Die Bindung des Lebens an den Tod hat zahlreiche Aspekte. Sie ist in der sexuellen und in der mystischen Erfahrung gleichermaßen wahrzunehmen. Georges Bataille erläutert: „Aber wie immer man sie auch versteht, die menschliche Sexualität wird stets nur in Grenzen zugelassen, über die hinaus sie verboten ist.“ Schließlich tritt überall in der Sexualität eine Regung auf, die den Schmutz einbezieht. Von da an handelt es sich nicht mehr um „gottgewollte“, wohltuende Sexualität, sondern um Verfluchtsein und Tod. Die wohltunende Sexualität steht der animalischen Sexualität nahe. Den Gegensatz dazu bildet die Erotik, die spezifisch menschlich ist und nur im Ursprung mit der Geschlechtlichkeit zu tun hat. Die Erotik, die im Prinzip unfruchtbar ist, stellt das Böse und das Diabolische dar. Der Franzose Georges Bataille (1897 – 1962) gehört zu den kontroversesten Philosophen und Schriftstellern des 20. Jahrhunderts.
Verlangen
Die Selbstverwirklichung wird durch äußere Hindernisse eingeschränkt
Das romantische Konzept der Selbstverwirklichung geht generell davon aus, dass die Fähigkeiten des Selbst von Natur aus positiv sind. Das einzige Problem besteht darin, dass sie durch irgendwelche äußeren Hindernisse eingeschränkt werden: Staat, Gesetz, Despotismus, Patriarchat, Über-Ich, imperiale Autorität, herrschende Klasse, bürgerliche Moral und so fort. Terry Eagleton ergänzt: „Nach Sigmund Freuds Auffassung verinnerlichen wir das Gesetz in Gestalt des Über-Ichs, das heißt, wenn wir uns über seine Anweisung hinwegsetzen, laufen wir Gefahr, uns selbst zu schaden.“ Auch Edmund Burke ist sich bewusst, dass die einzige echte Souveränität diejenige ist, die man sich selbst zu eigenen macht. Es ist jene Macht, die Antonio Gramsci später als Hegemonie bezeichnet und gegen den Zwang abgrenzt. Der Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker Terry Eagleton ist Professor für Englische Literatur an der University of Manchester und Fellow der British Academy.
Manchmal kann das Verlangen nach Rache gerechtfertigt sein
Zwar ermorden nur wenige betrogene Ehepartner wie Medea ihre Kinder, um den Betrüger zu verletzen, doch Schmerz zufügen wollen mit Sicherheit viele. Ihre entsprechenden Anstrengungen haben laut Martha Nussbaum nicht selten schwere Kollateralschäden zur Folge. Auch wenn die Selbstbeherrschung den betrogenen Teil davon abhält zu tun, was er in seiner Wut am liebsten tun würde, so gärt es doch weiter in ihm, und er setzt all seine Hoffnungen darauf, dass es dem betrügenden Teil und seiner neuen Familie irgendwie schlecht ergeht. Und wie oft geschieht es nicht, dass der böse Wille aufs Neue durchbricht – sei es in Gerichtsverfahren, in der subtilen Beeinflussung der Kinder oder einfach nur in der mangelnden Bereitschaft, Männer wieder Vertrauen entgegenzubringen. Martha Nussbaum ist Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago. Sie ist eine der einflussreichsten Philosophinnen der Gegenwart.
Das metaphysische Begehren strebt nach dem absolut Anderen
„Das wahre Leben ist abwesend.“ Aber die Menschen sind auf der Welt. In diesem Alibi erhebt und hält sich die Metaphysik. Emmanuel Levinas erklärt: „Sie ist dem „Woanders“ zugewandt, dem „Anders“ und dem „Anderen“.“ In ihrer allgemeinen Form, die sie in der Geschichte des Denkens angenommen hat, erscheint die Metaphysik in der Tat als eine Bewegung, die ausgeht von einem „Zuhause“, das der Mensch bewohnt, von einer ihm vertrauten Welt – mögen auch an ihren Randzonen noch unbekannte Gebiete liegen oder verborgen sein –,und die hingeht zu einem fremden Außersich, zu einem „Da drüben“. Das Ziel dieser Bewegung – das Woanders und das Andere – heißt „anders“ in einem ausgezeichneten Sinne. Der französisch-jüdische Philosoph Emmanuel Levinas (1905 – 1995) lehrte Philosophie in Nanterre und an der Sorbonne in Paris.
