Der Krieg ist unvorhergesehen nach Europa zurückgekehrt

Herfried Münkler schreibt: „Nur an die unvorhergesehene Rückkehr des Krieges nach Europa, und zwar des großen Krieges zwischen Staaten, können und wollen sich die meisten Deutschen nicht gewöhnen: die einen, weil sie nicht wollen, dass ein das Völkerrecht missachtender Krieg erfolgreich ist; die anderen, weil der zwischenstaatliche Krieg die Gefahr einer weiteren, womöglich nuklearen Eskalation in sich trägt und bei seiner Fortdauer eine räumliche Ausweitung zu befürchten ist.“ Einige von ihnen fordern, den Krieg möglichst umgehend durch Verhandlungen zu beenden, andere wollen dies sogar durch die Einstellung der deutschen Waffen- und Munitionslieferungen an die Ukraine erzwingen, wobei sie darauf setzen, dass die Ukraine innerhalb kürzester Zeit kapitulieren müsse. Herfried Münkler ist emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität. Viele seiner Bücher gelten als Standardwerke, etwa „Imperien“ oder „Die Deutschen und ihre Mythen“.

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Über die Hoffnung gibt es unzählige Zitate

Es gibt Begriffe, die lechzen geradezu danach, sich in einem Kalenderspruch oder Sprichwort wiederzufinden. Zu diesen zählt zweifellos und prominent die Hoffnung. Wer im Internet kurz nach Zitaten zur Hoffnung sucht, wird auf Anhieb mit mehreren hundert Fundstellen beglückt. Auch Konrad Paul Liessmann beginnt deshalb mit einer alten Weisheit: „Dum spiro spero – Solange ich amte, hoffe ich. Diese Sentenz gehört wahrscheinlich zu den meistzitierten Sätzen der Antike, sie wird gemeinhin Marcus Tullius Cicero zugeschrieben.“ Recherchiert man ein wenig dazu im Internet, wird man darauf verwiesen, dass diese Formel unvollständig sei. Ergänzt wird sie durch die Sätze: „Solange ich hoffe, liebe ich. Solange ich liebe, lebe ich.“ Konrad Paul Liessmann ist Professor emeritus für Philosophie an der Universität Wien, Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist.

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Ein Imperium vereint mehrere Volksgruppen

Im Gegensatz zu einem Nationalstaat kann man ein Reich Imperium nennen, wenn es mehrere Volksgruppen unterschiedlicher ethnischer Herkunft und möglicherweise unterschiedlicher Religionszugehörigkeit vereint. Thomas Mayer fügt hinzu: „So gesehen waren das Römische Reich der Antike, der Britische Reich der letzten Jahrhunderte und die Sowjetunion Imperien.“ Eine notwendige Bedingung für den Bestand eines Imperiums ist die Bereitschaft des Zentrums, seinen Herrschaftsanspruch mit der nötigen Gewalt durchzusetzen. Wo das Zentrum dazu nicht mehr fähig oder willens ist, gewinnen meist die aus ethnischer Vielfalt gespeisten Zentrifugalkräfte die Oberhand, und das Imperium zerfällt. Wirtschaftliche Schwäche, Völkerwanderung und der Aufstieg reichsfremder Söldnerheere nennt man oft als Gründe für den Zerfall Roms. Der promovierte Ökonom Thomas Mayer leitet das Research Institute der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch.

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Die Europäer schufen die Hölle auf Erden

Den Menschen ist es nie gelungen, den Himmel auf Erden zu errichten, auch – oder gerade – wen sie es versucht haben. Timothy Garton Ash weiß: „Dafür haben sie immer wieder die Hölle auf Erden geschaffen. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben die Europäer das ihrem eigenen Kontinent angetan, so wie sie es in früheren Jahrhunderten den Kontinenten anderer Völker angetan hatten. Niemand anderes hat es für uns getan.“ Es war europäische Barbarei, von Europäern begangen an Europäern – und oft im Namen Europas. Man kann erst dann ansatzweise verstehen, was Europa seit 1945 zu tun versucht, wenn man von dieser Hölle weiß. Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.

