Der Mensch hat ein existenzielles Bedürfnis nach Werten

Der Mensch sehnt sich nach Werten, nach denen er sein Handeln und Fühlen ausrichten kann. Für Erich Fromm besteht eine natürliche Diskrepanz zwischen dem, was die Menschen für ihre Werte halten, und den tatsächlichen Werten, von denen sie sich, ohne sich dessen bewusst zu sein, leiten lassen. In den modernen Gesellschaften sind die offiziellen bewussten Werte, die der religiösen und humanistischen Tradition. Dazu zählt Erich Fromm unter anderem die Individualität, die Liebe, das Mitgefühl und die Hoffnung. Aber für die meisten Menschen sind diese Werte zu Ideologien verkommen und haben ihre Wirkung als Motivationen menschlichen Verhaltens eingebüßt. Die unbewussten Werte, die das menschlichen Handeln unmittelbar motivieren, sind solche, die im Sozialsystem einer bürokratischen Gesellschaft entstehen, nämlich zum Beispiel Besitz, Konsum, soziale Stellung, Vergnügen und Nervenkitzel.

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Michael J. Sandel zeigt die moralischen Grenzen des Marktes auf

Die Regeln des Marktes machen vor keinem Lebensbereich mehr halt, auch nicht vor jenen, die eigentlich jenseits von Konsum und Mehrwert liegen sollten wie beispielsweise die Medizin, die Erziehung und die Kunst. Inzwischen dringen die Marktgesetzte sogar in Familie und Partnerschaft ein. In seinem Buch „Was man für Geld nicht kaufen kann“ beantwortet Michael J. Sandel eine der wichtigsten Fragen unserer Zeit: „Wie können wir den Markt daran hindern, Felder zu beherrschen, in denen er nichts zu suchen hat?“ Außerdem zeigt er die moralischen Grenzen des Marktes auf und erklärt wie die Menschheit die zivilisatorischen Errungenschaften bewahren kann, für die sich der Markt nicht interessiert und die man für kein Geld der Welt kaufen kann. Michael J. Sandel ist politischer Philosoph, der in Oxford studiert hat und seit 1980 in Harvard lehrt. Seine Vorlesungen über Gerechtigkeit machten ihn zu einem der bekanntesten Moralphilosophen der Gegenwart.

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Byung-Chul Han geißtelt die totalitären Züge der Transparenz

Die Medien, Politiker, die Kirchen und viele andere gesellschaftliche Gruppen fordern neuerdings immer und überall Transparenz. Byung-Chul Han, Professor für Philosophie und Kulturwissenschaften an der Universität der Künste in Berlin, ist wegen dieser allgegenwärtigen Forderung sehr beunruhigt, da sie inzwischen seiner Meinung nach totalitäre Züge annimmt. Für ihn klingt „transparent machen“ so, als würde man gnadenlos aus- und durchgeleuchtet wie mit einem Nacktscanner. Ihn interessiert vor allem die Dimension der Gewalt, die in dem Phänomen der Transparenz innewohnt. Byung-Chul Han bestreitet nicht, dass Transparenz Machtmissbrauch, Vetternwirtschaft und Korruption verhindern kann, beklagt aber, dass sich die Forderung nach Transparenz inzwischen gegen jede Form der Macht wendet. Seiner Meinung nach darf man Macht nicht auf die Möglichkeit des Missbrauchs reduzieren.

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Rettung und Gefahr gehen in Europa fließend ineinander über

Konrad Paul Liessmann stellt sich die Frage, ob sich das europäische Projekt durch folgende Formulierung beschreiben ließe: „Eine fließende Grenze zwischen Rettung und Gefahr.“ Seiner Meinung nach lässt sich zurzeit nirgendwo das Wechselspiel zwischen Grenzaufhebung, Grenzüberschreitung und Grenzziehung so gut studieren wie in Europa. Das Projekt der Europäischen Union lebt laut Konrad Paul Ließmann in hohem Maße vom Pathos der gefallenen und fallenden Grenzen, andererseits wird allmählich aber deutlich, dass dieses Projekt nur eine politische Zukunft hat, wenn Grenzen gezogen werden. Er erklärt: „Die Bedeutungslosigkeit alter europäischer Binnengrenzen korrespondiert so nachdrücklich mit der für viele so unüberwindlichen Schranke, die durch die Schengen-Grenze aufgerichtet ist.“ Konrad Paul Liessmann ist Professor für Philosophie der Universität Wien. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen „Die Theorie der Unbildung“ und „Das Universum der Dinge.“

