Computer-Logik generiert scheinbar Sicherheit

Rebekka Reinhard behauptet: „Wer die verblödete Vernunft über die Welt stülpt, sieht alles gestochen scharf.“ Sämtliche Widersprüche sind bereinigt. „Schlecht“ und „falsch“ stecken akkurat zusammengefaltet im dafür vorgesehenen Kästchen, „echt“ und „wahr“ im Kästchen gegenüber. Und das sind noch zwei für „männlich“ und „weiblich“. Alles klar. Computer-Logik macht glücklich und kennt keine Angst. Angst haben nur Leute, die sich von inneren Zuständen leiten lassen. Computer-Logik weiß, wie man Sicherheit generiert. Katastrophen sind wie Krisen: einfach irre Neuigkeiten, die zum Alltag gehören wie die neueste Dramaserie. So schlimm kann eine Kernschmelze nicht sein, wenn man Tschernobyl jetzt streamen kann. Oder? Solange sie entweder nicht mehr oder noch nicht da ist, ist Zeit für weitere Serienerlebnisse. Die Philosophin Rebekka Reinhard ist seit 2019 stellvertretende Chefredakteurin des Magazins „Hohe Luft“.

Weiterlesen

Künstliche Intelligenz kann Entscheidungen verbessern

Wenn Entscheidungen zu treffen sind, verwenden Experten meist weniger Informationen als Neulinge. Denn sie wissen, was relevant ist und ignorieren den Rest. Wenn einige Aspekte wichtiger sind als andere, halten sich Experten vorrangig an diese Merkmale und stützen ihre Entscheidung unter Umständen nur auf den wichtigsten Aspekt. Gerd Gigerenzers Forschungsteam hat diese Intuitionen in einfache Algorithmen programmiert, die effiziente Entscheidungsbäume heißen. Der Name bringt ihre rasche und ökonomische Logik zum Ausdruck. Gerd Gigerenzer weiß: „Psychologische Künstliche Intelligenz (KI) kann, wie im Fall von effizienten Entscheidungsbäumen, menschliche Entscheidungen fördern und verbessern.“ Im Gegensatz zu vielen komplexen Algorithmen ist psychologische KI transparent, was ihren Nutzern ermöglicht, einen Algorithmus zu verstehen und ihn an veränderte Situationen anzupassen. Gerd Gigerenzer ist ein weltweit renommierter Psychologe. Das Gottlieb Duttweiler Institut hat Gigerenzer als einen der hundert einflussreichsten Denker der Welt bezeichnet.

Weiterlesen

Dem Menschen ist seine Autonomie sehr wichtig

Die Freiheit wird auch heute noch immer hochgeschätzt. Immanuel Kant schrieb einst, dass man von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlich Gebrauch machen sollte. Aber um welche Freiheit geht es? Der amerikanische Informatiker und Künstler Jaron Lanier vergleicht moderne Menschen mit Wölfen. Wie kann das sein? Rebekka Reinhard antwortet: „Eigentlich ist der moderne, aus dem soliden Umfeld der Tradition gerissene Mensch doch ein unvergleichliches Individuum, eine Singularität. Dieser Mensch möchte kein skinnerisches Versuchstier sein. Autonomie ist ihm sehr wichtig.“ Die Computer-Logik dagegen übersetzt Vieldeutigkeit in Eindeutigkeit und kennt nur zwei Zustände: Entweder – Oder. So blitzschnell, dass sie wie aus Versehen ein Gleichheitszeichen zwischen „subjektiv“ und „objektiv“ setzt. Die Philosophin Rebekka Reinhard war, bis zur Einstellung der Zeitschrift, stellvertretende Chefredakteurin des Magazins „Hohe Luft“.