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In „ZeitenWenden“ seziert Ulrike Guérot den Zerfall der Gegenwart

Das neue Werk „ZeitenWenden“ von Ulrike Guérot ist ihr freistes Buch, denn sie hat, wie die großartige Janice Joplin damals gesunden hat, nicht mehr viel zu verlieren, „nothing left to lose“. In „ZeitenWenden“ seziert die Autorin den geistigen, politischen und gesellschaftlichen Zerfall der Gegenwart. Ulrike Guérot schreibt gegen das Vergessen, das Wegsehen, und die Lüge – und für die Rückbesinnung auf Vernunft, Mut und bürgerlicher Verantwortung. Es sind die Intellektuellen oder die Kulturschaffenden, die mit Trigger-Warnungen und Ähnlichen die Infantilisierung der Gesellschaft mitbetreiben und dabei Grundprinzipien des Humanismus verraten, zum Beispiel, das wehrhafte, mündige aufgeklärte Bürger, was sie tun. Die „Shitbürger“, wie Ulf Poschardt schreibt, sind es auch, die Anstand, Fleiß und Ehrlichkeit verraten haben, aus denen aber der Kitt gemacht ist, der eine Republik zusammenhält.

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Kriege bringen eine Ethik der Grausamkeit hervor

Aber was immer auch der Krieg an schrecklichen Opfern nach sich zieht, so ist er doch, in einer Ethik aus Härte und Grausamkeit, eine Schule des Lebens, die jedem einzelnen zukünftigen Soldaten abverlangt wird. Wolfgang Müller-Funk stellt fest: „Es sind der Erste Weltkrieg und nachfolgende Revolutionen diverser Couleurs, die einen postreligiösen Diskurs und damit eine Ethik der Grausamkeit hervorbringen werden.“ Robert Musil, der solchen Diskursen abhold war, hat trotz eines gewissen Faibles für Friedrich Nietzsche der Versuchung widerstanden, daran mitzuwirken. Andere wie Ernst Jünger haben den Krieg als ein Vorspiel für die Schaffung einer Gesellschaft gesehen, die auf systematische Gewaltsamkeit aufgebaut ist. Wolfgang Müller-Funk war Professor für Kulturwissenschaften in Wien und Birmingham und u.a. Fellow an der New School for Social Research in New York und am IWM in Wien.

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Der Krieg ist eine Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln

Carl von Clausewitz, Generalmajor, Heeresreformer und Militärwissenschaftler, prägte im 19. Jahrhundert den Ausspruch: „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.“ Er meinte damit – durchaus überzeugende, dass ein Krieg, der nicht endlos sein soll, irgendein politisches oder diplomatisches Ziel benötigt. Doch die Maxime von Carl von Clausewitz wurde im Laufe der Zeit zu der Vorstellung verkehrt, Politik sei eine Form der Kriegsführung mit dem Ziel, den „Feind“ zu besiegen oder gar zu zerstören, selbst wenn dieser nur ein paar Häuser weiter lebt. Ned O’ Gorman weiß: „Der bekannte US-Politikberater Steve Bannon prahlte einmal damit, während der Leitung von Trumps Wahlkampf nie im Fernsehen aufgetreten zu sein.“ Warum? „Weil Politik Krieg ist“, so Steve Bannon gegenüber dem „Wall Street Journal“. Ned O’ Gorman ist Professor für Kommunikationswissenschaften an der University of Illinois.

