwerke: Das eine ist in meinem Kopf, das andere steht vor mir. Wenn beide kongruent sind, ist es optimal. Das ist aber nie der Fall.“ Trotzdem darf ein Künstler dem Ideal nicht hinterherhecheln. Das wäre der schlimmste Fehler überhaupt, weil man dann verbissen wird, die Intuition einbüßt und die Alternativen aus dem Blick verliert. Ein Zufall kann schöner und schlüssiger sein als ein Plan. Der deutsche Maler Gerhard Richter hat einmal gesagt, seine Bilder seien schlauer als er. Auch Erwin Wurm lässt sich von seinen Skulpturen führen und kontrollieren. Nur so können sie seiner Meinung nach gut werden.

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Eines der nächsten Bücher von Dan Brown könnte in Deutschland spielen

Der Roman „Inferno“ von Dan Brown spielt in Florenz. Dessen Verfilmung läuft seit gestern in den deutschen Kinos. An Deutschland gefällt Dan Brown die reiche Kultur. Das Land ist die Wiege vieler Künstler und klassischer Komponisten, die er persönlich sehr mag. Dan Brown kann sich durchaus vorstellen, dass eines seiner nächsten Bücher in Deutschland spielen könnte. Die „Göttliche Komödie“ hat der Bestsellerschriftsteller in der Highschool gelesen und war fasziniert davon, wie modern sie ist. Dan Brown erklärt: „Dantes Bild der Hölle entspricht genau dem, was wir heute unter Hölle verstehen. Dante war der Erste, der dieses lebendige, detaillierte Bild einer Hölle mit Feuer und Teufel geschaffen hat.“ In den meisten seiner Bücher verbindet Dan Brown etwas Altes mit etwas Modernem.

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Kunst und Leben stimmen nicht immer überein

Julian Schnabel (64) kam Ende der siebziger Jahre als einer der Hauptvertreter des Neoexpressionismus zu Ruhm. Zu seinem Markenzeichen wurden riesige Formate und die zerbrochenen Teller, Lastwagenplanen und Segel, auf die er malte. Ab Mitte der neunziger Jahre machte er als Filmregisseur Furore, mit „Basquiat“ (1996), „Before Night Falls“ (2000) und „Miral“ (2010). Für „Schmetterling und Taucherglocke“ (2007) wurde Julian Schnabel mit dem Golden Globe als bester Regisseur ausgezeichnet. Das Grundinteresse des New Yorker Malers liegt allerdings in der Erfahrung des Malens. Julian Schnabel erklärt: „ Ich mag die Beziehung, die ich mit Objekten und der Leinwand habe, und das Zusammenspiel der verschiedenen Materialien. Es öffnet mir eine Türe, durch die ich verschwinden kann. Ich kann durch meine Malerei auf irgendeine Weise verändert werden, und ich beziehe daraus etwas für mich.“

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