Die Zukunft ist so real wie die Gegenwart

Florence Gaub vertritt in ihrem Buch „Zukunft“ die These, dass die Zukunft in den Gehirnen der Menschen so real ist wie die Gegenwart. Die Autorin schreibt: „Sie ist also nicht eine Zeit, die noch kommt, sondern ein individueller, kreativer, imaginärer und sinnlicher Prozess, bei dem eine zukünftige Realität erzeugt wird.“ Diese Fähigkeit bildet die Basis für Erwartungen, Entscheidungen und den freien Willen. Daher sind Menschen nicht nur Wesen, die durch ihre Fähigkeit zur Vernunft definiert sind. Sondern sie können gedanklich auch in die Zukunft reisen. Für Florence Gaub ist die Zukunft keine ferne Zeit, sondern etwas, das alle Menschen ständig erzeugen. Obwohl man das Wort Zukunft in der Regel in der Einzahl benutzt, ist sie eigentlich immer eine Vielzahl. Die Zukunft ist zudem alles, was sich Menschen über sie vorstellen können. Dr. Florence Gaub ist Politikwissenschaftlerin, Militärstrategin und Zukunftsforscherin. Sie leitet als Direktorin den Forschungsbereich NATO Defense College in Rom.

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Angst ist in der Politik ein Tabu

Wenn Politiker über ihre Fehler sprechen, ist es ein bisschen so, wie wenn man Kandidaten im Bewerbungsgespräch nach ihren Schwächen fragt. Sie sagen irgendetwas, das so klingt wie eine Schwäche, aber in Wahrheit eine Stärke ist. Helene Bubrowski nennt Beispiele: „Ungeduld ist ein Klassiker oder: Ich bin so streng mit mir.“ Beliebt ist auch die Ausflucht in Koketterie. Angst ist in der Politik ein Tabu. Jeder Politiker trägt sie mit sich herum, aber man versteckt sie in der Handtasche, dem Aktenkoffer, Jutebeutel oder Rucksack. Wer würde schon einen Angsthasen wählen? Die meisten Politikberater geben die übliche Empfehlung, sich möglichst unangreifbar zu geben. Das hat auch einen Preis, den man nicht übersehen darf: Die Sprache wirkt seelenlos, sie kommt nicht mehr bei den Leuten an. Helene Bubrowski arbeitet als Politikkorrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Berliner Hauptstadtbüro.

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Einst war Gott für das Schicksal verantwortlich

Wer hätte nicht schon mal versucht, dem Masterplan des Lebens auf die Spur zu kommen, dem Schicksal, dem Nicht-Wählbaren, dem Kontingenten? Fragen zu klären wie: Warum geschieht gerade dies mir, uns, ihnen? Der Mensch ist ein Warum-Wesen. Reinhard K. Sprenger erläutert: „Er sucht für jedes Phänomen eine Erklärung, eine Ordnung. Eine Ur-Sache. Und wenn er sie nicht findet, er-findet er eine.“ Früher war diese Ursache einsilbig: Gott. Wenn die Ernte ausblieb – Gott will uns strafen. Starb jemand zu früh – Gottes Wille. Hatte man Glück – Gott hat Gnade walten lassen. Den Extremfall etikettierte man als „Jüngsten Tag“. Man verbeuge sich vor dem Göttlichen, dem Unabänderlichen, was ein Mensch ist und wie ihm geschieht. Reinhard K. Sprenger, promovierter Philosoph, ist einer der profiliertesten Führungsexperten Deutschlands.