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Aufstrebende Großmächte können die Weltordnung verändern

Erst wenn die Kräfte, die für innenpolitische Unordnung und Instabilität sorgen, mit einer außenpolitischen Herausforderung einhergehen, kann das die ganze Weltordnung verändern. Ray Dalio erklärt: „Außenpolitisch wächst die Gefahr eines großen internationalen Konflikts, wenn es eine aufstrebende Großmacht gibt, die in der Lage ist, die bisherige Großmacht und Weltordnung herauszufordern.“ Das gilt umso mehr, wenn die bisherige Großmacht innenpolitischen Konflikte austrägt. Der im Aufstieg begriffene internationale Gegenspieler wird in aller Regel versuchen, diese innere Schwäche auszunutzen. Besonders groß ist die Gefahr, wenn die aufstrebende ausländische Macht bereits über vergleichbare Streitkräfte verfügt. Sich gegen ausländische Rivalen zu verteidigen, erfordert hohe Militärausgaben, die gerade dann anfallen, wenn sich die Wirtschaftslage im eigenen Land verschlechtert und es sich die amtierende Großmacht am wenigsten leisten kann. Ray Dalio ist Gründer von Bridgewater Associates, dem weltgrößten Hedgefonds. Er gehört mit zu den einflussreichsten Menschen der Welt.

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Die EU konzentriert und verdichtet sich auf Brüssel

Europa konzentriert sich auf einen unglaublich kleinen Ort, der „Brüssel“ genannt wird. Robert Menasse schreibt: „Siebenundzwanzig Staaten, fast vierhundertfünfzig Millionen Menschen auf einer Fläche von über vier Millionen Quadratkilometern: zusammengefallen und verdichtet auf Brüssel.“ Die Europäische Union (EU) scheint nur noch als diese Chiffre zu existieren: Brüssel, das die Souveränität der Nationalstaaten, nationale Interessen und vor allem die Demokratie, die nur als nationale vorstellbar sei, verschlucken will. So erscheint heute der vorherrschende politische Europadiskurs. Vor rund siebzig Jahren sind europäische Nationen bewusst und planvoll in einen gemeinsamen nachnationalen Prozess eingetreten. Denn diese Generation der Politiker hatte in nur einer Lebenszeit ihre Erfahrungen mit gleich mehreren verheerenden nationalistischen Kriegen gemacht. Seit 1988 lebt der Romancier und kulturkritische Essayist Robert Menasse hauptsächlich in Wien.

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Der Krieg wirft alles nieder

Die vom Krieg entfesselte Zerstörungskraft löst soziale Bindungen auf und führt zu Zorn, Rache und Misstrauen. Es ist sogar unklar, ob Wiedergutmachung überhaupt noch möglich ist. Der Krieg unterminiert nicht nur die in der Vergangenheit aufgebauten Beziehung, sondern auch die Möglichkeit einer zukünftigen friedlichen Koexistenz. Sigmund Freud bemerkt: „Der Krieg wirft nieder, was ihm im Wege steht.“ Judith Butler fügt hinzu: „In der Nichtbeachtung von Einschränkungen liegt für ihn tatsächlich eines der Ziele des Krieges. Die Soldaten müssen die Erlaubnis zum Töten bekommen.“ Was der Krieg als Erstes zerstört, sind die Einschränkungen, denen die Zerstörung unterliegt. Das unausgesprochene Ziel des Krieges liegt in der Vernichtung der sozialen Grundlage der Politik selbst. Judith Butler ist Maxine Elliot Professor für Komparatistik und kritische Theorie an der University of California, Berkeley.

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Der „europäische Geist“ erlebte eine Krise

War man um die Mitte des 17. Jahrhunderts durch die zermürbende Erfahrung des Krieges klüger geworden? ES kann jedenfalls kein Zufall sein, dass mehr oder weniger simultan europaweit Tendenzen zu beobachten sind, an allem, was mit überkommenen Machtstrukturen zu tun hat, Kritik zu üben. Jürgen Wertheimer weiß: „Das betrifft Regierungsformen wie Denkstile. England unter der republikanischen Diktatur Oliver Cromwells oder die Revolte der Niederlande gegen die spanische Hegemonie sind nur zwei Beispiele für die beginnende Korrosion traditioneller Herrschaftsgefüge.“ Weit deutlicher jedoch als im Bereich der Politik zeigen sich die Zeichen eines generellen Umbruchs im Bereich der Künste und Wissenschaften. Denn der „europäische Geist“ erlebte in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine massive Krise. Jürgen Wertheimer ist seit 1991 Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Komparatistik in Tübingen.

