Normverstöße gehören zum Leben

Das Ziel der Ethik ist nicht die größtmögliche Lebenssicherheit. Richard David Precht stellt fest: „Es ist die Chance auf ein erfülltes Leben für möglichst viele Menschen. Normen sollen uns dazu dienen. Keinesfalls ist es ihr Sinn, dass wir ihnen dienen.“ Und wenn man sich über Normverstöße aufregt, so ist es doch gut, dass es sie gibt. Wer wollte in einem Land leben, in dem jeder Verstoß bemerkt und geahndet wird? Jeder moralische Grundsatz wird zu einem Gräuel, wenn er uneingeschränkt zur starren Regel erhoben wird. Immer ehrlich sein, immer gerecht, immer fair, immer mitfühlend, immer großzügig, immer dankbar und so weiter. Wer möchte so sein? Ist dies tatsächlich ein erfülltes Leben? Der Philosoph, Publizist und Autor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

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Die Metamorphose wirkt im Unterbewusstsein

Bei einer Metamorphose gründet die Kraft, die einen Menschen durchdringt und verändert, nicht auf einem bewussten und persönlichen Willensakt. Emanuele Coccia erklärt: „Sie kommt anderswoher, ist älter als der Körper, den sie formt, und wirkt jenseits aller Entscheidung. Vor allem aber ist sie frei von dem Impuls, die Vergangenheit oder die Identität zu verdrängen oder zu negieren.“ Ein metamorphisches Wesen hat, im Gegenteil, alle Ambition abgelegt, sich in einem einzigen Gesicht wiedererkennen zu wollen. Das Leben, das durch die Raupe und den Schmetterling hindurchgeht, kann auf keines der beiden heruntergebrochen werden. Es kann mehrere Gestalten gleichzeitig bewohnen und beherbergen und schöpft aus dieser amphibischen Eigenschaft seine Kraft. Emanuele Coccia ist Professor für Philosophiegeschichte an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris.

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Die Moderne ist ein Vorgang von Revolutionen

Mit seiner berühmten „Kehre“ meint Martin Heidegger, dass die Menschen in der Neuzeit einer tiefgreifenden Wende im Seinsverständnis ausgesetzt sind. Heute bezeichnet man diesen Tatbestand auch als Globalisierung. Markus Gabriel fügt hinzu: „Die Moderne ist in der Tat ein Vorgang von Revolutionen, also von Kehren. Dahinter erkennt Martin Heidegger ein einheitliches Muster.“ Dieses Muster folgt der Idee, dass alles, was es gibt – alles Seiende –, letztlich ein Gegenstand ist. Matin Heidegger meint nun, dass die Moderne von sich aus darauf schließt, dass man alles auf ihre begrifflichen Regeln verpflichten kann. Denn alles was es gibt, ist seiner Meinung nach etwas, worüber man im Grunde genommen wahre Aussagen treffen kann. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Die Technik ist ein großer Wachstumsfaktor

Zwei Lager stehen sich bei der Debatte über die Zukunft der Arbeit gegenüber, deren Prognosen gegensätzlicher nicht sein könnten. Richard David Precht erläutert: „Die einen sehen Zeiten der Vollbeschäftigung voraus. Hat nicht der technische Fortschritt immer die Produktivität erhöht und die Anzahl der Arbeitenden?“ Sie können dabei auf den amerikanischen Nobelpreisträger Robert Solow verweisen. Seiner Meinung nach hat der technische Fortschritt stets eine gewaltige Steigerung der Produktivität ermöglicht. Nicht Arbeit und Kapital, sondern vielmehr die Technik sei der entscheidende Wachstumsfaktor. Auf der anderen Seite sagte der britische Ökonom John Maynard Keynes im Jahr 1933 voraus, der Fortschritt in den Industrieländern würde zu einer Massenarbeitslosigkeit führen. Der Philosoph, Publizist und Bestsellerautor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

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Die Technik ist mit sozialen Praktiken verknüpft

Wie in einer Gesellschaft gehandelt und gefühlt, wie produziert, geherrscht, kommuniziert und imaginiert wird, ist entscheidend von den Formen der Technik und Technologie beeinflusst, über die sie verfügt. Andreas Reckwitz schränkt ein: „Natürlich determiniert die Technik soziale Strukturen nicht in einem strengen Sinne.“ Vielmehr sind die technischen Artefakte immer mit sozialen Praktiken verknüpft, die sie sich auf eine spezifische Weise zu Eigen machen. Artefakte und Artefaktsysteme stellen materielle Angebotsstrukturen dar. Sie bieten einen Spielraum vielfältiger, aber nicht beliebiger Verwendungsweisen. Sie entwickelten sich vom Rad bis zur Schrift und Buchdruck. Die Entwicklung schreitet voran vom einfachen Werkzeug bis zur industriellen Produktion, von der Biotechnologie bis zur Computersoftware. Zu Recht gilt die moderne Gesellschaft im historischen Vergleich als eine genuin technische Kultur. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

