Die Machtzentren der Welt haben sich nicht verlagert

Die politische Ökonomie ist laut Emmanuel Todd nicht in der Lage, die gewaltigen Umwälzungen in der Welt zu erfassen. Um dies zu erkennen hält sich der französische Soziologe an die am weitesten entwickelten Länder. Die gegenwärtigen Schwierigkeiten Brasiliens und Chinas räumen mit der Illusion auf, die Geschichte werde fortan maßgeblich durch die Schwellenländer geprägt. Emmanuel Todd schreibt: „Die Spielregeln der wirtschaftlichen Globalisierung wurden in den Vereinigten Staaten, Europa und Japan festgelegt. Diese „Triade“ hat seit 1980 die jüngst alphabetisierten Erwerbsbevölkerungen der Dritten Welt in Arbeit gebracht, dadurch die inländischen Arbeitseinkommen gewaltig unter Druck gesetzt und – wie man sagen muss – auf diese Art weltweit die Profitraten erhöht.“ Wohl noch besser drückt sich die Vorherrschaft der alternden entwickelten Welt in einer anderen Fähigkeit aus. Emmanuel Todd ist einer der prominentesten Soziologen Frankreichs.

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Singularität meint das Streben nach Einzigartigkeit

Singularität meint laut Andreas Reckwitz mehr als Selbstständigkeit und Selbstoptimierung: „Zentral ist ihr das kompliziertere Streben nach Einzigartigkeit und Außergewöhnlichkeit, die zu erreichen freilich nicht nur subjektiver Wunsch, sondern paradoxe gesellschaftliche Erwartung geworden ist.“ Markant ausgeprägt ist dies in der neuen, der hochqualifizierten Mittelklasse, also in jenem Produkt von Bildungsexpansion und Postindustrialisierung, das zum Leitmilieu der Spätmoderne geworden ist. An alles in der Lebensführung legt man den Maßstab des Besonderen an: wie man wohnt, wie man isst, wohin und wie man reist, wie man den eigenen Körper oder den Freundeskreis gestaltet. Im Modus der Singularisierung wird das Leben nicht einfach gelebt, es wird kuratiert. Das spätmoderne Subjekt performed sein besonderes Selbst vor den anderen, die zum Publikum werden. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

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Europa eroberte die Welt durch das Schießpulver

Philip T. Hoffman enthüllt in seinem neuen Buch „Wie Europa die Welt eroberte“ die verblüffenden Gründe für Europas Vorherrschaft auf der Welt. Die Weltmacht der europäischen Staaten eroberten zwischen 1492 und 1914 rund 84 Prozent des Weltterritoriums. Dazu trug ein unverwechselbarer Entwicklungspfad bei, der auf militärischen Auseinandersetzungen aufbaute. Jahrhundertelang gaben die Staaten Europas riesige Geldsummen für militärischen Innovationen aus. Der Vorsprung Europas in der Verwendung des Schießpulvers sicherte beispielsweise die Kolonialreiche und den einträglichen Sklavenhandel. Die Herrscher des europäischen Kontinents führten ständig Kriege gegeneinander, die sich auf das Leben der Menschen in der ganzen Welt auswirkten. Philip T. Hoffman ergänzt: „Der Erfolg, der den Herrschern in diesem grausamen Wettbewerb winkte, waren finanzieller oder territorialer Zugewinn, die Verteidigung des eigenen Glaubens oder schlicht der Ruhm des Siegs.“ Philip T. Hoffman ist Professor für Wirtschaft und Geschichte am California Institute of Technology.

