Thomas Nagel kennt die Bedeutung von Wörtern

Wie kann ein Wort etwas bedeuten? Normalerweise besteht zwischen einem Namen und dem Gegenstand, dessen Name er ist, keinerlei Ähnlichkeit. Die fragliche Relation muss grundsätzlich von ganz anderer Art sein. Thomas Nagel erklärt: „Es gibt viele Wortarten. Einige davon benennen Personen und Dinge, andere bezeichnen Qualitäten oder Tätigkeiten. Wieder andere bezeichnen Relationen zwischen Dingen oder Ereignissen.“ Einige benennen Zahlen, Örter oder Zeitpunkte. Und einige wie „und“ und „von“, verdanken ihre Bedeutung einzig ihrem Beitrag zur Bedeutung größerer Aussagen oder Fragen, in denen sie vorkommen. Wörter werden zumeist beim Sprechen und Schreiben verwendet und nicht einfach bloß als Namensschilder. Wenn man dies stillschweigend voraussetzt, stellt sich dennoch die Frage, wie ein Wort eine Bedeutung haben kann. Der amerikanische Philosoph Thomas Nagel lehrt derzeit unter anderem an der University of California, Berkeley und an der Princeton University.

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Nahezu jede Aussage hat einen fiktionalen Anteil

Unter einer Fiktion versteht Markus Gabriel die Darstellung eines Sachverhalts, die den Rahmen desjenigen überschreitet, was einem Menschen unmittelbar in sensorischer Anschauung als Szene des eigenen Lebens erscheint. „Fiktion“ ist also kein Gattungsmerkmal einer Textsorte oder ausschließliches Definieren von Kunstwerken. Markus Gabriel nennt Beispiele: „Fiktionen gibt es ebenso im Recht wie in den Naturwissenschaften, der Theologie, Philosophie und in unseren ganz alltäglichen Tagträumen.“ Nahezu jede Aussage und jeder Tatsachenbericht hat einen fiktionalen Anteil. Das bedeutet jedoch nicht, dass alle nicht sensorisch präsenten Gegenstände wahrer Aussagen „fiktional“ bzw. „fiktiv“ sind. Die Transzendenz über jede gegebene Situation hinaus ist der Grund der Kontaktaufnahme mit dem Fiktionalen. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Aristoteles entwickelt das wissenschaftliche Denken

Um andere Menschen zu überzeugen, braucht man mehr als Einsicht und Enthusiasmus. Aristoteles (384 – 322 v. Chr.), der Meisterschüler Platons, begründet daher die Wissenschaften, die dem vernunftorientierten Menschen mit ihren Definitionen, Beobachtungen und Schlussfolgerungen zur Anerkennung der gefundenen Wahrheiten zwingender scheinen. Ludger Pfeil erklärt: „Er geht im Gegenteil von Platon von dem aus, was wir durch unsere Sinne erfahren können, wird zum unermüdlichen Sucher, ja geradezu zum Süchtigen nach Wissen und schafft damit wesentliche Grundlagen des wissenschaftlichen Denkens.“ Durch die Einteilung der Welt in Kategorien wie Substanz, Quantität, Qualität, Ort, Zeit und Wirkung, versucht Aristoteles, Ordnung in die vielfältigen Erscheinungen der Welt zu bringen und diese zu klassifizieren. Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.

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Menschen müssen täglich Entscheidungen treffen

In die „Freiheit geworfen“ wie es bei Jean-Paul Sartre heißt, ist der Mensch ständig gefordert, Entscheidungen zu treffen. Und egal, was er tut, es geht weiter und weiter. Ina Schmidt ergänzt: „Wir haben die Wahl, in den großen Fragen wie in den ganz normalen Alltäglichkeiten. Täglich entscheiden wir uns viel Hundert Mal, selbst wenn wir es nicht immer bemerken.“ In einer Welt voller Möglichkeiten jagt eine Entscheidung die nächste. Und wie man damit umgeht, hängt vielfach davon ab, welche Perspektive man einnimmt, wenn man auf diesem Grat des Möglichen entlangwandert. Es geht Ina Schmidt nicht darum, die Inhalte von Entscheidungen auf den Prüfstand zu stellen. Sondern sie denkt darüber nach, was ein Mensch eigentlich tut, wenn er eine Wahl trifft. Ina Schmidt gründete 2005 die „denkraeume“, eine Initiative, in der sie in Vorträgen, Workshops und Seminaren philosophische Themen und Begriffe für die heutige Lebenswelt verständlich macht.