Weiterlesen

Die Smartphones arbeiten im Akkord

Computer-Logik ist ansteckend. Immer mehr Leute tröten ihre Entweder-Oder-Thesen heraus. Kaum versucht man, das Gesagte oder Gepostete zu verstehen, kaum hat sich ein Hauch von Ahnung in einem geformt, wird man auch schon wieder unterbrochen. Rebekka Reinhard erläutert: „Denn die Smartphones arbeiten im Akkord, produzieren Aktion und Reaktion am laufenden Band. Breaking News strukturieren den Alltag, auch wenn Sie nicht am Newsdesk einer Zeitungsredaktion sitzen.“ Schon wieder hat irgendwer irgendwas gesagt! Die Unterbrechung kommt ganz automatisch. Was sagt Markus Söder, was sagen Spiegel Online und Anne Will? Echt oder Fake, war oder falsch? Wer mithalten will, muss denken: hart, schnell und emotional. Für die geduldige, kritische hinterfragende Auseinandersetzung mit Fakten hat man längst eine virtuelle Gedenkstätte eingerichtet. Philosophin Rebekka Reinhard war, bis zur Einstellung der Zeitschrift, stellvertretende Chefredakteurin des Magazins „Hohe Luft“.

Weiterlesen

Algorithmen benötigen eine stabile Welt

Beim Online-Dating hat zwar jede Person ein Profil, aber das Profil ist nicht die Person. Gerd Gigerenzer weiß: „Die Menschen neigen dazu, ihre Profile zu schönen. Und selbst wenn sie gewissenhaft zu Werke gehen, wird das Profil nicht der Vielschichtigkeit eines Menschen gerecht.“ Allgemeiner kommt diese Erkenntnis im „Prinzip der stabilen Welt“ zum Ausdruck. Komplexe Algorithmen arbeiten am zuverlässigsten in wohldefinierten, stabilen Situationen, in denen große Datenmengen zur Verfügung stehen. Die menschliche Intelligenz dagegen hat sich entwickelt, um Ungewissheit zu bewältigen, unabhängig davon, ob Big oder Small Data vorliegen. Die Regeln von Schach oder Go sind wohldefiniert und insofern stabil, als sie heute und morgen gelten. Gerd Gigerenzer ist ein weltweit renommierter Psychologe. Das Gottlieb Duttweiler Institut hat Gigerenzer als einen der hundert einflussreichsten Denker der Welt bezeichnet.

Weiterlesen

Das Subjekt mutiert zum Objekt

Wer zu viele Fragen stellt, statt sich mit den verfügbaren Erklärungsvideos zufriedenzugeben, lebt riskant. Man verliert die Zeit, die andere nutzen, um als Erste abzuräumen. Man versäumt es, die Entweder-Oder-Taste zu drücken. Und dann? Rebekka Reinhard erläutert: „Dann steht der Erfolg, herausgerissen aus dem binären System, plötzlich als isolierte Größe da. Und es stellt sich heraus: Er repräsentiert nicht die Wahrheit, sondern die Lüge.“ Denn der Gewinn, den das vom Erfolgsheroismus infizierte, zum Objekt mutierte Subjekt einzuheimsen meint, zerrinnt ihm zwischen den Fingern. Klicks, Likes, Status, Reputation begründen keine reiche, sondern eine arme Existenz. Die Illusion eines guten Lebens. Die vermeintlichen Erfolgshelden rennen und rennen. Aber die Entwickler der Nullen-und-Einsen-Welt sind längst zehn Schritte weiter. Die Philosophin Rebekka Reinhard war bis zur Einstellung der Zeitschrift stellvertretende Chefredakteurin des Magazins „Hohe Luft“.

