Der klassische Terrorismus hatte zwei Ausprägungen

Den „klassischen“ Terrorismus hat es in Europa seit dem 19. Jahrhundert gegeben. Er hatte vor allem zwei Ausprägungen. Nämlich eine sozialrevolutionäre Variante, wie sie im zaristischen Russland entstanden ist, und eine nationalseparatistische, etwa im Baskenland in Form der Untergrundorganisation ETA. Diese kämpfte mit Gewalt für eine Abspaltung der nordspanischen Region vom Mutterland. Edgar Wolfrum ergänzt: „Was des einen Terrorist war, war oftmals des anderen Freiheitskämpfer.“ Seit den 1970er Jahren kam eine äußerst gewalttätige Variante hinzu. Zum Beispiel in Gestalt der deutschen „Roten Armee Fraktion“ (RAF) oder den italienischen „Brigate Rosse“. Oft verbanden sich diese Gruppierungen mit dem internationalen Terrorismus der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO). Gewaltakte und Morde zielten auf herausgehobenen Personen der politischen Klasse oder der gesellschaftlichen Elite. Edgar Wolfrum ist Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Heidelberg.

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Pisa verlor 1406 seine Unabhängigkeit

Dom, Turm, Bapisterium und Friedhof bildeten das sakrale Zentrum der Kommune Pisa. Nach dem Verlust der Unabhängigkeit im 15. Jahrhundert wurde das grandiose Ensemble zum Ort der wehmütigen oder auch widerständigen Erinnerung an verlorene Größe. Um 1300 war die stolze Stadt Pisa von Florenz wirtschaftlich und politisch überflügelt worden. Im Jahr 1406 musste sie sich der verhassten Rivalin sogar unterwerfen und verlor ihre Unabhängigkeit. Volker Reinhardt fügt hinzu: „Die Selbstständigkeit gewann Pisa zwar 1494 zurück. Es musste sich aber 1509 nach langer Belagerung ausgehungert und finanziell erschöpft, erneut unterwerfen. Und zwar diesmal endgültig.“ Von nun an blieb für den Lokalstolz nur noch die Universität. Volker Reinhardt it Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg. Er gehört international zu den führenden Italien-Historikern.

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Ein Herrscher muss sich selbst im Griff haben

Institutionen allein – Verfassungen und Gesetze – genügen nicht. Mindestens so wichtig, wenn nicht wichtiger, ist die Moral der Herrschenden selbst. Für Aristoteles stellen neben der Fähigkeit und der Leistung der Herrschenden vor allem ihr Charakter, ihre Tugenden, die eigentliche Voraussetzung für ihre Sonderstellung dar. Ihre Herkunft ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für ihre Herrschaftsposition. Diese Überlegung ist für Katja Gentinetta so einfach wie einleuchtend: „Man stelle sich vor, ein Herrscher habe nicht einmal sich selbst, seine Emotionen und Triebe im Griff: Wie soll er dann über ein ganzes Volk herrschen?“ Außerdem ist – und darauf legt Aristoteles großen Wert – jeder für seine Tugenden verantwortlich. Die Politikphilosophin und Publizistin Katja Gentinetta ist Lehrbeauftragte an den Universitäten St. Gallen, Zürich und Luzern.

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Griechenlands Demokratie war keine Wohlfühloase

Die griechische Demokratie war alles andere als eine Wohlfühloase. Jürgen Wertheime weiß: „Sehr viel eher war sie ein permanentes psychisches und physisches Testlabor und eine Art mentales Trainingslager. Was auf dem Theater durchgespielt wurde, konnte im Alltag auch und gerade bekannter Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens den Tod bedeuten.“ Die großen Philosophen wie Sokrates, Platon, aber auch die Vorsokratiker wie Empedokles standen unter Generalverdacht. Und oft bedurfte es nur einer speziellen politischen Konstellation, um sie zu Fall zu bringen. Für Platon zum Beispiel waren die Herrschaftsmethoden der 30 Oligarchen ein tiefer Schock. Diese hatten 404 v. Chr. nach der Niederlage Athens im Peloponnesischen Krieg die Macht an sich gerissen. Jürgen Wertheimer ist seit 1991 Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Komparatistik in Tübingen.