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Der Tod ist noch immer mit einem Tabu belegt

Die meisten Menschen verdrängen und tabuisieren den Tod. Sofern es um den eigenen Tod geht und nicht um den Tod an sich. Michael Wolffsohn weiß: „Zur Kulturgeschichte der Menschheit gehört die Angst vor dem eigenen Tod ebenso wie vor dem Tod des oder der geliebten Menschen. Im Banne dieser Ängste lebt der Mensch heute, lebte er immer.“ Die „Angst vor dem Partnerverlust“ ist eine menschliche Urangst. Die Menschen sind von Natur aus gesellig und vertragen Einsamkeit in der Regel nicht sehr lange. Auch der Tod zerschneidet Bindungen und bringt für die Überlebenden die Gefahr der Vereinsamung. Hiergegen steuert die Kultur des Totengedenkens, auch natürlich die Zeremonie der Bestattung, kurz Trauer und Trauerrituale an sich. Prof. Dr. Michael Wolffsohn war von 1981 bis 2012 Professor für Neuere Geschichte an der Universität der Bundeswehr in München.

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Auf sprachliche Eskalation folgt wütender Protest

Als Manuel Macron zu Jahresbeginn 2022 davon gesprochen hat, Ungeimpften „auf die Nerven zu gehen“, hat er sprachliche oder strukturelle Gewalt gegen seine Staatsbürger angewendet. Als die Beschimpften sich mit Straßenprotesten dagegen wehrten, unterband man den Protest. Man verwies dabei auf die Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Ulrike Guérot stellt fest: „Die – bewusste oder entglittene? – sprachliche Eskalation generiert also wütenden Protest, der dann der Vorwand ist, um staatlicherseits zu prügeln.“ Die Polizei wird zum Anwalt eines Systems, das sich im Recht glaubt. Ein Teufelskreis. Ein System, das strukturelle Gewalt anwendet, gewinnt immer. Zuvor war über Monate die Kommunikation zwischen Maßnahmenbefürworter und Gegner längst gerissen. Die einen haben eine scheinbare Mehrheit, die Wahrheit und die Moral sowieso. Seit Herbst 2021 ist Ulrike Guérot Professorin für Europapolitik der Rheinischen-Friedrichs-Wilhelms Universität Bonn.

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Das Publikum der Tragödie erlebt eine Katharsis

Doch was ist mit den Tragödien? Sind sie Manifestationen des anthropologischen Universums des Weinens? Oder sind sie Ausdruck einer anderen „tragischen universellen Erfahrung? Identifizieren Tragödien einen Menschen mit sich selbst, wurzeln sie in Selbstmitleid? Ágnes Heller antwortet: „Es ist leicht zu erkennen, dass das Gegenteil der Fall ist. Auch in diesem Punkt war Aristoteles das Genie, das das Offensichtliche erfand. Das Publikum, Zielgruppe einer Tragödie, erlebt eine „Katharsis“. Katharsis ist die Befreiung von unseren eigenen Ängsten und unserem Selbstmitleid, die „Reinigung unserer Seele“ von der Identifikation mit uns selbst.“ Ágnes Heller, Jahrgang 1929, war Schülerin von Georg Lukács. Ab 1977 lehrte sie als Professorin für Soziologie in Melbourne. 1986 wurde sie Nachfolgerin von Hannah Arendt auf deren Lehrstuhl für Philosophie an der New School for Social Research in New York. Ágnes Heller starb am 19. Juli 2019 in Ungarn.

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Der Tod flößt stets Angst ein

Oft begegnet man dem Tod als Strafe, besonders als Gottesstrafe. Michael Wolffsohn fügt hinzu: „Nie ist der Tod gewünscht oder erwünscht oder gar Erlösung. Bestenfalls „bitter“ ist der Tod. Stets flößt er Angst ein, auch wenn er nicht als Strafe gedacht ist.“ Besonders beängstigend war schon immer die Tatsache, dass auch die ganz Starken unter den Lebenden dem Tod nicht entrinnen können. Kurzfristig jedoch kann der Mensch sehr wohl dem Tod entrinnen, nicht jedoch langfristig. Alle sterben. Nicht nur der Tod ängstigt, das Sterben mindestens ebenso. Die Auferstehung der Toten ist die große Ausnahme und eben nicht menschenmöglich, sondern gottgewollt. Prof. Dr. Michael Wolffsohn war von 1981 bis 2012 Professor für Neuere Geschichte an der Universität der Bundeswehr in München.