Weiterlesen

Herbert Simon war einer der Begründer der KI

Warum kann künstliche Intelligenz (KI) beim Schach gewinnen, aber nicht den passendsten Partner finden? Schließlich scheint das Ziel doch ähnlich zu sein. Man weist jedem Zug oder Kandidaten einen Wert zu und sucht dann den besten aus. Gerd Gigerenzer ergänzt: „Schachalgorithmen wie Deep Blue weisen den Milliarden mögliche Stellungen, die das System vorhersehen kann, Werte zu. Genauso wie Liebesalgorithmen Millionen von potenziellen Partnern Punkte zuordnen.“ Beim Schach klappt das wunderbar. Warum nicht auch in allen anderen Bereichen? Herbert Simon war einer der Begründer der Künstlichen Intelligenz. Und er war bislang der einzige Wissenschaftler, der sowohl den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften und den Turing Award – informell auch Nobelpreis für Informatik – erhalten hat. Gigerenzer ist ein weltweit renommierter Psychologe. Das Gottlieb Duttweiler Institut hat Gigerenzer als einen der hundert einflussreichsten Denker der Welt bezeichnet.

Weiterlesen

Zahlen versprechen die totale Eindeutigkeit

Computer-Logik hält Zahlen für das Maß aller Dinge. Denn Zahlen versprechen die totale Eindeutigkeit – und die totale Kontrolle. Dagegen ist der Standpunkt „Ich denke, also bin ich“ keiner, mit dem sich rechnen lässt. Die glasklare Eindeutigkeit liegt jenseits von Freiheit und Würde. Rebekka Reinhard schreibt: „Wenn man darauf konditioniert ist, nicht mehr zu wollen und nur noch zu müssen, funktioniert man perfekt. Man diszipliniert und konditioniert sich selbst.“ Der außengeleitete Menschentypus, den er amerikanische Soziologe David Riesman (1909 – 2002) Anfang der 1950er Jahre beschrieb, dominiert auch heute. Der Unterschied ist nur: Die „Außengeleiteten“ sehen sich nicht mehr nur als aktive Subjekte, die auf Wünsche und Erwartungen anderer reagieren, wie David Riesman meinte. Die Philosophin Rebekka Reinhard war bis zur Einstellung der Zeitschrift stellvertretende Chefredakteurin des Magazins „Hohe Luft“.

Weiterlesen

Es entwickelt sich eine neue Form des Rechnens

Die Französische Revolution wollte eine aristokratische Gesellschaft vernichten, die ein glanzvolles Leben geführt und Millionen für üppige Festbanketts ausgegeben hatte. Die Aristokraten kümmerten sich nicht im Mindesten darum, wenn die Bauern unter der Last maßloser Steuern verhungerten. Gerd Gigerenzer ergänzt: „Ein Nebeneffekt der Revolution war der Versuch, die Messsysteme rationaler zu gestalten: ein Dezimalsystem zur Messung von Gewicht, Länge und fast allem anderen einzuführen.“ Das neue System verlangte die Berechnung von logarithmischen und trigonometrischen Tabellen. Das war eine schwierige Aufgabe, die man bisher mathematischen Ausnahmetalenten überlassen hatte. Doch die Französische Revolution entwickelte auch eine neue Version des Rechnens. Gerd Gigerenzer ist ein weltweit renommierter Psychologe. Das Gottlieb Duttweiler Institut hat Gigerenzer als einen der hundert einflussreichsten Denker der Welt bezeichnet.

Weiterlesen

Digital ersetzt analog

Die zunächst analoge Entwicklung des Computers ging ganz urwüchsig aus dem mechanischen Weltbild und dem ihm innewohnenden Beschleunigungswahn hervor. Damit trat ein neues Prinzip mit der Räderwerkslogik in Konkurrenz. Die analoge Technik ersetzte man dann durch eine digitale Datenübertragung. Mit deren Hilfe können alle Informationen durch eine je eigene Kombination von nur zwei Zuständen beschrieben werden. Nämlich mit „ein“ und „aus“, anwesend und abwesend, 1 und 0. Damit eröffnete sich ein völlig neuer Horizont. Daniel Goeudevert stellt fest: „Mit diesem binären Zeichensystem wurde das Räderwerk praktisch obsolet.“ Man ersetze es durch die sehr viel einfachere und beliebig einsetzbare wie variable Lochkarte. Damit begann eine neue Zukunft. Daniel Goeudevert war Vorsitzender der deutschen Vorstände von Citroën, Renault und Ford sowie Mitglied des Konzernvorstands von VW.