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Im 18. Jahrhundert beginnt die moderne Zeit

Das 18. Jahrhundert ist von den Zeitgenossen und später von Historikern als eine Epochenwende und als Beginn der modernen Zeit empfunden worden. Das Deutsche Reich war seit dem Dreißigjährigen Krieg in eine Vielzahl von kleinen und kleinsten Territorien zersplittert und war in seiner Form weit von einem modernen Staat entfernt. Neben über dreihundert souveränen Territorien gab es eine Fülle von halbautonomen Gebieten und Städten, die eine kaum zu entwirrende Parzellierung des Reichsgebietes bewirkt hatten. Die Reichsgewalt des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation lag zwar bis zum Jahr 1806 beim deutschen Kaiser, sie war aber auf ganz wenige Rechte beschränkt und hatte eine mehr symbolische Bedeutung. Die wichtigen politischen Entscheidungen lagen bei den Territorialstaaten, die ihre Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit, Landesverteidigung, Polizeigewalt und so weiter unabhängig von der Reichsgewalt ausübten.

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Computer können keine Subjektivität herstellen

Mit Philosophen wie John Searle, Thomas Nagel und Colin McGinn ist David Gelernter der ketzerischen Meinung, dass Computer nicht in der Lage sind, Subjektivität herzustellen – die Welt im Kopf eines Menschen, ein eigenes Seelenleben, eine eigene private geistige Landschaft, durch die kein anderer wandern kann. Ein Computer beziehungsweise Roboter hat kein Bewusstsein für Glück. Es gibt keinen Geist in der Maschine, keine menschliche Geistesgegenwart. Dennoch übersteigt die Leistungsfähigkeit des Computers die menschliche Vorstellungskraft. David Gelernter stellt fest: „Wir glauben, mit der künstlichen Intelligenz der Schöpfung eines übernatürlichen Geistes beizuwohnen und den Stein der Weisen gefunden zu haben. In Wirklichkeit verstehen wir bis heute das Bewusstsein nicht. Wir können Subjektivität nicht erklären, vielleicht werden wir es nie können.“ David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

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Die Politik hat ihre Vorherrschaft an die Wirtschaft verloren

Die Welt erlebt nun seit einigen Jahren eine dreifache Krise. Thomas Seifert nennt sie beim Namen: „Eine Krise des Kapitalismus, die mit dem Beinahe-Kollaps der Weltwirtschaft nach dem Lehman-Pleite am 15. September 2008 offenbar geworden ist, eine Krise der westlichen (Parteien-) Demokratie, die die Probleme nicht lösen kann, und – durch die Verschiebung des Schwerpunkts des Globus von West nach Ost – eine Krise der Weltordnung, des Global Governance Systems.“ Die drei Krisen sind miteinander verwoben, bedingen und verstärken einander, und ein Ende ist nicht in Sicht. Die Wirtschaft hat die zentrale Funktion der Steuerung der Gesellschaft übernommen, die Vorherrschaft der Politik ist längst verloren. Die Wähler haben verstanden, dass die Politik das Gesetz des Handelns an die Ökonomie abgetreten hat, und strafen die politischen Akteure mit Ignoranz, Misstrauen, Totalverweigerung oder Anti-Politik. Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur und Leiter der Außenpolitik bei der Wiener Zeitung.

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Aeneas war der Ahnherr der Literatur der Stauferzeit

Die Literaturepoche der Stauferzeit fällt mit dem Höhepunkt der Regierungszeit Friedrich Barbarossas um 1180 und dem Todesdatum Friedrichs II. zusammen. Der Konflikt zwischen den Staufern und den Welfen um die Vorherrschaft im Reich und der beständige Kampf des Kaisertums gegen die Bevormundung durch die Kirche und den Papst sollte diese Ära bestimmen, die im Grunde bereits mit dem plötzlichen Tod Heinrichs VI. beendet war. Zum Zeitpunkt der Thronbesteigung durch Friedrich Barbarossa stand die Literatur noch unter lateinisch-geistlicher Vorherrschaft. Selbst der frühhöfische Versroman war noch fest in der Hand der katholischen Geistlichen. Erst mit Heinrich von Veldekes „Eneit“ (nach 1170 begonnen, abgeschlossen 1185/87) gelang der Durchbruch einer neuen ritterlich-höfischen, am antiken Vorbild des dynastischen Ahnvaters Aeneas weltorientierten Standesliteratur, an der drei Dichtergenerationen beteiligt waren.

