Von der Zukunft erwarten die meisten Deutschen nicht viel

Vierundachtzig Prozent der Deutschen blicken 2022 pessimistisch in die Zukunft. Andreas Reckwitz fügt hinzu: „Dies ist das Ergebnis einer Studie der Universität Bonn, die außerdem zeigt, dass der Anteil derjenigen, die erwarten, dass es künftigen Generationen schlechter gehen wir, in den letzten Jahren beständig gewachsen ist.“ Auch wenn Meinungsumfragen mit Vorsicht zu genießen sind: Es ist bemerkenswert, wie stark sich negative gesellschaftliche Zukunftserwartungen seit den 2010er Jahren in vielen westlichen Ländern verfestigt haben. Auch bezogen auf die Problemlösungskompetenz liberaler Demokratien haben sich die Erwartungen flächendeckend eingetrübt: Einer Studie des an der Universität Cambridge angesiedelten Centre for the Future of Democracy zufolge ist bei der Mehrheit der Menschen in den westlichen Gesellschaften ein politischer Vertrauensverlust zu verzeichnen. Andreas Reckwitz ist Professor für Allgemeine Soziologie und Kultursoziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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Es herrscht ein offensichtliches Ungleichheitsparadox

Ungleichheit mag unbeliebt sein, doch konnte dies offensichtlich nicht verhindern, dass die Einkommen und Vermögen in der gesamten industrialisierten Welt immer weiter auseinanderklaffen. Ben Ansell stellt fest: „Wir leben in einem Zeitalter eines offensichtlichen Ungleichheitsparadoxon: Die globale Ungleichheit ist zurückgegangen, da Milliarden Menschen in China und Indien aus der Armut befreit wurden; in den wohlhabenden Ländern wächst die Ungleichheit seit den 1980er- Jahren dramatisch.“ Die Schließung von Fabriken und stagnierende Löhne in den reichen Ländern führten zu Reaktionen sowohl gegen wohlhabende urbane Regionen als auch gegen den Handel mit ärmeren Ländern. Die politischen Auswirkungen dieser Abwehrreaktion waren gravierend und stellten die bisherige Rechs-links-Politik in Amerika und in Europa auf den Kopf. Ben Ansell ist Professor für Politikwissenschaften am Nuffield College der Universität Oxford.

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Die westliche Welt hat großes Glück

Hannah Ritchie ist bewusst, was für ein Glück sie hat, dass sie einen Schulabschluss machen durfte. Besonders als Mädchen. Sie fordert: „In der westlichen Welt sollten wir mehr zu schätzen wissen, was für ein großes Glück wir hier haben. Die Welt die wir gestalten und in der es bessere Gesundheitsversorgung, Technologien, Konnektivität und bahnbrechende Erfindungen gibt, verdanken wir der Macht von Bildung und Erziehung.“ Im Jahr 1820 hatten nur zehn Prozent der Erwachsenen weltweit grundlegende Lesekenntnisse. Das hat sich im Laufe des 20. Jahrhunderts schnell verändert. Im Jahr 1950 konnten bereits mehr als die Hälfte aller Erwachsenen lesen. Heute sind wir bei fast 90 Prozent angekommen. Dr. Hannah Ritchie ist Senior Researcher im Programm für globale Entwicklung an der Universität Oxford.

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Die Welt ist unwahrscheinlich reich und zugleich bedrückend arm

Unfreiheit kann auch daraus erwachsen, dass man andere Kulturen und Lebensweisen nicht kennt und versteht. Die Welt ist unwahrscheinlich reich und zugleich bedrückend arm. Amartya Sen stellt fest: „Der Überfluss, in dem wir heute leben, ist beispiellos, und das Ausmaß an Ressourcen, Wissen und Technik, die uns heute zu Gebote steht und das wir für selbstverständlich halten, hätten unsere Ahnen sich nicht ausmalen können.“ Gleichzeitig ist die Welt voller entsetzlicher Armut und bedrückender Entbehrung. Es ist skandalös, wie viele Kinder unzureichend ernährt und gekleidet sind, misshandelt werden, des Lesens und Schreibens unkundig und unnötigerweise krank sind. Millionen sterben jede Woche an Krankheiten, die gänzlich abgeschafft sein oder doch wenigstens daran gehindert werden könnten, massenhaft zu töten. Amartya Sen ist Professor für Philosophie und Ökonomie an der Harvard Universität. Im Jahr 1998 erhielt er den Nobelpreis für Ökonomie.