Johannes Steyrer kennt die Falle der Beständigkeit
Die meisten Menschen beharren umso mehr auf ihren Entscheidungen, je mehr sie Zeit, Energie, Gedanken, Gefühle oder Geld investiert haben. Johannes Steyrer fügt hinzu: „Wir tun das auch dann, wenn wir im Zuge dessen vorteilhafte Alternativen ausblenden oder nicht umsetzen, weil das Verlangen nach Konsistenz zur Falle wird. Jede Befreiung aus einer Selbstverpflichtung hieße, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen.“ In Summe sind es fünf Faktoren, die schnurstracks in die „Beständigkeitsfalle“ führen. Erstens: Ein Mensch wird weniger durch Gedanken oder Gefühle als durch eigene Handlungen verpflichtet. Zweitens: Je größer das Publikum bei diesen Handlungen, umso stärker wirkt die innere Pflicht und Schuldigkeit. Drittens: Schrittweises, mehrmaliges Tun ergibt eine zunehmend solide und schwere Kette der Selbstverpflichtung. Johannes Steyrer ist seit 1997 Professor für Organizational Behavior an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Heimat ist die Sehnsucht nach einer Utopie
So fest sie steht, so fahrlässig kann Heimat auch verloren gehen. Christian Schüle schreibt: „In ihrer Abwesenheit ist Heimat expliziter anwesend als in der Unmittelbarkeit ihrer Anwesenheit.“ So gesehen ist Heimat eine Sehnsucht, nicht eigentlich ein Ort, sondern eine Utopie. Was als Gegenstand einer Sehnsucht ein entsprechend starkes Gefühl ausbildet, generiert Wert. Die Werthaltigkeit der Heimat besteht dann in der Bindung des Menschen an einen spezifischen Ort, eine Landschaft, eine Gegend, eine Stadt, an die er sich immer wieder erinnert – genauer: erinnern muss. Heimat kann das schon immer Gegebene sein, das man zeitlebens wieder sucht, dass man immer wieder auffindet und irgendwann vielleicht nicht mehr findet. Seit dem Sommersemester 2015 lehrt er Kulturwissenschaft an der Universität der Künste in Berlin.
Matthias Horx beschreibt die Triade der Liebe
Die Evolution destilliert aus dem Zustand der Verliebtheit jene drei großen Elemente der menschlichen Bindungskraft, die Matthias Horx „das Liebessystem“ nennt. Diese „Triade der Liebe“ setzt sich wie folgt zusammen: Erstens aus der Lust, dem Verlangen nach sexueller Befriedigung und Vereinigung, der animalischen Geilheit. Zweitens aus der romantischen Liebe, der Fixierung auf einen ganz von bestimmten Menschen, wobei alle anderen ausgeblendet werden. Drittens aus der Bindung, dem Streben nach Sicherheit in einer definierten, langfristigen Partnerschaft, das auch das Akzeptieren von Generativität und Verwandtschaften mit einschließt. In diesem Dreieck entsteht die Art und Weise wie sich Menschen paaren und vermehren. Ohne die Magnetkräfte von Sex, Affinität und Bindung würde es die Spezies Mensch nicht geben. Matthias Horx ist der profilierteste Zukunftsdenker im deutschsprachigen Raum.