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Der Kapitalismus schien 1989 triumphiert zu haben

Dass es in den USA und vielen anderen Industriestaaten nicht besonders gut läuft ist noch gelinde ausgedrückt. Im ganzen Land herrscht weitverbreiteter Unmut. Joseph Stiglitz erläutert: „Den in den letzten 25 Jahren vorherrschenden wirtschafts- und politikwissenschaftlichen Theorien zufolge war das nicht zu erwarten.“ Nach dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 verkündete Francis Fukuyama „Das Ende der Geschichte“. Denn seiner Meinung nach hätten die Demokratie und der Kapitalismus endgültig triumphiert. Eine neue Ära globalen Wohlstands mit höherem Wirtschaftswachstum den je zuvor stünde jetzt bevor. Und Amerika würde dabei die Führung übernehmen. Heute scheint von diesen hochfliegenden Ideen nichts mehr übrig zu sein. Joseph Stiglitz war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford. Er wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.

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Die vierte Gewalt existiert nicht mehr

Rudolf Augstein, Gerd Bucerius und Henri Nannen – Mogule von Besatzers Gnaden. Und wie die Helden in Hollywoodwestern, die zu ihrer Zeit über die Bildschirme flimmerten, verkörperten sie das Ideal von Freiheit. Anders Indset erklärt: „Freiheit der Meinung verbunden mit informationeller Selbstbestimmung. Die vierte Gewalt.“ Doch wo findet man diese vierte Gewalt heute? Wo sind die Meinungsmacher geblieben? Vielleicht versteckt hinter „Fassaden in der Mache“ als Influencer oder Getriebene von einer technologischen Elite, um neue Medienplattformen zu schaffen. Denn Medien lieben die Erfolgreichen, Erfolgreiche lieben die Medien. Clubhouse, Podcast, IGTV … Frei nach Neil Postman sind viele Menschen dabei, sie zu Tode zu amüsieren. Noch schlimmer, sie betäuben sich allumfänglich, der sie in eine unbewusst konsumierende Gesellschaft der Gefälligkeit versetzt. Anders Indset, gebürtiger Norweger, ist Philosoph, Publizist und erfolgreicher Unternehmer.

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Wachstum ist kein Allheilmittel mehr

In der Gegenwart ist ungebremstes Wachstum kein Allheilmittel mehr. Das Jahr 2020 sollte entscheidend in der Klimapolitik werden. Die 26. UN-Klimakonferenz (COP26) sollte nur wenige Tage nach der US-Wahl im November 2020 in Glasgow tagen. Adam Tooze stellt fest: „Sie sollte den fünften Jahrestag des Pariser Klimaabkommens markieren. Sollte Trump gewinnen, was zu Beginn des Jahres durchaus möglich schien, würde die Zukunft des Planeten auf dem Spiel stehen.“ Das allgegenwärtige Gefühl von Risiko und Angst, das die Weltwirtschaft umgab, bedeutete eine bemerkenswerte Umkehrung. Noch vor nicht allzu langer Zeit erschien die Stellung der kapitalistischen Wirtschaft als erobernden Triebkraft der modernen Geschichte unangreifbar. Denn der Westen hatte im Kalten Krieg triumphiert und der Aufstieg der Finanzmärkte schien unaufhaltsam. Adam Tooze lehrt an der Columbia University und zählt zu den führenden Wirtschaftshistorikern der Gegenwart.

