Christopher Clark kennt die Geschichte der Mächte

Die Geschichte der Mächte konnte sich unter der Rubrik Disruption und Wandel entfalten.“ „Zerbrechlichkeit und Instabilität sind untrennbar mit den Werken der Menschen verbunden“. Das schrieb Friedrich II. von Preußen im Jahr 1751. Und das sei auch gut so, glaubte der König. Denn wenn es keine großen Unruhen gebe, gebe es „auch keine großen Ereignisse.“ Der von Aufstieg und Niedergang, den die großen Mächte der Weltgeschichte beschrieben, erinnerte den König an die regelmäßigen Bewegungen der Planeten. Christopher Clark fügt hinzu: „Die Untersuchung der Laufbahn großer Staaten handelte somit von der Veränderlichkeit und Unbeständigkeit von Macht. Die Hegemonie jedes einzelnen Staates war stets befristet.“ Die mächtigen Reiche des Altertums im Nahen Osten, in Griechenland und Rom sind inzwischen nur noch Ruinen. Christopher Clark lehrt als Professor für Neuere Europäische Geschichte am St. Catharine`s College in Cambridge.

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Bismarck verzichtete auf deutsche Machtzuwächse

Will man es nicht bei einem allzu allgemeinen, ja gefühlten Begriff von „Hegemonie“ belassen, so bietet sich das Konzept des kanadischen Politikwissenschaftlers Robert W. Cox an. Dieser versteht Hegemonie als das Zusammenwirken dreier Faktoren: von materiellen Ressourcen, von geteilten Ideen sowie von Institutionen. Andreas Rödder stellt in Bezug auf das Deutsche Reich fest: „Das Deutsche Reich unter Bismarck verfügte über militärische und in zunehmenden Maße auch über die ökonomischen Ressourcen von „hard power“. Hinsichtlich der Ideen und Normen orientierte sich Bismarck ab 1875 an Status quo und Gleichgewicht.“ Dies stimmte mit den Erwartungen der meisten anderen Teilnehmer des internationalen Systems an Deutschland überein. Bismarck zahlte jedoch den Preis, in einem zunehmend dynamischen Machtgefüge auf signifikante deutsche Machtzuwächse zu verzichten. Seit 2005 ist Andreas Rödder Professor für Neueste Geschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

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Kriege führten früher nur Staaten

Es ist für Herfried Münkler nicht die Anzahl der Kriege, die sich in jüngster Zeit signifikant geändert hat, und es sind auch nicht die bloßen Zahlen der im Rahmen von Kriegshandlungen Getöteten und Verstümmelten, die zu gesteigerter Sorge Anlass geben. Vielmehr ist es die Art der Kriege, die größte Aufmerksamkeit fordert. Die neuen Kriege zeichnen sich dadurch aus, dass die Staaten nicht länger die Monopolisten des Krieges sind. Sondern substaatliche Akteure, Warlords, Netzwerkorganisationen und so weiter führen Kriege und bestimmen weitgehend die Rhythmik des Kriegsgeschehens. Dadurch ist die Politik der Kriegsvermeidung und Friedensicherung sehr viel schwieriger geworden, als dies in Zeiten der Fall war, da es sich bei Kriegen um eine wesentlich zwischenstaatliche Angelegenheit handelte. Prof. Dr. Herfried Münkler ist Professor für Theorie der Politik an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Den Westen verlor seine hegemoniale Stellung

Der Universalitätsanspruch des Westens ist für François Jullien nicht mehr haltbar. Der französische Philosoph spricht in diesem Zusammenhang von „Westen“ und nicht von „Europa“. Denn der Westen ist nicht nur geographisch viel größer. Sondern es handelt sich hier auch um einen ideologischen Begriff und nicht wie bei Europa, um einen historischen. Den Westen versteht François Jullien zudem im Sinne von Macht, normativem Pol und Hegemonie: „Indem er diese hegemoniale Stellung verlor, ging der Westen auch des Ansehens verlustig. Dieses war mit dem Universalismus verbunden, den er zu verkörpern behauptete und den er einzig dank seiner Macht hatte durchsetzen können.“ Die Begegnung mit anderen Kulturen wirft die Frage auf, ob ein solches Trachten nach dem Universellen seinerseits universell ist. François Jullien, geboren 1951 in Embrun, ist ein französischer Philosoph und Sinologe.