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Entscheidend beim Abnehmen ist die Menge der Kalorien

Essen hat mittlerweile einen fast religiösen Charakter. Andreas Salcher erklärt: „Menschen halten sich an Diäten wegen Unverträglichkeiten, die sie eindeutig nicht haben, andere stopfen sich hemmungslos mit Fertigprodukten und Fast Food voll.“ Trotz der Vielzahl an widersprüchlichen Empfehlungen zum Thema Ernährung ist es gar nicht so schwierig, sich einigermaßen vernünftig zu verhalten. Drei einfache Grundsätze sind durch Langzeitstudien renommierter Universitäten bestätigt: 1. Ganz gleich, ob übergewichtige Menschen viel oder wenig Fett, viel oder weniger Kohlenhydrate zu sich nahmen, keine dieser Diäten machte das Abnehmen leichter oder schwerer. Entscheidend war ausschließlich die Menge der Kalorien. Dr. Andreas Salcher ist Mitgebegründer der „Sir Karl-Popper-Schule“ für besonders begabte Kinder. Mit mehr als 250.000 verkauften Büchern gilt er als einer der erfolgreichsten Sachbuchautoren Österreichs.

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Unsichtbarkeit ist eine Form der Unfreiheit

„Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ ist nicht das einzige Buch, in dem Hannah Arendt das Problem des Ausschlusses als eines von Unsichtbarkeit und Unwirklichkeit adressiert. In „Über die Revolution“ wird Unsichtbarkeit, ein Leben in Dunkelheit, als eine besonders weitreichende Form von Unfreiheit identifiziert. Juliane Rebentisch stellt fest: „Es ist bezeichnend, dass über Arendts ansonsten sehr positives Bild der Amerikanischen Revolution gerade in diesem Kontext ein gewaltiger Schatten fällt.“ Der relative Erfolg der Amerikanischen gegenüber der Französischen Revolution beruht für Hannah Arendt darauf, dass diese sich in einem positiven, durch Teilhabe an öffentlichen Belangen bestimmten Begriff politischer Freiheit orientiert habe. Dagegen sei die Französische ganz unter dem Eindruck der Not der Elenden gestanden und habe über deren Bekämpfung einen solchen positiven Begriff politischer Freiheit verloren. Juliane Rebentisch ist Professorin für Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main.

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Armut war kollektiv vorhanden und strukturell bedingt

Die im Umfeld der sozialen Frage erzeugten Energien fanden ihren Weg zurück in die Politik. Die von Friedrich Engels in „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ aufgestellten Thesen prägten maßgeblich das „Kommunistische Manifest“, das er gemeinsam mit Karl Marx verfasste. Christopher Clark erklärt: „Armut war keineswegs ein neues Phänomen. Aber der „Pauperismus“ zu Beginn des 19. Jahrhunderts unterschied sich von den hergebrachten Formen der Armut. Die Abstraktheit der neuen Wortschöpfung gibt trefflich wieder, was als die systematische Eigenart des Phänomens angesehen wurde.“ Es war kollektiv und strukturell bedingt, hing nicht von individuellen Eventualitäten wir Krankheit, Todesfällen, Verwundung oder Missernten ab. Christopher Clark lehrt als Professor für Neuere Europäische Geschichte am St. Catharine’s College in Cambridge. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Geschichte Preußens.