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Seneca war ein großer Freund der Worte

Obgleich Seneca wusste, dass es bei der Art der Lebensbewältigung durch Philosophie auf Denken, Erkenntnis und begriffliches Erfassen der Wirklichkeit ankommt, warnte er davor, sich im Gestrüpp der Begriffe und formal-logischen Ableitungen zu verlieren. Albert Kitzler erläutert: „Nach Seneca deuten die Begriffe nur auf die Sachen hin, die es zu verstehen gilt. Ob wir Angst von Furcht unterscheiden, was wir dem einen oder anderem zuordnen, ob wir eine möglichst exakte, lexikalische Definition finden, das sei nur von relativem Wert.“ Wichtiger sei es die Sache selbst zu begreifen und zu lernen, mit ihr umzugehen. Seneca hielt sich mehr an die Erscheinungen, die Phänomene, denen die Worte sich anschmiegen sollten und die er immer wieder mit unterschiedlichen Worten und Bildern möglichst umfassend und genau um- und beschreiben wollte. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.

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Evi Hartmann setzt sich mit dem Begriff der Eliten auseinander

Es ist der traditionelle Elitebegriff, der im Alltag verwendet wird, um jene Menschen zu erfassen, die „das Land regieren und die Wirtschaft lenken“, wie es Leiter von Elitehochschulen gerne bei Absolventen-Abschlussfeiern mit entsprechendem Pathos betonen. Evi Hartmann erläutert: „Dabei geht es um Macht und um Gestaltungskraft. Grob ausgedrückt: Wer sich in einer Spitzenposition befindet, gehört gemeinhin zur Elite.“ Andere nennen das auch „das Establishment“. Beide Begriffe dienen dazu, jene zu identifizieren und zu verorten, die gemeinhin als „führend“ in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft betrachtet werden. So lautet das bislang übliche Begriffsverständnis von „Elite“. Umgangssprachlich übersetzt: Die da oben. Die Experten, Prominenten, Politiker, Millionäre, Milliardäre und Nobelpreisträger. Prof. Dr.-Ing. Evi Hartmann ist Inhaberin des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Supply Chain Management, an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg.

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Eine homogene Gesellschaft garantiert Identität und Zugehörigkeit

Homogenität einer Gesellschaft bedeutet nicht einfach Vereinheitlichung. Isolde Charim erläutert: „Homogenität einer Gesellschaft bedeutet vielmehr die Sekundarisierung der Unterschiede. Homogen ist eine Gesellschaft nicht, wenn es keine Unterschiede mehr gibt. Homogen ist eine Gesellschaft, wenn die Unterschiede zweitrangig werden – angesichts des Gemeinsamen.“ Dieses Gemeinsame, das der nationale Typus bereitstellt, beruht auf dem Prinzip der Ähnlichkeit: In dessen Gestalt können sich alle Mitglieder der Nation wiedererkennen. Die „imagined community“ ist eine Gemeinschaft der Ähnlichen. In diesem Sinne war die Nation der Versuch, die Gemeinschaft unter den Bedingungen der Moderne in die Gesellschaft einzuführen – eine vorgestellte Gemeinschaft, die suggeriert, einander völlig Unbekannte würden einen Verbund von Gleichen, von Ähnlichen bilden. Die Philosophin Isolde Charim arbeitet als freie Publizistin und ständige Kolumnistin der „taz“ und der „Wiener Zeitung“.