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Es gibt verschiedene Formen der Freiheit

Die Freiheit zur Selbstgestaltung des eigenen Lebens hat je nach Lebenssituation und persönlichen Zielsetzungen einen unterschiedlichen Inhalt. Paul Kirchhof nennt ein Beispiel: „Als die Deutschen 1945 hungerten, nicht wussten, ob sie den nächsten Winter überleben und ob Krankheiten und Seuchen sie vernichten werden, begehrten die Befreiung aus existenzieller Not. Sie kämpften für die Normalität einer Mahlzeit, eines Mantels, einem Dach über dem Kopf.“ Vorher waren sie ständig von der Geheimen Staatspolizei und von Bombenangriffen bedroht. Jetzt sehnten sie sich nach einer Freiheit von Angst. Sind diese elementaren Bedürfnisse befriedigt, beginnt der Kampf um politische Freiheiten. Dieser wendet sich gegen Tyrannei und Sklaverei. Zudem fordert er eine Freiheit von Unterdrückung. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Als Richter des Bundesverfassungsgerichts hat er an zahlreichen, für die Entwicklung der Rechtskultur der Bundesrepublik Deutschland wesentlichen Entscheidungen mitgewirkt.

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Ängste sind in Deutschland weit verbreitet

Der bayerische Kulturpolitiker Dieter Sattler beschriebt im Jahr 1947 in den „Frankfurter Heften“ die Angst als eine „deutsche Krankheit“, als nationale Pathologie: „Unser Volk hat beinahe vor allem Angst. Es ist seelisch schwer erkrankt.“ Dieter Sattler war überzeugt, dass „jeder, der uns von der Angst heilt, Deutschland ernstlich heilt. Demokratie war für ihn gleichbedeutend mit der „Freiheit vor der Angst“. Frank Biess ergänzt: „Der Erfolg der Demokratie im Nachkriegsdeutschland hing demnach von der Überwindung der Angst ab.“ Die Geschichte der Bundesrepublik ist also auch eine Geschichte ihrer Ängste. Dieter Sattlers Beobachtungen waren nur eine von vielen ähnlichen Diagnosen einer tiefen Unsicherheit und Angst in der Nachkriegsgesellschaft. Frank Biess ist Professor für Europäische Geschichte an der University of California, San Diego.

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Seelische Ausgeglichenheit führt zum Glück

Epikur sieht das höchste für den Menschen erreichbare Glück in der Lust, das größte Übel im Schmerz. Paul Kirchhof erklärt: „Lust meint dabei nicht Ungehemmtheit, nicht Prassen und Völlerei, sondern Schmerzlosigkeit, den Zustand vollkommener seelischer Ausgeglichenheit.“ Diese wird nicht in der Abgeschiedenheit, sondern in der Gemeinschaft des philosophischen Gesprächs erreicht. Epikur schreibt: „Philosophie ist die Tätigkeit, die durch Argumentation und Diskussion das glückselige Leben schafft.“ Der Gelassene führt ein maßvolles, asketisches Leben mit Freunden und gewinnt so Geborgenheit und Sicherheit sowie innere Ruhe. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Als Richter des Bundesverfassungsgerichts hat er an zahlreichen, für die Entwicklung der Rechtskultur der Bundesrepublik Deutschland wesentlichen Entscheidungen mitgewirkt.

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Die Hoffnung ist eine Kraftspenderin in der Not

Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins 05/2021 handelt von der Hoffnung. Chefredakteurin Svenja Flaßpöhler schreibt im Editorial: „Keine Revolution, keine Fridays for Future, keine Zukunft gäbe es ohne den festen Glauben an das Gelingen. Die Hoffnung muss sich von der Angst lösen, um Kraft zu entwickeln.“ Positive Erwartungen sind allerdings auch risikobehaftet. Was, wenn das Erhoffte nicht eintritt? Gar alles noch schlimmer kommt? Andererseits gilt: Wenn die Furcht jede Hoffnung im Keim erstickt, gäbe es kein lebenswertes Morgen mehr. Es besteht für viele Menschen kein Zweifel daran, dass die Hoffnung eine Energiequelle ist, eine Kraftspenderin in der Not. Die antiken Stoiker sahen weder in der Hoffnung noch in der Furcht den Weg zu einem gelingenden Leben. Vielmehr rieten sie ab von jeder affektiven Zukunftserwartung und forderten eine vernunftgeleitete Konzentration auf das Hier und Jetzt.