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Walter Benjamin klärt über die dunkle Seite der Erfahrung auf

Den Kampf um Verantwortlichkeit kämpft der Mensch laut Walter Benjamin mit einem Maskierten. Die Maske des Erwachsenen heißt für ihn „Erfahrung“. Sie ist ohne Ausdruck, undurchdringlich, hat immer das gleiche Aussehen. Walter Benjamin schreibt: „Alles hat dieser Erwachsene schon erlebt: Jugend, Ideale, Hoffnungen, das Weib. Es war alles Illusion.“ Oft sind die Menschen eingeschüchtert und verbittert. Vielleicht sogar mit Recht. Immer mehr befällt Walter Benjamin das Gefühl, dass die Jugend nur eine kurze Nacht sei, die mit Rausch erfüllt werden müsse. Danach kommt seiner Meinung nach nur noch die große „Erfahrung“, die Jahre der Kompromisse, die Armut der Ideen und eine zermürbende Schwunglosigkeit. So ist das Leben. Der deutsche Philosoph, Literaturkritiker und Übersetzer Walter Benjamin wurde am 15. Juli 1892 in Berlin geboren. Am 26. September 1940 nahm er sich auf der Flucht vor der Gestapo an der spanischen Grenze das Leben.

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Der Extremsport ist zu einer Massenbewegung geworden

Sie kommen aus allen Berufsgruppen und aus allen Altersklassen: Menschen, die für eine kurze Zeit ein Held sein wollen und deshalb extrem leben. Sie stürzen sich zum Beispiel mit Fallschirmen von Hochhäusern, klettern zugefrorene Wasserfälle hinauf oder tummeln sich in ganzen Rudeln auf den höchsten Berggipfeln der Welt. Extremsport gilt mittlerweile als chic und ist schon lange nicht mehr elitär. Dennoch wollen Extremsportler sich und anderen beweisen, dass sie einzigartige Geschöpfe sind. Karl-Heinrich Bette, Sportsoziologe an der Technischen Universität Darmstadt, erklärt: „Extremsport dient in erster Linie der Inszenierung von Individualität. Es reicht heute nicht mehr aus, ein Kind zu zeugen, ein Haus zu bauen, einen Baum zu pflanzen – der moderne Mensch hält sich offensichtlich erst dann für wertvoll, wenn er allein die Welt umsegelt oder den Mount Everest bezwungen hat.“

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Stéphane Hessel fordert Aufbegehren gegen jegliches Unrecht

In seinem Buch „Empörung – meine Bilanz“ erklärt Stéphane Hessel wogegen Menschen sich empören und wofür sie sich engagieren sollen und legt zudem Rechenschaft über sein langes Leben ab. Die Philosophie und die Poesie nennt er als Quellen seiner Kraft und Leidenschaft. Sein Weltbild wurde von Dichtern und Denkern vor allem aus Frankreich und Deutschland geprägt. Der Weltbürger und Literat stellt in seinem Werk seine Ideale und Werte vor, schreibt über Menschen, denen er begegnet ist und die ihn beeindruckt haben, berichtet von Ideen, die ihn beflügelten und von Kämpfen, die er ausgefochten hat sowie von seinen Hoffnungen, die sich in seinem langen Leben noch immer nicht erfüllt haben. Stéphane Hessel, der 1917 in Berlin geboren wurde, ist seit 1939 französischer Staatsbürger. Er arbeitete unter anderem als Vertreter Frankreichs bei den Vereinten Nationen in New York und dort ab 1948 als Sekretär der UN-Menschenrechtskommission.

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Eine Gesellschaft ohne Herrschaft ist nicht realisierbar

Die Lebenschancen eines Menschen sind laut Ralf Dahrendorf niemals gleichmäßig verteilt. Es existiert keine Gesellschaft, in der alle Männer, Frauen und Kinder dieselben Anrechte haben und dasselbe Angebot genießen. Er begründet dies in der Tatsache, dass jede Gesellschaft unterschiedliche Aufgaben, aber auch unterschiedliche Interessen und Fähigkeiten der Menschen koordinieren muss. Die sozialen Positionen können dabei abstrakt gesehen, verschieden sein, ohne einander über- und untergeordnet zu werden. Ralf Dahrendorf schreibt: „In der Vorstellung der herrschaftsfreien Kommunikation ist der Gedanke von Jürgen Habermas erneut zum erstrebenswerten Ziel erhoben worden, wobei Habermas in einer Tradition steht, die über Marx` Assoziation freier Menschen zum mittelalterlichen Begriff der Genossenschaft zurückführt.“