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Die Kultur kann von einer störrischen Unnachgiebigkeit sein

In Reaktion auf eine soziale Ordnung, in der Kultur wahrhaftig allumfassend erschien, begannen einige postmoderne Theoretiker in den 1980er Jahren, die Lehre des Kulturalismus zu verbreiten, wonach der Mensch seiner gesamten Existenz nach Kultur sei. Terry Eagleton ergänzt: „Jede Erwähnung der Kultur wurde zutiefst suspekt, paradoxerweise ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt, als die Umweltbewegung auf der Bildfläche erschien.“ Wann immer in einem postmodernen Text das Wort „Natur“ auftaucht, ist es in der Regel von verschämten Anführungszeichen umrahmt. Menschen gelten nicht mehr als natürliche, materielle Tiere mit Bedürfnissen und Fähigkeiten, die ihnen als Art gemeinsam sind, sondern sie werden durch und durch zu kulturellen Geschöpfen. Der Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker Terry Eagleton ist Professor für Englische Literatur an der University of Manchester und Fellow der British Academy.

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Heimatstolz und Patriotimus dürfen nicht verwechselt werden

Heimatstolz und Patriotismus ist eine reizvolle, gefährliche und durch die Geschichte leidvoll beglaubigte desaströse Kombination zweier Ideen. Christan Schüle weiß: „Der Stolz auf eine Heimat ist eine leerlaufende Nichtigkeit, weil Heimat nichts außer dem Selbstzweck leistet, da zu sein, und das ewiglich.“ Genauso gut könnte man stolz auf den Himmel oder eine Felsformation sein. Patriotismus dagegen muss keineswegs Heimatstolz heißen. Der Patriot ist ja ein Mensch, der gegenüber seinem Vaterland Loyalität empfindet, manchmal Treue, manchmal den wohligen Schauer der Vertrautheit, jedenfalls verbindliche Zugehörigkeit, gemäß dem unverdächtigen Cicero: „Patria est, ubicumque est bene.“ Übersetzt: „Wo es gut geht, da ist Vaterland.“ Zeitgemäß variiert: „Wo es mir gut geht, da ist meine Heimat.“ Seit dem Sommersemester 2015 lehrt Christian Schüle Kulturwissenschaft an der Universität der Künste in Berlin.

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Die Deutsche Frage stellt sich nach wie vor

In seinem neuen Buch „German Power“ geht der Politikwissenschaftler Hans Kundnani dem Wandel Deutschlands nach der Wiedervereinigung 1990 nach und stellt ihn in den Zusammenhang der deutschen Geschichte vor 1945. Dabei zeigt er auffällige Ähnlichkeiten auf und benennt eine Reihe von Grundkonflikten, die damals wie heute die Paradoxien der deutschen Rolle in Europa beschreiben. Deutschland ist zu mächtig, um nicht eine führende Rolle in Europa einzunehmen, aber zugleich zu schwach, um der Europäischen Union (EU) seinen Willen aufzwingen zu können. Es operiert auf der Grundlage einer labilen geoökonomischen Halbhegenomie und läuft damit stets Gefahr, von der Ordnungsmacht zu einer Quelle der Instabilität im Zentrum Europas zu werden. Denn für die europäischen Nachbarn gelten nicht Hilfsbereitschaft und Weitsicht als Kennzeichen deutscher Politik, sondern selbstgerechtes Streben nach Dominanz und ökonomischen Vorteil. Der Politikwissenschaftler Hans Kundnani ist Senior Transatlantic Fellow des German Marshall Fund.

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Ulrich Herbert beleuchtet die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg

In der europäischen Außenpolitik hatte sich seit der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert ein Paradigmenwechsel ergebe. Durch den Bau der Flotte und der Propagierung der deutschen Weltpolitik hatte sich das Deutsche Reich in einen Gegensatz zu der einzigen tatsächlichen Weltmacht der Zeit, Großbritannien, gesetzt, ohne ein starkes Bündnis aus seiner Seite zu haben. Ulrich Herbert ergänzt: „Dieser Gegensatz dominierte in den folgenden Jahren die Entwicklung in Europa.“ In Reaktion auf die Herausforderung Deutschlands legte Großbritannien seine Konflikte mit Russland und Frankreich bei und baute die Verbindungen zu beiden Mächten in weniger als fünf Jahren zu einem so festen, wenngleich informellen Bündnis aus, dass Deutschland dadurch in jene Isolation geriet, die es zuvor selbst mit in Gang gebracht hatte und nun als Einkreisung wahrnahm. Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