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Die Globalisierung verdichtet Räume

In dem Maße, in dem sich die Welt durch Digitalisierung vergrößert, kehrt Heimat in den philosophischen und politischen Diskurs über die Frage nach Zugehörigkeit in Zeiten permanenter Migration. Christian Schüle stellt fest: „Globalisierung hat Räume vergrößert und zugleich verdichtet; je globalisierter die Welt gerät, desto kleingeistiger wird sie gedacht.“ Auffällig ist, dass kleine, relativ bevölkerungsarme, oft von vielen Anrainern umgebene Länder zu einer Inwendigkeit mit Außenverschluss neigen: die Schweiz, Österreich, Ungarn, Polen, die Slowakei – Länder, die man im Laufe der Menschheitsgeschichte oftmals überrollte und zur Disposition stellte. Durchgangsländer, deren Identität immer dem vorgegebenen Narrativ des Eroberers entsprach. Die Reaktionen auf den drohenden Verlust der Heimat verstärken sich in starkem Maße. Seit dem Sommersemester 2015 lehrt Christian Schüle Kulturwissenschaft an der Universität der Künste in Berlin.

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Am Anfang war die Schönheit

Nichts ist für den Philosophen Konrad Paul Liessmann so verführerisch wie die Verführung: „Das Lockende und Verlockende, die Andeutungen und Versprechungen, die Eröffnung von bisher ungeahnten Möglichkeiten, das Verlassen eines sicheren Bodens, das Umgehen des Gewohnten, das Faszinosum des Neuen: Wer wollte dem widerstehen?“ Im Paradies muss es schön gewesen sein, so war es wohl. Am Anfang war die Schönheit, aber diese führte zu Wut, Trauer und Neid. Und der Schöpfer des Menschen ähnelte weniger einem Gott in seiner Machtvollkommenheit als einem Bastler. Dieser probiert einiges aus, um bei einem Produkt zu landen, das er nach kurzer Zeit wieder entsorgen muss. Die Erzählung vom Paradies ist von Anbeginn an eine Geschichte des Aufbegehrens und der Vertreibungen. Die Schöpfung in ihrer Schönheit provoziert den Widerstand desjenigen, dessen Licht diese Schönheit sichtbar macht, ohne selbst daran Anteil nehmen zu können.

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Ein selbstbestimmtes Leben erträgt Ungewissheit

Ernst-Dieter Lantermann schreibt: „Angesichts der geballten Unsicherheiten gerät bei vielen Menschen die Balance zwischen ihren Bedürfnissen nach Sicherheit und Wagnis gründlich aus dem Gleichgewicht. Eine Balance, in der mal die Lust auf Neues und Risiko, dann wieder das Verlangen nach Sicherheit und Verlässlichkeit das Handeln leitet.“ Der Wunsch nach neuen, den eigenen Horizont erweiternden Selbst- und Welterfahrungen, die nicht ohne Gefahr zu haben sind, tritt zurück. Oberhand gewinnt ein heftigen Verlangens nach Überschaubarkeit, Struktur, Orientierung, Abschottung und Sicherheit. Das Verlangen nach Ordnung und Schutz veranlasst manche Menschen, radikale oder fanatische Haltungen zu entwickeln. Von diesen versprechen sie sich neue Welt- und Selbstgewissheiten und zugleich ein neues, gefestigtes positives Selbstwertgefühl. Ernst-Dieter Lantermann war von 1979 bis 2013 Professor für Persönlichkeits- und Sozialpsychologie an der Universität Kassel.