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Otto von Bismarck eint Deutschland durch militärische Erfolge

Im 19. Jahrhundert bildete sich ein Weltsystem heraus, das von den atlantischen Mächten absolut dominiert war und die einstigen Großreiche China und Indien zu Statisten degradierte. Thomas Seifert erläutert: „Der Sieg Großbritanniens über China im Ersten Opiumkrieg 1839 bis 1842 war dafür das sichtbarste Zeichen.“ Nach der Niederlage im Ersten Opiumkrieg musste China am 29. August 1842 den „Vertrag von Nanjing“ unterzeichnen, in dem Reparationszahlungen in Höhe von 21 Millionen Dollar vereinbart wurden. Japan musste sich fast zur gleichen Zeit dem Westen beugen. Im Jahr 1899 kam es in China zum Krieg der Boxer gegen die vereinigten acht Staaten (Deutsches Reich, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Österreich-Ungarn, Russland und die USA) mit dem Ziel, die Vorherrschaft der imperialistischen Mächte zu brechen. Die Boxer wurden blutig niedergeschlagen. Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur und Leiter der Außenpolitik bei der Wiener Zeitung.

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Durch den Ersten Weltkrieg zerfielen vier große Reiche

In der Geschichte des europäischen 20. Jahrhunderts wird dem Ersten Weltkrieg der Charakter einer Epochenschneide zugemessen. Und die Gründe, warum er als einer der tiefsten Einschnitte in der neueren Geschichte des Kontinents angesehen wird, sind für Ulrich Herbert schwerwiegend: Erst hier sei das 19. Jahrhundert wirklich zu Ende gegangen: „Mit dem Fall des Deutschen Kaiserreiches stürzte auch die Habsburger Doppelmonarchie; ein Jahr zuvor war bereits die Herrschaft des russischen Zaren durch die Oktoberrevolution beendet worden, und auch das Reich der Osmanen stand vor dem Untergang.“ Die vier großen Reiche, gekennzeichnet durch die Vorherrschaft vormoderner Kräfte, durch die herausgehobene Position des Militärs und durch die Unterdrückung der nationalen Minderheiten, brachen zusammen. Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

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Gabrielle Oettingen läutet das Ende des positiven Denkens ein

„Angesichts der Vorherrschaft des Optimismus, erscheint es geradezu riskant, negative Gesichtspunkte auch nur mit vorsichtigen Worten anzusprechen, vor allem in Institutionen und Organisationen“, schreibt die Psychologin Gabriele Oettingen in ihrem neuen Buch „Die Psychologie des Gelingens“. Wer am Arbeitsplatz eine realistische Haltung vertritt, gilt ihrer Meinung nach oft als Spielverderber oder Miesmacher. Unzählige Studien haben die Forscherin überzeugt: Positives Denken hilft den Menschen nicht so viel weiter, wie sie glauben. Egal, ob es sich ums Abnehmen, das Rauchen aufhören, schnelleres Gesundwerden, bessere Noten oder höher dotierte Jobs handelt. Denn davon zu träumen, wie sich ein Herzenswunsch erfüllt, vermittelt ein warmes Gefühl der Zufriedenheit. Gabriele Oettingen analysiert: „Uns do kann man in ausweglosen Situationen ausharren, durchhalten und Hoffnung schöpfen.“

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Das Kartell der Rohstoffhändler macht gigantische Gewinne

