Wissen war mit einem Erlebnis verbunden

Wissen ist eine Ressource der Klugheit. Das Wissen, das man sich angeeignet hat, dient dazu innere Bilder und äußere Eindrücke zu sichten und Schlussfolgerungen zu ziehen. Um kluge Schlüsse zu ziehen, muss der Mensch sein Wissen verinnerlichen. Die mündliche Überlieferung von Wissen war und ist hierbei wahrscheinlich von Vorteil. Allan Guggenbühl erklärt: „Das Wissen wurde memoriert und in eindrücklichen, wenn auch möglicherweise langweiligen Zeremonien weitergegeben. Folge war, dass sich die Menschen viel Wissen aneigneten. Sie kannten die Sprüche und Bilder auswendig, sodass sie beim Denken spontan auf sie zurückgreifen konnten.“ Ein weiterer Vorteil der mündlichen Vermittlung war, dass Wissen mit einem Erlebnis verbunden war. Allan Guggenbühl ist seit 2002 Professor an der Pädagogischen Hochschule Zürich tätig. Außerdem fungiert er als Direktor des Instituts für Konfliktmanagement in Zürich.

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Die Aufklärung gilt als Zeitalter der Vernunft

Die Aufklärung wurde und wird gerne als das Zeitalter der Vernunft bezeichnet. Zweifellos war „Vernunft“ eine der großen Leitbegriffe der Aufklärung, die Hoffnung auf Vernunft zusammen mit der Hoffnung auf Freiheit eine ihrer großen Leitideen. Dies gilt besonders für die Idee einer allgemeinen Menschenvernunft, worin in jeder seine Stimme hat. Zu den erklärten Zielen der Aufklärung gehört die „Ausbesserung“ des Verstandes und die Läuterung des Willens, insgesamt also die Beförderung der theoretischen und praktischen Vernunft im Individuum und im Gemeinwesen. Der Mensch sollte sich mittels des richtigen Gebrauchs seines Vernunftvermögens selbst befreien und intellektuell, besonders aber moralisch, vervollkommnen. Als die Voraussetzung für die Realisierung wurde die allgemeine Menschenvernunft als Naturanlage und die Gewährung von für die Äußerung, den Austausch und die Verbreitung vernünftiger Gedanken erforderlichen Grundfreiheiten als äußere Bedingungen betrachtet.

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Zensur zielt auf die Kontrolle der Kommunikation ab

Zensur ist ein elementarer und in der Theorie noch nicht hinreichend präzise bestimmter Sachverhalt in der Geschichte der Kommunikation. Das 18. Jahrhundert war für die Ausbildung der Praktiken der Zensur und ihrer Erörterungen eine bedeutsame Epoche. Zensur erfordert bei ihrer Erforschung Interdisziplinarität und Transnationalität. Sie lässt sich kaum auf bestimmte Jahrhunderte beschränken und ist g, geprägt von der Fülle des zumeist ungedruckten, in Archiven überlieferten Materials und von der Vielzahl der Systemkomponenten. Der Gegenstand der Zensur ist äußerst komplex. Der Begriff „Zensur“ wird auf der einen Seite angebunden an rechtliche Verfahren und Institutionen, also an das jeweilige Rechtssystem; auf der anderen Seite wird er, unterbestimmt, benutz als Synonym für eine gesamtgesellschaftlich, also sozial, politisch, religiös und kulturell vermittelte Kontrolle der Normen und Kommunikation von Rede, Schrift und Bild.