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In Pisa übernahmen Konsuln die Macht

Während die Aristokraten-Händler mit ihren Schiffen ausschwärmten, vollzog sich in Pisa ein politischer Wechsel von epochaler Bedeutung. Zwischen 1081 und 1085 traten dort erstmals Konsuln als oberste Herrschaftsträger auf, und zwar im Namen der Kommune. Diese erklärte sich für politisch unabhängig, ohne damit ihre Zugehörigkeit zum Königreich Italien und damit zum Heiligen Römischen Reich zu leugnen. Volker Reinhard weiß: „Im Gegenteil: In den nachfolgenden Jahrhunderten sollte Pisa die römischen Könige auf ihrem Weg zur Kaiserkrönung in Rom unterstützen. Auf diese Weise wollte sich die Stadt gegen die immer bedrohlichere Konkurrentin Florenz behaupten. Innerhalb ihrer Stadtmauern und in dem von der Stadt unterworfenen Landgebiet, erkannte die Kommune Pisa jetzt keine anderen Herren mehr über sich an. Volker Reinhardt ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg. Er gehört international zu den führenden Italien-Historikern.

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Die Neue Rechte fordert die Altparteien heraus

Die Neue Rechte zieht Profit aus den Kalamitäten und Disparitäten, die jetzt die Gesellschaft kopfscheu machen. Roger de Weck erläutert: „Die Angstgesellschaft ist ihr Revier, von der Verunsicherung lebt sie. Sie nutzt und beschleunigt die Erosion der Glaubwürdigkeit traditioneller Parteien, die der Ultrakapitalismus zusehends überfordert.“ Ein Teil der Konzernwelt hat den Staat zur Flickbude degradiert, und die Regression der Politik zur Flickschusterei lädiert die Politiker. Umso leichter schleusen reaktionäre Parteien den Groll ihrer Klientele nur in die eine Richtung. Versagt haben einzig die Politik, die Demokratie, die Europäische Union – nie und nimmer das Wirtschaftssystem. Das Problem des Prekariats, das die Neue Rechte besonders umwirbt, sind nie Amazon und andere ausbeuterische Arbeitgeber, sondern die „Altparteien“. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

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Die Singularitäten prägen die Spätmoderne

Die Etablierung einer postindustriellen Ökonomie der Singularitäten und der Aufstieg der digitalen Kulturmaschine bilden das strukturelle Rückgrat der spätmodernen Gesellschaft der Singularitäten. Das spätmoderne Selbst unterscheidet sich grundlegend von jenem Sozialcharakter, der die klassische Moderne der Industriegesellschaft dominierte. Seit den 1980er Jahren sind darüber eine Reihe prominenter soziologischer Analysen veröffentlicht worden. Dazu zählt Andreas Reckwitz Ulrich Becks Arbeiten zur Selbstreflexion und zum Risikobewusstsein von Bastelbiografien. Zu nennen sind auch Anthony Giddens` Analysen zum hochmodernen Selbst als Projekt. Ebenso dazu gehört Zygmunt Bauman These der „flüssigen“, vor allem am Konsum orientierten Identitäten. Beispielhaft sind auch Richard Sennetts Arbeiten zur umfassenden Flexibilisierung spätmoderner Lebensformen und Manuel Castells These vom Netzwerk-Subjekt. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

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Die Ökonomie missbraucht die Ideen der Aufklärung

Es ist für Philipp Blom erstaunlich zu sehen, was im Zusammenhang des verabsolutierten Marktes aus den Ideen der Aufklärung wird, die ein fester Bestandteil seiner Theorien sind. Hier wie dort sind Menschen rational, liegt ihr Heil in der Vernunft. Beide sind universalistisch und tolerant. Sie gehen davon aus, dass Menschen von Geburt an mit Freiheiten und Rechten ausgestattet sind. Beide sehen optimistisch in die Zukunft, die besser, gerechter und wohlhabender sein wird. Der alles entscheidende Unterschied wird laut Philipp Blom allerdings wirksam, wenn diese Gedanken aus dem Kontext der philosophischen Debatte in den der ökonomischen Theorie transportiert werden und dabei ihre qualitativen Aspekte verlieren. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford und lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