Weiterlesen

Der Übersetzer muss die Originalsprache verstehen

Wer eine Fremdsprache verstehen möchte und sie nicht selbst beherrscht, braucht einen Übersetzer. Gerd Gigerenzer fügt hinzu: „Wenn ein Text aus einer Sprache in eine andere übertragen werden soll, muss ein Übersetzer die Originalsprache verstehen, aber einen besseren Zugang zur Zielsprache besitzen, um Redewendungen und Ironie ausdrücken zu können.“ Daher übersetzen professionelle Übersetzer in der Regel in ihre Muttersprache. Wie konstruiert man aber am besten eine Übersetzungsmaschine? Folgt man der psychologischen Künstlichen Intelligenz (KI), würde man professionelle Übersetzer und Linguisten in einem Raum versammeln. Dann würde man versuchen, ihre Intuitionen und Urteil in Regeln zu fassen, die sich in Software programmieren ließen. Gerd Gigerenzer ist ein weltweit renommierter Psychologe. Das Gottlieb Duttweiler Institut hat Gigerenzer als einen der hundert einflussreichsten Denker der Welt bezeichnet.

Weiterlesen

Johannes Gutenberg revolutioniert die Kommunikation

Mitten in Europa, in Mainz, liegt der Geburtsort des Buchdrucks. Johannes Gutenbergs Erfindung von beweglichen Lettern, ab 1450 angewandt, revolutionierte die Kommunikation. Sie veränderte die Lebenswelt der Menschen und breitete sich über die ganze Welt aus. Edgar Wolfrum stellt fest: „Gutenbergs Buchdruck kann mit Fug und Recht als eine der bedeutendsten Erfindungen der Menschheitsgeschichte des letzten Jahrtausend bezeichnet werden.“ Mit der rasanten Entwicklung des Internets scheint nun allerdings das Gutenberg-Zeitalter seinem Ende entgegenzugehen. Die neue Art der Informationsverbreitung und Kommunikation beruht auf der von Millionen von Computern. Viele bezeichnen sie bereits als „Turing-Galaxis“. Benannt nach einem der wichtigsten Wegbereiter der Computertechnologie, dem britischen Mathematiker Alan Turing (1912 – 1954). Edgar Wolfrum ist Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Heidelberg.

Weiterlesen

Effiziente Lösungen hängen von Interessen ab

Um es zu verstehen, muss man sich den Begriff eines Problems zunächst einmal genauer anschauen. Markus Gabriel definiert: „Ein Problem ist eine Aufgabe, die ein Akteur lösen will, um ein bestimmtes Ziel, also die Lösung, zu erreichen.“ Für jedes Problem gibt es verschiedene Lösungsstrategien, die man nach ihrer Effizienz ordnen kann. Doch schon da beginnt das Problem mit den Problemen. Denn was als effizient gilt, hängt von den Interessen ab. Der schnellste Weg, eine Lösung zu erreichen, ist nicht unbedingt intelligent, sondern nur, wenn Geschwindigkeit eine Rolle spielt. Es gibt also kein absolutes Effizienzkriterium. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

Weiterlesen

Glück und Pech liegen nahe beieinander

Glück und Pech sind Geschwister. Sie beide offenbaren, dass alle Ereignisse im Leben von Kräften mitbestimmt werden, die kein Mensch steuern kann. Dann gelingt selbst dann nicht, wenn man sich noch so sehr bemüht. Professor Scott Galloway von der Universität New York sagt: „Nichts ist so gut oder schlecht, wie es scheint.“ Morgan Housel rät: „Dies gilt es bei der Beurteilung von Erfolgen – eigenen wie fremden – zu beachten.“ Bill Gates besuchte eine der wenigen High-Schools dieser Welt, die seinerzeit über einen Computer verfügten. Er ist außerordentlich intelligent, enorm fleißig und sah schon als Teenager klarer voraus, wie es mit Computern weitergehen würde, als selbst erfahrene Manager der Branche es vermochten. Morgan Housel ist Partner bei der Risikokapitalgesellschaft The Collaborative Fund.