Autorität hat wenig oder überhaupt nichts mit Gewalt zu tun
Autorität basiert auf Ungleichheit und bewirkt, dass jemand eine selbstverständliche Macht über eine andere Person ausübt, die sich ihr mehr oder weniger freiwillig unterwirft. Autorität hat daher wenig oder überhaupt nichts mit Gewalt zu tun, denn die Unterwerfung geschieht auf freiwilliger Basis. Das Entscheidende steckt für Paul Verhaeghe in der „Selbstverständlichkeit“ dieser Unterwerfung. Autorität funktioniert wie Befehlsgewalt oder militärisches Kommando, das einem von außen übertragen wird: Autorität besitzt, wer das Sagen hat. Das Kommando kann man bekommen, ausüben, verlieren, abgeben – der Ursprung der Autorität liegt also außerhalb der Person selbst. Das ist der wichtigste Unterschied zur Macht. Macht hat eine zweigleisige Struktur und umfasst beispielsweise zwei Personen, von denen eine stärker ist als die andere und daher ihren Willen durchsetzen kann. Paul Verhaeghe lehrt als klinischer Psychologe und Psychoanalytiker an der Universität Gent.
Sigmund Freud unterscheidet zwischen Sexualtrieb und Todestrieb
In der Philosophie der Gegenwart wurden verschiedene Modelle entwickelt, um in der Struktur dessen, was Sigmund Freud „das Ich“ nennt, die menschliche Rationalität auszumachen. Der amerikanische Philosoph Robert Brandom spricht hier vom „Spiel des Gebens und Verlangens von Gründen“ und er hat auch dafür plädiert, das Ich gleichsam als den allgemeinen Namen für Mitspieler an diesem Spiel aufzufassen. Markus Gabriel erklärt: „Ein Ich zu sein heißt, für die Beschreibungsebene zugänglich zu sein, auf der wir unsere Einstellungen zu uns selbst und zu anderen durch Gründe stützen und rechtfertigen.“ Sigmund Freud selber neigt leider häufig dazu, das Ich wie einen Homunculus zu behandeln, der seines Erachtens dadurch auf die Bühne tritt, das Wahrnehmungen im Menschen durch Reizungen entstehen. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.
Eine Trennung ist keine Schande
Keine Ansprüche von außen, keine Normen, keine Moral sollen sich in die gegenwärtigen Konstrukte der Liebe einmischen. Die israelische Soziologin Eva Illouz, die gerade an einem Buch mit dem Titel „Unloving“ arbeitet, erklärt: „Das ist die Kehrseite der sexuellen Freiheit, für die wir gekämpft haben. Es ist allein unser Verlangen und unser Gefühl, das legitimiert, was wir tun. Sobald das schwindet, schwindet auch unser Engagement für die Beziehung.“ Unter diesen Vorzeichen kann man ihrer Meinung nach beispielsweise auch das Fremdgehen nicht mehr in moralischen Kategorien begreifen. Derjenige, der es tut, drückt damit lediglich das eigene sexuelle Verlangen aus. Und das ist heute um seiner selbst willen zulässig. Eva Illouz stellt fest: „Weder das Scheidungsrecht noch die Psychologie suchen noch nach Schuldigen.“
Das Träumen hat den gleichen Zweck wie das Denken
Traumgedanken haben die Aufgabe, Material aus Erinnerungen, Phantasie und manchmal auch Wahrnehmungen aufzugreifen und zu einer Handlung zu verarbeiten, zu etwas, dass man als Gegenrealität bezeichnen könnte. David Gelernter drückt dies wie folgt aus: „Der schwach fokussierte, träumende Geist treibt Improvisationstheater in Höchstform.“ Auf die Frage, warum Menschen träumen, antwortet David Gelernter: „Aus dem selben Grund, aus dem wir auch denken.“ Sigmund Freud vertrat bekanntermaßen die Ansicht, ein Traum sei die Erfüllung eines Wunsches. Damit meinte er, dass der Traum eine – häufig verkleidete, entstellte oder unvollständige – Geschichte darüber erzählt, wie man etwas erreicht, nach dem man Verlangen verspürt. Jonathan Lear weist darauf hin, dass dieser Freud`sche Wunsch eine Schöpfung der Traumwelt ist und auch in der Traumwelt erfüllt werden soll. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.