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Philipp Blom beschreibt die Revolte gegen die Moderne

Die Revolte gegen die Moderne kanalisiert soziale Ängste. Sie gießt sie in ein manichäisches Schema von Gut und Böse, Licht und Dunkel. Philipp Blom stellt fest: „Es ist die Veränderung selbst, die sie ablehnt, die sozialen und politischen Nebenwirkungen des technologischen Fortschritts.“ Sie will die Warenströme der Globalisierung ohne die Menschenströme. Sie will die technologischen Innovationen der Wissenschaft ohne ihre unbequemen Fakten. Die Moderne soll gezähmt werden. Sie soll Wohlstand ohne gesellschaftliche Veränderung schaffen. Man will zurück in Zeiten, in denen noch eine natürliche Ordnung herrschte. Damals konnten die Einheimischen noch selbst bestimmen. Das Land und seine Straßen gehörten noch ihnen. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford und lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

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Die Ideologen des Internets sind antielitär

Mit der Sorge um das Schicksal der Individualität in der gegenwärtigen Kultur setzt man sich vermutlich dem Verdacht aus, altmodisch zu sein. Denn heutzutage sind nicht wenige Menschen von der „Weisheit der vielen“ und der „Schwarmintelligenz“ fasziniert. Man suggeriert ihnen, das Internet bringe eine überlegene globale Intelligenz hervor. Matthew B. Crawford erklärt: „Dieser kollektive Verstand ist „meta“. Er ist synoptischer und synthetischer als jeder von uns.“ Natürlich passt all diese Liebe zur Crowd sehr schön zur Abneigung des Silicon Valley gegen das Konzept des geistigen Eigentums. Und zu der Tatsache, dass man mit der Anhäufung von Inhalten viel mehr Geld verdienen kann als mit der Produktion dieser Inhalte. Matthew B. Crawford ist promovierter Philosoph und gelernter Motorradmechaniker.

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Der Mensch hat sein Leben selbst in der Hand

Markus Hengstschläger beschreibt den Menschen in seinem neuen Buch „Die Lösungsbegabung“ als ein lösungsbegabtes Wesen. Dieses auch genetisch mitbestimmte Potenzial muss man jedoch laufend nutzen und trainieren. Markus Hengstschläger schreibt: „Nur so versetzen wir Menschen uns in die Lage, die vorhersehbaren und auch unvorhersehbare Probleme der Zukunft zu bewältigen.“ Er rät mit offenen Augen und Ohren durch die Welt zu spazieren. Denn nur so kann man tolle Dinge finden, die man gar nicht gesucht hat. Die großen Herausforderungen der Gegenwart erinnern die Menschen täglich daran, wie dringend neue kreative Ideen und innovative Konzepte auf allen Ebenen benötigt werden. Denn für so manche bereits bekannte Herausforderung der Menschheit ist es schon fünf vor zwölf. Professor Markus Hengstschläger ist Vorstand des Instituts für Medizinische Genetik an der MedUniWien.

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Die Normalisierung des Wahnsinns macht Angst

In seinem aktuellen Buch „Neue Irre!“ stellt Manfred Lütz fest, dass die Normalisierung des allgemeinen Wahnsinns Angst verbreiten kann: „Überall laufen immer mehr Irre herum.“ Dazu zählt der Autor Massenmörder, Kriegshetzer, Lügner, Betrüger und rücksichtslose Egomanen. Dabei stellt Manfred Lütz ein Dilemma fest. All diese Typen kann man leider nicht behandeln, denn sie sind normal, jedenfalls nicht krank, aber gerade deswegen brandgefährlich. Die meisten wirklich psychischen Erkrankungen dagegen sind heilbar. Aber leider wissen das zu wenige Menschen. Denn psychische Krankheiten spielen sich nach wie vor im Schatten der Gesellschaft ab. Deswegen ist Manfred Lütz die Aufklärung darüber so wichtig. In seinem neuen Buch will er wieder einmal beweisen, dass Psychiatrie und Psychotherapie keineswegs nur bierernste Geschichten zu erzählen haben. Dr. med. Dipl. theol. Manfred Lütz ist Psychiater, Psychotherapeut, Kabarettist und Theologe.