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Der Krieg spielt auch weiterhin eine bedeutende Rolle

Wer einen Blick in die Zukunft werfen will, sollte sich zunächst mit der Gegenwart vertraut machen. Und obendrein ist es bei politischen Prognosen ratsam, die gegenwärtigen Verhältnisse mit denen der Vergangenheit zu vergleichen. Denn dann bekommt man eine Vorstellung davon, was sich in der jüngeren Vergangenheit verändert hat und was sich gleichgeblieben ist. Herfried Münkler erklärt: „In der Regel nämlich kann man davon ausgehen, dass die in der jüngeren Vergangenheit zu beobachtenden Entwicklungen sich in der nächsten Zukunft fortsetzen werden.“ Hieraus kann man erste Elemente einer Prognose ableiten. In diesem Sinne lässt sich eine Prognose von bloßer Prophetie unterscheiden. Voraussagen über das Kriegsgeschehen der Zukunft sind nicht nur in wissenschaftlicher, sondern in diesem Fall auch in moralischer Hinsicht riskant. Herfried Münkler ist Professor em. für Theorie der Politik an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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Die Politik braucht die Bereitschaft des Kampfes

Den Menschen ist die Unterscheidung von Freund und Feind nicht fremd. Die Moral unterscheidet zwischen gut und böse, die Ästhetik zwischen schön und hässlich, die Ökonomie zwischen nützlich und schädlich. Der Mensch braucht bei der freiheitlichen Begegnung einen Maßstab, um die Mitmenschen in Gruppen von Nahe- und Fernstehenden zu unterscheiden. Paul Kirchhof weiß: „Für Carl Schmitt ist dieses die Unterscheidung zwischen Freund und Feind.“ Sie ist seiner Meinung nach notwendig, um politische Handlungen und Motive zu erklären und zu verstehen. Ist der Andere existenziell etwas Anderes und Fremdes, sind Konflikte mit ihm möglich. Bedroht das Anderssein des Fremden die eigene Existenz, muss man den anderen abwehren und bekämpfen. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg.

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Bei der Selbstverteidigung gibt es das Problem der Ungleichheit

Viele der Linken behaupten zwar, an Gewaltlosigkeit zu glauben. Dennoch nehmen sie für die Selbstverteidigung eine Ausnahme in Anspruch. Manche Menschen meinen, dass das eine Selbst verteidigungswürdig ist, das andere aber nicht. Damit stellt sich für Judith Butler das Problem der Ungleichheit, dass sich aus der Rechtfertigung von Gewalt im Dienst der Selbstverteidigung ergibt. Leben zählen in dem Sinn, dass sie in der Sphäre der Erscheinung physisch Gestalt annehmen. Sie zählen auch deswegen, weil sie alle gleich geschätzt werden müssen. Und doch ist die Berufung auf Selbstverteidigung vonseiten derjenigen, die Macht ausüben, allzu oft nichts anderes als die Verteidigung dieser Macht. Gleichzeitig beanspruchen sie damit ihre Vorrechte und die von ihnen vorausgesetzten und geschaffenen Ungleichheiten. Judith Butler ist Maxine Elliot Professor für Komparatistik und kritische Theorie an der University of California, Berkeley.

