Neid kann zu Mord und Totschlag führen

Am Anfang der Kulturgeschichte des Neides waren zwei Brüder und ein Mord. Man kennt die Geschichte aus dem Alten Testament. Bettina Schulte erklärt: „Die Söhne von Adam und Eva waren die Brüder Kain und Abel. Beide brachten Jahwe ein Opfer. Doch Gott wies die Opfer von Kain, dem Älteren, dem Ackerbauern, zurück, während ihm die von Abel, dem Schafhirten, wohlgefällig war.“ Kann Gott ungerecht sein? Seit Ratschlüsse sind nicht nur im Buch „Genesis“ unergründlich. Kain fühlt sich jedenfalls zu Unrecht zurückgesetzt, benachteiligt, der Gunst, der Zuwendung des Vaters beraubt. Und sein Hass richtet sich gegen den, der ihm vorgezogen wurde, der über etwas verfügt, das er nicht hat: die Gnade des Herrn. Die Kulturjournalistin Bettina Schulte promovierte über Heinrich von Kleist und war mehr als zwanzig Jahre leitende Redakteurin im Feuilleton der Badischen Zeitung.

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Humanisten betrachteten das Mittelalter als dunkles Zeitalter

Peter Burke weiß: „Im Arabischen heißt die vorislamische Epoche das „Zeitalter der Unwissenheit“. In der Renaissance bezeichneten die Humanisten das von ihnen erstmals als solches abgegrenzte Mittelalter als dunkles Zeitalter.“ Im 17. Jahrhundert nannte Lord Clarendon, der Historiker des englischen Bürgerkrieges, die Kirchenväter „helle Lichter, die in sehr dunklen Zeiten aufschienen, Zeiten voller Barbarei und Unwissenheit“. In der Aufklärung wurde Unwissenheit als Stütze des Despotismus, Fanatismus und Aberglaubens angeführt, die in einem Zeitalter des Wissens und der Vernunft allesamt hinweggefegt würden. George Washington meinte zum Beispiel, „die Fundamente unseres Reiches“ seinen „nicht im düsteren Zeitalter der Unwissenheit und des Aberglaubens gelegt worden“. Sechzehn Jahre lehrte Peter Burke an der School of European Studies der University of Sussex. Im Jahr 1978 wechselte er als Professor für Kulturgeschichte nach Cambridge ans Emmanuel College und ist inzwischen emeritiert.

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An den Fürstenhöfen Italiens entfaltete sich eine erotische Kultur

Katholische Sexualmoral gilt weltweit als verklemmt. Doch das war nicht immer so. Papst Alexander VI. (1492 – 1503) hatte mehr als ein Dutzend leibliche Nachkommen; den letzten zeugte er siebzigjährig während seines Pontifikats. Volker Reinhard erklärt: „Zu dieses Zeit lebten viele Kardinäle mit ihren Mätressen in eheähnlichen Gemeinschaften zusammen. Für diejenigen, die mehr Abwechslung liebten, standen in den größeren Städten Kurtisanen mit einem breiten Spektrum an Dienstleistungen bereit.“ In diesem Klima konnte sich an den Fürstenhöfen Italiens eine erotische Kultur entfalten, die mit der Katholischen Reform ab etwa 1550 zurückgedrängt und überdeckt wurde. Ihre eindrucksvollsten Zeugnisse haben sich im Palazzo del Tè erhalten, den der große Allroundkünstler Giulio Romano ab 1525 für den Marktgrafen von Mantua errichtete und mit Fresken verzierte. Volker Reinhardt ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg. Er gehört international zu den führenden Italien-Historikern.