Der Zugang zu Rohstoffen ist für die Weltwirtschaft von zentraler Bedeutung. Schon heute machen die Rohstoffe nach Gewicht rund zwei Drittel des Welthandels aus. Umso bedrohlicher ist für Gerhard Schick die Konzentration wirtschaftlicher Macht in diesem sensiblen Bereich. Fast jeder kennt das Kartell der Ölproduzenten – es heißt OPEC und ist staatlich organisiert. Damit sichern sich die Exportländer gewaltige Gewinne. Doch nicht nur beim Öl, sondern auch bei anderen Rohstoffen lassen sich kartellartige Strukturen beobachten. Hier sind es in der Regel private Firmen, die den Markt unter sich aufteilen. Als Beispiel nennt Gerhard Schick das Eisenerz, den Rohstoff für Stahl: Hier wird der Markt von drei Firmen dominiert, den multinationalen Bergbaugesellschaften Vale, Rio Tinto und BHP Billiton. Diese drei Konzerne kontrollieren 57 Prozent des weltweiten Handels. Der grüne Politiker Gerhard Schick zählt zu den versiertesten Ökonomen im Deutschen Bundestag.

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Im 19. Jahrhundert wurde London zur reichsten Stadt der Welt

Kein Jahrhundert hat das Leben in den Städten Westeuropas so sehr verändert wie das neunzehnte. London, die Hauptstadt der Engländer und ihr großer Fluss- und Seehafen an der Themse, wandelte sich zuerst, schneller als die Konkurrenz und wuchs an Umfang und Einfluss rascher als die anderen Städte. Manche Historiker nennen das 19. Jahrhundert deshalb auch das Jahrhundert Londons. England stieg damals zu einer Stellung in der Welt auf, die in keinem Verhältnis zur Größe seines geographischen Territoriums stand. England wurde durch die industrielle Revolution, die bereits im 18. Jahrhundert begonnen hatte und Vorherrschaft in Produktion, Handel und Finanzwirtschaft sicherte, zur Werkstatt der Welt. In Übersee ließen freizügige Auswanderung und reger Handel das britische Kolonialreich ständig wachsen. London galt damals als Mittelpunkt eines Reiches, in dem die Sonne nicht unterging.

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Die Krisen an Europas Grenzen häufen sich besorgniserregend

Beobachter aus dem Westen hat das Kriegsgebahren Wladimir Putins in der Ukraine ziemlich verwirrt. Ob es nun hybrid genannt wird, mehrdeutig oder getarnt, spielt dabei keine Rolle. Jean-Marie Guéhenno, Präsident der International Crisis Group, erklärt: „Unerklärte Konflikte sind ein wichtiger Bestandteil heutiger Kriege. Diese Konflikte fordern Europa heraus. Wie verteidigt man sich politisch und rechtlich gegen verdeckte Aggression?“ Ein Vierteljahrhundert nach dem Ende des Kalten Krieges ist Europa plötzlich mit einer ganzen Reihe neuer Bedrohungen konfrontiert. Die Destabilisierung durch Russland an der Ostgrenze ist nur eine davon, wenn auch eine spektakuläre. Höchste Bedeutung geben Sicherheitsexperten der Bedrohung durch Cyber-Angriffe, weil auch hier viele neue Probleme des internationalen Rechts, in den Freiheitsrechten der Bürger und im technologischen Wettlauf um Sicherheit und Vorherrschaft aufgeworfen werden.

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Die Linken haben eine Affinität zu bürgerlichen Werten entwickelt

In den Großstädten geht ein neuer Trend um. Viele Menschen wollen total normal sein. Laut Cornelia Koppetsch gibt es heutzutage eine Sehnsucht nach konservativen Werten, die auch die urbane Boheme ergriffen hat: „Dieselben Milieus, die einmal mit alternativen Lebensentwürfen experimentiert haben, konzentrieren sich heute auf Absicherung, Statuserhalt und Angleichung an die vorgegebenen Strukturen.“ Heute zeigt man wieder, was man hat. Inzwischen ist es nicht mehr anstößig, Vermögen und Besitz auszustellen. Die Eliten treten ganz im Gegenteil wieder sichtbar auf, man bekennt sich zu ihnen. Umso schärfer wird die Abgrenzung nach unter gezogen. Neu ist auch, dass Gruppen, die sich bisher als „links“ verstanden, eine Affinität zu bürgerlichen Werten entwickelt haben. Cornelia Koppetsch ist Professorin für Soziologie an der TU Darmstadt.