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Besonnene Verschuldung kann das Leben besser machen

Nouriel Roubini betont: „Besonnene Verschuldung im Zusammenspiel mit Wirtschaftswachstum kann das Leben besser machen, ohne künftige Generationen zu belasten.“ Es ist in Ordnung, auch in schlechten Zeiten Kredite aufzunehmen, etwa um eine Rezession abzuschwächen, wenn in guten Zeiten ein Haushaltsüberschuss erwirtschaftet wird, um die Schuldenquote zu stabilisieren und abzubauen. In den sieben Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte ein überwiegend positives Umfeld vor, das die Zusammenarbeit der Industrienationen begünstigte. Robustes Wirtschaftswachstum half diesen Staaten, die im Krieg angehäuften Schulden abzubauen. Doch seit den 1970er-Jahren begannen sich unter dieser friedlichen Oberfläche die Anreize zu verschieben. Die Veränderungen setzten langsam ein, doch sie beschleunigten sich unter dem Banner der Globalisierung. Nouriel Roubini ist einer der gefragtesten Wirtschaftsexperten der Gegenwart. Er leitet Roubini Global Economics, ein Unternehmen für Kapitalmarkt- und Wirtschaftsanalysen.

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Der deutsche Sozialstaat ist „deaktivierend“

Der Sozialstaat in Deutschland ist bei Weitem nicht so leistungsfähig wie in den nordischen Ländern. Marcel Fratzscher weiß: „Hierzulande sind mehr als doppelt so viele Menschen von Einkommensarmut bedroht wie in Skandinavien. Dies gilt vor allem für Kinder und andere Gruppen wie alleinerziehende Eltern – meist Mütter.“ Der Sozialstaat legt in den nordischen Ländern einen hohen Wert auf Chancengleichheit. So ist die Ungleichheit der Markteinkommen dort sehr viel geringer. In Deutschland sind vor allem die Aufstiegschancen für Menschen aus einkommensschwachen und bildungsfernen Familien ungleich geringer. Der deutsche Sozialstaat ist eher „deaktivierend“. Er versucht, die großen Ungleichheiten am Arbeitsmarkt und im Bildungssystem im Nachhinein durch Umverteilung zu ebnen. Marcel Fratzscher ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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Die Lebensqualität hat sich dramatisch verbessert

Vor dem Erscheinen des Homo sapiens als eigene Spezies vor fast 300.000 Jahren, war das Leben der Menschen bestimmt von Überlebensinstinkt und Vermehrungstrieb. Der Lebensstandard entsprach mehr oder weniger dem Existenzminimum und veränderte sich weltweit im Lauf der Jahrtausende kaum. Oded Galor stellt fest: „Erstaunlicherweise haben sich jedoch unsere Daseinsbedingungen in den letzten paar Jahrhunderten radikal gewandelt. Im Verhältnis zur langen Geschichte unserer Spezies hat die Menschheit praktisch über Nacht eine dramatische und beispielslose Verbesserung der Lebensqualität erfahren.“ Lange herrschte die Ansicht vor, die Lebensstandards seinen schrittweise über die gesamte Menschheitsgeschichte hinweg gestiegen. Doch das ist ein verzerrtes Bild. Oded Galor ist israelischer Wirtschaftswissenschaftler und mehrfach ausgezeichneter Professor an der Brown University, USA. Er forscht vor allem zum Thema Wirtschaftswachstum.

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Den Beruf fürs Leben gibt es nicht mehr

Arbeitnehmer in Deutschland müssen heute und in Zukunft zu Lasten des Familienlebens permanente berufliche Mobilität beweisen. Zudem gibt es immer mehr zeitlich befristete Jobs. Und berufliche Laufbahnen von der Ausbildung bis zum Ruhestand sind für künftige Generationen kaum mehr möglich. Neue Beschäftigungsformen machen den „Beruf fürs Leben“ zur Ausnahme und den Zweitjob neben dem Teilzeitarbeitsplatz bald zur Regel. Horst Opaschowski weiß: „Die meisten Berufstätigen befürchten für die Zukunft neben wachsender Arbeitsplatzunsicherheit mehr Druck und Stress im Arbeitsleben.“ Eine problematische Perspektive für die neue Generation, die mit Gefordert-, Überfordert- und Ausgebranntsein leben muss.“ Horst Opaschowski gründete 2014 mit der Bildungsforscherin Irina Pilawa das Opaschowski Institut für Zukunftsforschung. Bis 2006 lehrte er als Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg. Ab 2007 leitete er die Stiftung für Zukunftsfragen.