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Reiche Gesellschaften konnten sich spezialisierte Denker leisten

Von Anbeginn der Gesellschaft gab es eine Welt und viele Menschen. Eine Welt, in der die Menschen einer Vielzahl von Ereignissen ausgesetzt waren. Von diesen waren viele unerklärlich, manche gar Wunder. Ille C. Gebeshuber ergänzt: „Die Menschen suchten die rätselhaften Ereignisse und Abläufe zu erklären und stellten eine höhere Macht in den Mittelpunkt – Gott. Seine Taten und Absichten spiegelten sich vermeintlich in den Mysterien des Lebens wider.“ Doch mit der Zeit nahm der Reichtum der Menschheit zu. Daher konnte sie sich spezialisierte Denker, die Wissen ansammelten, leisten. Ausgehend von diesem Wissen erkannte man, dass die Natur sehr präzisen Gesetzen gehorchte. Das Unlogische, das Wundersame war mit einem Mal logisch. Man wusste von der Natur und stellte von nun an diese in den Mittelpunk. Ille C. Gebeshuber ist Professorin für Physik an der Technischen Universität Wien.

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Europa ist immer es selbst geblieben

Es gibt wohl keinen zweiten Kontinent, der so oft seine Haut gewechselt hat wie Europa und gerade dadurch immer er selbst geblieben ist. Der Blutgeruch der Revolution war noch nicht verflogen, da begann die Blaue Blume der Romantik zu erblühen. Jürgen Wertheimer ergänzt: „Und während deren Dichter und Künstler schwärmerisch die Mythen aus grauer Vorzeit besangen, hatte – nicht nur in England – bereits das industrielle Zeitalter mit Massenproduktion und der Mechanisierung der Arbeit Einzug gehalten.“ Maschinenparks und Menschenmassen auf der einen, der Traum vom Individuum und seiner Autonomie auf der anderen Seite. Und all dies nahezu simultan und zum Teil ineinander übergehend. Auch wenn man sich daran gewöhnt hat, in mehr oder weniger säuberlich voneinander getrennten Epochen und Perioden zu denken. Die Wirklichkeit sieht wesentlich komplizierter aus. Jürgen Wertheimer ist seit 1991 Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Komparatistik in Tübingen.

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Menschen sind unersättlich neugierig

Nichts beschäftigt den Menschen – seit grauer Vorzeit und bis in die Gegenwart – mehr als Fragen der zwischenmenschlichen Interaktion und Kommunikation. Matthias Glaubrecht erläutert: „Von den ersten schriftlichen Dokumenten und antiken Dossiers über die Briefkorrespondenz, von den Anfängen der Erzählung über Romane bis zum Smartphone dominiert das soziale Mit- und oft genug Gegeneinander unsere menschliche Kultur.“ Immer ging und geht es um die Frage: Wer macht was mit wem? Die Menschheit ist eine unersättlich neugierige Spezies, sofern es dabei um die eigene Person geht und um Menschen, die man kennt oder gerne kennenlernen würde. Menschen sind ewige Smartphoner und waren es bereits, lange bevor sie dazu die neuesten technischen und medialen Möglichkeiten entwickelt hatten. Matthias Glaubrecht ist Evolutionsbiologe, Systematiker und Wissenschaftshistoriker.

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Deutschland verwandelte sich in eine Trümmerlandschaft

Zwischen 1570 und 1648 verwandelten sich die deutschen Lande von einem Ort blühender Gelehrsamkeit in eine trostlose Trümmerlandschaft. Helmut Walser Smith erläutert: „In den Annalen der Geschichte gibt es kaum einen solchen Niedergang. Vergleichbar höchstens mit der Pest des 14. Jahrhunderts, als Mitteleuropa mehr als ein Jahrhundert brauchte, um sich von dieser Katastrophe zu erholen.“ Denkbar ist auch ein Vergleich mit den Staaten Mittel- und Osteuropas in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, das damals nach Ansicht vieler Historiker von einem zweiten Dreißigjährigen Krieg heimgesucht wurde. Tatsächlich sind Vergleiche zwischen dem ersten und dem sogenannten zweiten Dreißigjährigen Krieg aufschlussreich. Zwar unterscheiden sich die Bevölkerungsschätzungen für das 17. Jahrhundert. Helmut Walser Smith lehrt Geschichte an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee.