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Allan Guggenbühl erklärt die Aufgaben des öffentlichen Diskurses

Die Vermittlung von Informationen, Kontrolle und Aufklärung sind Aufgaben, die man dem öffentlichen Diskurs zuschreibt. Erfüllt er einer dieser Aufgaben nicht, reagieren viele Bürger mit Befremden. Allan Guggenbühl fügt hinzu: „Der öffentliche Diskurs hat jedoch noch eine andere Aufgabe: Er liefert Material und Hintergrundszenarien, damit wir unser Dasein, uns selbst und unsere Mitmenschen ertragen und verstehen.“ Der öffentliche Diskurs hat die Rolle des Erzählers übernommen, wie es früher der Schamane oder Dorfweise tat. Wie und was ein Mensch denkt, hängt von seinem Beeinflussungsgrad durch den öffentlichen Diskurs ab. Um den roten Faden des öffentlichen Diskurses mit Klugheit zu verstehen, muss man über ihren Einfluss auf die Psyche nachdenken. Allan Guggenbühl ist seit 2002 Professor an der Pädagogischen Hochschule Zürich tätig. Außerdem fungiert er als Direktor des Instituts für Konfliktmanagement in Zürich.

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Der Narzissmus ist die Leitneurose der Gegenwart

Narzisst ist das Schimpfwort der Stunde. Narzissmus gilt als Leitneurose der emanzipierten Gesellschaft. Doch nicht jeder, der stört, ist auch gestört. Der Schweizer Moderator, Medienunternehmer und ehemalige Sat.1-Geschäftsführer Roger Schawinski schreibt in seinem neuen Buch „Ich bin der Allergrößte“, dass sich überall in den modernen Gesellschaften der Narzissmus ausbreitet. Vor allem geht es dabei um Männer, denen ihr Hochmut zum Verhängnis wurde. Wo man hinschaut, selbstverliebte Alphatiere, männliche und weibliche Egozentriker, Junge und Alte, die sich vor allem mit sich selbst beschäftigen. Im Fernsehen, im Internet, im Alltag. In den Reality- und Castingshows, in denen sich Möchtegernmodels und Traumtänzer in Szene setzen. In den sozialen Netzwerken, wo auf Instagram täglich 80 Millionen Bilder geteilt werden, unzählige davon mit dem wichtigsten Motiv eines digitalen Lebens: dem Selfie.

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Johannes Gutenberg erfindet den Buchdruck

Zu den Voraussetzungen des Erfolgs der Reformation gehörte der Buchdruck, der neue Möglichkeiten der Verbreitung des Wortes geschaffen hatte, darunter die Herstellung preiswerter „Gebrauchsliteratur“. Die Antriebskräfte der umfassenden Veränderungen seit dem Spätmittelalter in Europa waren: psychologisch das zunehmende Streben nach Gewinn, ökonomisch die Beschleunigung der Produktion von Waren und des Umschlags der Produkte sowie technologisch und technisch das Aufkommen neuer Methoden der Produktion und innovativer Maschinen. Zu den wichtigsten Erfindungen der Epoche zählte der Buchdruck. Er teilte die Literatur- und Mediengeschichte der europäischen Zivilisation in zwei Hälften – vor und nach Johannes Gutenberg. Im Verlauf der nächsten Jahrhunderte vollzog sich die Umwandlung des Luxusgutes Buch hin zur Massenware. Als Erfinder des Buchdrucks in Europa gilt Johann Gensfleisch, mit dem Wohnort Gutenberg bei Mainz, daher auch kurz als „Gutenberg“ bezeichnet.

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Niall Ferguson nennt fünf Gründe für den Populismus

Der in diesen Tagen um sich greifende Populismus versetzt die Regierungen in Europa und den USA in Alarmstimmung. Der Duden beschreibt dieses Phänomen „als eine von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft auch demagogische Bewegung, die das Ziel hat, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen zu gewinnen“. Im Klartext wird den Politikern die Bereitschaft abgesprochen, dem Volk zu dienen. Sie hätten keine Antworten auf die großen Probleme der Zeit. Die Populisten sind daher tief davon überzeugt, dass nur sie die wahren Interessen der schweigenden Mehrheit mit ihrem gesunden Menschenverstand vertreten. Wie konnte es überhaupt zu so einer, die repräsentative Demokratie gefährdenden Entwicklung kommen? Der amerikanische Historiker Niall Ferguson von der Harvard-Universität macht dafür fünf Faktoren verantwortlich.