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Ein innerer Kompass schirmt gegen Verlockungen und Heilsversprechen ab

Jeder Mensch entwickelt im Verlauf seines Lebens so etwas wie einen inneren Kompass, der ihm hilft, sich nicht in der Vielfalt der von außen an ihn herangetragenen oder auf ihn einstürmenden Anforderungen und Angebote zu verlieren. Gerald Hüther nennt Beispiele: „Dazu zählen nicht nur die vielen Verlockungen und Heilsversprechungen, die ihm von anderen gemacht werden, sondern auch all das, was jemand als Notwendigkeiten und unabwendbare Gegebenheiten betrachtet, denen er sich, wie er meint, fügen müsse und die er, wie alle anderen auch, zu akzeptieren habe.“ Aus neurobiologischer Sicht handelt es sich bei dem inneren Kompass um ein inneres Bild, also um ein in einer bestimmten Situation aktiv werdendes neuronales Verschaltungsmuster, das sehr eng an die Vorstellungen der eigenen Identität gekoppelt und damit zwangsläufig auch sehr stark mit emotionalen Netzwerken verknüpft ist. Gerald Hüther zählt zu den bekanntesten Hirnforschern in Deutschland.

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François Jullien nähert sich den Kulturen mit dem Konzept des Abstands

Die Begriffe „Differenz“ und „Identität“ sind ein altes, von der Philosophie geerbtes Begriffspaar, das seit den alten Griechen auf der Erkenntnisebene erfolgreich funktioniert. François Jullien glaubt allerdings, dass eine Debatte, bei der es um die kulturelle „Identität“ geht, mit einem Geburtsfehler behaftet ist. Daher schlägt er eine konzeptuelle Verschiebung vor: „Anstatt die Verschiedenheit der Kulturen als Differenz zu beschreiben, sollten wir uns ihr mithilfe des Konzepts des „Abstands“ nähern; wir sollten sie nicht im Sinn von „Identität“, sondern im Sinn einer „Ressource“ und der „Fruchtbarkeit“ verstehen.“ Sowohl der Abstand als auch die Differenz markieren eine Trennung; die Differenz setzt dabei jedoch auf eine „Unterscheidung“ während der Abstand den Blick auf eine „Entfernung“ richtet. François Jullien, geboren 1951 in Embrun, ist ein französischer Philosoph und Sinologe.

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Das Thema Pornografie ist stark ideologiegeprägt

Timothy Garton Ash stellt fest: „Pornografie ist seit einem halben Jahrhundert eines der umstrittensten und meistdebattierten Themen in der westlichen Literatur über die Redefreiheit.“ Was ist Pornografie? Ist sie Kunst? Ist sie „Masturbationsmaterial“, wie die feministische Schriftstellerin Catharine MacKinnon verkündete? Ist sie Meinungsäußerung? Ist sie Hassrede? Übernimmt man die Definition von Ogi Ogas: „Alles, was die sexuellen Regionen in unserem Gehirn stimuliert“, dann erstreckt sie sich wahrscheinlich über den Großteil eines täglichen Männerlebens und über eine ordentliche Portion Kunstgeschichte. Im Gegensatz dazu definieren Catharine MacKinnon und Andrea Dworkin den Begriff enger als „die grausame, sexuell explizite Unter-Ordnung von Frauen durch Bilder und/oder Worte. Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.

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Selbstkompetenz ist wichtiger als Medienkompetenz

In seinem Buch „Digitale Hysterie“ hat Georg Milzner darauf hingewiesen, dass Selbstkompetenz heute wichtiger sein muss als Medienkompetenz. Die Angleichung an den Rhythmus der Maschinen setzt seiner Meinung nach fundamentale menschliche Prozesse außer Kraft oder blockiert, stört oder verhindert die Herausbildung dessen, was man ein „reifes Selbst“ nennt. Doch wer meint, das Fehlen von Selbstaufmerksamkeit und Selbstkompetenz lasse sich ausschließlich mit Smartphone und Co. erklären, verkennt, dass das Problem in seinen Wurzeln viel älter ist. Der Kunsthistoriker Jonathan Crary verortet den Ursprung der Probleme mit der Aufmerksamkeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: „Einerseits versprach das Maschinenzeitalter neuartige Chancen der Selbstpräsentation und des schnellen Geldmachens, andererseits schuf die ständig anwachsende Summe an Möglichkeiten ein neuartige Atmosphäre der Überreizung.“ Georg Milzner ist Diplompsychologe und arbeitet in eigener Praxis als Psychotherapeut.

