In ihrem neuen Buch „Die unbarmherzige Revolution. Eine Geschichte des Kapitalismus“ erzählt Joyce Appleby die Entwicklung des kapitalistischen Wirtschaftssystem, beginnend bei den großen Entdeckungen der Portugiesen, weiter vom Sklavenhandel über die industrielle Revolution bis hin zur Globalisierung der Gegenwart. Sie beschreibt die ökonomische und kulturelle Identität der Menschen in den Industrienationen, die stark vom Kapitalismus geprägt ist. Joyce Appleby lehrte viele Jahre an der University of California, Los Angeles und war Präsidentin der American Historical Association. Zu ihren bekanntesten Büchern zählen unter anderen auch „Capitalism an a New Social Order“ (1984) und „A Restless Past. History and the American Public“ (2005).
Die Marktwirtschaft schafft regelmäßig soziale Probleme
Joyce Appleby charakterisiert den Kapitalismus wie folgt: „Faktisch besteht er aus einer Ansammlung von Vorgehensweisen und Institutionen, die es Milliarden von Menschen ermöglichen, ihren wirtschaftlichen Interessen auf Märkten nachzugehen.“ Daneben bietet der Kapitalismus laut Joyce Appleby auch Raum zur Nutzung von Gelegenheiten, die aus übergeordneter Sicht weniger willkommen sind: legale Schlupflöcher, die Unwissenheit von Käufern oder die Gunst des Zufalls.
Für Joyce Appleby legt die Geschichte des Kapitalismus den Schluss nahe, dass Demokratie und Kapitalismus entkoppelt werden können, da deren Werte häufig miteinander unvereinbar sind. Sie schreibt: „Der Kapitalismus ist amoralisch, während die Demokratie durchsetzt ist mit moralischen Fragen zur Wohlfahrt des Staatsganzen und zur Rechtschaffenheit seiner Führungspersönlichkeiten. Da im Kapitalismus Wirtschaftswachstum von Innovationen abhängt und da Innovationen stets den bestehenden Zustand in Frage stellen, schafft die Marktwirtschaft regelmäßig soziale Probleme, die der Regierung Antworten abverlangen.“
Die Ausbeutung ist kein genuines Merkmal des Kapitalismus
Joyce Appleby beschreibt in ihrem Buch die entscheidenden Stationen des Aufstiegs des Kapitalismus und untersucht, wie er die Politik veränderte und dabei Gewohnheiten, Denkweisen, Werte und Ideale in Frage stellte. Die Autorin wendet ihr Hauptaugenmerk dabei zwar den ökonomischen Aspekten des Themas zu, betont aber immer wieder, dass der Kapitalismus kein rein wirtschaftliches, sondern genauso sehr ein kulturelles System ist.
Der Kapitalismus baut laut Joyce Appleby auf den Initiativen und Entscheidungen von Individuen auf. Er durchdringt dabei die gesamte Gesellschaft, wobei Wünsche und Ambitionen von Sitte und Anstand in geordnete Bahnen gelenkt werden. Eine der Hauptthesen des Buches „Die unbarmherzige Revolution. Eine Geschichte des Kapitalismus“ lautet, dass die Entstehung des Kapitalismus keineswegs unaufhaltsam, unvermeidlich oder vorbestimmt war. Auch die Ausbeutung ist für die Autorin kein genuines Kennzeichen des Kapitalismus, im Gegensatz zu seinem Vermögen zur Schaffung von Wohlstand.
Die unbarmherzige Revolution
Eine Geschichte des Kapitalismus
Joyce Appleby
Verlag: Murmann
Gebundene Ausgabe: 686 Seiten, Auflage: 2011
ISBN: 978-3-86774-135-4, 36,00 Euro
Von Hans Klumbies