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Vor 60.000 Jahren hat sich ein „großer Sprung vorwärts“ vollzogen

Die meisten Anthropologen waren der Überzeugung, der Übergang zu „modernen“ Verhaltensweisen habe bei unseren Vorfahren relativ spät stattgefunden. James Suzman erklärt: „Es herrschte die Ansicht vor, der frühe Homo sapiens habe bis vor rund 50.000 Jahren auf der „falschen Seite“ einer wichtigen kognitiven Entwicklungsschwelle gestanden; es haben ihm insbesondere die Fähigkeit gefehlt, sich Gedanken über die Mysterien des Lebens zu machen.“ Denn sie verehrten keine Götter und verfluchten keine bösen Geister, sie erzählten keine lustigen Geschichten und malten keine ordentlichen Bilder. Vor dem Wegdämmern in einen traumerfüllten Schlaf dachten sie nicht über die Ereignisse des verflossenen Tages nach, sangen keine Liebeslieber und drückten sich nicht mit schlauen Ausreden um die Erledigung einer Aufgabe. James Suzman ist Direktor des anthropologischen Thinktanks Anthropos und Fellow am Robinson Collage der Cambridge University.

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Nach dem Zweiten Weltkrieg hat eine moralische Revolution eingesetzt

Vor allem nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat die Welt eine unvorstellbare moralische Revolution erlebt, eine Erfolgsgeschichte des Guten, von der Umsetzung der Menschenrechte bis hin zur Verbreitung von Demokratie und Freiheit. Philipp Hübl fügt hinzu: „Gleichzeitig sind Krieg, Gewalt, Krankheiten, Armut und Hunger dramatisch zurückgegangen, was innerhalb eines Jahrhunderts zu einer Verdopplung der Lebenserwartung weltweit von etwa 35 Jahren auf über 70 Jahre geführt hat.“ Noch um das Jahr 1900 war die weltweite Kindersterblichkeit so hoch, dass fast jedes zweite Kind das fünfte Lebensjahr nicht erreichte. Heute sterben zwar immer noch vier Prozent aller Kinder, aber das ist weniger als ein Zehntel des ursprünglichen Anteils. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).

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Wahrsagemethoden sollen Ungewissheiten kontrollieren

Der Versuch, die Zukunft vorherzusagen, hilft Menschen gefühlsmäßig, deren Ungewissheiten zu kontrollieren, ihre Erwartungen zu steuern und wichtige Entscheidungen zu treffen. Kit Yates erklärt: „Vorhersagen zu treffen, selbst wenn es keinerlei verlässliche Anhaltspunkte gibt, ist ein natürliches menschliches Bedürfnis – ein Bauchgefühl, ein Instinkt. Seit Jahrtausenden benutzen wir zu diesem Zweck eine Vielzahl bizarre und unwissenschaftlicher Methoden, von denen offensichtlich keine zuverlässiger ist als die andere.“ In der Regel sahen unsere Vorfahren in ihren verschiedenen Wahrsagemethoden eine Möglichkeit, den Willen ihres Gottes oder ihrer Götter zu deuten. Bereits seit dem 10. Jahrhundert v. Chr. benutzten die alten Chinesen eine Wahrsageschrift, das „I Ging – Das Buch der Wandlungen“, um mit dessen Hilfe die „göttliche Wahrheit“ zu enthüllen. Kit Yates lehr an der Fakultät für mathematische Wissenschaften und is Co-Direktor des Zentrums für mathematische Biologie der University of Bath.