Im öffentlichen Diskurs wird selten kritisch debattiert
Der öffentliche Diskurs vermittelt vielen Menschen das Gefühl, die wesentlichen Herausforderungen der Gesellschaft, in der sie leben, erkannt zu haben. Doch sie können dabei auch einer Täuschung unterliegen. Vielleicht werden sie umnebelt und entfernen sich von den Realitäten des Lebens? Aufgrund des Mainstreams werden Themen selten kritisch debattiert und Widersprüche übersehen. Allan Guggenbühl ergänzt: „Debattieren hieße ja, dass es eine Vielzahl verschiedener Positionen gibt, die alle legitim und die Anlass für Auseinandersetzungen sind. Eindrücklich zeigt sich dies bei den Themen Gender und Sexualität.“ Studiert man den aktuellen öffentlichen Diskurs, dann werden Geschlechtsunterschiede im Verhalten und Denken fast ausschließlich auf die Sozialisation und Stereotypien zurückgeführt. Allan Guggenbühl ist seit 2002 Professor an der Pädagogischen Hochschule Zürich tätig. Außerdem fungiert er als Direktor des Instituts für Konfliktmanagement in Zürich.
Die Fähigkeit zum Genuss ist das höchste Glück des Menschen
Aristipp von Kyrene (435 – 350 v. Chr.) war ein Schüler des Sokrates und ein Zeitgenosse des Diogenes. Er verkehrte am Hof des Tyrannen Dionysios. Für Aristipp und seine Schule der Kyrenaiker können der Wahlfreiheit eines Menschen ausschließlich die eigenen Empfindungen als Richtschnur gelten. Ludger Pfeil ergänzt: „Aristipps Bedürfnisse gingen allerdings weit über Diogenes` minimalistisches Einfachstleben hinaus. Und Dionysios bot ihm die einträgliche Geldquelle zu deren Finanzierung.“ Die Fähigkeit zum Genuss erklärt Aristipp kurzerhand zum höchsten Glück des Menschen und zur einzigen Tugend, die er gelten lassen will. Lustgewinn heißt das von ihm ausgerufene Ziel, wobei die Lust des Augenblicks als einzig wirkliche angesehen wird und keine Vertröstungen duldet. Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.
Frauen vermissen oft die Verbindung von Sex mit Liebe und Zärtlichkeit
Ein weiteres ausschlaggebendes Element, um Untreue zu verstehen, besteht für Shirley P. Glass in der Erforschung der sexuellen Seite der Ehe. Ein offenes Gespräch, oder Schuldzuweisungen oder Ausflüchte, kann die sexuellen Anfälligkeiten zutage fördern, die den Reiz einer Affäre erhöht haben; es sei denn, der Sex in der Affäre war nur eine Nebenerscheinung einer emotionalen Affäre. Shirley P. Glass erklärt: „Affären, die aus Freundschaften entstehen, werden in der Regel eher durch emotionale Vertrautheit und sexuelle Chemie beeinflusst als durch die Unzufriedenheit über den ehelichen Sex.“ Trotzdem fallen sexuelle Frustration oder Enttäuschung in der Ehe durch den Vergleich mit dem aufregenden Sex in der Affäre natürlich besonders auf. Dr. phil. Shirley P. Glass war niedergelassene Psychologin und Familientherapeutin. Sie starb im Jahr 2003 im Alter von 67 Jahren an einer Krebserkrankung.
