Die Bürger müssen über die Fiskalunion abstimmen

Der Vertrag zur Fiskalunion der Europäischen Union verändert das Staatengebilde grundlegend. Deshalb fordert Andreas Fisahn, Professor für öffentliches Recht und Rechtstheorie in Bielefeld, eine Volksabstimmung über den Fiskalvertrag. In dem Vertrag über die so genannte Fiskalunion verpflichten sich die Regierungschefs der Europäischen Union zu einer gemeinsamen Steuer- und Ausgabenpolitik. Das hat für die Europäische Union weit reichende Folgen und führt zu tief greifenden Veränderungen. Andreas Fisahn schreibt: „Der Vertrag exportiert die deutsche Schuldenbremse nach Europa. Gleichzeitig wird die Kommission zum Sparkommissar, der in die Haushalte der Mitgliedsstaaten eingreifen darf. Damit würde sich das deutsche Parlament entmachten. Diese Kompetenzerweiterung der EU erfordert aber zwingend eine Volksabstimmung.“

Durch die Fiskalunion wird eine Schuldenbremse zwingend vorgeschrieben

Schon im Juni 2009 hat das Bundesverfassungsgericht erklärt, dass bei einer Weiterentwicklung der EU hin zu einem Bundesstaat, das deutsche Volk vorher gefragt werden muss, ob es damit einverstanden ist. Für Andreas Fisahn verschafft der neue Vertrag der europäischen Exekutive eine Machtfülle vordemokratischen Ausmaßes. Er erklärt: „Sie bekommt ein Vetorecht gegenüber dem Haushalt der Mitgliedsstaaten. Die Situation, die das deutsche Verfassungsgericht im Auge hatte, ist da.“

Der Fiskalvertrag sieht laut Andreas Fisahn vor, dass alle europäischen Vertragsparteien eine Schuldenbremse in ihre Verfassung aufnehmen. Neuschulden dürfen danach nicht höher als 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen. In Deutschland liegt die Grenze der Neuverschuldung seit dem Jahr 2009 bei 0,35 Prozent des BIP. Allerdings hat die Bundesrepublik seit der Einführung des Euro die Maastricht-Vorgabe von maximal drei Prozent neuen Schulden genauso oft nicht eingehalten wie erfüllt.

Alle Staatsgewalt geht von der Exekutive aus

Andreas Fisahn ist der Meinung, dass der Fiskalvertrag eine Vorschrift zur Überwachung und Kontrolle der Haushaltsdisziplin enthält, die es in sich hat. Der Rechtstheoretiker erläutert: „Staaten mit einem übermäßigem Defizit müssen nach dieser Regelung der Kommission Haushalts- und Wirtschaftsprogramme vorlegen, deren Ziel es ist, dieses Defizit abzubauen. Diese Programme müssen dann von der Kommission und dem Rat genehmigt werden.“ Die EU wirkt so gemäß Andreas Fisahn unmittelbar auf die Haushaltsgesetzgebung der Staaten ein.

Allerdings vertritt Andreas Fisahn die These, dass sich die Budgethoheit des Parlaments als ein zentrales Element der Demokratie durch einen völkerrechtlichen Vertrag nicht aushebeln lässt. Er schreibt: „Wenn der Bundestag nach der rechtlichen Steuerung nun auch die Steuerung über das Geld auch nach Brüssel abgibt, verkommt das Parlament zur Politikshow. Die wahre Politik macht die Exekutive.“ Die demokratischen Auseinandersetzung um die Frage, wie der deutsche Bürger eigentlich leben will, wird ihm zunehmend verwehrt, da überspitzt formuliert alle Staatsgewalt nicht mehr vom Volk ausgeht, sondern von der Exekutive.

Von Hans Klumbies