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Die Nähe hüllt sich ständig in ein neues Gewand

Der Hirnforscher und Molekularbiologe Giovanni Frazzetto vermittelt in seinem neuen Buch „Nähe“ die aktuellsten Erkenntnisse der Neurobiologie über die Liebe, Partnerschaft, Freundschaft und Familie. Er beantwortet dabei unter anderem folgende Fragen: Warum betrügen wir unsere Partner, obwohl wir sie lieben? Weshalb fühlen wir uns häufig von Menschen angezogen, die sich überhaupt nicht binden wollen? Und welche Auswirkung kann Einsamkeit auf den Körper eines Menschen haben? Giovanni Frazzetto erklärt, wie das komplexe Zusammenspiel von Körper und Geist funktioniert, das Nähe zwischen Menschen erst ermöglicht. In acht „Liebesgeschichten“ beschreibt der Autor, wie Menschen versuchen, einander näherzukommen und welche Rolle Hormone, Gene und soziale Normen dabei spielen. Der Hauptdarsteller seines Buchs ist die Nähe, nach der sich fast jeder Mensch sehnt. Denn Einsamkeit kann töten, während das Zusammenleben mit einem geliebten Menschen euphorische Gefühle erzeugt.

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Guter Journalismus versucht der Wahrheit auf die Spur zu kommen

Timothy Garton Ash ist seit 40 Jahren als Journalist und Wissenschaftler tätig. In dieser Zeit hat sich die Antwort auf die Frage „Was ist ein Journalist?“ dramatisch verändert, während die Antwort auf die Frage „Was ist guter Journalismus?“ völlig gleich geblieben ist. Es ist völlig gleichgültig, ob jemand als Journalist betrachtet wird oder nicht, er kann auf jeden Fall guten Journalismus machen. Im Oxford English Dictionary lautet die erste Definition von Journalist: „eine Person, die durch Redigieren oder Schreiben für eine oder mehrere Zeitschriften ihren Lebensunterhalt verdient.“ Das wirkt heute herrlich altmodisch. Denn sehr schlecht bezahlte freie Mitarbeiter und frisch entlassene Redakteure sind heute eher die Regel. Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.

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Luxus geht über das Notwendige hinaus

Als Luxus bezeichnet man – und das scheint unstrittig wie sinnvoll zu sein – „jeden Aufwand, der über das Notwendige hinausgeht“. Dies ist die klassische Definition, die der Soziologe Werner Sombart in seinem berühmten Buch „Luxus und Kapitalismus“ von 1913 gegeben hat. Lambert Wiesing ergänzt: „Luxusgüter sind demnach die Dinge und Lebensweisen, mit denen die Vorstellungen vom Notwendigen, vom Sinnvollen, vom Normalen und Angemessenen gesprengt werden.“ Die Kontexte und die Situationen mögen sich ändern; was einmal Luxus war, muss nicht immer Luxus bleiben. Doch in jedem Fall gilt: Wenn etwas in einer Situation Luxus ist, dann deshalb, weil dieses Etwas mit einem übertriebenen, verschwenderischen, irrationalen und überflüssigen Aufwand verbunden ist. Prof. Dr. Lambert Wiesing ist lehrt an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena Bildtheorie und Phänomenologie und ist geschäftsführender Direktor des Instituts für Philosophie.