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Gärten changieren zwischen Wildnis und Zähmung

Die Philosophie der Gärten füllt Bibliotheken zwischen Japan und England. Sie stellt von Anfang an die Frage, ob es neben der Unterwerfung nicht auch ein kollaboratives Formen und Weiterdenken von Möglichkeiten natürlicher Gestaltung geben könne. Philipp Blom stellt fest: „Im Garten war immer schon die Spannung zwischen Wildnis und Zähmung präsent.“ Im europäischen Mittelalter entstand daraus der „Hortus conclusus“. Nämlich der umhegte Ort, an dem die Jungfrau und das Einhorn in mystischer Eintracht leben. Es handelt sich dabei um einen organisierten Raum, der allegorisch alle Ordnungen der Schöpfung abbilden soll und dessen Pflanzen eine eigene symbolische Sprache sprechen. Der Gegensatz von Natur und Kultur fand seinen Ausdruck in dieser Praxis. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford. Er lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

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Armut war kollektiv vorhanden und strukturell bedingt

Die im Umfeld der sozialen Frage erzeugten Energien fanden ihren Weg zurück in die Politik. Die von Friedrich Engels in „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ aufgestellten Thesen prägten maßgeblich das „Kommunistische Manifest“, das er gemeinsam mit Karl Marx verfasste. Christopher Clark erklärt: „Armut war keineswegs ein neues Phänomen. Aber der „Pauperismus“ zu Beginn des 19. Jahrhunderts unterschied sich von den hergebrachten Formen der Armut. Die Abstraktheit der neuen Wortschöpfung gibt trefflich wieder, was als die systematische Eigenart des Phänomens angesehen wurde.“ Es war kollektiv und strukturell bedingt, hing nicht von individuellen Eventualitäten wir Krankheit, Todesfällen, Verwundung oder Missernten ab. Christopher Clark lehrt als Professor für Neuere Europäische Geschichte am St. Catharine’s College in Cambridge. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Geschichte Preußens.

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Immanuel Kant interessiere sich keinesfalls nur für Philosophie

Eine äußerst bemerkenswerte Ansammlung von Universalgelehrten im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert fand sich in Deutschland, einer Kulturnation, die seinerzeit noch kein Nationalstaat war. Peter Burke nennt ein Beispiel: „Der Schweizer Albrecht von Haller, Professor für Medizin, Anatomie und Botanik in Göttingen, war auch als Literaturkritiker, Dichter und Romancier aktiv.“ Immanuel Kant könnte ebenfalls mit einbezogen werden, da sich seine Interessen keineswegs auf Philosophie beschränkten. Was man heute als Psychologie und Anthropologie bezeichnet – Disziplinen, zu denen er Beiträge lieferte – bildete zu seiner Zeit zwar noch einen Teil der Philosophie, doch Kant schrieb zudem über Kosmologie und physische Geographie. Sechzehn Jahre lehrte Peter Burke an der School of European Studies der University of Sussex. Im Jahr 1978 wechselte er als Professor für Kulturgeschichte nach Cambridge ans Emmanuel College.

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Die „soziale Frage“ war eingebettet in eine Studienkultur

Es war die Literatur, di unter dem Schlagwort „soziale Frage“ bekannt wurde. Christopher Clark erläutert: „In ihr verschmolzen amtliche Berichte, in Auftrag gegebene Studien, preisgekrönte Aufsätze, Journalismus und Genretexte miteinander und beeinflussten sich gegenseitig.“ Das Ganze war eingebettet in eine „Studienkultur“ Mitte des 19. Jahrhunderts in Europa. Bei der sozialen Frage handelte es sich in Wirklichkeit jedoch um ein Bündel unzähliger Fragen zur allgemeinen Gesundheit und Gefahr der Ansteckung, zu Berufskrankheiten, zum Verlust des sozialen Zusammenhalts, zu den Auswirkungen der Industrialisierung, Verbrechen, Sexualmoral, städtischem Wohnraum, Bevölkerungswachstum, Arbeitslosigkeit und Kinderarbeit. Dazu gehörten auch Fragen zu den potenziell zersetzenden Wirkungen der wirtschaftlichen Konkurrenz, zum Einfluss der Stadt auf Leben und Einstellung ihrer Bewohner und zum vermeintlichen Rückgang der Religiosität. Christopher Clark lehrt als Professor für Neuere Europäische Geschichte am St. Catharine’s College in Cambridge. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Geschichte Preußens.