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Das Wissen hat die Welt zum Besseren verändert

Der Glaube und das Wissen verlangen im Rahmen der notwendigen Autorität die absolute Unterwerfung der Menschen. Ein Hinterfragen der „Wahrheiten“ ist oft nicht erwünscht. Ille C. Gebeshuber stellt fest: „Natürlich hat das System Wissen dem System Glauben, das Gott in den Mittelpunkt stellt, einiges voraus.“ Die Einführung des auf der Natur aufbauenden wissenschaftlichen Systems erlaubte nicht nur die Schaffung einer gesicherten Wissensbasis, sondern auch die Vernetzung des Wissens. Die gesellschaftliche Entwicklung, die auf diesem Wissen aufbaute, führte zum Umdenken der Renaissance. Das Interesse der Menschen an ihrem Umfeld wuchs, und wer um die Dinge weiß, den kümmern sie. Das Wissen hat, durch den mit ihm zusammenhängenden Humanismus, die Welt zum Besseren verändert. Ille C. Gebeshuber ist Professorin für Physik an der Technischen Universität Wien.

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Die Idee der Technik entstand in Griechenland

Der Funktionalismus ist ein unglückliches Erbe der altgriechischen, von Platon und Aristoteles höchstpersönlich eingeführten Idee der Technik. Markus Gabriel erläutert: „Platon und Aristoteles bezeichnen diejenigen Funktionen, die zwei physikalisch verschiedene Dinge zu Dingen derselben Art machen, als Idee.“ Was man heute als Funktion bezeichnet, entspricht einer abgespeckten Version der platonisch-aristotelischen Idee. Aristoteles hat die Überlegung dahingehend konkretisiert, dass er den Begriff einer Funktion, eines telos, entwickelt hat. Er unterfüttert ihn mit der Lehre von den vier Ursachen. Die Technik ist heutzutage die Realisierung von Ideen, durch die man Dinge produziert, die nicht schon von Natur aus da waren. Seit 2009 hat Markus Gabriel den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Im Organismus ist alles Mittel zum Zweck

Die unverzichtbare Verknüpfung von Zweck und Mittel ist in Immanuel Kants kritischer Ethik nur ein Nebenaspekt. Volker Gerhardt ergänzt: „In seiner Theorie des Lebendigen, die er im zweiten Teil der „Kritik der Urteilskraft“ entwirft, wird sie hingegen zum zentralen Thema. Lebendig ist alles, in dem Ursache und Wirkung in einer derart engen Wechselwirkung stehen, dass sie gegenseitig im Verhältnis von Zweck und Mittel stehen.“ In einem Organismus ist alles Mittel zum Zweck der Erhaltung des Ganzen. Dieses kann man selbst als das Mittel begreifen, das jedem seiner Organe die Existenz und die Funktion ermöglicht. Immanuel Kant war der erste, der diese lebendige Einheit unter den Begriff der „Selbstorganisation“ fasst. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Jugendliche kritisieren die Technik

Die heute Jugendlichen sind mit den elektronischen Medien wie selbstverständlich aufgewachsen und wissen mit ihnen entsprechend umzugehen. Sie stehen jedoch den „Segnungen“ der Technik und der Wirtschaft skeptisch gegenüber. Daniel Goeudevert stellt fest: „Viele nehmen, völlig zu Recht, nun auch die von der Technik und der Wirtschaft verursachten Kosten in den Blick. Zudem hinterfragen sie deren Dominanz.“ Sie verordnen sich zum Beispiel eine Online-Diät, blockieren den Verkehr oder ernähren sich vegan. Sie erkennen intuitiv, dass sie weder als Konsument noch als User geboren wurden. Sondern sie haben Bedürfnisse, die mit Produkten, Diensten oder Apps nicht zu befriedigen sind. Sie wollen nicht länger Mittel, sondern Zweck sein. Daniel Goeudevert war Vorsitzender der deutschen Vorstände von Citroën, Renault und Ford sowie Mitglied des Konzernvorstands von VW.