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Die neuen Eliten fühlen sich als Avantgarde

In der Kultur der Gegenwart können sich Eliten nicht länger über die Werte der alten Eliten wie Abstammung oder Tradition definieren. Entsprechend beglaubigen die neuen Eliten ihren Anspruch über Eigenschaften. Diese sind konstitutiv für individualistische Wohlstandsgesellschaften. Zugleich sind diese Attribute ein Ausweis ökonomischer Kompetenz und gehören zum Jargon der Erfolgreichen und Dynamischen. Dazu zählt Alexander Grau Kreativität, Originalität, Flexibilität, Internationalität, Offenheit und Neugierde. Entscheidend ist nun, dass man diese Eigenschaften auch als moralische Werte verstehen kann. Die Reputation der neuen Eliten besteht nur darin, genau diese Werte zu gesellschaftlichen Idealen zu erklären. Dabei inszenieren sie sich als Avantgarde. Ganz nebenbei werden die tragenden und bestimmenden Eliten auch zur moralischen Elite erhoben. Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist.

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Der Einparteienstaat wurde 1917 erfunden

Monarchie, Tyrannei, Oligarchie, Demokratie – diese Herrschaftsformen kannten schon Platon und Aristoteles vor über zwei Jahrtausenden. Doch der nicht freiheitliche Einparteienstaat wurde erst 1917 von Lenin in Russland erfunden. Heute ist er überall auf der Welt von China über Venezuela bis nach Zimbabwe zu finden. Anne Applebaum stellt fest: „Im Gegensatz zum Marxismus ist die illiberale Einparteienherrschaft keine Philosophie. Sie ist ein Mechanismus des Machterhalts und verträgt sich mit vielen Ideologien.“ Sie funktioniert, weil sie zweifelsfrei definiert, wer der Elite angehört – der politischen Elite, der kulturellen Elite, der finanziellen Elite. In den vorrevolutionären Monarchien Russlands und Frankreichs fiel das Recht zur Herrschaft der Aristokratie zu. Diese definierte sich über strenge Regeln der Heirat und der Etikette. Anne Applebaum ist Historikerin und Journalistin. Sie arbeitet als Senior Fellow an der School of Advanced International Studies der Johns Hopkins University.

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Gute Eliten dienen den anderen

Gute Regierungen dienen den Regierten, schlechte Regierungen dienen sich selbst. Oder – frei nach William Shakespeare – dienen oder sich bedienen: Das ist hier die Frage. Katja Gentinetta stellt fest: „Mit diesen wenigen Sätzen ist das Qualitätskriterium für Eliten eigentlich schon umrissen. Platon hat es formuliert, Aristoteles hat es ausgeführt und systematisiert.“ Genauso gilt: Gute Eliten dienen den anderen beziehungsweise allen, schlechte Eliten dienen sich selbst. Nach der Wahrnehmung von Katja Gentinetta ist dieses Kriterium weitgehend außer Blick geraten, ja verloren gegangen. Aktuell herrscht eine „Gleichmachergesellschaft“, die zwar begrüßenswerter Weise ein Produkt der fortschreitenden Demokratisierung ist, jedoch zu Überschießen neigt. Dieser Entwicklung ist es geschuldet, dass ein Qualitätskriterium für Eliten weitgehend verschwunden ist. Dr. Katja Gentinetta ist Politikphilosophin, Publizistin und Lehrbeauftragte an den Universitäten St. Gallen, Zürich und Luzern.