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Die Literatur der Reformationszeit ist vielschichtig

Die Literatur des 16. Jahrhunderts kann kaum in ihrer Vielfalt gewürdigt werden, wenn nicht eine Voraussetzung erfüllt ist: die Beschreibung der Reformation, die sich bald nach ihrem Beginn in eine Fülle von Reformationen aufspaltete, in ihrer europäischen Dimension. Ein zutreffendes Bild der Reformation selbst bloß in Deutschland würde verfehlen, wer sie als einzigartiges deutsches Ereignis beschriebe, das losgelöst vom europäischen Protestantismus und der gleichzeitigen Geschichte Europas denkbar wäre. Zwar war Martin Luther der Initiator der Vorgänge, die ab 1517 für anderthalb Jahrhunderte die religiöse und auch politische Entwicklung fast aller Staaten stark bestimmten, und ihm fiel auch für das Jahrzehnt der Frühreformation (1517 – 1526) die hegemoniale Position in der Bewegung zu, die allmählich zur Protestantisierung wichtiger Regionen des Kontinents führte.

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Wolfram von Eschenbach schreibt den Bestseller des Mittelalters

Vermutlich stammt Wolfram von Eschenbach aus der Nähe von Ansbach, ist jedoch unbegütert und auf den Lehensdienst angewiesen. Daher gibt es einige Grafen, die den Dichter unterstützt haben. Wolfram von Eschenbach ist der eigenwilligste Epiker der staufischen Literaturepoche. So hält er beispielsweise den höfischen Ritter aus der Art geschlagen, lehnt dessen Bildung ab, die ja noch immer in den Händen von Geistlichen liegt, und verweigert, wie seine Äußerungen zu Reinmars Dichtung zeigen, auch den Frauendienst. Wolfram von Eschenbach löst sich als selbstbewusster ritterlicher Laie von der geistlichen Unterweisung. Sein „Parzifal“ gehört zu den meistgelesenen Versepen des Mittelalters. Über 75 Handschriften und Fragmente weisen auf die außerordentlich weite Verbreitung hin. Auch Wolfram von Eschenbach fußt mit seinem „Parzifal“ auf Chrétien de Troyes, dessen 1185 begonnener „Perceval“ allerdings Fragment geblieben ist.

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Die Armut und die Abhängigkeit unterscheiden sich fundamental

Der amerikanische Sozialpolitiker Daniel Patrick Moynihan stellt fest: „Arm u sein ist eine objektive, abhängig zu sein, auch eine subjektive Bedingung.“ Damit meint er, dass Armut für den Betroffenen kein Grund zur Scham sein muss, vor allem dann nicht, wenn er keine Vergleichsmaßstäbe besitzt, also nur von Menschen seinesgleichen umgeben ist, oder wenn er mit denjenigen, deren besseres Los er zu Gesicht bekommt, keinesfalls konkurrieren möchte. Ulrich Greiner nennt ein Beispiel: „Im Märchen möchte der Arme zwar reich werden, doch seiner Armut schämt er sich nicht. Sie ist eine objektive Bedingung, die er allerdings loswerden möchte, weil sie Not und Entbehrung bedeutet. Ulrich Greiner war zehn Jahre lang der Feuilletonchef der ZEIT. Als Gastprofessor lehrte er in Hamburg, Essen, Göttingen und St. Louis. Außerdem ist er Präsident der Freien Akademie der Künste in Hamburg.

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Kofi Annan: „Der Klimawandel bedroht die gesamte Menschheit“

Der Klimawandel ist die größte Herausforderung der Gegenwart. Er bedroht laut Kofi Annan schon heute das Wohlergehen von Hunderten Millionen Menschen, und in Zukunft werden es Milliarden weitere Menschen sein. Kofi Annan erklärt: „Seine Folgen untergraben das Menschenrecht auf Nahrung, Wasser, Gesundheit und Schutz – allesamt Dinge, für die wir unser ganzes Leben lang gekämpft haben.“ Es sind jedoch gerade jene, die keine Stimme haben – weil sie schon heute an den Rand der Gesellschaft gedrängt oder noch nicht geboren wurden – die sich mit den größten Umweltrisiken konfrontiert sehen. Angesichts der überwältigenden wissenschaftlichen Erkenntnisse ist es für Kofi Annan schwer zu begreifen, warum die gemeinsamen Maßnahmen der Weltgemeinschaft, um den Ausstoß von Treibhausgas zu senken, nach wie vor so schleppend vorankommen. Kofi Annan, ehemaliger Generalsekretär der Vereinten Nationen und Friedensnobelpreisträger, ist Vorsitzender von „The Elders“, einer Gruppe ehemaliger Staatsmänner und -frauen.