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Philosophisches Wissen ist keine leere Worthülse

Philosophie ist für Herbert Schnädelbach zunächst einmal eine Kultur der Nachdenklichkeit. Ein Mensch philosophiert, wenn er über seine Gedanken, Meinungen, Überzeugungen und Handlungen nachdenkt, ihnen hinterherdenkt und dabei grundsätzlich wird. Anhand ausgewählter Themen wie zum Beispiel Wissen, Sinn und Bedeutung, Subjekt – Objekt, Werte und Normen, Handlung und Vernunft zeigt Herbert Schädelbach in seinem neuen Buch „Was Philosophen wissen und was man von ihnen lernen kann“ , dass der Ausdruck philosophisches Wissen keine leere Worthülse ist. Die Philosophie der Gegenwart verfügt über einen Kernbestand wissenschaftlichen Wissens, dass sich im ständigen kritischen Dialog mit dem Tradierten herausgebildet hat. Vor seiner Emeritierung war Herbert Schnädelbach Professor für Philosophie an den Universitäten Frankfurt am Main, Hamburg und an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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Eine Gesellschaft braucht Abweichler und Auffaller

Viele unterschiedliche Begabungen in einem Gesellschaftssystem erhöhen die Chance, dass ein Mensch dabei ist, der eine Antwort auf die aus der oder in der Zukunft kommenden neuen Fragestellungen hat. Markus Hengstschläger schreibt: „Man muss die Verschiedenartigkeit, die Individualität fördern und fordern, weil „gleichgeschaltet“ bedeutet, dass die Varianz unserer Antworten gering ist.“ Auf die Frage, woher der Durchschnitt eigentlich herkommt, antwortet Markus Hengstschläger, dass der Durchschnitt bereits erzielte Erfahrungswerte voraussetzt, ansonsten aber nicht bestimmbar ist. Mit 16 Jahren war Markus Hengstschläger als Punk unterwegs. Mit 24 Jahren promovierte er zum Doktor der Genetik und 35-jährig zum jüngsten Universitätsprofessor für Medizinische Genetik berufen.

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Juan Somavía fordert ein neues Wachstumsmodell

Die Wirtschaftskrise trifft Arbeitnehmer laut Juan Somavía am härtesten. Er klagt dabei die Politik an, die in den vergangen Jahrzehnten den Begriff der guten, menschenwürdigen Arbeit entwertet hat. Der Chilene Juan Somavía, seit 1999 Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Genf, schreibt: „So gilt Arbeit im gegenwärtigen Wachstumsmodell lediglich als Kostenfaktor. Dieser muss so gering wie möglich gehalten werden, um Wettbewerbsfähigkeit und Gewinne zu sichern.“ Die Arbeitnehmer werden seiner Meinung nach nur noch als Kreditnehmer betrachtet. Ihr legitimer Anteil an dem Wohlstand, den vor allem sie geschaffen haben, wird ihnen vom Arbeitgeber in der Form von zu niedrigen Löhnen vorenthalten.  

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Die Freiheit darf sich nicht auf die Eliten beschränken

Laut Lisa Herzog muss derjenige, der ein Leben in Freiheit führen möchte, den ungezügelten Markt bekämpfen. Der Grundwert des Liberalismus ist ihrer Meinung nach die Freiheit des Individuums. Rechte sichern diese Freiheit. Sie schützen die Religion, die eigene Meinung und deren Äußerung sowie den Lebensstil vor willkürlichen Zugriffen. Lisa Herzog erklärt: „Diese wiederum müssen selbst durch staatliche Instanzen durchgesetzt werden – schon in diesem Sinne kann  ein konsistenter Liberalismus nicht völlig vom Staat absehen. Lisa Herzog hat Philosophie und Ökonomie studiert, an der Universität Oxford über Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Adam Smith promoviert und habilitiert sich jetzt an der Universität St. Gallen.

