Das deutsche Steuersystem ist ungerecht

Wie kann es sein, dass in einem so reichen Land wie Deutschland so viele Menschen nur wenig oder gar keine Ersparnisse bilden können? Marcel Fratzscher nennt zentrale Gründe: „Der erste zentrale ist die Einkommensungleichheit. Denn nicht nur bei den Vermögen, sondern auch bei den Einkommen ist die Schere in den letzten dreißig Jahren weiter auseinandergegangen.“ Die einkommensschwächsten 20 Prozent der Bevölkerung haben vom allgemeinen Anstieg der Einkommen nicht profitiert. Sie gingen leer aus. Noch schlimmer: Betrachtet man nur die letzten beiden Jahrzehnte, dann muss diese Gruppe sogar fallende reale Einkommen hinnehmen. Das hat Auswirkungen. Wenn Einkommen stagnieren oder sogar fallen, dann versuchen Menschen als Erstes, ihren Lebensstandard zu sichern. Marcel Fratzscher ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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2003 waren 4,8 Millionen Menschen arbeitslos

Edgar Wolfrum stellt fest: „Am Vorabend der Agenda 2010 war die Wirklichkeit alarmierend.“ Im November 2002 musste man die Beitragssätze der Gesetzlichen Rentenversicherung von 19,1 Prozent auf 19,4 Prozent erhöhen. Und in das neue Jahr 2003 ging Deutschland mit erheblichen Hypotheken. Die Zahl der Arbeitslosen erreichte zum Jahreswechsel einen neuen Rekord von 4,8 Millionen Menschen. Gleichzeitig war das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2002 nur um 0,2 Prozent gestiegen. Und das Haushaltsdefizit lag mit 3,6 Prozent deutlich über den im EU-Stabilitätspakt erlaubten 3 Prozent. Die Kassen der Sozialversicherungen waren gähnend leer. Überall leuchteten die Alarmlampen auf Rot. Zum Teil erklärten sich die wirtschaftlichen Probleme aus der schlechten konjunkturellen Lage. Edgar Wolfrum ist Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Heidelberg.

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Die AfD baut ihren Erfolg auf einem schlichten Nein auf

In den Landesparlamenten Deutschlands macht sich eine Partei breit, die ihren Erfolg auf einem schlichten Nein aufbaut. Als den Deutschen die Rettung des Euro zu teuer vorkam, rief sie: „Nein zum Euro!“ Seit die Eurokrise abebbte und eine Million Migranten ins Land kamen, schreit sie: „Nein zu Flüchtlingen!“ Seit der Flüchtlingsstrom kleiner wird und Islamisten Anschläge verüben, brüllt sie: „Nein zum Islam!“ Alexander Hagelüken ergänzt: „Und bei alldem tönt ein Nein zum System mit, zu den etablierten Parteien, zur vermeintlichen Lügenpresse.“ Die vermeintliche Alternative für Deutschland (AfD) zog seit 2014 bei allen zehn Landtagswahlen ins Parlament ein. Bei den fünf Landtagswahlen 2016 erzielte sie zwischen zwölfeinhalb Prozent und einem gewaltigen Viertel der Stimmen. Alexander Hagelüken ist als Leitender Redakteur der Süddeutschen Zeitung für Wirtschaftspolitik zuständig.

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Unterschiedlichste Interessen begleiteten die Einführung des Euro

Bei der Gründung der Europäischen Währungsunion haben sich nicht nur Politiker, sondern auch Zentralbanker und Finanzfachleute verrechnet. Sie gingen von der irrigen Annahme aus, man könne zunächst elf, dann siebzehn, später sogar achtzehn Nationalstaaten in einem System fester unveränderlicher Wechselkurse vereinen und die negativen Folgewirkungen durch kluge Arrangements der Institutionen im Griff behalten. Dominik Geppert kritisiert: „Dem stand von Anfang an die Tatsache entgegen, dass die Mitgliedsstaaten der Währungsunion sich in ihren kulturellen und politischen Traditionen, in den vorherrschenden Mentalitäten und Denkweisen gewaltig voneinander unterschieden.“ Außerdem besaßen die Länder verschiedene Verwaltungs-, Steuer- und Sozialsysteme. Auch bei der Ausgestaltung des Arbeitsmarktes wichen sie stark voneinander ab. Dominik Geppert ist sein 2010 ordentlicher Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn.

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Der langsame wirtschaftliche Abstieg des Westens

Fast jede westliche Industrienation wird inzwischen von einer Schuldenkrise gequält. Für den Historiker Niall Ferguson, der in Harvard Geschichte lehrt und das Buch „Der Westen und der Rest der Welt“ geschrieben hat, ist das der Anfang vom Ende der westlichen Vorherrschaft auf der Welt. Was seiner Meinung nach aber nicht nur an den übermäßigen Staatsschulden liegt. Niall Ferguson erklärt: „Und diese Schuldenkrise ist auch keine Folge der Finanzkrise. Sie wäre sowieso gekommen, weil die Staaten überaltern und ihre Wohlfahrtssysteme nicht mehr bezahlen können. Der EU-Gipfel hat diese Probleme nicht gelöst.“ Der Westen kann laut Niall Ferguson seine Schuldenkrise auf drei Wegen in den Griff bekommen: die erste Variante wäre dabei eine radikale Reform der Wohlfahrtsstaaten und der Steuersysteme, um mehr Geld in die Staatskassen hereinzuholen.

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Paul Kirchhof fordert ein gerechteres Steuerrecht

Der frühere Bundesverfassungsrichter und Steuerrechtler Paul Kirchhof fordert die Politiker auf, bei der Rettung des Euro und somit der Europäischen Währungsunion nicht nur an einer kleinen Schraube zu drehen, sondern sich mit Kühnheit, Mut und Entschlossenheit für ein großes Erneuerungswerk einzusetzen. Zudem beklagt er die aktuelle Ungerechtigkeit bei der Rettung des Euro und sagt: „Wir werden aufgefordert, Solidarität mit Griechenland zu üben. Aber im Kern üben wir Solidarität mit dem Finanzmarkt.“ Und dies, obwohl jener für den Normalbürger völlig undurchsichtig ist. Im Moment muss der Staat laut Paul Kirchhof allerdings dieses marode System finanzieren, um die Stabilität des Augenblicks zu bewahren. Tragisch ist es seiner Meinung nach, dass der Staat dafür noch nicht einmal auf Steuergelder zurückgreifen kann, sondern dafür neue Kredite auf dem Finanzmarkt aufnehmen und dafür Zinsen bezahlen muss. Dieses System muss eines Tages zusammenbrechen.

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