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Das Zentrum der Meinungsbildung war in Athen die Agorá

Der große griechische Denker der Antike, Aristoteles, hat den Menschen als „zoon politikón“, also als politisches Wesen, bezeichnet. Denn er unterscheidet sich vom Tier und von den Göttern dadurch, dass er in der Polis lebt, dem Gemeindestaat mit seinen überschaubaren Grenzen. Tatsächlich gab es im antiken Griechenland nie einen griechischen Gesamtstaat und auch die einzelnen Polis waren mit ihrem bescheidenen Territorium zufrieden, selbst wenn sie die Möglichkeit hatten, in ihrem Hinterland zu expandieren. Aus den Zeiten der Wanderung war sowohl der Gleichheitsbegriff des Wehrgedankens als auch ein ritterliches Ethos einer Adelsgesittung erhalten geblieben. Diese wurde im homerischen Epos gefeiert und bei den panhellenischen Spielen praktiziert. Beide Komponenten wurden allerdings in den verschiedenen griechischen Stadtstaaten auf höchst unterschiedliche Weise umgesetzt. Die möglichen Gegensätze repräsentierten Athen und Sparta.

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Ulrich Beck weist auf die Globalisierung von Risiken hin

Mit der Ausdehnung der Risiken in den modernen Gesellschaften, dazu zählen die Gefährdung der Natur, der Gesundheit, der Ernährung und so weiter, relativieren sich laut Ulrich Beck die sozialen Unterschiede und Grenzen. Objektiv entfalten jedoch Risiken innerhalb ihrer Reichweite und unter den von ihnen Betroffenen eine egalisierende Wirkung. Ulrich Beck schreibt: „In diesem Sinne sind Risikogesellschaften gerade keine Klassengesellschaften; ihre Gefährdungslagen lassen sich nicht als Klassenlagen begreifen, ihre Konflikte nicht als Klassenkonflikte.“ Das wird seiner Meinung nach noch deutlicher, wenn man sich das besondere Verteilungsmuster von Modernisierungsrisiken vor Augen hält. Ulrich Beck war bis 2009 Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Seither ist er Gastprofessor für Soziologie an der London School of Economics and Political Science.

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Der Begriff „Banalität des Bösen“ machte Hannah Arendt berühmt

Den Zwängen ihrer Zeit setzte die deutsche Philosophin Hannah Arendt ein unerschrockenes und unabhängiges Denken entgegen. Sie versuchte, eine neue Form der Politik zu begründen, wobei ihr die Freiheit und die Pluralität als die Grundbedingungen des Menschseins galten. Laut Hannah Arendt ist die Verschiedenartigkeit der Menschen eine Vorraussetzung des Politischen. Wenn hingegen, wie im Totalitarismus, gewaltsam ein Monismus hergestellt wird, bedeutet dies für sie die Zerstörung des Politischen. Hannah Arendt bezeichnet die totalitären Regime als „organisierte Verlassenheit“, in denen die Prinzipien der Demokratie wie Repräsentation, der Schutz der Meinungsfreiheit und das Recht auf körperliche Unversehrtheit nicht mehr gelten. Stattdessen wird die Herrschaft durch die Verbreitung von Angst und Terror aufrechterhalten, wobei eine Ideologie die theoretische Legitimationsgrundlage bildet. Auf jeden kritischen Versuch der Überprüfung des geschlossenen Systems wird feindlich reagiert.