Weiterlesen

Die Digitalisierung ist eine Herausforderung

Im Zuge der digitalen Revolution erleben die Menschen heute einen öffentlichkeitswirksamen Bewusstseinswandel. Immer wieder liest man von den Herausforderungen der Digitalisierung und den Gefahren. Aber es gibt auch Hoffnungen, die mit dem technischen Fortschritt wie der künstlichen Intelligenz verbunden sind. Markus Gabriel ergänzt: „Aus unserer alltäglichen Erfahrung kennen wir den Eindruck einer zunehmenden gesellschaftlichen Beschleunigung.“ Das hängt sicherlich mit dem exponentiellen Wachstum der Rechenleistungen der Computer zusammen. In diesem Kontext wirkt „die These vom erweiterten Geist“ besonders plausibel. Sie besagt, dass die menschliche psychologische und mentale Wirklichkeit längst nicht mehr auf den Leib eines Menschen beschränkt ist. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

Weiterlesen

Die Ideale der Logik sind Konsistenz und Kohärenz

Die klassischen Ideale der Logik sind die Konsistenz und die Kohärenz. Ein Gedankensystem bzw. eine Theorie, ist konsistent, wenn in ihm weder ein expliziter Widerspruch vorkommt noch aus ihm ableitbar ist. Es ist außerdem kohärent, wenn die Teile sinnvoll zusammenhängen. Markus Gabriel ergänzt: „Beide Ideale werden durch die Entwicklungen der modernen Logik eingeschränkt beziehungsweise modifiziert.“ Seit dem 19. Jahrhundert ist die Einsicht bekannt, dass es kein Gesamtsystem aller Gedanken geben kann, das insgesamt konsistent und kohärent ist. Jedes Gedankensystem muss einige Gedanken ausschließen, um Stabilität herzustellen. Populär wurde dieser schon lange bekannte Umstand durch die Errungenschaften des Mathematikers Kurt Friedrich Gödel (1906 – 1978). Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

Weiterlesen

Die Technik ist mit sozialen Praktiken verknüpft

Wie in einer Gesellschaft gehandelt und gefühlt, wie produziert, geherrscht, kommuniziert und imaginiert wird, ist entscheidend von den Formen der Technik und Technologie beeinflusst, über die sie verfügt. Andreas Reckwitz schränkt ein: „Natürlich determiniert die Technik soziale Strukturen nicht in einem strengen Sinne.“ Vielmehr sind die technischen Artefakte immer mit sozialen Praktiken verknüpft, die sie sich auf eine spezifische Weise zu Eigen machen. Artefakte und Artefaktsysteme stellen materielle Angebotsstrukturen dar. Sie bieten einen Spielraum vielfältiger, aber nicht beliebiger Verwendungsweisen. Sie entwickelten sich vom Rad bis zur Schrift und Buchdruck. Die Entwicklung schreitet voran vom einfachen Werkzeug bis zur industriellen Produktion, von der Biotechnologie bis zur Computersoftware. Zu Recht gilt die moderne Gesellschaft im historischen Vergleich als eine genuin technische Kultur. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