Das Begehren ist eine Quelle unaufhörlichen Leides
Gerade in der Liebe und in der Paarbeziehung ist etwas erlebbar, das die moderne Konsumgesellschaft standhaft leugnet. Ulrich Schnabel erklärt: „Die Erfahrung, dass Leben eben keine Frage der Glücksmaximierung ist, sondern dass unsere Existenz unausweichlich durch Aporien gekennzeichnet ist, durch Widersprüche und Begrenzungen, die sich nicht auflösen, sondern allenfalls aushalten oder transzendieren lassen.“ Eine dieser Aporien (die Unmöglichkeit, in einer bestimmten Situation die richtige Entscheidung zu treffen) ist etwa das sexuelle Begehren, zu dem gut ein Satz passt, der der heiligen Teresa von Avila zugeschrieben wird: „Es werden mehr Tränen über erhörte Gebete vergossen als über nicht erhörte.“ Tatsächlich haftet dem sexuellen Begehren von seiner Natur her stets etwas Widersprüchliches, Unauflösbares an. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.
Die Entfremdung ist ein durchgängiges Motiv in Friedrich Hölderlins Dichtung
Friedrich Hölderlin (1770 – 1843) gehört, wie der früh verstorbene Novalis, zu den Autoren, deren Leben und Werk zum Mythos geworden ist. Seine Gedichte beeindrucken durch große sprachliche Dichte, Reichtum der Gedanken, Füllen an Bildern und Symbolkraft. Sensibilität uns Schwermut verbinden sich mit der Hoffnung auf Wiederherstellung der zerstörten menschlichen und gesellschaftlichen Harmonie zu einer Form des politischen Gedichts, dem alles Agitatorische fehlt, das aber durch die Tiefe der Empfindung, der Moralität und politischen Integrität, sprachlichen Gestus und ästhetischer Formung überzeugt. Im idealisierten Griechenland fand Friedrich Hölderlin den Orientierungspunkt für seine Konzeption der Humanität. Die Verwendung antiker Strophenformen war keine äußerliche Übernahme tradierter Formen, sondern Ausdruck inniger Verbundenheit mit der Antike und deren rückerinnernden Aktualisierung. Neben den strengen antiken Versformen stehen die späten, zu freien Rhythmen übergehenden Hymnen und Elegien, in denen die Sehnsucht nach dem verlorenen Griechenland zum Ausdruck kommt. Beispiele sind „Archipelagos“, „Mnemosyne“ und „Patmos“.
Sexuelle Flauten im Bett sind normal
Nach sechs, vielleicht zwölf Monaten hat die Leidenschaft deutscher Paare im Vergleich zu den ersten gemeinsamen Wochen schon deutlich nachgelassen. Das zeigt eine aktuelle, im Fachblatt „Social Science Research“ veröffentlichte Studie. Und es geht weiter rapide abwärts, wie die Forscherinnen des Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften in Mannheim sowie der Ludwig-Maximilians-Universität München schreiben: Nach sechs bis acht Jahren hat das sexuelle Verlangen in Liebesbeziehungen seinen Tiefpunkt erreicht. Danach kann es nur noch wieder besser werden. Das kommt sogar vor, ist aber laut der Studie eher die Ausnahme als die Regel. Das klingt deprimierend, muss es aber nicht sein. Im Gegenteil. Weniger und langweiliger Sex können aus Sicht von Sexualwissenschaftlern sogar ein Indiz für eine stabile Beziehung sein. Probleme bereiten jedoch oft die eigene Erwartungshaltung an Sex.
Der reine Augenblick ist ein abstrakter Traum
Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins 05/2016 spürt dem Augenblick nach. Der Augenblick – kaum ist er da, ist er auch schon wieder vorbei. Das moderne Leben gleicht einem Wettrennen. Umso größer ist bei vielen Menschen das Verlangen, die Zeit anzuhalten, präsent zu sein, die Welt wieder zu spüren. Kein Wunder, dass buddhistisch inspirierte Achtsamkeitspraktiken derzeit boomen. Meditierend kommt das Selbst zu sich, wird empfänglich für die Schönheit des Hier und Jetzt. Aber Denker wie Augustinus bis Edmund Husserl argumentieren, dass die Erfahrung des reinen Augenblicks für die Menschen eine Illusion bleiben muss. Aber nicht nur philosophisch ist die Sehnsucht nach totaler Präsenz problematisch. Es stellt sich auch die Frage, ob nicht der neue Achtsamkeitskult ein reaktionäres, gar narzisstisches Moment in sich trägt.