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Karlheinz A. Geißler kritisiert die Fortschrittsgläubigkeit

Seit seinem Auftauchen vor rund 250 Jahren treibt der Fortschritt die Menschen mit dem Slogan „Vorwärts immer – rückwärts nimmer“ an. Karlheinz A. Geißler glaubt, dass er dies auch in Zukunft tun wird, da er keine Spur von Ermüdungserscheinungen an ihm erkennen kann, selbst wenn der Glaube an die Einlösung seiner Versprechungen in letzter Zeit abgenommen hat. Damit es mit dem Fortschritt weiter und immer weiter geht, dafür sorgen vor allem der Kapitalismus und jene Personen, Gruppen und Institutionen, die von ihm profitieren. Karlheinz A. Geißler nennt sie beim Namen: „Dazu zählen an erster Stelle Techniker, Ingenieure, Architekten, Mediziner, Politiker, aber auch Lehrer und Lehrerinnen, Berater und Beraterinnen sind dabei.“ Professor Dr. Karlheinz A. Geißler lehrt, lebt und schreibt in München. Eine der amüsantesten Erfindungen der Menschheit, die Zeit, hat er zu seinem Lebensthema gemacht.

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Das Finanzsystem soll einer Gesellschaft freier Menschen dienen

Der amerikanische Ökonom Robert J. Shiller will nicht die Vernichtung des Kapitalismus, wie es von Karl Marx gefordert worden war, sondern eine Verbesserung und Demokratisierung des Systems. Es zu verbessern heißt für ihn, den übergeordneten Zielen der Gesellschaft freier Menschen zu dienen. Dies war seiner Meinung nach stets die klügste aller Optionen. Robert J. Shiller schreibt: „Die eigentliche Herausforderung für die Politik bei Überlegungen zur Gestaltung der Zukunft des Finanzwesens ist, zu begreifen, dass es eingesetzt werden kann, um einer immer größeren klassenübergreifenden Gesellschaftsschicht immer breiteren Wohlstand zu bescheren, und dass seine Produkte anwendungsfreundlicher gemacht und besser in die Gesamtwirtschaft integriert werden können.“ Robert J. Shiller lehrt Wirtschaftswissenschaften an der Yale University und zählt zu den einflussreichsten Vordenkern in der globalen Wirtschaft. Seit Jahren wird er als einer der Topanwärter für den Wirtschaftsnobelpreis gehandelt.

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Überall fallen die Grenzen und entwickeln sich neue Welten

Die Grenzen von Raum und Zeit sind in modernen Gesellschaften in Bewegung geraten. Ihr einstmals starres Regime steht laut Karlheinz A. Geißler zur Disposition. Beratung kann zum Beispiel heutzutage überall stattfinden, nicht nur allein in den dafür vorgesehenen Konferenzräumen. In der Europäischen Union lassen sich die Grenzen ohne Zwischenstopp überwinden. Karlheinz A. Geißler schreibt: „Weitestgehend entortet und entzeitlicht ist das, was man kauft, was man isst und trinkt, und vieles von dem, was es zu erfahren und zu erleben gibt.“ Dinge, die an Ort und Zeit gebunden sind, entwickeln sich als Reaktion auf diesen Trend immer öfter zur Folklore. Professor Dr. Karlheinz A. Geißler lehrt, lebt und schreibt in München. Eine der amüsantesten Erfindungen der Menschheit, die Zeit, hat er zu seinem Lebensthema gemacht.

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Die zwei Schichten der Ideen des José Ortega Y Gasset

Wenn ein Mensch das Leben eines anderen Menschen verstehen will, muss er sich laut José Ortega Y Gasset ein Bild von seinen Ideen machen. Seit der Europäer einen historischen Sinn zu haben glaubt, ist das die elementarste Forderung. Unter den Ideen eines Menschen kann man sehr verschiedene Dinge verstehen, so beispielsweise die Gedanken, die er sich über dieses und jenes macht, und diejenigen, die seines Mitmenschen, die er sich zu eigen macht. Diese Ideen können die verschiedensten Grade der Wahrheit aufweisen und sogar wissenschaftliche Wahrheiten sein. Ob es nun einfache Gedanken des alltäglichen Lebens oder wissenschaftliche Theorien im strengen Sinne des Wortes sind, immer wird es sich um Einfälle handeln, die einem Menschen zufliegen, seine eigenen oder durch die Mitmenschen eingeflüsterte.