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Bei Burn-out gibt es mehr als 130 Symptome

Weltweit wird an Verfahren gearbeitet, um Burn-out präzise diagnostizieren zu können. Doch die Wissenschaftler sind sich untereinander nicht einig. Mehr als 130 Symptome wurden bislang festgestellt – eine klare medizinische Definition des Begriffes fehlt bis heute. Klaus Biedermann erklärt: „Burn-out wird im ICD-10, der internationalen Klassifikation der Erkrankungen, nach wie vor nicht als eigenständiges Krankheitsbild geführt. Dr. Manfred Lütz spricht da eher von einer Befindlichkeitsstörung.“ Wie immer man dieses Phänomen auch nennen mag – inzwischen leiden Millionen Menschen daran. Allein in Deutschland schätzt man die Zahl der Betroffenen auf neun Millionen. Mehreren Untersuchungen zufolge gehört fast ein Drittel aller Ärzte dazu. Dr. phil. Klaus Biedermann leitet seit mehr als 30 Jahren Selbsterfahrungskurse und Burn-In-Seminare in seiner Sommerakademie auf der Insel Korfu.

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Martha Nussbaum macht sich Gedanken über den Zorn

Wie alle wesentlichen Emotionen hat auch der Zorn einen geistigen beziehungsweise intentionalen Gehalt, der unter anderem Beurteilungen und Bewertungen verschiedener Art einschließt. Häufig umfasst dieser nicht nur wertgeladene Beurteilungen, sondern auch Ansichten und Überzeugungen. Darüber hinaus sind die im Zorn beteiligten Beurteilungen und Überzeugungen in einem von Martha Nussbaum verwendeten Wort „eudämonistisch“: „Der Einzelne gelangt von seinem Standpunkt aus zu ihnen; sie sind Ausdruck seiner Auffassung von den wichtigen Dingen im Leben, und nicht irgendwelcher losgelösten und unpersönlichen Wertvorstellungen.“ Selbst wenn sich ein Zorn um Grundsatzfragen dreht, wenn Fragen der Gerechtigkeit, vielleicht sogar der globalen Gerechtigkeit eine Rolle dabei spielen, liegt der Grund dafür darin, dass ein Mensch solche Sorgen und Belange in seine Vorstellung davon hat integrieren können, worauf es im Leben ankommt. Martha Nussbaum ist Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago. Sie ist eine der einflussreichsten Philosophinnen der Gegenwart.

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Emotionen sind von der jeweiligen Kultur abhängig

Bereits auf der Ebene der Sprache wird deutlich, wie abhängig die Gefühlswelt von der entsprechenden Kultur ist. Denn das Verständnis eines Menschen von Emotionen und Gefühlen hängt immer auch davon ab, wie er darüber redet. Auch im modernen Geschäftsleben zeigt sich die Kulturabhängigkeit von Emotionen. Ulrich Schnabel nennt ein Beispiel: „So kommt es in global operierenden Firmen immer wieder zu Problemen, weil Emotionen in verschiedenen Kulturkreisen so unterschiedlich interpretiert werden.“ In der Wissenschaft hat es sich eingebürgert, strikt zwischen biologisch geprägten Effekten und kulturell beeinflussten Emotionen oder Gefühlen zu unterscheiden. Ulrich Schnabel kennt die gängigsten Definitionen: „Ein Affekt ist eine (unbewusste) Reaktion des Körpers auf ein äußeres Ereignis, die weitgehend automatisiert und unreflektiert abläuft und nur kurze Zeit dauert; der Affekt wird nicht versprachlicht und unterliegt keiner Bewertung.“ Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Der Zorn hat eine gute und eine schlechte Seite

Zorn hat einen zwiespältigen Ruf. Einerseits gilt er als wertvoller Teil des moralischen Lebens, als unerlässlich für die ethischen wie die politischen Beziehungen der Menschen. Der entschiedenen Auffassung mancher Philosophen ist der Zorn eng mit der Selbstachtung und dem Aufbegehren gegen Ungerechtigkeit verknüpft. Martha Nussbaum fügt hinzu: „Andererseits durchzieht die Vorstellung vom Zorn als einer zentralen Bedrohung des vernünftigen Miteinanders die philosophische Tradition des Westens – unter anderem das politische Denken zu Zeiten des Aischylos, die Texte von Sokrates und Platon, der griechischen und römischen Stoiker, der im 18. Jahrhundert wirkenden Philosophen Joseph Butler und Adam Smith und diejenigen zahlreicher weiterer einschlägiger Denker.“ Martha Nussbaum ist Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago. Sie ist eine der einflussreichsten Philosophinnen der Gegenwart.