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Die Geschichte nimmt oft völlig unvorhersehbare Wendungen

Der Welthandel, die Weltreiche und die Weltreligionen haben den Menschen irgendwann in fast jeden Winkel der Erde in der globalisierten Welt von heute geführt. Der Weg war zwar beschwerlich und voller Hürden, doch auf lange Sicht war der Übergang von vielen kleinen auf wenige große Kulturen und schließlich zu einer Weltkultur vorprogrammiert. Was laut Yuval Noah Harari allerdings nicht heißen soll, dass die globalisierte Gesellschaft in ihrer heutigen Form unvermeidlich war. Seiner Meinung nach wären andere Varianten genauso möglich gewesen. Um den Verlauf und das vorläufige Endergebnis der Weltgeschichte besser zu verstehen, rät Yuval Noah Harari sich entscheidende Eigenschaften der Geschichte näher anzusehen. Yuval Noah Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University in Jerusalem.

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Der Siebenjährige Krieg entscheidet die Machtfrage in Amerika

Über 150 Jahre standen die englischen Kolonisten in Amerika loyal zu ihrem König und fühlten sich als Angehörige des britischen Imperiums. Noch im Siebenjährigen Krieg, der von 1756 bis 1763 dauerte, kämpften sie gemeinsam mit den Soldaten Englands gegen die Franzosen. Doch anschließend traten entscheidende Veränderungen ein. Alexander Emmerich erklärt: „Danach verstrickten sich die Kolonisten mit der englischen Krone in einen Machtkampf um Repräsentation im englischen Parlament und die Besteuerung verschiedener Waren. Am Ende dieses Konflikts stand schließlich der Wunsch nach Unabhängigkeit, Volkssouveränität und Selbstbestimmung der dreizehn englischen Kolonien.“ Dazu gehörten New Hampshire, Massachusetts, Rhode Island, Connecticut, New York, Pennsylvania, Delaware, Maryland, Virginia, North Carolina, South Carolina, und Georgia. Der Historiker Alexander Emmerich lehrt an der Universität Augsburg am Lehrstuhl für atlantische Kulturgeschichte.

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Peter Scholl-Latour analysiert die Radikalisierung im Nahen Osten

Der deutsche Journalist und ausgewiesener Kenner des Nahen Ostens Peter Scholl-Latour behauptet, dass es den sogenannten Arabischen Frühling überhaupt nicht gegeben hat. Denn er hat nach seiner Meinung ja nirgends positive Auswirkungen gezeigt. Er nennt ein Beispiel: „Selbst Tunesien, wo die größten Hoffnungen lagen, gleitet in Unruhen ab.“ Der Arabische Frühling war für Peter Scholl-Latour ein Aufbegehren gegen eine erstarrte Hierarchie, die zutiefst korrupt war, ein Ausdruck des Volkszorns. Aber wie sich die Revolution weiterentwickeln wird, weiß auch der Nahostexperte nicht. Aber eines glaubt Peter Scholl-Latour ganz sicher zu wissen, nämlich dass die Hoffnung auf eine Demokratisierung der Region nur eine Illusion des Westens war. Kaum ein zweiter Journalist der deutschen Sprache hat eine derartige Reise- und Rechercheerfahrung und eine so ausgeprägte Expertise in der Welt der internationalen Politik wie Peter Scholl-Latour.  