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Der klassische Terrorismus hatte zwei Ausprägungen

Den „klassischen“ Terrorismus hat es in Europa seit dem 19. Jahrhundert gegeben. Er hatte vor allem zwei Ausprägungen. Nämlich eine sozialrevolutionäre Variante, wie sie im zaristischen Russland entstanden ist, und eine nationalseparatistische, etwa im Baskenland in Form der Untergrundorganisation ETA. Diese kämpfte mit Gewalt für eine Abspaltung der nordspanischen Region vom Mutterland. Edgar Wolfrum ergänzt: „Was des einen Terrorist war, war oftmals des anderen Freiheitskämpfer.“ Seit den 1970er Jahren kam eine äußerst gewalttätige Variante hinzu. Zum Beispiel in Gestalt der deutschen „Roten Armee Fraktion“ (RAF) oder den italienischen „Brigate Rosse“. Oft verbanden sich diese Gruppierungen mit dem internationalen Terrorismus der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO). Gewaltakte und Morde zielten auf herausgehobenen Personen der politischen Klasse oder der gesellschaftlichen Elite. Edgar Wolfrum ist Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Heidelberg.

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Es tobt kein weltweiter Kampf der Kulturen

Es sieht für Markus Gabriel so aus, als gebe es mehr oder weniger deutlich voneinander abgegrenzte Kulturen. Die Grenzziehung zwischen Kulturen scheint außerdem häufig mit den Grenzen von Nationalstaaten verbunden zu sein. Man spricht landläufig etwa von einer deutschen, chinesischen, amerikanischen oder russischen Kultur. Manche glauben auch, es tobe seit Jahrtausenden ein welthistorischer Kampf der Kulturen. Dieser entfaltet sich im 21. Jahrhundert als Konflikt, den Kulturräume durch die Globalisierung in verschärften Wettbewerb miteinander austragen. Markus Gabriel erklärt: „Diese Idee wurde Ende des 20. Jahrhunderts prominent vom in Harvard lehrenden Politikwissenschaftler Samuel P. Huntington vertreten.“ Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Der Tod ist allgegenwärtig

Der Tod ist für Michael Wolffsohn keineswegs ein Tabu in Deutschland. Der anonyme und fremde Tod ist sogar ein Dauerthema in Kultur und Literatur, Natur und Geschichte. Der fremde, anonyme Tod ist allgegenwärtig. Was wäre das Kino und das deutsche Fernsehen ohne Krimis und Tod. Michael Wolffsohn ergänzt: „Tote, im Dutzend billiger und quotenträchtiger. Je mehr Tote, desto besser, weil unterhaltsamer.“ So gesehen wird der Tod wahrlich nicht verdrängt. Es ist aber stets der Tod der anderen. Der andere ist gestorben, nicht ich. Wie schön, wie beruhigend. Selbst beim Tod nahestehender Menschen, so Elias Canetti, fühlt man trotz allem Schmerz eine Art von Erleichterung: „Gottlob ich nicht, noch nicht.“ Prof. Dr. Michael Wolffsohn war von 1981 bis 2012 Professor für Neuere Geschichte an der Universität der Bundeswehr in München.

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Europa hat noch jede Krise gemeistert

Es ist gegenwärtig ein geflügeltes Wort – die Krise Europas. Aber befand sich Europa nicht permanent in irgendeiner Krise? Nirgendwo sonst auf der Welt sind vor allem im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Nationalismen mit solch tödlicher Wucht aufeinandergeprallt. Dadurch haben sie einen ganzen Kontinent in Schutt und Asche gelegt. Edgar Wolfrum erläutert: „Wie auch immer sich die Situation gestaltete, schlimmer als vor 1945 konnte es nicht werden. Und bisher hat jede Krise Europas, und davon gab es seit den 1950er Jahren zahlreiche, zu einer neuen zukunftsweisenden Dynamik geführt.“ Diese brachte das Projekt Europa nach vorn. Europa war immer ein Geschichtsraum, der sich sozial, ökonomisch und politisch veränderte. Dabei waren seine Grenzen niemals eindeutig bestimmbar. Edgar Wolfrum ist Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Heidelberg.