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Soziale Unzufriedenheit verursacht keine Revolutionen

Christopher Clark befasst sich in seinem neuen Buch „Frühling der Revolution“ mit den Gesellschaften Europas vor 1848. Dabei liegt das Augenmerk auf Bereichen der Repression, Verdrängung, Unterdrückung und des Konflikts. Christopher Clark stellt fest: „Soziale Unzufriedenheit „verursacht“ keine Revolutionen – wenn sie das täte, käme es viel häufiger zu Revolutionen.“ Dennoch war die materielle Not der Europäer Mitte des 19. Jahrhunderts der unverzichtbare Hintergrund für jene Prozesse der politischen Polarisierung, welche die Revolutionen erst ermöglichten. Sie war ausschlaggebend für die Motivation vieler Teilnehmer an städtischen Unruhen. Ebenso wichtig wie die Realität und das Ausmaß des Leids waren die Mittel und Wege, mit denen diese Ära soziale Missstände wahrnahm und einordnete. Christopher Clark lehrt als Professor für Neuere Europäische Geschichte am St. Catharine’s College in Cambridge. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Geschichte Preußens.

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Die Sumer entwickelten die Keilschrift

Ein überaus wichtiger Schritt für die Menschheit als Ganzes war die Erfindung der ersten Schrift, der Keilschrift. Joachim Bauer blickt zurück: „Sie wurde gegen Ende des 4. Jahrhunderts vor Christus in Sumer entwickelt, dem ältesten der Reiche des Zweistromlandes.“ Schriftliche Überlieferungen und die Analyse von Material, das man durch archäologische Grabung zutage förderte, erwiesen sich in den vergangenen Jahrzehnten als überaus ergiebige Erkenntnisquellen. Als besonders wertvoll stellte sich die Möglichkeit heraus, ausgegrabene Materialen mit radiochemischen Methoden auf ihr Alter zu bestimmen. Die kombinierte Anwendung verschiedener Methoden hat das Forschungsgebiet der Archäobotanik entstehen lassen. Wissenschaftler in diesem Bereich untersuchen, wo, wann und mit welchen Pflanzen oder Bäumen die Erde zu verschiedenen Zeiten der Erdgeschichte bewachsen war. Prof. Dr. Med. Joachim Bauer ist Neurowissenschaftler, Psychotherapeut und Arzt.

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Ein Zyklus steuert den Aufstieg und Fall von Weltreichen

Die Menschheit erlebt derzeit eine archetypische gewaltige Veränderung des relativen Wohlstands- und Machtgefüges sowie der gesamten Weltordnung. Dies wird sich auf allen Ländern grundlegend auswirken. Es gibt einen archetypischen großen Zyklus, der den Aufstieg und Fall von Weltreichen steuert. Die wichtigsten Zyklen der langfristige Kredit- und Kapitalmarktzyklus sowie der innen- und der außenpolitische Zyklus von Ordnung und Chaos. Ray Dalio erläutert: „Diese Zyklen lösen Pendelbewegungen zwischen den beiden Extremen aus – zwischen Frieden und Krieg, Hochkonjunktur und Rezession, der Machtergreifung der Linken und der Rechten, der Entstehung und Auflösung von Weltreichen und mehr.“ Diese Pendelbewegungen treten in der Regel auf, weil die Menschen bis zum Äußersten gehen und die Situation aus dem Gleichgewicht bringen. Ray Dalio ist Gründer von Bridgewater Associates, dem weltgrößten Hedgefonds. Er gehört mit zu den einflussreichsten Menschen der Welt.