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Die Europäische Union muss den Finanzkapitalismus zähmen

Die Konturen der pazifischen Epoche lassen sich bereits erahnen, denn das Schwergewicht der Weltwirtschaft wandert Richtung Osten. Das hat auch für Europa und die USA Auswirkungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind nicht nur eine atlantische, sondern auch eine pazifische Macht. Thomas Seifert erläutert: „Die Westküste – bereits heute der Motor wirtschaftlicher Dynamik und Innovation in den USA – wird noch weiter an Bedeutung gewinnen.“ Ebenso könnten der Südosten und Osten Europas eines Tages von einer Landverbindung nach China profitieren, auch logistische Knotenpunkte könnten dort entstehen. Thomas Seifert fordert, das die Europäische Union (EU) eine eigenständigere Außenpolitik verfolgen muss, denn die USA und Europa haben in verschiedenen Regionen jeweils ihre eigenen Interessen. Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur und Leiter der Außenpolitik bei der Wiener Zeitung.

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Unterschiedlichste Interessen begleiteten die Einführung des Euro

Bei der Gründung der Europäischen Währungsunion haben sich nicht nur Politiker, sondern auch Zentralbanker und Finanzfachleute verrechnet. Sie gingen von der irrigen Annahme aus, man könne zunächst elf, dann siebzehn, später sogar achtzehn Nationalstaaten in einem System fester unveränderlicher Wechselkurse vereinen und die negativen Folgewirkungen durch kluge Arrangements der Institutionen im Griff behalten. Dominik Geppert kritisiert: „Dem stand von Anfang an die Tatsache entgegen, dass die Mitgliedsstaaten der Währungsunion sich in ihren kulturellen und politischen Traditionen, in den vorherrschenden Mentalitäten und Denkweisen gewaltig voneinander unterschieden.“ Außerdem besaßen die Länder verschiedene Verwaltungs-, Steuer- und Sozialsysteme. Auch bei der Ausgestaltung des Arbeitsmarktes wichen sie stark voneinander ab. Dominik Geppert ist sein 2010 ordentlicher Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn.

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Angelo Bolaffi fordert eine deutsche Hegemonie in Europa

Angelo Bolaffi hält in seinem neuen Buch „Deutsches Herz. Das Modell Deutschland, Italien und die europäische Krise“ den Italienern einige Dinge vor, die uneingeschränkt auch für die Griechen oder Spanier gelten. Er schreibt: „Mit den Eintritt in den Euro haben sie Modernisierungschancen und -pflichten erhalten, die sie nicht ausgefüllt haben.“ Den Deutschen die Schuld für die Krise in Italien, Griechenland oder Spanien den zu geben, ist für Angelo Bolaffi nur lächerlich. Allein vom Friedensprojekt Europa zu sprechen ist für den Deutschlandkenner zu wenig, denn mit dem Ende des Kalten Krieges und der damit einhergehenden Globalisierung ist für Europa längst ein anderes Ziel an die erste Stelle gerückt: nicht der Frieden im Inneren allein, sondern die Selbstbehauptung in der Welt. Angelo Bolaffi zählt seit einem Vierteljahrhundert zu den besten Deutschlandkennern Italiens. Er leitete von 2007 bis 2011 das Italienische Kulturinstitut in Berlin.

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Amerika hat die Herrschaft über die Welt verloren

Die Vereinigten Staaten von Amerika galten früher als Erfolgsmodell und als Land der Utopie. Heute herrschen dort, wie der Journalist und Buchautor Olivier Guez behauptet, Mutlosigkeit und die Angst vor einer unbestimmten Katastrophe. Seiner Meinung nach ist der Kapitalismus weiterhin krank, der Westen zutiefst erschüttert und die amerikanische Führungsmacht in Melancholie versunken. Die USA sind desillusioniert und stecken in den Fängen einer tiefgreifenden Misere. Olivier Guez schreibt: „Die Anschläge vom 11. September, der irakische und afghanische Morast, die Lügen des Staates, Finanzskandale, der Börsenkrach, Ungleichheit, Rezession, Massenarbeitslosigkeit – die Vereinigten Staaten haben sich als verwundbar erwiesen: angegriffen und herausgefordert, gespalten und festgefahren.“

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