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Julia Friedrichs begibt sich auf die Suche nach Idealen

Julia Friedrichs ist für ihr neues Buch „Ideale“ nicht nur durch ganz Deutschland gereist, sondern sogar zu den Kaimaninseln, um den verschiedensten Menschen Fragen zu stellen wie: „Wofür kämpfen Sie in Ihrem Leben?“ oder „Haben Sie Ideale?“. Zudem wollte sie wissen, was die Menschen dafür tun, das ihre Ideale von Dauer sind oder warum sie ihre früheren Ideale längst aufgegeben haben. Am Anfang ihres Buches versucht die Autorin erst einmal durch Lektüre philosophischer Bücher und des Dudens herauszufinden, was ein Ideal eigentlich ist. Julia Friedrichs schreibt: „Ein Ideal, notiere ich, ist ein Leitbild, das unverrückbar über der Realität thront. Es ist größer als das, was wir immer „Werte“ nennen, das Anständig-Sein, das Ehrlich-Sein. Ein Ideal ist mehr, etwas das man anvisiert, dem man entgegenlebt.“ Julia Friedrichs hat beim Verlag Hoffmann und Campe folgende Bestseller veröffentlicht: „Gestatten: Elite. Auf den Spuren der Mächtigen von morgen (2008) und „Deutschland dritter Klasse. Leben in der Unterschicht (mit Eva Müller und Boris Baumholt, 2009).

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Der Mensch kann zwischen gut und böse unterscheiden

Für den Sozialphilosophen Hans Joas ist der erste Wert, der mit dem Begriff Bildung verknüpft ist, die Selbstverwirklichung. Er sagt: „Bildung soll jemanden nicht auf ein von anderen gestecktes Ziel hin entwickeln, sondern auf eines, das dieser Mensch in sich selbst entdecken muss.“ Seiner Meinung nach kann die Entdeckung eines individuellen Ziels und die Annäherung daran nur durch Eigenständigkeit funktionieren. Hans Joas glaubt nicht, dass Bildung hauptsächlich im Bereich außerhalb von Institutionen stattfindet. Denn das würde bedeuten in den Schulen und Universitäten würde Ausbildung gelehrt, während die wahre Bildung in der Freizeit stattfinden müsste. Hans Joas behauptet: „Das Spannungsverhältnis zwischen Bildung und Ausbildung ist für die deutsche Universitätsgeschichte charakteristisch.“ Hans Joas ist Fellow am Freiburg Institute for advanced studies (FRIAS) und assoziiertes Mitglied des Max-Weber-Kollegs.

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Andreas Kumpf kennt alle Formen des Glücks im Alter

Der Flug einer Biene im Frühling, Momente mit lieben Freunden und viele, viele Erinnerungen an ein langes Leben – so einfach kann das Glück im Alter sein. Der Psychologe und Altersforscher Andreas Kumpf hat für sein Buch „Glück im Alter“ einundzwanzig Menschen im Alter von 65 bis 95 Jahren befragt. Er stieß dabei in seinen Gesprächen auf viele Formen der Freude: Erinnerungsglück, Augenblicksglück und bescheidenes Glück. Und dies in einer Zeit, in der das Altern für die meisten Menschen immer noch etwas Bedrohliches zu sein scheint. Aber laut Andreas Kumpf ist das Bild der Alterskultur gerade dabei sich zu verändern. Im Zentrum wird dabei lustvolles Altwerden stehen.

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Das Glücksversprechen der Arbeit hat eine Kehrseite

Im Titelthema seiner zweiten Ausgabe stellt das Philosophie Magazin die Frage: „Macht Arbeit glücklich?“ Denn nichts charakterisiert den modernen Menschen der Gegenwart so sehr wie seine Arbeit. Sie kann sowohl Erfüllung mit sich bringen, aber auch leicht zur Selbstversklavung führen. Svenja Flaßpöhler, stellvertretende Chefredakteurin des Philosophie Magazins schreibt, dass das, was viele Menschen in ihrem Beruf für Selbstverwirklichung halten, in Wahrheit nur eine Aufopferung für einen anderen sein könnte, der ihnen immer mehr Leistung abverlangt, mit dem Versprechen, dass die Mühe sich lohne. Das Titelthema schließt mit einem Dialog zwischen dem Schriftsteller Tilman Rammstedt und dem Philosophen Christoph Menke, indem sie über Perfektionismus, Selbstverwirklichung und Selbstausbeutung sprechen.