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Auf Stagnation folgte Wachstum

Thomas Malthus glaubte seine „Armutsfalle“ als ewiges Weltgesetz etabliert zu haben. Doch plötzlich kam der von ihm beschriebene Mechanismus zum ersten Mal zum Stillstand. Und die Metamorphose von der Stagnation zum Wachstum nahm ihren Lauf. Oded Galor fragt: „Wie schaffte es die menschliche Spezies, der Armutsfalle zu entkommen?“ Um unter anderem diese Frage beantworten, hat Oded Galor eine einheitliche Theorie entwickelt, die versucht, die Reise der Menschheit in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Diese Theorie veranschaulicht, welche Kräfte den Übergang von einer Epoche der Stagnation zu einer Ära anhaltender Steigerung des Lebensstandards bestimmten. Zudem verdeutlicht sie den Einfluss der Vergangenheit auf das Schicksal der Nationen. Oded Galor ist israelischer Wirtschaftswissenschaftler und mehrfach ausgezeichneter Professor an der Brown University, USA. Er forscht vor allem zum Thema Wirtschaftswachstum.

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Die Globalisierung muss verbessert werden

Clemens Fuest vertritt die These, dass die Globalisierung nicht abgeschafft, sondern verbessert wird. Er erläutert: „Globalisierung ist ein Prozess, in dem die Länder der Welt durch politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Austausch zunehmend verbunden sind. Damit beeinflussen sie sich immer mehr gegenseitig.“ Die Corona-Pandemie selbst ist das beste Beispiel dafür, wie sehr die Welt durch Globalisierung verbunden ist. Leider im negativen Sinne. Der Flügelschlag einer Fledermaus in China hat die Weltwirtschaft in die Knie gezwungen. Zunächst muss man jedoch unterscheiden zwischen den Problemen während der Krise und den Perspektiven für die Globalisierung danach. Dass während der Coronakrise der Welthandel unterbrochen wurde, heißt nicht, dass er auch künftig gestört sein wird. Oder dass es sinnvoll ist, ihn einzuschränken. Clemens Fuest ist seit April 2017 Präsident des ifo Instituts.

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Das Coronavirus war nicht besonders tödlich

Skeptiker weisen gerne darauf hin, das Bemerkenswerteste an der Covid-Krise sei, dass man aus etwas Gewöhnlichem eine globale Krise gemacht hätte. Egal, was man tut, Menschen sterben, und an Covid sterben dieselben Menschen, die normalerweise auch sterben – alte Menschen mit Vorerkrankungen. Adam Tooze nennt Beispiele: „In einem normalen Jahr sterben diese Menschen an Grippe und Lungenentzündung. Jenseits des privilegierten Kerns der reichen Welt sterben Millionen von Menschen an Infektionskrankheiten wie Malaria, Tuberkulose und HIV. Und trotzdem geht das Leben weiter.“ Das Coronavirus war, gemessen an den Maßstäben historischer Seuchen, nicht besonders tödlich. Was beispiellos war, war die Reaktion. Überall auf der Welt kam das öffentliche Leben zum Erliegen, genauso wie große Teile des Handels und des regulären Geschäftsverkehrs. Adam Tooze lehrt an der Columbia University und zählt zu den führenden Wirtschaftshistorikern der Gegenwart.