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Fast jede Technik lässt sich als Waffe einsetzen

Die Begabung für die Sprache und für die Vernunft gehört zweifellos zum Wesen des Menschen. Ohne jede Technik ein Mängelwesen, macht sich der Mensch mit der Hilfe von Technik von zahlreichen Zwängen der Natur frei. Er unterwirft sie seinem Willen. Otfried Höffe erklärt: „Die Technik hat sowohl eine emanzipatorische Tragweite – sie befreit von Zwängen – als auch eine positive, konstruktive Bedeutung.“ Nicht nur der Suezkanal, die Mondlandung und die immer kleineren und trotzdem immer leistungsfähigeren Rechner, sondern auch antike Aquädukte und gotische Kathedralen sind technische Meisterleistungen. Ein Mensch, der für die Wirklichkeit offen ist, übersieht auch nicht die von vornherein für aggressive und destruktive Ziele und Zwecke entworfene Technik. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Technische Innovationen können zum Krieg führen

Martin Luther hat den aus der konfessionellen Spaltung Mitteleuropas entstandenen Dreißigjährigen Krieg nicht gewollt. Der Erfinder des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, Johannes Gutenberg, wollte ihn ebenso wenig. Und doch hatte die Revolution im Druckwesen einen erheblichen Anteil an der politischen Mobilisierung. Deren Eskalation zum Krieg kostete ein Drittel der Bevölkerung Mitteleuropas das Leben. Andreas Barthelmess weiß: „Technologische Innovationen können zu gesellschaftlicher Polarisierung, zu dramatischen sozialen Umbrüchen führen, bis hin zum Krieg.“ Der griechische Philosoph Heraklit meinte sogar, der Krieg sei der Vater aller Dinge. Andreas Barthelmess findet, das gibt dem Krieg zu viel der Ehre. Zwar gibt es Erfindungen, die ausdrücklich vom Militär bestellt wurden. Etwas die Konservendose, die auf eine Preisausschreibung Napoleon Bonapartes zurückgeht. Andreas Barthelmess ist Ökonom, Start-up-Unternehmer und Publizist.

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Das Philosophie Magazin gibt 21 Impulse für 2021

Die aktuelle Sonderausgabe des Philosophie Magazins hat die 21 besten Essays zu aktuellen Fragen zusammengestellt. Verfasst haben sie internationale und deutschsprachige Denkerinnen und Denker, deren Reflexionen nicht nur inspirierend, sondern auch wegweisend sind. Gegliedert ist das Sonderheft in vier große Rubriken: Internationale Politik, Identität und Geschlecht, Technik und Gesellschaft sowie Rassismus. Zu den Herausforderungen unserer Zeit zählt momentan an erster Stelle die Coronaepidemie. Sie hat die gesamte Weltgemeinschaft vor eine gemeinsame Bedrohung gestellt. Für den Geschichtslehrer Paul Sebillotte existiert ein direkter Zusammenhang zwischen den Abholzungen der Regenwälder und der Hervorbringung von Epidemien. Die Zersiedlung verschlimmert die Abholzung noch und vervielfacht damit die Risiken einer Zoonose. Auch die industrielle Tierhaltung berücksichtigt nie die epidemiologischen Gefahren. Tritt dann doch eine Epidemie auf, werden die Kosten externalisiert: Die Staaten kommen für den Schaden auf, ohne die Kapitalisten zur Rechenschaft zu ziehen.

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Das Zeitalter des Anthropozäns hat begonnen

Dort, wo die Natur Ressourcen anbietet, wird sie selbst von höchst bescheidenen Gesellschaften vielfältig in Dienst genommen. Zudem beutet man sie oft genug auch aus, wodurch aus der zunächst unberührten Vorgabe die mehr und mehr kultivierte Natur entsteht. Otfried Höffe erklärt: „Schon weit länger als der Atmosphärenchemiker Paul Crutzen 2002 annimmt, leben wir in jenem Erdzeitalter des Anthropozän. In diesem ist der Mensch („Anthropos“) zum stärksten Antreiber ökologischer, selbst geologischer Prozesse geworden.“ Offensichtlich ist die dabei vorgenommene Kultivierung ein Freiheitsprozess in beiden Kernbedeutungen. Als eine allerdings nie endende Überwindung von Gefahren erhöht sie die negative Freiheit. Soweit dabei Erträge gesteigert und Arbeitsvorgänge erleichtert. Überdies schafft man Arbeitsplätze, auch Annehmlichkeiten und Wohlstand geschaffen. So zeichnet sich die Indienstnahme der Natur durch einen emanzipatorischen Charakter aus. Soweit sie aber eine neuartige Lebenswelt schafft, wächst die andere, positive Freiheit. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Im Silicon Valley herrscht wenig Menschenkenntnis