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Johannes Gutenberg erfindet den Buchdruck

Die moderne Weise zu denken entstand im Lauf einer Reihe von Krisen. Diese erschütterten ab dem Jahr 1500 Europa und breiteten sich später über die ganze Welt aus. Stefan Klein blickt zurück: „Viele Konflikte dieser Zeit erinnern an die Auseinandersetzungen, die unsere Gesellschaften heute aus dem Gleichgewicht bringen. Globalisierung und die explosive Verbreitung neuer Medien stellten auch damals die soziale Ordnung in Frage.“ Technischer Fortschritt entschied über wirtschaftlichen Erfolg, und die Gewissheiten der Religion galten nicht mehr. So gut wie alle Lebensbereiche veränderten sich. Ausgelöst hatte den Umbruch die bis heute folgenreichste Innovation seit der Antike. Die Anfänge dieser Erfindung liegen im Dunklen. Stefan Klein zählt zu den erfolgreichsten Wissenschaftsautoren der deutschen Sprache. Er studierte Physik und analytische Philosophie in München, Grenoble und Freiburg.

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Jede nationale Geschichte Europas hat denselben Grundgedanken

Persönliche Erinnerungen, angefangen mit denen an die Hölle, die sich die Europäer auf Erden geschaffen haben, gehören zu den stärksten Triebkräften für alles, was Europa seit 1945 getan hat und geworden ist. Timothy Garton Ash nennt das den Erinnerungsmotor. Mehrere Generationen von Baumeistern Europas haben den Kontinent zu dem gemacht, was er zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist. Wenn man sich anschaut, welche Argumente man für die europäische Integration in den verschiedenen Ländern von den 1940er bis zu den 1990er Jahren vorbrachte, scheint jede nationale Geschichte auf den ersten Blick sehr unterschiedlich zu sein. Aber wenn man etwas tiefer gräbt findet man immer denselben Grundgedanken. Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.

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Der Verstand kann Großartiges leisten

„Die Akte des weißen Entdeckers“ nennt der amerikanische Anthropologe Joseph Henrich seine gesammelten Geschichten von Menschen, die sich weitab aller Zivilisation durchschlagen mussten. Meist handelte es sich dabei um europäische Schiffbrüchige. Diese strandeten in einer fremden Umgebung und mussten dort ohne Aussicht auf Rettung ausharren. Stefan Klein fügt hinzu: „Manche fanden sich allein in ihrer Notlage, andere in Gemeinschaft von Leidensgenossen. Aber jede Hilfe war fern. Jetzt hing das Überleben nur noch vom Glück ab – und von guten Einfällen.“ Das Ringen der Verschollenen zeigt, was der Verstand eines Menschen leisten kann. Vor allem, wenn er ohne jede Unterstützung und Anregung von außen eine unbekannte Situation bewältigen muss. Stefan Klein zählt zu den erfolgreichsten Wissenschaftsautoren der deutschen Sprache. Er studierte Physik und analytische Philosophie in München, Grenoble und Freiburg.

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Das 17. Jahrhundert war zugleich ein Zeitalter des Zweifels

Das 17. Jahrhundert war eine Blütezeit des allgemeinen Gelehrten. Die intellektuelle Geschichte dieser Epoche weist jedoch auch eine dunkle Seite auf. Denn das 17. Jahrhundert war zugleich ein Zeitalter des Zweifels. Peter Burke fügt hinzu: „Die Jahre um 1650 offenbaren eine Krise des Bewusstseins beziehungsweise eine Krise des europäischen Geistes.“ Diese sind Bestandteil, der von Historikern so genannten allgemeinen Krise des 17. Jahrhunderts. Der Begriff Krise ist so häufig und auf so viele verschiedene Arten von Veränderung angewendet worden, dass er an intellektuellem Wert eingebüßt hat. In der antiken griechischen Medizin bezeichnet eine „Krise“ jenen Moment im Krankheitsverlauf, der über Genesung oder Tod des Patienten entscheidet. Sechzehn Jahre lehrte Peter Burke an der School of European Studies der University of Sussex. Im Jahr 1978 wechselte er als Professor für Kulturgeschichte nach Cambridge ans Emmanuel College.