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Die entfesselte Marktwirtschaft bedroht die Demokratie

Der ehemalige Topmanager Daniel Goeudevert zitiert eine Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Dezember 2007, aus der hervorgeht, dass nur noch eine kleine Minderheit von gerade einmal 15 Prozent der Menschen in Deutschland die wirtschaftlichen Verhältnisse im Lande für gerecht hält. Es ist zu befürchten, dass es bis heute nicht mehr, sondern eher weniger geworden sind. Und lediglich nur noch fünf Prozent der Bundesbürger hielten damals Deutschland für dasjenige Industrieland, das ihren Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit am nächsten kommt. Daniel Goeudevert schreibt: „Das sind dramatische Werte – und zugleich eine dröhnende Absage an die seit Jahren betriebene Liberalisierungspolitik. Noch nie in der Nachkriegszeit war die Unzufriedenheit mit den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen in Deutschland größer als heute.“ Nach seinem Ausscheiden aus dem Management stand er dem Green Cross International als Vizepräsident vor und war Berater des Generaldirektors der UNESCO.

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Der Euro wird die aktuelle Finanzkrise nicht überleben

Der Finanzwissenschaftler Stefan Homburg, der zu den bedeutendsten Ökonomen in Deutschland zählt, warnt davor, dass sich eine Schuldenkrise nicht mit noch mehr Schulden lösen lässt. Zudem sieht er, aufgrund historischer Parallelen ein böses Ende für den Euro voraus. Er sagt: „Ein Kollaps der Währungsunion erscheint kaum noch abwendbar.“ Gar nichts hält der Ökonom von dem Ausspruch der Bundeskanzlerin Angela Merkel, die gesagt hat, dass die Situation ernst sei, aber eine gemeinsame Währung lohne jede Anstrengung. Er glaubt, dass die Kanzlerin mit einer solchen Aussage lediglich Illusionen schürt. Stefan Homburg zitiert den Finanzpsychologen Günter Schmölders, der einmal geschrieben hat, dass es erstaunlich sei, wie lange Regierungen die Bevölkerung im Glauben wiegen könne, es werde alles gut. Noch im März 1948 glaubten die meisten Menschen in Deutschland, dass ihre Sparguthaben sicher seien. In Wirklichkeit war die neue D-Mark schon längst gedruckt.

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Der Wertewandel verhalf dem Kapitalismus zum Erfolg

Für die amerikanische Historikerin Joyce Appleby war ein wichtiger Faktor des Triumphs des Kapitalismus über die alte Ordnung, dass die Menschen ihre fundamentalen Wertvorstellungen änderten. Zuvor speiste sich ihr Bild der Welt aus einem Katalog aufeinander abgestimmter Ideen, die in einer Epoche des Mangels dafür geeignet waren, den Lauf der Dinge zu verstehen. Joyce Appleby schreibt: „Sie kamen zum Ausdruck in Volksliedern, Predigten und Sprichwörtern und dienten nicht zuletzt dazu, jedermann seinen Platz in der Hierarchie der Gesellschaft zuzuweisen.“ In der Regel denken auch heute die meisten Menschen über die gesellschaftlichen Normen und Werte, die sie schon in ihrer Kindheit prägen, in ihrem späteren Leben nicht mehr viel nach.

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Joyce Appleby kritisiert den zügellosen Kapitalismus

Für die amerikanische Historikerin Joyce Appleby ist die Gier nicht der einzige Kritikpunkt, den sich der zeitgenössische Kapitalismus vorhalten lassen muss. Sie hat eine kurze Liste weiterer Anklagen zusammengestellt: „Kurzsichtiges Handeln und Vernachlässigung langfristiger Folgen, Zuteilung von Kompetenzen ohne gleichzeitige Zuweisung von Verantwortung, Bevorzugung materieller gegenüber geistigen Werten, Kommerzialisierung zwischenmenschlicher Beziehungen, Monetarisierung sozialer Werte, Schädigung der Demokratie, Verunsicherung von Gemeinschaften und Institutionen, Gefährdung bestehender Abmachungen, Förderung von Aggressivität und – ja, dieses Thema hatten wir schon – Belohnung von Gier.“ Darüber hinaus werfen ihrer Meinung nach zwei weitere kapitalistische Erblasten ihre Schatten voraus, nämlich das schier unlösbare Problem der Armut und die fortschreitende Zerstörung der Umwelt.