Was die digitale Technik bringt, kann sowohl ein Rückschritt als auch ein Fortschritt sein. Richard David Precht kennt die Gefahren des kulturellen Rückschritts: „Viele visionären Ideen, die aus dem Silicon Valley kommen, sind bei näherer Hinsicht keine. Nicht wenigen mangelt es an Menschenkenntnis.“ Und ersonnen wird, was die Technologie hergibt, und nicht, was viele Menschen oder die Gesellschaft dringend brauchen. Vieles, was sich technisch perfektionieren lässt, muss und sollte gar nicht perfektioniert werden. Jedenfalls nicht, ohne damit Folgen zu produzieren, die niemand im Sinn hat und keiner tragen will. Wenn alles effizient und perfekt optimiert ist, lässt sich nichts mehr verändern oder variieren, ohne die Dinge weniger effizient zu machen. Der Philosoph, Publizist und Autor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

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Die Zeitrevolution im Haushalt findet nicht statt

Trotz des Einzugs moderner Technologien in die meisten Privathaushalte gibt es darin heute genauso viel zu tun wie vor fünfzig Jahren. Horst Opaschowski stellt fest: „Die Zeitrevolution im Haushalt findet nicht statt.“ Daran ändern auch nichts Smartphones, Haushaltsroboter und interaktive intelligente Kühlschränke. Im Vergleich zu früher tun die Frauen heute sogar mehr und dies in der gleichen Zeit. Dadurch ist alles hektischer geworden. Wenn heute mehr als früher gewaschen, gebügelt und eingekauft wird, dann hat dies Gründe, die mehr im gesellschaftlichen Bereich zu suchen sind. Denn die Familie erwartet mittlerweile ganz selbstverständlich emotionale Qualität. Daran ändert sich auch in naher Zukunft wenig. Horst Opaschowski gründete 2014 mit der Bildungsforscherin Irina Pilawa das Opaschowski Institut für Zukunftsforschung. Bis 2006 lehrte er als Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg. Ab 2007 leitete er die Stiftung für Zukunftsfragen.

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Fortschritt entlastet das Leben

Fortschritt ist eine starke Metapher der Bewegung – und diese hat einen realen Kern. Seit rund 300 Jahren lebt die Menschheit in einem Kontinuum der Forschung und Wissenschaft, das kumulativ wirkt. Peter Sloterdijk ergänzt: „Aus diesem Lernzusammenhang können und wollen wir nicht austreten.“ In der wissenschaftlichen Modernität und ihrer Ergänzung durch Technik spielt sich ein riesiges Experiment ab, das der Entlastung des Lebens gilt. Der technische Fortschritt setzt sich immer dann durch, wenn die Menschen mehr Machtmittel in die Hände bekommen, die ihren Aktionsradius erweitern und ihr Dasein erleichtern. Peter Sloterdijk erläutert: „Fortschritt in einem nicht naiven Sinn bedeutet Ermächtigung und Entlastung.“ Auf dem Gebiet der Moral brauchen seiner Meinung nach allerdings keine Fortschritte gemacht werden. Peter Sloterdijk gilt als einer der wirkungsmächtigsten und zugleich heftig umstrittenen Denker Deutschlands.

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Die Gleichsetzung von Technik und Glück ist eine Ideologie

Die glücklichsten Menschen der Welt leben nicht im Silicon Valley. Sie leben in Norwegen, gefolgt von Dänemark, Island und der Schweiz. Richard David Precht stellt fest: „Für ein Land, in dem die Zukunft gemacht wird, getreu dem Google-Motto „Do the right thing“, liegen die USA mit Rang vierzehn nicht allzu gut im Rennen.“ Tendenz seit zehn Jahren fallend. Der Weltglücksbericht der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2017 bescheinigt den Vereinigten Staaten sogar eine Fehlkonditionierung. Wer nur auf Wirtschaftszahlen schaue, der mache seine Gesellschaft unsolidarisch und misstrauisch. Zudem forciert dies die Korruption, den sozialen Unfrieden und die ethischen Konflikte. Dass die Technik dem Menschen im Laufe der Zivilisation viele gute Dienste geleistet hat, werden allerdings nur wenige bestreiten. Der Philosoph, Publizist und Bestsellerautor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