Selbstbezogenheit führt zu Selbstsucht und Stolz
Die Selbstbezogenheit eines Menschen führt ihn in mehrere unerfreuliche Richtungen. David Brooks erläutert: „Sie führt zu Selbstsucht, dem Verlangen, andere Menschen als Mittel einzusetzen, um sich Dinge zu verschaffen. Sie führt auch zu Stolz, dem Wunsch, sich allen anderen überlegen zu fühlen. Sie führt zu der Fähigkeit, die eigenen Unzulänglichkeiten zu ignorieren und zu rationalisieren und die eigenen Vorzüge zu überhöhen.“ Im Verlauf ihres Lebens vergleichen sich diese Menschen in einem fort mit anderen und fühlen sich ihnen durchweg leicht überlegen. Sie glauben, sie wären tugendhafter, hätten ein besseres Urteilsvermögen und einen besseren Geschmack. Sie streben unentwegt nach Bestätigung. David Brooks arbeitet als Kommentator und Kolumnist bei der New York Times. Sein Buch „Das soziale Tier“ (2012) wurde ein internationaler Bestseller.
Rudolf Eucken beantwortet Fragen zu Ewigkeit und Zeit
Der Mensch untersteht laut Rudolf Eucken als reines Naturwesen zunächst ganz und gar der Zeit und ihrer Veränderung, wie ein regelloser Strom fließt ihm das Leben dahin. Sobald es aber irgendeine Selbstständigkeit gewinnt, möchte es der bloßen Zeit überlegen werden, da es die Bindung an sie als einen Schaden und Schmerz empfindet. Und da entwickelt sich ein Verlangen nach einem dauerhaften Bestehen, ja nach Ewigkeit, wie Platon es in seinem Gastmahl in den herrlichsten Farben geschildert hat. Rudolf Eucken ergänzt: „So sucht der Einzelne, da er selbst bald vom Schauplatz abtreten muss, irgendwelche Spuren seines Daseins zu hinterlassen, große Könige errichten Denkmäler ihrer Taten und schreiben ihre Namen in Felswände ein.“ Im Jahr 1908 erhielt Rudolf Eucken den Nobelpreis für Literatur.
Rudolf Eucken setzt sich mit dem Glücksproblem auseinander
Rudolf Eucken stellt sich die Frage, ob ein Mensch das Glück zum Ziel seines Strebens machen darf, da es möglicherweise eine Enge und Kleinheit der Gesinnung bekundet, alles Streben vornehmlich darauf zu richten, was das Leben an Glück gewährt. Rudolf Eucken fügt hinzu: „Auch die Erfahrung scheint deutlich zu zeigen, dass nicht nur einzelne Menschen, sondern ganze Völker und Religionen auf Glück zu verzichten vermochten; auch Denker allerersten Ranges haben eine Erhebung über das Glücksstreben gefordert.“ Wenn man die Geschichte allerdings genauer betrachtet, sieht man den Kampf weniger gegen das Glück überhaupt, sondern lediglich geringere Formen des Glücks gerichtet. Auch in dem, wodurch man es zu ersetzen glaubte, ist laut Rudolf Eucken immer wieder ein Verlangen nach Glück zu erkennen.