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Oxytocin wirkt direkt auf die Amygdala

Bei einer Frau wird bei der Geburt ihres Kindes eine ganz bestimmte Substanz ausgelöst: Oxytocin wird im Nebenhirn kurz vor der Geburt in großen Mengen produziert. Selbst Männer kriegen eine ganze Menge davon ab. Wenn sie im Kreißsaal anwesend sind, eine etwa dreifach höhere Dosis als in der Kneipe. Matthias Horx erklärt: „Oxytocin ist eine Art „Lagerfeuer-Wirkstoff“. Der hat schon unseren Vorfahren dabei geholfen, sich gemeinsam am Feuer zu entspannen, Konflikte zu dämpfen, sich miteinander gut zu fühlen.“ Oxytocin lässt auch Tiere die Nähe ihrer Artgenossen suchen und blockiert Angst- und Fluchtreaktionen. Beim Menschen wirkt es direkt auf die Amygdala, den sogenannten „Mandelkern“. Dieser steuert die Reaktionen bei Angst und in Fluchtsituationen. Matthias Horx ist der profilierteste Zukunftsdenker im deutschsprachigen Raum.

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Fortschritt entlastet das Leben

Fortschritt ist eine starke Metapher der Bewegung – und diese hat einen realen Kern. Seit rund 300 Jahren lebt die Menschheit in einem Kontinuum der Forschung und Wissenschaft, das kumulativ wirkt. Peter Sloterdijk ergänzt: „Aus diesem Lernzusammenhang können und wollen wir nicht austreten.“ In der wissenschaftlichen Modernität und ihrer Ergänzung durch Technik spielt sich ein riesiges Experiment ab, das der Entlastung des Lebens gilt. Der technische Fortschritt setzt sich immer dann durch, wenn die Menschen mehr Machtmittel in die Hände bekommen, die ihren Aktionsradius erweitern und ihr Dasein erleichtern. Peter Sloterdijk erläutert: „Fortschritt in einem nicht naiven Sinn bedeutet Ermächtigung und Entlastung.“ Auf dem Gebiet der Moral brauchen seiner Meinung nach allerdings keine Fortschritte gemacht werden. Peter Sloterdijk gilt als einer der wirkungsmächtigsten und zugleich heftig umstrittenen Denker Deutschlands.

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Georg Pieper stellt die Varianten der Angst vor

Zunächst einmal muss man sich klarmachen, dass Angst nicht immer etwas Schlechtes ist, das man überwinden muss. Georg Pieper erläutert: „Angst schützt uns vor Gefahren und davor, Dinge zu tun, die uns schaden könnten. Evolutionär gesehen ist Angst überlebenswichtig, ohne Angst hätte die Menschheit nicht überlebt.“ Angst gibt es in ganz verschiedenen Ausprägungen. Die Psychologie unterscheidet zwischen „state anxiety“, Angst als Zustand, und „trait anxiety“, Angst als Eigenschaft. Die Zustandsangst ist eine vorübergehende Reaktion auf eine reale Gefahr. Hier ist Angst in der Regel sinnvoll und sichert unter Umständen sogar das Überleben. Sie kann sich aber auch übertrieben stark entwickeln. Dann hat jemand zum Beispiel vor jedem Hund Angst. Der Psychologe, Therapeut und Traumaexperte Georg Pieper betreut seit Jahrzehnten Menschen nach extremen Katastrophen.