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Die schönen Künste haben sich im 18. Jahrhundert entwickelt

Kunst und Wissenschaft haben zumindest eines gemeinsam: Sie werden gerne in einem Atemzug genannt. Seit wann und warum treten Wissenschaften und Künste gemeinsam auf? Man könnte die Geschichte der Künste und Wissenschaften seit dem Mittelalter auch mit folgenden Paradoxien beschreiben: Als die Wissenschaften noch Künste waren, gab es keine Kunst. Als die Künste entstanden, waren sie Wissenschaften. Konrad Paul Liessmann ergänzt: „Und als sich endlich die Wissenschaften als Wissenschaften und die Künste als Künste begriffen, nährte dies nur den Verdacht oder auch den Wunsch, dass die Wissenschaften eigentlich Künste und de Künste letztlich doch Wissenschaften seien.“ Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Die Philosophen waren in der Antike sehr populär

Die griechische Welt der Antike war eine Börse der Ideen und ein Experimentierfeld der Politik. Man bekämpfte einander, fand sich zu Bündnissen zusammen, experimentierte mit bundesstaatlichen Modellen. Bernd Roeck weiß: „Kriege und innere Krisen, wie sie Athen in dichter Folge seit dem Tod des Perikles, 429 v. Chr., erlebte, wirkten sich keineswegs ungünstig auf das kulturelle Leben aus.“ Im Gegenteil vergrößerten Umbruch und Chaos den Markt für Philosophen, weil sie Orientierung versprachen und eine Erziehung anboten, die half, sich in einer komplizierten Gesellschaft durchzusetzen und Erfolg zu haben. Außerdem zeigte sich ein lernbegieriges Publikum bereit, Gelehrsamkeit und Rhetorik – wichtiges Handwerkszeug im politischen Geschäft – zu entgelten. Bernd Roeck ist seit 1999 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Zürich und einer der besten Kenner der europäischen Renaissance.

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Der Homo sapiens tauchte vor rund 200.000 Jahren auf

Als tierische Spezies zeichnet sich der Homo sapiens hauptsächlich durch sein großes Gehirn und seine geistigen Fähigkeiten aus. Emmanuel Todd ergänzt: „Er beobachtet, sammelt Erkenntnisse und häuft Wissen an.“ Einige seiner entscheidenden Fähigkeiten, etwa der Gebrauch von Werkzeug oder die Nutzung des Feuers, waren schon unter seinen Vorgängern verbreitet. Mit dem Auftauchend des Homo sapiens vor rund 200.000 Jahren beschleunigte sich der Erwerb neuer Techniken in einer exponentiellen Größenordnung. Seine Ausbreitung über alle Kontinente, seine Sesshaftwerdung an verschiedenen Orten und die Erfindung der Landwirtschaft um 9000 v. Chr. im Nahen Osten machten es möglich, dass die Population des Homo sapiens in beachtlichem Maße anwuchs. Um 3300 v. Chr. entstanden in Mesopotamien und vor 3000 v. Chr. in Ägypten erste Formen von Schrift und erste Städte. Emmanuel Todd ist einer der prominentesten Soziologen Frankreichs.

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Jeder Fortschritt ist zugleich ein Rückschritt

Was die Menschheit der digitalen Technik und ihren Treibern tatsächlich verdankt, ist eine immer globalere Einheitszivilisation. Der digitale Code setzt sich spielend über Länder- und Kulturgrenzen hinweg und ebnet sie ein in einer technischen Universalsprache aus Einsen und Nullen, am Nil ebenso verständlich wie am Rhein und am Amazonas. Richard David Precht weiß: „Kulturell betrachtet ist jeder Fortschritt zugleich ein Rückschritt. Der Prozess begann mit dem Siegeszug des Effizienzdenkens, verstärkt durch sein mächtigsten Mittel: das Geld – der einzigen Sache, deren Qualität sich allein nach der Quantität bemisst.“ Wo das Geld regiert, verschwinden die Grenzen, aus beschaulichen Wochenmärkten wurden unübersehbare globale Märkte für Rohstoffe, Fertigprodukte und Spekulationen. Der Philosoph, Publizist und Bestsellerautor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum

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Der freie Wille dient als zentrales Totem des Konsumkapitalismus