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Ein Exkurs von Gordon A. Graig über die deutsche Sprache

Schöpfer der deutschen Sprache war, wie Heinrich Heine in seiner „Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland“ schrieb, Martin Luther. Dies ist für Gordon A. Craig keine Übertreibung, denn wie immer man Literatur der einzelnen deutschen Dialekte bewertet, die Basis für eine gemeinsame deutsche Literatur existierte erst, als der Mönch aus Wittenberg die Voraussetzungen dafür schuf. Seine Bibelübersetzung und seine politischen und theologischen Flugblätter waren eingebettet in eine neue Sprache von unvergleichlicher Klarheit und Fülle. Seine Wortwahl war kraftvoll und dennoch sensibel und gleichermaßen geeignet für die Erfordernisse von Darlegung und Argumentation sowie für Satire und Humor. Gordon A. Craig, der von 1913 bis 2005 lebte, war amerikanischer Historiker und Schriftsteller schottischer Herkunft. Er erhielt im November 1981 für sein Werk „Deutsche Geschichte 1866-1945“ den Historikerpreis der Stadt Münster.

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Der entfesselte Skandal führt zu elementarem Kontrollverlust

In einer Welt des Internets und der Massenmedien scheint der Skandal hinter jeder Ecke zu lauern. Jeder kann ihn verursachen, jeder kann sein Opfer sein. Videos auf dem Handy können eine Karriere vernichten, Botschaften über Twitter Empörung auslösen, SMS-Nachrichten als Beweismittel verwendet werden. Bernhard Pörksen und Hanne Detel schreiben in ihrem neuen Buch „Der entfesselte Skandal“: „Dokumente der Blamage und der Demontage besitzen heute eine neue Leichtigkeit und Beweglichkeit. Sie können rasch kopiert, blitzschnell verbreitet, kaum noch zensiert werden – und sorgen im Extremfall weltweit für Empörung.“ Der Ruf eines Menschen, eines Untenehmen, ja sogar eines Staates lässt sich in Rekordzeit ruinieren. Der Skandal hat für die Autoren im digitalen Zeitalter eine neue Evolutionsstufe und neue Ebene der Eskalation erklommen. Er kann ein Spektakel der Grausamkeit sein, aber ebenso gut der Aufklärung dienen. Bernhard Pörksen ist Professor für Medienwissenschaft an der Universität Tübingen. Hanne Detel arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medienwissenschaft der Universität Tübingen.

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Die Globalisierung existierte schon im 12. Jahrhundert

Der Begriff der Globalisierung, für die einen ein Hoffnungsträger, für die anderen ein Schreckgespenst, dient nach der Überzeugung von Daniel Goeudevert ganz überwiegend als ein Vorhang, der ein Geschehen verdecken soll, das mit Haushaltung, das heißt mit vernünftigen und verantwortlichen Wirtschaften, nicht mehr viel zu tun hat. Er schreibt: „Der Begriff ist eine Wortblüte, die ähnlich wie die Blüten der Seerosen von den zehrenden Vorgängen unterhalb der Oberfläche ablenkt.“ Die Globalisierung ist seiner Meinung nach eine Blendung und eine interessengeleitete Erfindung. Denn das, was die modernen Ökonomen darunter verstanden wissen wollen, existiert entweder gar nicht, wie ein freier, durch und durch liberalisierter Welthandel, oder es gibt es schon seit vielen hundert Jahren. Der Topmanager Daniel Goeudevert war Vorsitzender der deutschen Vorstände von Citroën, Renault und Ford sowie Mitglied des Konzernvorstands von VW.