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Der Kommunismus ist untergegangen

Das „Kommunistische Manifest“ von Karl Marx und Friedrich Engels aus dem Jahre 1848 beginnt bekanntlich mit den Worten: „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus.“ Heinz Bude erläutert: „Es sieht einen Endkampf zwischen Bourgeoise und Proletariat vor Augen.“ Das Manifest verspricht, dass dieser bald versteckte, bald offene Kampf mit einer revolutionären Umgestaltung der ganzen Gesellschaft enden wird. Ansonsten gibt es nur den gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen. Der Kommunismus ist im 20. Jahrhundert auf- und untergegangen. Auch die Rebellion von 1968 ist nach fünfzig Jahren endgültig Geschichte geworden. Dennoch ist das Gespenst des Kommunismus heute wieder unterwegs. Heinz Bude studierte Soziologie, Philosophie und Psychologie. Seit dem Jahr 2000 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Makrosoziologie an der Universität Kassel.

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Populisten glauben nicht an ihre eigene Rhetorik

Woran kann man populistische Parteien erkennen? Der Politikwissenschaftler Jan-Werner Müller antwortet: „Linke und rechte Politiker verwandeln sich in Populisten, wenn sie behaupten, das wahre, echte und einzige Volk zu repräsentieren.“ Diese Aussage enthält drei Teilaspekte. Erstens die Idee einer korrupten Elite, die nicht zum wahren Volk gehört. Zweiens die Idee eines homogenen Volkswillens, den nur der Populist vertreten kann. Und drittens Antipluralismus, also die Idee einer homogenen Wählerschaft. Philipp Hübl ist da anderer Ansicht: „Bei genauer Betrachtung jedoch sind die Teilelemente der Analyse fraglich. Erstens glauben weder die Populisten an ihre eigene Rhetorik noch ihre Wähler.“ Die Alternative für Deutschland (AfD) positioniert sich beispielsweise gegen alle anderen Parteien, die über 80 Prozent der Wähler repräsentieren. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).

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Anne Applebaum kennt die Verlockung des Autoritären

In ihrem neuen Buch „Die Verlockung des Autoritären“ beantwortet Anne Applebaum die Frage was die Rückkehr zu autoritären Herrschaftsformen für viele Menschen so erstrebenswert macht. Dabei zeigt sie, welche Rolle dabei die sozialen Medien, Verschwörungstheorien und Nostalgie spielen. Sie unternimmt einen Streifzug durch die westliche Welt, die sich auf erschreckender Weise nach einer harten Hand und einem starken Staat sehnt. Zu in diesem Buch beschriebenen Menschen gehören nationalistische Ideologen genauso wie hochgesinnte politische Essayisten. Die einen verfassen anspruchsvolle Bücher, andere lancieren Verschwörungstheorien im Internet. Manche Menschen genießen das Chaos und wollen es herbeiführen, um der Gesellschaft eine neue Ordnung aufzuzwingen. Anne Applebaum ist Historikerin und Journalistin. Sie arbeitet als Senior Fellow an der School of Advanced International Studies der Johns Hopkins University.

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Die Leistungsgesellschaft ist ein Tyrann

In seinem neuen Buch „Vom Ende des Gemeinwohls“ vertritt Michael J. Sandel die These, dass die Demokratien auf dem Prüfstand stehen und dass sich aktuell eine populistische Revolte ereignet. Als Beispiele nennt der Autor die Wahl Donald Trumps, den Brexit und den Erfolg der AfD. Das sind die wütenden Antworten auf die wachsende Ungleichheit in der Gesellschaft. Michael J. Sandel fordert die großen politischen Parteien auf, sich zu verändern und die Bürger ernst zu nehmen. Deren Protest richtet sich nicht nur gegen Einwanderung, Outsourcing und sinkende Löhne. Sie wehren sich gegen die Tyrannei der Leistungsgesellschaft, und diese Klage ist laut Michael J. Sandel berechtigt. Michael J. Sandel ist ein politischer Philosoph, der seit 1980 in Harvard lehrt. Er zählt zu den weltweit populärsten Moralphilosophen.