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Die Weltordnung justiert sich neu

Das Philosophie Magazin Nr. 04/2022 stellt im Titelthema die Frage „Wohin steuert die Geschichte?“ Die Antworten darauf sind vielfältig und beschäftigen Philosophen von der Antike bis zur Gegenwart. Jetzt da der Ukrainekrieg die Welt in große Ungewissheit stürzt und die Weltordnung sich neu justiert, ist sie drängender denn je. Es gibt eine Disziplin, die seit jeher versucht, Gesetze im Gang der Geschichte zu erkennen. Chefredakteurin Svenja Flaßpöhler kennt sie: „Die Geschichtsphilosophie ist es, die versteckte Logiken aus der scheinbaren Willkür herauspräpariert, um die menschliche Gattung in einen überwölbenden Gesamtkontext zu stellen.“ Wird Hegel recht behalten? Ist der Krieg eine dialektische Volte, die den Pfad des Fortschritts schlussendlich vorantreiben wird. Friedrich Nietzsche dagegen ging von einen zyklischen Geschichtsverlauf aus: Dann wäre der Krieg die Wiederkehr des Immergleichen, aus dem es kein Entrinnen gibt.

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Deutschland führte wieder Krieg

Nach der Epochenwende von 1989 ist leider kein „goldenes Zeitalter“ des Friedens angebrochen. Edgar Wolfrum stellt fest: „Aus der tiefsten Ächtung ist der Krieg vielmehr wieder zu neuer Bedeutung gelangt, auch in Europa.“ Im zerfallenen Jugoslawien brachen seit 1991 blutige Konflikt aus. In Randgebieten der ehemaligen Sowjetunion fanden ebenfalls Kämpfe statt. In nie dagewesener Form wurden in verschiedenen Staaten terroristische Anschläge verübt. Die Terroranschläge auf das New Yorker World Trade Center 2001 waren für viele Beobachter der Beginn einer neuen Zeitrechnung. Es folgten die Kriege in Afghanistan und dem Irak, dann kamen kriegerische Auseinandersetzungen in Nordafrika, schließlich der Syrienkrieg. In diesem Zeitalter der „neuen Kriege“ wandelte sich die außenpolitische Stellung und militärische Rolle Deutschlands fundamental. Deutschland wurde wieder zu einer Krieg führenden Nation. Edgar Wolfrum ist Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Heidelberg.

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Die Folgekosten des „Aufbau Ost“ wurden unterschätzt

Die Neubildung der deutschen Nation – und darum ging es ja bei und nach der Wiedervereinigung von 1990 – schien gelungen. Deutschland war ein postklassischer Nationalstaat, als Großmacht gezähmt, da in vielfältige supranationale Strukturen und Gebilde eingebunden. Die Deutschen hatten aus ihrer Geschichte gelernt und begriffen, dass sie nach zwei Weltkriegen und ungeheuerlichen Verbrechen eine unverhoffte zweite Chance erhielten, wie sie im Leben nur selten vorkommt. Edgar Wolfrum erinnert sich: „Der äußeren Einheit würde rasch die innere Einheit folgen. „Blühende Landschaften“ wurde versprochen. Das war die erste Täuschung.“ Die Transformation von einer sozialistischen Planwirtschaft in eine soziale Marktwirtschaft verlief nicht reibungslos. Zwischen West und Ost tat sich ein großer Graben auf, die Folgekosten des „Aufbau Ost“ wurden massiv unterschätzt. Edgar Wolfrum ist Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Heidelberg.