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Die Herrschaft des Geldes muss gezähmt werden

Wilhelm Hankel und Robert Isaak vertreten in ihrem neuen Buch „Geldherrschaft. Ist unser Wohlstand noch zu retten?“ die These, dass der demokratische Kapitalismus, den sie als einen der größten Kräfte der Zivilisation seit Menschengedenken bezeichnen, an den Rand seiner Existenz gedrängt worden ist. Das Autorenduo fordert eine neue Weltwirtschaftsordnung, die nicht länger von der Geldherrschaft und dem Kreditsystem der Banken abhängig ist. Kluge Entscheidungen in der Politik sollen diesen Plan verwirklichen. Der Währungsexperte Wilhelm Hankel und der Wirtschaftswissenschaftler Robert Isaak präsentieren Lösungen, wie die Gelderrschaft zu zähmen und der Kapitalismus zu seiner Rolle als Wachstumsmotor und Innovationsförderer zurückzuführen wäre.

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Die Philosophenschule der Kyniker

Der Ahnherr der Kyniker war Antisthenes, ein Schüler des Sokrates, der lange ein konventionelles Leben führte, bei dem er in einen aristokratischen Philosophenkreis eingebunden war. Nach dem Tod des Sokrates und dem Machtverlust Athens entschloss er sich ein einfacheres Leben zu beginnen. Er kleidete sich wie ein Armer und lebte unter ihnen und verkündete, dass es keine Regierung, kein Privateigentum, keine Ehe und keine Staatsreligion mehr geben darf. Antisthenes war der Ansicht, dass der Mensch immer abhängiger und somit unfreier wird, wenn er eine Kultur entwickelt und damit seine Empfindungen und Bedürfnisse immer mehr erweitert und verfeinert.

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Das Unbehagen in der Gesellschaft nimmt stark zu

Die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten eines Menschen in den westlichen Industrienationen sind in den vergangen Jahrzehnten gewaltig gewachsen. Traditionelle Rollen verloren ihre Bedeutung, gesellschaftliche Bindungen zersetzten sich. Alain Ehrenberg beschreibt in seinem neuen Buch „Das Unbehagen in der Gesellschaft“ die Unfähigkeit der Menschen, diese Freiheiten und Wahlmöglichkeiten für ein sinnvolles Leben zu nutzen. Als Folge davon nehmen narzisstische Persönlichkeitsstörungen und Depressionen rapide zu. Auf der einen Seite ist die Autonomie des Individuums zum höchsten Wert an sich aufgestiegen, auf der anderen Seite kommt es mit dem Scheitern am Ideal des selbstbestimmten Lebens zu immer mehr Erkrankungen der Psyche. Der Soziologe Alain Ehrenberg erforscht diese Entwicklung an zwei groß angelegten Fallstudien in Frankreich und den USA. Alain Ehrenberg ist Leiter der Forschungsgruppe „Psychotropes, Santé mentale, Société“ am Centre National de Recherche Scientifique (CNRS) in Paris.

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Joyce Appleby seziert die Geschichte des Kapitalismus

In ihrem neuen Buch „Die unbarmherzige Revolution. Eine Geschichte des Kapitalismus“ erzählt Joyce Appleby die Entwicklung des kapitalistischen Wirtschaftssystem, beginnend bei den großen Entdeckungen der Portugiesen, weiter vom Sklavenhandel über die industrielle Revolution bis hin zur Globalisierung der Gegenwart. Sie beschreibt die ökonomische und kulturelle Identität der Menschen in den Industrienationen, die stark vom Kapitalismus geprägt ist. Joyce Appleby lehrte viele Jahre an der University of California, Los Angeles und war Präsidentin der American Historical Association. Zu ihren bekanntesten Büchern zählen unter anderen auch „Capitalism an a New Social Order“ (1984) und „A Restless Past. History and the American Public“ (2005).

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Ein Kampf der Kulturen sollte vermieden werden

Gemäß Andreas Wirsching ist die Neue Islamische Präsenz in Westeuropa seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu einem heiß diskutierten Thema geworden. Er erklärt: „Zu vielen Hunderttausenden und mehr kamen Indonesier und Surinamer in die Niederlande, Pakistaner nach Großbritannien, Türken nach Deutschland, Nordafrikaner nach Frankreich, Italien und Spanien.“ Im Jahr 2008 lebten in den 27 Staaten der Europäischen Union mehr als 19 Millionen Menschen, die aus Regionen außerhalb der EU zugewandert waren. Die große Mehrheit von ihnen sind Muslime – allein in Deutschland leben über vier Millionen von ihnen. Andreas Wirsching ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

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