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Die Bürger möchten wie die Adeligen sein

Die gesellschaftliche und politische Emanzipation des Bürgers fand auch und ganz besonders alltagsnah im Konsum statt. Ulf Poschardt stellt fest: „Das ehrgeizige Bürgertum robbte sich gebückt an den Lebensstil des Hofes und der Adeligen heran.“ Molières „Bürger als Edelmann“ versucht eine Art Travestie höfischen Lebens, um sich gewissen Privilegien anzunähern. Diese hatten Adel und Kirche in Gestalt von Kleider- und Trachtenordnungen erlassen. Gewissen Stoffe und Farben, aber auch luxuriöse Pelze waren nur Privilegierten zu tragen erlaubt. Und so entwickelte sich ab dem 17. Jahrhundert in Frankreich eine bürgerliche Streberkultur. Deren Traum war es, prassen und prunken zu dürfen wie der hohe Adel und die Edelmänner. Seit 2016 ist Ulf Poschardt Chefredakteur der „Welt-Gruppe“ (Die Welt, Welt am Sonntag, Welt TV).

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Johannes Böhm untersucht die Sitten der Deutschen

Das tiefere Empfinden einer deutschen Nation begann mit einer gesteigerten Aufmerksamkeit für das deutsche Volk. Das dreibändige Werk „Omnium gentium mores, leges et ritus“, das 1520 erschien, gilt als eine der ersten modernen Überblicksdarstellungen zu Völkern auf der ganzen Welt. Und es erhält die erste ernsthafte Untersuchung zu den Sitten und Gebräuchen des „vierten Standes der Deutschen“. Helmut Walser Smith weiß: „Verfasst hat dieses Opus ein Deutschordensbruder namens Johannes Böhm.“ Dabei knüpfte er an die Renaissance der klassischen Literatur des 15. Jahrhunderts an, insbesondere an Lorenzo Vallas Übersetzung von Herodot ins Lateinische. Johannes Böhm übernahm Herodots Verständnis der Völker und orientierte sich an der Neugier seines antiken Vorbilds für Dinge wie Kleidung, Ernährung und Wohnung. Helmut Walser Smith lehrt Geschichte an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee.

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Universalgelehrte wollen das Wissen vereinheitlichen

Was veranlasste Gelehrte früherer Zeiten, derart viele unterschiedliche Themen zu studieren? Im Falle Conrad Gessners mag es schlicht und einfach eine füchsische Neugier gewesen zu sein. Davon abgesehen dürften seine leidenschaftliche Ordnungsliebe und sein Bedürfnis, die „Unordnung der Bücher“ zu beseitigen, fraglos eine gewissen Rolle gespielt haben. Peter Burke fügt hinzu: „Bei anderen Universalgelehrten, den „Igeln“ war das Hauptziel die Vereinheitlichung des Wissens.“ Pico della Mirandola zum Beispiel bietet das eindeutige Beispiel eines Universalgelehrten, der vom Wunsch getrieben ist, widerstreitende Ideen – etwa die von Platon und Aristoteles – in Einklang zu bringen. Sechzehn Jahre lehrte Peter Burke an der School of European Studies der University of Sussex. Im Jahr 1978 wechselte er als Professor für Kulturgeschichte nach Cambridge ans Emmanuel College.

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Der „europäische Geist“ erlebte eine Krise

War man um die Mitte des 17. Jahrhunderts durch die zermürbende Erfahrung des Krieges klüger geworden? ES kann jedenfalls kein Zufall sein, dass mehr oder weniger simultan europaweit Tendenzen zu beobachten sind, an allem, was mit überkommenen Machtstrukturen zu tun hat, Kritik zu üben. Jürgen Wertheimer weiß: „Das betrifft Regierungsformen wie Denkstile. England unter der republikanischen Diktatur Oliver Cromwells oder die Revolte der Niederlande gegen die spanische Hegemonie sind nur zwei Beispiele für die beginnende Korrosion traditioneller Herrschaftsgefüge.“ Weit deutlicher jedoch als im Bereich der Politik zeigen sich die Zeichen eines generellen Umbruchs im Bereich der Künste und Wissenschaften. Denn der „europäische Geist“ erlebte in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine massive Krise. Jürgen Wertheimer ist seit 1991 Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Komparatistik in Tübingen.

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