Weiterlesen

Erfolge schlagen eine Schneise ins Chaos

Erfolg zu haben ist für fast alle Menschen eindeutig gut. Rebekka Reinhard stellt fest: „Wenn Sie erfolgreich sind, erscheint ihnen die Welt hell und freundlich. Jeder Ihrer Erfolge schlägt eine Schneise ins Chaos und gibt Ihnen das Gefühl, die Dinge im Griff zu haben.“ Dass man Erfolg will und gefälligst auch zu wollen hat, ist jedoch kein Naturgesetz. Der Wille zum Erfolg wächst erst aus den Gewohnheiten des Menschen, sich selbst zum Subjekt zu erklären und den Erfolg zum Subjekt. „Subjekt“ ist aktiv, „Objekt“ ist passiv – so scheint es jedenfalls. Das Subjekt macht sich Gedanken, entwirft einen Plan und strengt sich an, um das Objekt in Besitz zu nehmen. Die Philosophin Rebekka Reinhard ist seit 2019 stellvertretende Chefredakteurin des Magazins „Hohe Luft“.

Weiterlesen

Das Computernetz wird singularisiert

Im digitalen Computernetz werden nicht nur Subjekte, sondern auch Objekte und Dinge singularisiert. Und zwar auf zwei Wegen. Entweder geschieht das maschinell-algorithmisch oder durch die Subjekte mit Hilfe der digitalen Instrumente. Andreas Reckwitz erläutert: „Das wichtigste Beispiel für den ersten Weg ist das, was häufig unter der Überschrift >Personalisierung des Internets< verhandelt wird. Der zweite Weg ergibt sich vor allem als ein Effekt der Handhabung der Software, der >Softwarisierung< der Objekte.“ Im ersten Fall handelt es sich bei den Objekten um das Insgesamt des Netzes, wie es sich dem Nutzer darbietet. Im letzteren Fall geht es um einzelne digitale Objekte – Texte, Bilder etc. – oder auch materielle Dinge. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

Weiterlesen

Elon Musk hat immer ambitionierte Ziele

Der amerikanische Unternehmer Elon Musk sagt: „Es geht mir nicht darum, Geld zu verdienen, sondern darum, die Probleme der Menschheit zu lösen.“ Elon Musk ist für seine ambitionierten Ziele bekannt. Und es ist überhaupt nicht auszuschließen, dass es ihm damit ernst ist. Daniel Goeudevert stellt fest: „Als Mitbegründer von PayPal revolutionierte er den US-amerikanischen Zahlungsverkehr.“ Damit wirbelte er als Branchenfremder das Geschäftsmodell der Banken gehörig durcheinander. Diese hatten vor allem den Internethandel verschlafen. Als Gründer und Eigner des Raumfahrtunternehmens SpaceX führte er seine Firma in wenigen Jahren an die Spitze der internationalen Raumfahrtindustrie. SpaceX ist heute ein bedeutender Versorger der Raumstation ISS und weltweiter Marktführer bei Satellitenstarts. Daniel Goeudevert war Vorsitzender der deutschen Vorstände von Citroën, Renault und Ford sowie Mitglied des Konzernvorstands von VW.

Weiterlesen

Im Internet wird jeder beobachtet

Auf Facebook zum Beispiel beobachten sich die Netz-Subjekte gegenseitig. „Hinter ihrem Rücken“ ist jedoch noch eine andere Singularisierung am Werk. Sie ist rein maschinell und das Resultat der Beobachtung der Menschen durch das digitale Computernetz. Andreas Reckwitz ergänzt: „Dieses avanciert so zum algorithmischen Beobachtungssystem, das Subjekte in ihrer Besonderheit zu begreifen versucht.“ Beobachtung bedeutet hier nicht Überwachung, sondern allgemein, dass Systeme ihre Umwelt beobachten. Dort unterscheiden sie Phänomene und bezeichnen sie. Die digitalen Verfahren, die hier zum Einsatz kommen, sind apparative Systeme der Beobachtung. Dazu zählt Andreas Reckwitz beispielsweise „data analytics“ bei Facebook oder Google oder Self-Tracking-Geräte, die am Körper getragen werden. Sie prozessieren nicht Informationen oder Sinnzusammenhänge, sondern Daten, und zwar in erheblichem Ausmaß: Big Data. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

