Die Bürgerbeteiligung in einer Demokratie ist begrenzt

Eine so genannte Expertenregierung wie in Italien unter der Führung des Wirtschaftsprofessors Mario Monti wird es in Griechenland nicht geben. In Italien soll sie die Politik des Sparens durchsetzen und so die Finanzen des Staates konsolidieren. Doch Armin Nassehi, Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Herausgeber der Zeitschrift „Kursbuch“ hat große Zweifel am Erfolg dieser Bemühungen. Er behauptet: „An der Dynamik der Krise hat das wenig geändert, wie die Herabstufung mehrerer italienischer Banken durch Moodys vor wenigen Tagen gezeigt hat. Diese Dynamik besteht darin, dass die Sparpolitik jene Rezession begünstigt, die sie selbst verhindern soll – weil ihre Sparprogramme die Nachfrage schwächen.“

Die Demokratie lebt von einem Kreislauf der Macht

Schon der Begriff der Expertenregierung weist laut Armin Nassehi auf eine merkwürdige Schieflage hin. Wenn nach einer Wahl in politischen Krisenzeiten statt der gewählten Volksvertreter eine Expertenregierung die Amtsgeschäfte führen soll, verweist dies seiner Meinung nach auf ein grundlegendes Legitimationsproblem der Politik. Armin Nassehi erklärt: „Die Demokratie lebt von einem Machtkreislauf, der eine eigentümliche Abhängigkeit des Staates vom Volk bewirkt. Loyalität, also Wählerstimmen, werden gegen verstehbare Entscheidungen und entsprechende Ordnungsleistungen getauscht.“

Gelungen ist für Armin Nassehi dieser Tausch dann, wenn auch jene Bürger, die nicht der Mehrheit angehören, die Entscheidungen des Staates mittragen, da dies dem politischen System Stabilität verleiht und Entscheidungen durchsetzbar macht. Armin Nassehi fügt hinzu: „Was die Entscheidung legitimiert, ist mehr die politische Logik der Gefolgschaft und des Vertrauens und weniger die Expertise und das alternativlose Wissen.“ Durch ihre gewählten Vertreter hat das Volk Anteil an den politischen Entscheidungen und kann nach Fehlern seine Entscheidungen korrigieren.

Wahlen binden Politik und Publikum aneinander

Wo dieses Demokratiesystem nicht funktioniert, entwickelt sich die Idee einer Expertenregierung, da das Expertentum in einer Krise als Garant für klare und eindeutige Lösungen gilt. Auch von einer zweiten Idee zur Lösung einer Krise hält Armin Nassehi nichts. Er sagt: „Wer nicht nach Experten ruft, ruft nach Partizipation – aber ebenso wie Expertise ist Partizipation mehr eine Problemformel als eine Lösung. Denn ein erfolgreiches politisches Gemeinwesen ist auf ein Vertrauensverhältnis zwischen Staat und Gesellschaft angewiesen, das ohne die Zumutung permanenter und unmittelbarer Beteiligung auskommt.“

Laut Armin Nassehi ist die Partizipation der Bürger in einer Demokratie, neben der Teilnahme und Beobachtung von politischen Debatten, letztlich auf punktuelle Ereignisse begrenzt, vor allem auf Wahlen. Sie verschränken das Publikum und die Politik miteinander. Armin Nassehi erläutert die Funktion von Wahlen: „Wahlen vermögen im besten Fall, Partizipation für beide Seiten handhabbar zu machen, ohne dass über jeden einzelnen inhaltlichen Punkt kollektiv entschieden werden müsste.“

Von Hans Klumbies