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Die Fortpflanzung ist ein genetischer Zwang

Eine Spezies nutzt grundsätzlich alle für sie geeigneten Ressourcen, um zu expandieren. Vermehrung und Ausbreitung enden erst, wen die Ressourcen erschöpft sind und der Umweltwiderstand zu groß wird. Dirk Steffens und Fritz Habekuss wissen: „Dabei ist Fortpflanzung keine Option, sondern ein genetischer Zwang. Soweit gilt das für alle Arten. Auch für Homo sapiens.“ Die Menschen sind in Sachen Vermehrung aber sogar außergewöhnlich erfolgreich. In seinem Buch „Das Ende der Evolution“ stellt der Evolutionsbiologe Matthias Glaubrecht fest: „Was uns von Schimpansen und Gorillas oder gar vom Orang-Utan trennt, und zwar um mehrere Größenordnungen, ist die Anzahl unseres Nachwuchses.“ In ihrem Buch „Über Leben“ erzählen der Moderator der Dokumentationsreihe „Terra X“ Dirk Steffens und Fritz Habekuss, der als Redakteur bei der „ZEIT“ arbeitet, von der Vielfalt der Natur und der Schönheit der Erde.

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Wolfgang Ischinger verbreitet Optimismus

Trotz der vielen Krisen überall auf der Welt, gibt es durchaus Grund zum Optimismus. Wolfgang Ischinger erläutert: „Denn nimmt man einmal ein wenig Abstand von den tagesaktuellen Nachrichten und versucht, das große Ganze in den Blick zu nehmen, bietet sich das Bild einer Menschheit, die immer friedlicher, aber auch gesünder und reicher geworden ist.“ Dieses Bild, so betonte der Harvard-Professor Steven Pinker immer wieder, zeigt, dass sich die Menschheit insgesamt in die richtige Richtung bewegt. Steven Pinkers Optimismus wird durch wichtige aktuelle Kennzahlen gestützt. Egal wie oft man in den Nachrichten von Kriegen und Kriegsopfern hört und liest, Fakt ist: Die globalen Opferzahlen sind in den Jahrzehnten seit dem Zweiten Weltkrieg deutlich zurückgegangen. Wolfgang Ischinger ist Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz und einer der renommiertesten deutschen Experten für Außen- und Sicherheitspolitik.

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Die scheinbar bedrohten Eliten schotten sich ab

Weltweit haben Sozialwissenschaftler in Studien herausgefunden, dass eine wesentliche Ursache für die Ausbreitung geschlossener Wohnformen das gesellschaftspolitische Klima in einer Region ist. Ernst-Dieter Lantermann erläutert: „Je tiefer die Kluft zwischen Arm und Reich und je engagierter in der Öffentlichkeit diese Spaltung diskutiert wird, umso häufiger werden Gated Communities errichtet.“ Für den Religionswissenschaftler Manfred Rolfes ist es keine Überraschung, wenn ein einem öffentlichen Diskurs, der zum einen Armut als Bedrohung kommuniziert, zum anderen den wachsenden Reichtum einer kleinen Minderheit zum Thema macht, Gated Communities gedeihen, in denen die Begüterten vor den ökonomisch und sozial Benachteiligten geschützt werden müssen. Für den Soziologen Ulrich Vogel-Sokolowsky sind Gated Communities Ausdruck einer wachsenden Polarisierung zwischen Arm und Reich auch in Deutschland. Ernst-Dieter Lantermann war von 1979 bis 2013 Professor für Persönlichkeits- und Sozialpsychologie an der Universität Kassel.