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Paul Nolte beschreibt die Entstehung der Demokratie in Athen

Vor etwa zweieinhalbtausend Jahren entstand im östlichen Mittelmeerraum, auf der griechischen Halbinsel Attika, zum ersten Mal in der Weltgeschichte Demokratie. Paul Nolte erklärt: „Die Bürger von Athen überließen die Regierung ihrer Polis, also ihres stadtstaatlichen Gemeinwesens, nicht einem König, einem Tyrannen oder einer schmalen aristokratischen Elite, was weithin den kaum hinterfragten Normalfall darstellte, sondern regierten sich selbst: frei und einander gleich; durch die Übernahme von Ämtern und unmittelbar in der Volksversammlung.“ Die athenische Demokratie entwickelte sich allerdings laut Paul Nolte nicht zuerst in der Theorie, sondern langsam und in vielen Zwischenschritten, in der praktischen Anwendung. Dass daraus eine Demokratie enstehen würde, wussten die Zeitgenossen vorher und während der Entstehung dieser Regierungsform nicht. Paul Nolte ist Professor für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte an der Freien Universität Berlin.

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Der langsame wirtschaftliche Abstieg des Westens

Fast jede westliche Industrienation wird inzwischen von einer Schuldenkrise gequält. Für den Historiker Niall Ferguson, der in Harvard Geschichte lehrt und das Buch „Der Westen und der Rest der Welt“ geschrieben hat, ist das der Anfang vom Ende der westlichen Vorherrschaft auf der Welt. Was seiner Meinung nach aber nicht nur an den übermäßigen Staatsschulden liegt. Niall Ferguson erklärt: „Und diese Schuldenkrise ist auch keine Folge der Finanzkrise. Sie wäre sowieso gekommen, weil die Staaten überaltern und ihre Wohlfahrtssysteme nicht mehr bezahlen können. Der EU-Gipfel hat diese Probleme nicht gelöst.“ Der Westen kann laut Niall Ferguson seine Schuldenkrise auf drei Wegen in den Griff bekommen: die erste Variante wäre dabei eine radikale Reform der Wohlfahrtsstaaten und der Steuersysteme, um mehr Geld in die Staatskassen hereinzuholen.

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Michel Houellebecq liebt die deutsche Frühromantik

Michel Houellebecq behauptet von sich, alles sagen und schreiben zu können, weil er in Mode ist. Er gibt aber zu, dass es durchaus Dinge gibt, die er niemals schreiben würde, wodurch er sich immer einen Rest Intimität erhalten möchte. Dennoch muss man seiner Meinung nach keine Angst davor haben, über intime Dinge zu reden, da immer noch etwas übrig bleiben wird, das man gestehen könnte. Michel Houellebecq hat auch keine Angst sich einem Zuhörer oder Leser auszuliefern, wenn er nach seinem Sexualleben gefragt wird. Die meisten Fragen, die ihm in Interviews gestellt werden, umkreisen dieses Thema. Auf die Frage, ob er und seine Frau in einen Swingerclub gehen würden, antwortet er immer mit: „Ja, und?“.

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Die geheimnisvolle Welt der Märchen

Es gibt Märchen, die einfältig erscheinen, weil sie an die Moral appellieren, aber auch subversive, die von der Veränderbarkeit der Welt erzählen. Hier geschieht manchmal das Unglaubliche, dass die Schwachen die Starken besiegen. Immer wieder tauchen in den Märchen gewaltsame Akte der Befreiung auf. In drastischen Szenen schildert das Märchen Modelle einer essentiellen Erfahrung der Menschen – das Böse ist besiegbar, aber nicht im Guten, sondern mit Gewalt. Es gibt wesentliche Märchenelemente, die von den verschiedensten Erzählern immer wieder aufgegriffen wurden. Dazu zählen die Unbotmäßigkeit und die Phantasie. Zweitgenannte steht für die Kreativität und die Kraft der Verwandlung als ursprüngliche Anlagen, die der Menschen in den Zeiten der Moderne verliert, wenn er sich von deren Rationalismus unterjochen lässt.

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