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Xerxes herrschte über das größte Reich

Eine der engsten Stellen des Hellespont, des schmalen Kanals, der sich von der Ägäis ins Schwarze Meer hinauf schlängelt, trennt Europa von Asien. Dort ragte eine Landzunge, der sogenannte Hundeschwanz, von der europäischen Seite aus ins Meer hinein. Hier war 480 Jahre von Christi Geburt eine so erstaunliche Tat vollbracht worden, dass es den Anschein erweckte, ein Gott habe gehandelt. Tom Holland erklärt: „Zwei Ponton-Brücken, die sich vom asiatischen Ufer hinüber zum Hundeschwanz erstreckten, hatten die beiden Kontinente zusammengespannt.“ Natürlich hatte nur ein Monarch, der über unendliche Mittel verfügte, die Meeresströmungen in einer so herrschaftlichen Art und Weise zähmen können. Xerxes, der König Persiens, herrschte über das größte Reich, das die Welt je gekannt hatte. Der Autor und Journalist Tom Holland studierte in Cambridge und Oxford Geschichte und Literaturwissenschaft.

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Der Staat muss für Sicherheit sorgen

Die Entwicklung des menschlichen Zusammenlebens zu einem Staat bestimmt das Verständnis des Menschen über seine Fähigkeit zur Freiheit und zum Frieden. Paul Kirchhof erläutert: „Bekämpfen sich die Menschen, muss eine öffentliche Hand herrschen und Sicherheit gewährleisten. Wird der Herrscher zur Bedrohung individueller Freiheit, entwickeln die Menschen ein Regierungssystem der Gewaltenteilung.“ Traut der Staat den Menschen zu, ihre Konflikte letztendlich ohne Gewalt – ohne Faust und Fehde – zu lösen, organisiert er eine Gerichtsbarkeit, die in allein sprachlicher Auseinandersetzung Streit schlichtet und Frieden schafft. Der Kampf findet mit Worten statt, nicht mit Waffen. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Als Richter des Bundesverfassungsgerichts hat er an zahlreichen, für die Entwicklung der Rechtskultur der Bundesrepublik Deutschland wesentlichen Entscheidungen mitgewirkt.

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Die industrielle Revolution verstärkte den Konsum

Konsum als Lebensmodell hat, so seine Befürworter, die beste aller Welten geschaffen. Je mehr Gesellschaften konsumieren, desto innovativer sind sie, desto wohlhabender, sicherer, friedlicher. Und nicht nur das: Durch die Massenproduktion wurde es möglich das Los aller Menschen zu verbessern. Philipp Blom nennt Beispiele: „Nie waren so wenige Menschen hungrig wie heute, nie konnten mehr Menschen lesen und schreiben. Nie war die Kindersterblichkeit niedriger, nie lebten mehr Menschen in Demokratien oder in stabilen Staaten mit demokratischen Zügen.“ Ohne Konsumkonjunktur und ohne die fossilen Brennstoffe, die sie schufen, wäre nichts von alledem möglich gewesen. Richtig, sagen die Kritiker. Unsicher ist allerdings, ob dieses Modell eine Zukunft hat. Fraglich ist auch wie lange es durchgehalten werden kann, bevor die Risiken, die es geschaffen hat, erdrückend werden. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford und lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

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Es gibt nicht die eine deutsche Geschichte

Helmut Walser Smith beschreibt in seinem neuen Buch „Deutschland“ die Geschichte der deutschen Nation von 1500 bis in die Gegenwart. Dabei hält er die Idee des Nationalstaats und die Ideologie des Nationalismus hellsichtig auseinander. Imaginationen von Deutschland und deutsche Wirklichkeit stoßen in seinem Werk hart aufeinander. Die nationalistischen Exzesse des Dritten Reichs im 20. Jahrhundert schildert Helmut Walser Smith ebenso eindringlich wie schonungslos. Seine klugen Gedanken über Deutschland und das Erbe seiner Vergangenheit reichen bis hin zur Bundestagsrede von Navid Kermani und den aktuellen Versuchen der Alternative für Deutschland (AfD), sich der deutschen Geschichte zu bemächtigen. Für den australischen Historiker Christopher Clark ist das Buch eine Pflichtlektüre für jeden, der sich für Deutschlands Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft interessiert. Helmut Walser Smith lehrt Geschichte an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee.

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