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Die Globalisierung löste eine Umverteilung aus

Die Globalisierung und neue Technologien wie Digitalisierung spalten laut Alexander Hagelüken den deutschen Arbeitsmarkt, schrumpfen die Mittelschicht und treiben die Einkommen auseinander. Die Globalisierung lässt Arbeitsplätze verschwinden wie beispielsweise jene in Schuhfabriken. Sie trifft Arbeitnehmer, die den gut ausgebildeten, aber trotzdem günstigen Asiaten oder Osteuropäern unterliegen. In Deutschland wirkte sich besonders der Fall des Eisernen Vorhangs aus, sagt Joachim Möller, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Bis zur Wende nahmen die Reallöhne nämlich zu. Dann kam die Konkurrenz, etwa tschechische Arbeiter, die anfangs ein Zehntel deutscher Löhne verdienten. Joachim Möller erklärt: „Es wurden Arbeitsplätze verlagert. Vor allem wirkte die Drohung mit der Verlagerung: Das reichte schon, um in Deutschland niedrige Löhne durchzusetzen. Das veränderte die Machtverhältnisse zugunsten der Arbeitgeber.“ Alexander Hagelüken ist als Leitender Redakteur der Süddeutschen Zeitung für Wirtschaftspolitik zuständig.

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Der Klimawandel erhöht die Zahl der Hungernden

Hoffnung und Wachstum in der Welt beruhen darauf, dass die heutige Globalisierung kein Nullsummenspiel mehr ist. Menschen und Gemeinschaften können sich mithilfe weltumspannender Handelsbeziehungen aus einem Leben in totaler Armut befreien. Nadav Eyal warnt: „Aber eine neue, dunkle Variante ist in die Gleichung eingedrungen.“ Die Länder im Norden ziehen beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf echten Nutzen aus der Erderwärmung. Obwohl sie diese selbst verursacht haben und weiter verursachen. Den Preis dafür zahlt fast ausschließlich der Süden. Der Klimawandel wird die Zahl der Hungernden in den nächsten Jahrzehnten um 10 bis 20 Prozent anschwellen lassen. Diese Warnung geht vom Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen aus. Bis 2050 könnten zusätzliche 1,7 Milliarden Menschen unter mangelnder Ernährungssicherheit leiden. Nadav Eyal ist einer der bekanntesten Journalisten Israels.

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Philipp Blom beschreibt die Revolte gegen die Moderne

Die Revolte gegen die Moderne kanalisiert soziale Ängste. Sie gießt sie in ein manichäisches Schema von Gut und Böse, Licht und Dunkel. Philipp Blom stellt fest: „Es ist die Veränderung selbst, die sie ablehnt, die sozialen und politischen Nebenwirkungen des technologischen Fortschritts.“ Sie will die Warenströme der Globalisierung ohne die Menschenströme. Sie will die technologischen Innovationen der Wissenschaft ohne ihre unbequemen Fakten. Die Moderne soll gezähmt werden. Sie soll Wohlstand ohne gesellschaftliche Veränderung schaffen. Man will zurück in Zeiten, in denen noch eine natürliche Ordnung herrschte. Damals konnten die Einheimischen noch selbst bestimmen. Das Land und seine Straßen gehörten noch ihnen. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford und lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

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Georg Simmel befasst sich als einer der Ersten mit der Armut

Armut ist die Hölle. Wenn Philipp Lepenies das behauptet, widerspricht kaum jemand. Wenn es um Armut, deren Beschreibung und Qualifizierung geht, sind es fast immer die von Armut nicht betroffenen, die sich ein Urteil darüber erlauben. Das ist für Philipp Lepenies ein ganz wichtiger Punkt, denn Armut ist kein alleinstehendes Phänomen von Individuen. Armut ist eingebunden in den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang. Armut in ihrer ganzen Tragweite kann man daher nur dann richtig erfassen, wenn man die Reaktion der Nichtbetroffenen auf Armut beleuchtet. Man kann schließlich nie arm und reich zugleich sein. Der deutsche Soziologe Georg Simmel hat sich am Anfang des 20. Jahrhunderts als einer der Ersten in seinem Aufsatz „Soziologie der Armut“ damit befasst, was eigentlich das Entscheidende an der Armut ist. Prof. Dr. Philipp Lepenies ist Gastprofessor für vergleichende Politikwissenschaft und Direktor des Forschungszentrums für Umweltpolitik an der Freien Universität Berlin.