Weiterlesen

Die Menschen waren das „Andere der Natur“

Es ist für Richard David Precht faszinierend zu sehen, wie das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz (KI) die Philosophie zwingt, den Menschen ganz neu zu sehen. Oder wie es der amerikanische Nobelpreisträger Herbert A. Simon bereits 1977 formulierte: „Die wahrscheinlich wichtigste Frage über den Computer ist, was er mit dem menschliche Selbstverständnis und seinem Platz im Universum getan hat und weiterhin tun wird.“ Zweieinhalbtausend Jahre lang waren die Menschen der westlichen Kultur ihrem Selbstverständnis nach das „Andere der Natur“. Beseelt vom göttlichen Logos, der ihnen Vernunft, Urteilsfähigkeit und Sprache schenkte, setzten sie sich die Pflanzen und Tiere als das Triviale entgegen. Der Logos schenkte ihnen die Teilhabe an einer höheren Sphäre des Seins. Diese ist größer als der Mensch selbst. Der Philosoph, Publizist und Autor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

Weiterlesen

Im Silicon Valley herrscht wenig Menschenkenntnis

Was die digitale Technik bringt, kann sowohl ein Rückschritt als auch ein Fortschritt sein. Richard David Precht kennt die Gefahren des kulturellen Rückschritts: „Viele visionären Ideen, die aus dem Silicon Valley kommen, sind bei näherer Hinsicht keine. Nicht wenigen mangelt es an Menschenkenntnis.“ Und ersonnen wird, was die Technologie hergibt, und nicht, was viele Menschen oder die Gesellschaft dringend brauchen. Vieles, was sich technisch perfektionieren lässt, muss und sollte gar nicht perfektioniert werden. Jedenfalls nicht, ohne damit Folgen zu produzieren, die niemand im Sinn hat und keiner tragen will. Wenn alles effizient und perfekt optimiert ist, lässt sich nichts mehr verändern oder variieren, ohne die Dinge weniger effizient zu machen. Der Philosoph, Publizist und Autor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

Weiterlesen

Künstliche Intelligenz hat nichts mit Vernunft zu tun

Richard David Precht fragt sich in seinem neuen Buch „Künstliche Intelligenz und der Sinn des Lebens“ was die Künstliche Intelligenz mit dem persönlichen Selbst- und Menschenbild macht. Es geht dabei um die Frage eines zukünftigen Menschseins und Selbstverwirklichung in einer immer technisierteren Welt. In Zukunft greift die Automation selbsttätig in das menschliche Leben ein. Richard David Precht stellt und beantwortet folgende Fragen: „Was bedeutet das für uns? Welcher Sinn wird dadurch gestiftet und welcher genommen? Und vor allem: Welche Grenzen müssen wir ziehen, damit unsere Zukunft tatsächlich human wird?“ Die Künstliche Intelligenz (KI) hat für Richard David Precht zwar einiges mit Intelligenz zu tun, aber kaum etwas mit Verstand und nicht entfernt etwas mit Vernunft. Der Philosoph, Publizist und Autor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

Weiterlesen

Computer lösen keine Aufgaben durch Klugheit

Computer sind noch weit davon entfernt, das zu können, was Menschen können. Der Menschheit bleiben immer noch einige Jahrzehnte, bis die künstliche Intelligenz an die der Menschen heranreichen könnte. Timothy Garton Ash stellt fest: „Viel grundsätzlicher aber müssen wir uns fragen, was wir wollen, was Computer tun – nicht, was sie tun können.“ Der Computerwissenschaftler Joseph Weizenbaum, der das sprechende Computerprogramm „Eliza“ entwickelt hat, schreibt in seinem später verfassten Buch „Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft“. Die Grenzen dessen, was Menschen von Computern erwarten, sind nach ethischen und nicht nach technischen oder mathematischen Gesichtspunkten zu ziehen. Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.

Weiterlesen