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Die Frühromantik will Poesie und Mythologie miteinander verbinden

Zu den zentralen Forderungen der Frühromantik gehört die nach einer neuen Mythologie. Dadurch unterschied sich die frühromantische Bewegung an einem entscheidenden Punkt von der Aufklärung, zu der sonst durchaus Verbindungslinien bestanden. Gerade die Skepsis gegen den Mythos gehörte zu den entscheidenden Elementen der aufklärerischen Weltanschauung. Die Frühromantiker versuchten, Poesie und Mythologie wieder miteinander zu verbinden. Friedrich Schlegel schrieb in seinem „Gespräch über die Poesie“ (1800) folgendes: „Dann das ist der Anfang aller Poesie, den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft aufzuheben und uns wieder in die schöne Verwirrung der Phantasie, in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur zu versetzen, für das ich kein schöneres Symbol bis jetzt kenne, als das bunte Gewimmel der alten Götter.“ Auch Friedrich Wilhelm Joseph Schelling wandte sich in seiner „Philosophie der Kunst“ (1802/03) ausführlich dem Verhältnis von Dichtung und Mythologie zu.

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Die Kunst des Zweifelns zählt zu den philosophischen Tugenden

Das neue Philosophie Magazin 03/2017 stellt im Titelthema seinen Lesern die Frage: „Und woran zweifelst du?“ In der Rolle des Skeptikers stellt der amerikanische Präsident Donald Trump gerade die Säulen der freien Gesellschaft infrage: Justiz, Wissenschaft und die Medien. Dabei ist die Kunst des Zweifelns ursprünglich eine befreiende und ursprüngliche philosophische Tugend. Welches Schicksal droht einer Gesellschaft, die keinen Unterschied mehr zwischen Fakten und Fiktion anerkennt? Herrscht totale Faktenverwirrung geht in einer freien Gesellschaft die öffentliche Ordnung verloren. Und diese Dynamik dient letztlich vor allem dem, der an der Macht ist – und diese weiter totalisieren will. Donald Trumps dunkler Skeptizismus arbeitet nach dem Imperativ: „Verwirre und unterdrücke! Dessen gesellschaftszersetzende Kraft bedroht zunehmend auch die demokratische Demokratie.

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Aggression schließt Gewalt und das Böse mit ein

Hans-Peter Nolting stellt in seinem Buch „Psychologie der Aggression“ die Frage nach den Gemeinsamkeiten von Aggression, Gewalt und dem Bösen. Er stellt fest, dass es keine Instanz gibt, die verbindliche Definitionen verordnen kann, und dass es faktisch kein ganz einheitliches Begriffsverständnis von Aggression oder Gewalt gibt, nicht in der Öffentlichkeit und zum Teil nicht einmal in der Wissenschaft. Unter dem Begriff „Aggression“ versteht Hans-Peter Nolting den Oberbegriff für das gesamte Themenfeld. Er schließt „Gewalt“, „Grausamkeit“ und „das Böse“ mit ein. Hans-Peter Nolting erklärt: „Aggression ist ein Verhalten, das darauf gerichtet ist, andere Individuen zu schädigen. So etwa lauten typische Kurzdefinitionen in der Psychologie. Dr. Hans-Peter Nolting beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkreis Aggression und Gewalt, viele Jahre davon als Dozent für Psychologie an der Universität Göttingen.