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Der Hass ist umfassend und allgemein

Der Hass stellte eine negative Emotion dar, der sich auf das Ganze der Person konzentriert statt auf die einzelne Tat. Obgleich auch der Zorn auf eine Person gerichtet ist, liegt sein Focus auf der Tat, und wenn die Tat irgendwie aus der Welt geschafft wird, kann man erwarten, dass sich auch der Zorn verflüchtigt. Martha Nussbaum fügt hinzu: „Der Hass hingegen ist umfassend und allgemein, und wenn dabei Handlungen eine Rolle spielen, dann einfach deshalb, weil alles an der Person in einem negativen Licht gesehen wird.“ Aristoteles zufolge gibt es nur eine einzige Sache, die gegen den Hass hilft und ihn wirklich zur Ruhe kommen lässt: nämlich dass die Person zu existieren aufhört. Martha Nussbaum ist Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago. Sie ist eine der einflussreichsten Philosophinnen der Gegenwart.

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Das Grundgesetz sichert die Menschenwürde

Das gesamte Recht in Deutschland berücksichtigt die wichtigsten Grundwerte der Gesellschaft – Menschenwürde, Menschlichkeit und die Gleichheit aller. Jens Gnisa ergänzt: „Das Grundgesetz als oberstes Gesetz sichert das allen Bürgern zu. Jedes andere Gesetz hat diese Werte zu beachten, darüber wacht das Bundesverfassungsgericht.“ Auch die Behörden haben sie bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen, ebenfalls die Gerichte, wenn sie deshalb angerufen werden. Auf jeder dieser Stufen wird als die Menschenwürde streng beachtet. Den Vorstellungen des Rechts folgend, ist nach einer rechtskräftigen und abschließenden Entscheidung gar kein Platz mehr dafür, dass gesellschaftliche Gruppen diese Ergebnisse infrage stellen. Es ist gesetzt und soweit unantastbar. Dies gilt selbstverständlich auch im Ausländerrecht. Jens Gnisa ist Direktor des Amtsgerichts Bielefeld und seit 2016 Vorsitzender des Deutschen Richterbundes.

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Oscar Wilde besaß einen ungewöhnlichen Widerspruchsgeist

Der irische Schriftsteller Oscar Wilde studierte am Trinity College in Dublin und machte dann Furore in London. Er beschäftigte sich als extravaganter Ästhet intensiv mit Kunst. Er begeisterte sich dabei für die Kunst um ihrer selbst willen und betrachte sie zudem als eine verstecke Form des politischen Radikalismus. Terry Eagleton weiß: „Oscar Wilde war Salonlöwe und Homosexueller, Angehöriger der Oberklasse und Underdog, angesehener Bürger und Freier von Strichjungen, schamloser Bon Viveur und, nach eigenen Bekunden, Sozialist. Genauso vertraut, wie er mit den Lady Bracknells umging, verkehrte er auch in aufständischen Kreisen und zählte Revolutionäre wie William Morris und Peter Kropotkin zu seinen Freunden. Der Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker Terry Eagleton ist Professor für Englische Literatur an der University of Manchester und Fellow der British Academy.

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Demokratien brauchen Märkte

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurden das liberale Denken und die Marktwirtschaft zum Traumpaar der politischen und ökonomischen Theorie. Philipp Blom erläutert: „Der Gedanke, dass alle Menschen gleiche Rechte haben, dass Wissen besser ist als Ignoranz, dass Menschen einander tolerieren müssen, auch wenn sie unterschiedlicher Meinung sind, wurde auf einem Markt geboren.“ Händler müssen pragmatisch und nicht ideologisch urteilen, sie brauchen sachliche Informationen, die ihnen bei der Urteilsfindung helfen, Informationen, auf die sie Geld wetten können, ohne ruiniert zu werden. Die ersten Zeitungen entstanden im 16. Jahrhundert in Handelszentren, um Kaufleute darüber zu informieren, was bei ihren Handelspartnern geschah, welche Investitionen sicher waren. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford und lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

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