Matthew B. Crawford erklärt: „Die Vorstellungen Immanuel Kants sind der philosophische Ursprung der modernen Gleichsetzung von Freiheit und Wahlmöglichkeit, wobei die Wahl als bloßer Ausdruck des unbedingten Willens verstanden wird.“ Das ist grundlegend für das Verständnis der gegenwärtigen Kultur, denn der so verstandene freie Wille dient als zentrales Totem des Konsumkapitalismus, und viele Menschen halten jene, die ihnen die Wahlmöglichkeiten anbieten, für Diener ihrer Freiheit. Wenn man von der Prämisse ausgeht, die stumpfsinnige Natur bedroht die menschliche Freiheit als vernünftige Wesen, ist die Verlockung groß, eine virtuelle Realität zu konstruieren, die weniger real ist und in der das Selbst nicht mit der Welt kollidiert. Immanuel Kant versuchte, die Freiheit des Willens gegen äußere Einflüsse abzuschotten und zu einem „unbedingten“ apriorischen Gesetz zu machen. Matthew B. Crawford ist promovierter Philosoph und gelernter Motorradmechaniker.

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Die Künstliche Intelligenz lässt das Leben bunter aussehen

„Kreativ sein“ – das ist heute in erster Linie nicht mehr die Domäne von ausgewählten künstlerischen Berufen oder von kleinen Kindern. Es ist vielmehr eine Anforderung an alle Menschen, ein reiches und durchgestaltetes Leben zu führen. Holger Volland fügt hinzu: „Wer die sozialen Medien so ernst nimmt wie die 51 Prozent deutsche Jugendliche, die regelmäßig Instagram nutzen – für den ist es sogar eine Notwendigkeit, seine Online-Persönlichkeit professionell kreativ zu gestalten.“ Vergleicht man Selbstporträts der „Generation Instagram“ mit denen älterer Menschen, fällt dies sofort auf, denn ungewollte Schnappschüsse oder echte, aus dem Leben gegriffene Situationen finden sich bei den Jungen nicht mehr. Der Informationswissenschaftler Holger Volland lehrte an der Hochschule Wismar Gestaltung und kuratierte große Ausstellungen der Gegenwartskunst in Argentinien und Deutschland.

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In der westlichen Welt macht sich ein Gefühl des Niedergangs breit

In der westlichen Welt hat sich ein seltsames Gefühl der Ohnmacht ausgebreitet angesichts einer technischen Revolution, die dem Einzelnen doch eigentlich alle Möglichkeiten in die Hand zu geben scheint. Emmanuel Todd erläutert: „Worte, Bilder und Waren zirkulieren frei und in rasantem Tempo. Wir sehen eine medizinische Revolution, die eine fortschreitende Verlängerung des Lebens verheißt.“ Zwischen 1999 und 2014 stieg der Anteil der Internetnutzer von 5 auf 50 Prozent. Ländern verwandelten sich in Dörfer, Kontinente in Kantone. Dennoch macht sich in den hochentwickelten Staaten das Gefühl eines unaufhaltsamen Niedergangs breit. So sank beispielsweise im gleichen Zeitraum in den USA das durchschnittliche Einkommen von 57.909 auf 53.718 Dollar. Die Sterblichkeit der weißen Amerikaner zwischen 45 und 54 ist gestiegen. Emmanuel Todd ist einer der prominentesten Soziologen Frankreichs.

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Meditation sorgt für positive Veränderungen im Gehirn

Durch Meditation lassen sich Stress oder sogar Depressionen lindern, wenn nicht gar auflösen. Bereits wenige Sitzungen reichen aus, wie an der Universität Tübingen herausgefunden wurde. Klaus Biedermann erläutert: „Schon nach acht Wochen zeigten sich bei den Probanden deutliche Veränderungen. Tief im Inneren des Gehirns verstärkten sich Nervenbahnen und es wuchsen sogar neue.“ Längst hat die Hirnforschung bewiesen, dass Gedanken in der Lage sind, Gehirnstrukturen physisch zu verändern und damit den angeborenen „charakterlichen Fingerabdruck“ eines Menschen. Der amerikanische Hirnforscher Richard Davidson erklärt: „Es gibt, grob gesagt, zwei Bereich des Gehirns, die durch Meditation beeinflusst werden. Zum einen sind das Schaltkreise, die wichtig sind, um unsere Aufmerksamkeit zu regulieren, also unsere Konzentrationsfähigkeit. Und dann solche, die für die Regulierung unserer Gefühle wichtig sind.“ Dr. phil. Klaus Biedermann leitet seit mehr als 30 Jahren Selbsterfahrungskurse und Burn-In-Seminare in seiner Sommerakademie auf der Insel Korfu.

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