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Der Form nach sind alle Vorurteile falsch

Dass die Aufklärung Vorurteile zu entdecken und zu zerstören sucht, ist philosophie- und sozialhistorisch nicht zu bestreiten. Das Vorurteil ist sogar eine ihrer zentralen Kampfideen. Vorurteile werden in materialen Definitionen als falsche Urteile, Meinungen, Stellungnahmen, Thesen, geistige Einstellungen oder Annahmen verstanden. Im deutschen Sprachraum we3rden solche Definitionen, die Vorurteile als Irrtum, als falsches, unwahres Urteil ansehen, in philosophischen Logiken breit tradiert. René Descartes (1596 – 1650) band den Begriff des Vorurteils an die Dauerhaftigkeit von Meinungen, die durch einmal gefällte Urteile glaubhaft bleiben. Diese Urteile und die auf ihnen basierenden Ansichten müssen nicht falsch sein. In der deutschsprachigen Aufklärung entwickelt erstmals Georg Friedrich Meier (1718 – 1777) systematisch einen formalen Vorurteilsbegriff. Vorurteile sind bei Meier vorgefasste Meinungen, ungeprüfte Einstellungen, die nicht unbedingt auch inhaltlich falsch sind.

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David Brooks stellt verschiedene Formen des Stolzes vor

Was ist Hochmut beziehungsweise Stolz? Heutzutage ist das Wort „Stolz“ positiv besetzt. David Brooks erläutert: „Es bedeutet mehr oder minder, ein gesundes Selbstwertgefühl zu besitzen.“ Wenn man es negativ verwendet, denkt man in erster Linie an eine überhebliche Person, jemanden, der aufgeblasen und egoistisch ist, angibt und herumstolziert. Aber das ist nicht der Kern des Stolzes. Es ist lediglich eine Manifestation der Krankheit Stolz. In einer anderen Definition besteht Stolz in der Zufriedenheit, die man aus dem zieht, was man aus eigener Kraft erreicht hat, wobei die geleistete Arbeit das Maß des Selbstwerts ist. Es ist die Überzeugung, dass man von sich aus, durch eigene Anstrengung die Erfüllung erreichen kann. David Brooks arbeitet als Kommentator und Kolumnist bei der New York Times. Sein Buch „Das soziale Tier“ (2012) wurde ein internationaler Bestseller.

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Veränderungen der Gewohnheit beginnen mit einem ersten Schritt

Es sind vor allem drei Fragen, die ein Mensch beantworten muss, um eine neue Gewohnheit zu etablieren. Clemens Sedmak nennt sie: „Was will ich mir zur Gewohnheit machen? Warum will ich mir eine bestimmte Gewohnheit aneignen? Wie will ich es konkret anstellen?“ Gerade die Wie-Frage wird manchmal unterschätzt. Wenn eine Gewohnheit kultiviert worden ist, ist sie ein Teil der eigenen Lebenskultur geworden. Die drei Kernfragen weisen darauf hin, dass die Kultivierung einer Gewohnheit auf Klarheit und Definition, Begründung, Rechtfertigung und Motivation sowie auf einen Umsetzungsplan angewiesen ist. In der neurowissenschaftlichen Sprache ausgedrückt, reduzieren Gewohnheiten den Aufwand und die Kosten für das Gehirn, denn die Ausbildung neuer Reaktionen erfordert Aufmerksamkeit und Konzentration. Der österreichische Philosoph Clemens Sedmak hat unter anderen Tätigkeiten eine Professur am Londoner King´s College inne.

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Anselm von Canterbury erbringt einen Gottesbeweis

Viele Menschen haben eine Vorstellung von Gott. Sie verstehen, was Gott bedeutet, ob sie nun an die Existenz eines Gottes glauben oder nicht. Über Gott nachdenken, ist etwas ganz anderes als die Aussage, dass Gott tatsächlich existiert. Anselm von Canterbury (circa 1033 – 1109), ein Priester aus der Lombardei, der später Erzbischof von Canterbury in England wurde, bestritt mit seinem Gottesbeweis ganz neue Wege. Nigel Warburton erklärt, wie er argumentierte: „Die Tatsache, dass wir eine Gottesvorstellung haben, ist der logische Beweis für die Existenz Gottes.“ Anselms Argument geht von der unstrittigen Behauptung aus, dass man sich nichts Größeres als Gott vorstellen könne. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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