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Günter Grass warnt vor dem Zerfall der Demokratie

Für den Literaturnobelpreisträger Günter Grass sind es nicht zuletzt die großmächtigen Banken, deren Lobbytätigkeit mittlerweile das gewählte Parlament mitsamt der Regierung in Geiselhaft genommen hat. Der Schriftsteller sagt: „Die Banken spielen Schicksal, unabwendbares. Ihre Vorstände und Großaktionäre formieren sich zu einer Parallelgesellschaft.“ Die gravierenden Folgen ihrer Finanzwirtschaft, die hoch riskant ist, haben schließlich die Bürger als Steuerzahler zu begleichen. Die Menschen bürgen für die Banken, deren Milliardengräber ständig neue Geldmittel erfordern. Laut Günter Grass sind auch die Tages- und Wochenzeitungen, also die Journalisten, dieser Allmacht der Banken ausgesetzt. Er erklärt: „Es bedarf keiner altmodischen Zensur mehr, die Vergabe oder Verweigerung von Anzeigen reicht aus, um die ohnehin in Existenznot geratenen Printmedien zu erpressen.“

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Das Unbehagen in der Gesellschaft nimmt stark zu

Die individuellen Gestaltungsmöglichkeiten eines Menschen in den westlichen Industrienationen sind in den vergangen Jahrzehnten gewaltig gewachsen. Traditionelle Rollen verloren ihre Bedeutung, gesellschaftliche Bindungen zersetzten sich. Alain Ehrenberg beschreibt in seinem neuen Buch „Das Unbehagen in der Gesellschaft“ die Unfähigkeit der Menschen, diese Freiheiten und Wahlmöglichkeiten für ein sinnvolles Leben zu nutzen. Als Folge davon nehmen narzisstische Persönlichkeitsstörungen und Depressionen rapide zu. Auf der einen Seite ist die Autonomie des Individuums zum höchsten Wert an sich aufgestiegen, auf der anderen Seite kommt es mit dem Scheitern am Ideal des selbstbestimmten Lebens zu immer mehr Erkrankungen der Psyche. Der Soziologe Alain Ehrenberg erforscht diese Entwicklung an zwei groß angelegten Fallstudien in Frankreich und den USA. Alain Ehrenberg ist Leiter der Forschungsgruppe „Psychotropes, Santé mentale, Société“ am Centre National de Recherche Scientifique (CNRS) in Paris.

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Überraschende Entdeckungen über Liebe und Lust

In seinem Buch „Intimität und Verlangen“ erklärt der Klinische Psychologe und Sexualtherapeut David Schnarch, wie die Menschen ihre sexuelle Leidenschaft wieder neu erwecken können. Es geht dem Autor dabei nicht um eine Verbesserung der sexuellen Praktiken, sondern um die Weiterentwicklung einer Liebesbeziehung. Gleichzeitig rät er seinen Lesern, ihr eigenes, ganz persönliches Selbst weiterzuentwickeln, denn das ist seiner Meinung nach die Voraussetzung für eine gute, innige und leidenschaftliche Beziehung. David Schnarch gelingt es fabelhaft, einmalige und tiefgehende Fallbeispiele aus der Praxis zu schildern und den Leser in seinen Bann zu ziehen. Dr. David Schnarch ist Direktor des Crucible Institute, Marriage und Family Center, in Colorado, USA. Bei Klett-Cotta ist auch sein Buch „Die Psychologie sexueller Leidenschaft“ erschienen.

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Die Kooperation ist die Triebfeder der Evolution

Der österreichische Biomathematiker Martin Nowak von der Harvard University hat zusammen mit dem Wissenschaftsjournalisten Roger Highfield in dem Buch „Supercooperators“ dargelegt, dass Zusammenarbeit in der Natur allgegenwärtig ist, nicht nur bei den Menschen, sondern auch bei den Tieren, den Pflanzen, den Mikroben und sogar bei den Urmolekülen des Lebens. Martin Nowak schreibt: „Kooperation ist die Triebfeder der Evolution – ohne sie wäre die Erde nie über eine Ursuppe voller RNA-Moleküle hinausgekommen.“ Diese Botschaft ist schon seit langem in der Philosophie, der Religion und der Dichtkunst bekannt. Sie heißt: sei edel, hilfreich und gut.

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