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Ayn Rand vertritt das Ideal des elitären Daseins

Es gibt ein besonders hartnäckiges Hindernis auf dem Weg zum elitären Dasein. Für Ayn Rand ist es das allzu menschliche Streben nach Anerkennung durch andere. Insbesondere gehört dazu, der sich aus innerer Schwäche oder auch Leere speisenden Drang, anderen gefallen zu wollen. Oder von diesen gelobt oder gar geliebt zu werden. Ayn Rand sieht, soweit es das Ideal wahrer Selbstbestimmung betrifft, die gesamte Sphäre anderer Menschen als eine Sphäre der notwendigen Deformation, Korrumpierung und Unterdrückung an. Wolfram Eilenberger fügt hinzu: „Und wahrhaft elitär ist also nur derjenige, dem es gelingt, sich im Dialog mit der besseren Version des je eigenen Selbst konsequent aller Anerkennungssehnsüchte zu entsagen.“ Wolfram Eilenberger war langjähriger Chefredakteur des „Philosophie Magazins“, ist „Zeit“-Kolumnist und moderiert „Sternstunden der Philosophie im Schweizer Fernsehen.

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Die scheinbar bedrohten Eliten schotten sich ab

Weltweit haben Sozialwissenschaftler in Studien herausgefunden, dass eine wesentliche Ursache für die Ausbreitung geschlossener Wohnformen das gesellschaftspolitische Klima in einer Region ist. Ernst-Dieter Lantermann erläutert: „Je tiefer die Kluft zwischen Arm und Reich und je engagierter in der Öffentlichkeit diese Spaltung diskutiert wird, umso häufiger werden Gated Communities errichtet.“ Für den Religionswissenschaftler Manfred Rolfes ist es keine Überraschung, wenn ein einem öffentlichen Diskurs, der zum einen Armut als Bedrohung kommuniziert, zum anderen den wachsenden Reichtum einer kleinen Minderheit zum Thema macht, Gated Communities gedeihen, in denen die Begüterten vor den ökonomisch und sozial Benachteiligten geschützt werden müssen. Für den Soziologen Ulrich Vogel-Sokolowsky sind Gated Communities Ausdruck einer wachsenden Polarisierung zwischen Arm und Reich auch in Deutschland. Ernst-Dieter Lantermann war von 1979 bis 2013 Professor für Persönlichkeits- und Sozialpsychologie an der Universität Kassel.

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Die Autoritären sehnen sich nach Stärke

Die Wähler von rechtspopulistischen Parteien hegen eine besondere Faszination für autokratische Führungspersönlichkeiten. Dazu zählt Philipp Hübl den Russen Wladimir Putin, den Ungarn Viktor Orbán und den Türken Recep Tayyip Erdoğan. Die Alternative für Deutschland (AfD) lehnt zwar den Internationalismus und damit oft auch den Amerikanismus ab. Sie bewundert aber gleichzeitig Donald Trump für sein autoritäres Auftreten. Einige Forscher beobachten bei den Neuen Rechten eine heimliche Eifersucht gegenüber den islamisch regierten Ländern. Diese sind zwar ihre erklärten Feinde, aber mit ihrer streng patriarchalischen Gesellschaftsform haben sie dennoch eine Vorbildfunktion inne. Die Autoritären sehnen sich nicht nur nach einem starken Herrscher, sondern auch nach einer starken eigenen Nation. Diese sollte auf jeden Fall internationale Bedeutung haben. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).

