Die entfesselte Marktwirtschaft bedroht die Demokratie

Der ehemalige Topmanager Daniel Goeudevert zitiert eine Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Dezember 2007, aus der hervorgeht, dass nur noch eine kleine Minderheit von gerade einmal 15 Prozent der Menschen in Deutschland die wirtschaftlichen Verhältnisse im Lande für gerecht hält. Es ist zu befürchten, dass es bis heute nicht mehr, sondern eher weniger geworden sind. Und lediglich nur noch fünf Prozent der Bundesbürger hielten damals Deutschland für dasjenige Industrieland, das ihren Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit am nächsten kommt. Daniel Goeudevert schreibt: „Das sind dramatische Werte – und zugleich eine dröhnende Absage an die seit Jahren betriebene Liberalisierungspolitik. Noch nie in der Nachkriegszeit war die Unzufriedenheit mit den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen in Deutschland größer als heute.“ Nach seinem Ausscheiden aus dem Management stand er dem Green Cross International als Vizepräsident vor und war Berater des Generaldirektors der UNESCO.

Die politische Legitimation geht verloren

Es ist nicht mehr auszuschließen, dass der Superkapitalismus selbst eine Demokratie zerstören kann. Laut Daniel Goeudevert sollte spätesten mit der verheerenden Bankenkrise erkennbar geworden sein, dass sich die reale Marktwirtschaft in der Tat zu einer ernsten Bedrohung für die wichtigste gesellschaftliche Errungenschaft der Neuzeit ausgewachsen hat. Der Ex-Manager stellt fest: „Die ökonomische Vernunft braucht einen freien Markt, sie ist aber nicht unbedingt auf Demokratie angewiesen.“

Daniel Goeudevert kritisiert, dass das politische System der Ökonomie immer weniger entgegensetzt und sich deren Primat unterordnet. Es hat sich deshalb von einer den Markt korrigierenden in eine den Markt fördernde Instanz verwandelt. Aber das kostet seiner Meinung nach politische Legitimation. Daniel Goeudevert schreibt: „Nur noch etwa 40 Prozent der Bürger sehen ihre Interessen durch die von ihnen gewählten Repräsentanten angemessen vertreten.“

Die „Partei der Nichtwähler“ hat die CDU und die SPD überholt

Eine Demokratie, von der sich der Souverän verabschiedet, ist für Daniel Goeudevert aber keine mehr. Schon heute ist die „Partei der Nichtwähler“ zur größten Volkspartei angewachsen, während die ehemaligen Volksparteien CDU und SPD immer mehr Rückhalt im Volk verlieren. Schuld daran sind in hohem Maß die gesellschaftlichen Führungsschichten, die von jenen Ungleichheiten profitieren, die das Demokratie- und Gerechtigkeitsempfinden der Mehrheit untergräbt.

Daniel Goeudevert kritisiert die Eliten scharf: „Sie singen das Hohelied der Eigenverantwortlichkeit und predigen das Ende der sozialen Hängematte, verschaffen sich aber selbst astronomische Abfindungen, Übergangszahlungen und Renten. Sie fordern eine Absenkung der Lohnnebenkosten – also etwa der Beitragssätze für die Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung –, wollen aber gleichzeitig die Steuern für die Vermögenden weiter gesenkt sehen und verlangen immer neue steuerliche Entlastungen für die Unternehmen.“

Von Hans Klumbies