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Die Energie der Schönheit operiert wie ein Fangstrahl

Stagnation und Unbeweglichkeit führen zu größerer Erschöpfung als jede Suche. Nicht das Loslassen, sondern das Festhalten bindet alle Kräfte. In einer sich verändernden Welt auf der Stelle zu stehen, jede Bewegung zu verhindern, bedeutet unterzugehen. Frank Berzbach erklärt: „Gewohnheiten und Zerstreuung lassen uns stagnieren, man bleibt beim Althergebrachten, isst, was seine Eltern essen, richtet sich nach anderen, will nicht im Weg herumstehen und genügt sich darin.“ Statt noch gar nicht zu wissen, wer man werden kann, glaubt man zu wissen, wer man ist. Die Energie der Schönheit operiert wie ein Fangstrahl. Aber wenn die Schutzschilde der Unbeweglichkeit sie abblocken, schneidet sich der Betroffen ab von den erneuerbaren Ressourcen der Attraktivität. Dr. Frank Berzbach unterrichtet Psychologie an der ecosign Akademie für Gestaltung und Kulturpädagogik an der Technischen Hochschule Köln.

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Alle Emotionen sind auf ein Objekt gerichtet

Martha Nussbaum vertritt die Auffassung, dass sämtliche Emotionen mit einem Denken oder Wahrnehmen verbunden sind, das intentional auf ein Objekt gerichtet ist – als Gegenstand, welchen die Person, die die Emotion wahrnimmt oder sich vorstellt. Zugleich sind sie mit einer wertenden Beurteilung dieses Objekts verbunden, die der jeweilige Akteur aus seiner eigenen Perspektive wahrnimmt. Dabei gibt er dem Objekt in Bezug auf seine Ziele und Zwecke eine Bedeutung. Martha Nussbaum nennt ein Beispiel: „Darum trauern wir nicht wegen jedem Todesfall auf der Welt, sondern nur wegen dem Tod der Menschen, die uns in unserem Leben wichtig erscheinen.“ Diese Beurteilung muss nicht mit fertigen Überzeugungen verbunden sein, auch wenn dies häufig der Fall ist. Martha Nussbaum ist Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago. Sie ist eine der einflussreichsten Philosophinnen der Gegenwart.

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Moralische Urteile drücken Wertungen aus

Bei moralischen Prinzipien geht es darum, Schaden zu vermeiden. Warum gilt: „Du sollst nicht töten“ und „Du sollst nicht stehlen“? Weil die Folge einen Schaden für jemanden darstellt: den Verlust des Lebens und des Besitzes. Philipp Hübl stellt fest: „Unsere moralischen Urteile drücken also Wertungen aus. Und unsere Emotionen in gewisser Weise auch.“ Eine Spielart der Angst ist die Hemmung, andere zu töten. Auf der Seite der Moral ist das Tötungsverbot für alle Menschen und Kulturen ein universelles Gesetz. Jedem ist klar, dass das Leben einen Wert darstellt und der Tod als Verkürzung des Lebens somit einen Schaden anrichtet. Die Stärke der Angst spielt also für die moralische Einschätzung eine nicht unbedeutende Rolle. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).

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Auch innere Impulse werden als Aggressionen bezeichnet

Als Aggression werden im Deutschen häufig nicht nur sichtbare Verhaltensweisen bezeichnet, sondern auch innere Impulse, nämlich Emotionen wie Ärger, Wut und Hass. In dieser Bedeutung wird dann meistens die Pluralform „Aggressionen“ bevorzugt: Aggressionen haben, Aggressionen ausleben, Aggressionen loswerden und so weiter. Das wäre für Hans-Peter Nolting unproblematisch, wenn aggressives Verhalten und aggressive Emotionen lediglich zwei Seiten desselben Prozesses wären. Aber das ist nicht so. Hans-Peter Nolting erklärt: „Es gibt aggressives Verhalten, dass nicht auf aggressiven Emotionen beruht, sondern zum Beispiel auf Habgier oder Angst, und umgekehrt werden aggressive Emotionen keineswegs immer in aggressives Verhalten umgesetzt.“ Daher sollte man beides auseinanderhalten. Dr. Hans-Peter Nolting beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkreis Aggression und Gewalt, viele Jahre davon als Dozent für Psychologie an der Universität Göttingen.

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