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Elitäre Individualisten gehen auf Distanz

Die einzige Form von Macht, die ein wahrhaft elitäres Wesen unbedingt anstrebt, ist die Macht über sich selbst. Das Streben nach Macht über andere ist dieser Ausrichtung genau entgegengesetzt. Wolfram Eilenberger stellt fest: „Das Kernbedürfnis des elitären Menschen ist also keineswegs, anderen den eigenen Willen aufzuzwingen.“ Das eigentlich zu lösende soziale Problem kommt für elitäre Individualisten vielmehr von der anderen Seite. Es besteht ganz wesentlich und hauptsächlich darin, sich den weithin ungerichteten Willensbestimmungen, die andere auf einen selbst ausüben, zu entziehen. Die Sphäre der Anderen, aller anderen, ist also keine der potenziellen Eroberung. Sondern sie ist eine der möglichst weitgehenden Distanzierung und Befreiung! Wolfram Eilenberger war langjähriger Chefredakteur des „Philosophie Magazins“, ist „Zeit“-Kolumnist und moderiert „Sternstunden der Philosophie im Schweizer Fernsehen.

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Das Denken gehört zum Alltag dazu

Ayn Rand schreibt: „Die menschliche Gattung verfügt lediglich über zwei unbegrenzte Fähigkeiten: zu leiden und zu lügen.“ Wobei sie überzeugt ist, dass der eigentliche Fluch der Menschheit in der Neigung besteht, Ideale als etwas Abstraktes anzusehen. Also als etwas zu betrachten, das mit dem täglichen Leben in keinerlei Verbindung steht. Ayn Rand spricht von der Fähigkeit, ganz anders zu leben als man denkt und somit das Denken aus dem Alltag zu verbannen. Es handelt sich hierbei laut Wolfram Eilenberger um den allerersten Eintrag Ayn Rands in ihr philosophisches Denktagebuch. Sie beginnt es im Alter von 29 Jahren als reine „Amateur-Philosophin“. Wolfram Eilenberger war langjähriger Chefredakteur des „Philosophie Magazins“. Zudem ist er „Zeit“-Kolumnist und moderiert „Sternstunden der Philosophie im Schweizer Fernsehen.

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Die Ideale der Revolution sind Freiheit und das Neue

Gelungene Revolutionen mögen politische Verhältnisse umstürzen, alte Systeme hinwegfegen, Personen beseitigen. In der Regel schaffen sie mehr und länger andauernde Probleme, als sie unmittelbar lösen. Konrad Paul Liessmann nennt ein Beispiel: „Der Enthusiasmus, der mancherorts für den sogenannten Arabischen Frühling, den man sich nach dem Modell der europäischen Revolutionen dachte, um sich gegriffen hatte, was so auch Ausdruck einer eklatanten Geschichtsvergessenheit gewesen, letzter Reflex einer unwissenden Revolutionsromantik.“ Nicht nur frisst wie Saturn die Revolution ihre Kinder – wie Pierre Victurnien Vergniaud, einer der Protagonisten der Französischen Revolution, am Gang zum Schafott bemerkte. Sondern sie muss ihre Anhänger immer auch enttäuschen. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien. Zudem ist er wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Menschen sind nicht gleich

Wolfram Eilenberger spricht es ganz ungeschützt aus: „Menschen sind nicht gleich! Jedenfalls nicht, was ihre Fähigkeiten und Motivationen, ihre Handlungsziele und ihre innere Festigkeit betrifft.“ Das gilt insbesondere stets für einen schmalen Prozentsatz. Dieser ragt aus ihrer jeweiligen Handlungsgemeinschaft weit und nicht selten störend heraus. Was diese Individuen hervorstechen lässt, sind deren besonderen Talente und Sehnsüchte. Was sie zu sozialen Störenfrieden macht, ihr Beharren auf dem Willen zum exzellenten Ausscheren. Diese Menschen – mehr als ein Prozent der Gesamtheit sind es eigentlich nie – lauschen gleichsam ihrer ganz eigenen Daseinsmelodie. Sie haben dabei eine wichtige Funktion für das Ganze. Sie gründen und verkörpern relevante Anfänge. Wolfram Eilenberger war langjähriger Chefredakteur des „Philosophie Magazins“, ist „Zeit“-Kolumnist und moderiert „Sternstunden der Philosophie im Schweizer Fernsehen.

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