Das Glück ist niemals etwas anderes als das Liebesglück
Zu den Erscheinungsformen des Phänomens Liebe gehört zum Beispiel auch die Freundschaft, genauer gesagt, die Freundesliebe In der Nikomachischen Ethik des Aristoteles heißt es: „Freundschaft braucht Zeit“. Sie entzündet sich laut Josef Pieper normalerweise auch nicht einfachhin am Anblick des anderen, sondern an der Überraschung, dass das jemand existiert, der die Dinge genauso sieht wie man selbst und von dem man dann beglückt sagt: „Gut, dass du da bist!“ Freunde reden, sehr im Unterschied zu den erotisch Liebenden, kaum einmal von ihrer Freundschaft. Ihr Blick ist auf die Dinge gerichtet, für die sie sich gemeinsam interessieren. Deswegen, so ist gesagt worden, finden Leute, die einfachhin sich einen Freund wünschen, mit ziemlicher Sicherheit keinen. Josef Pieper war ein deutscher Philosoph, der von 1904 bis 1997 lebte.
Das limbische System steuert die Triebe und Emotionen
Walter Mischel und sein Team wissen heute inzwischen, dass die Art und Weise, wie Kinder äußere Belohnungen mental repräsentieren, vorhersagbar die Länge ihrer Wartezeit verändern. Andere Studien belegen auch, dass die Kinder es mit zunehmendem Alter besser schaffen, Belohnungen aufzuschieben; ebenso nimmt das Spektrum von Strategien zu, die sie dafür anwenden. Neunjährige Kinder können in unglaublich kreativer Weise ihre Fantasie dazu nutzen, sich abzulenken und die Zeit zu vertreiben, wenn sie in Situationen wie dem Marshmallow-Test die Belohnung aufschieben müssen. Bis zum Alter von zwölf Jahren scheinen die meisten Kinder allerdings nicht zu erkennen, dass kühle Gedanken nützlicher sind als erregende, heiße Gedanken. Die heiße emotionale Region im Gehirn ist das sogenannte limbische System. Walter Mischel gehört zu den wichtigsten und einflussreichsten Psychologen der Gegenwart.
Die Tätigkeit des Verstehens hat einen ambivalenten Charakter
Mit dem Wunsch, verstanden zu werden, ist immer das Verlangen nach Einverständnis, manchmal nach Verzeihen verbunden. „Ich verstehe Dich!“, „Ich habe Verständnis für Dich!“ Wer diese Sätze hört, muss laut Wilhelm Berger allerdings oft einen hohen Preis dafür bezahlen, nämlich den Preis der Abhängigkeit und der Unterwerfung. Die Tätigkeit des Verstehens steht seiner Meinung nach auch theoretisch in einer tiefen Ambivalenz. Prinzipiell gilt das Verstehen im Verhältnis zum Beschreiben als tief und im Verhältnis zum Erklären als weich. Wilhelm Berger erläutert: „Während das Erklären seinen Gegenstand als Objekt sieht und zu einem sicheren, definitiven Ergebnis kommen will, scheint das Verstehen von Zuwendung und gutem Willen getragen zu sein.“ Professor Wilhelm Berger lehrt am Institut für Technik- und Wissenschaftsforschung an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.
Rudolf Eucken vergleicht die Aufstiege und Abstiege des Lebens
Jede Lebensgestaltung muss sich am Dasein des Menschen erproben. Sie tut dies, indem sie dem Einzelleben eine spannende Aufgabe stellt, ihm einen inneren Zusammenhang gibt, es den Widersprüchen entreißt, die es zu zerstören drohen. Diese Widersprüche wurzeln laut Rudolf Eucken vornehmlich darin, dass der Mensch als denkendes Wesen über die bloße Natur hinauswächst und bei ihr kein Genüge mehr findet. Der Durchschnitt seines Daseins zeigt die geistige Tätigkeit allerdings nicht stark genug, um ein neues Leben hervorzubringen. Rudolf Eucken, der im Jahr 1908 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde, schreibt: „So schwebt der Mensch in unsicherer Mitte, und da die Versuche einer Hilfe sich bald als unzulänglich erweisen, so endet das ganze schließlich in trüber Resignation; das Leben erscheint, um mit Schopenhauer zu reden, als ein Geschäft, das seine Kosten nicht deckt.“