Andreas Reckwitz beschreibt die Kulturalisierung der Güter

In der spätmodernen Gesellschaft verlangen die Konsumenten verstärkt nach kulturell-singulären Gütern. Und der singularistische Lebensstil gewinnt seine Struktur, seinen Reiz und seinen Sinn dadurch, dass er sich solche Güter aneignet. Andreas Reckwitz stellt fest: „Entsprechend verlegt sich das ökonomische Feld darauf, diese Form der Güter in hochgradig differenzierter Form anzubieten und das Begehren nach ihnen noch weiter anzustacheln.“ Die Singularisierung der ökonomischen Objekte geht hier einher mit der Singularisierung der Subjekte: Wer von Objekten das Besondere erwartet, erwartet dies auch von Subjekten – einschließlich von sich selbst; wer selbst als Subjekt Besonderheit beansprucht, sucht nach Objekten, mittels deren sich diese ausdrücken und fortentwickeln lässt. Güter zeichnen sich zuerst einmal dadurch aus, dass sie auf Märkten angeboten und von Konsumenten gekauft werden. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

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Der praktische Nutzen spielt beim Besitz kaum noch eine Rolle

Bei immer mehr Gegenständen, die ein Mensch besitzt, spielt der praktische Nutzen kaum noch eine Rolle. Allein die Pflege dieser Gegenstände kostet eine Menge Zeit und Geld. Darin unterscheiden sie sich von den Faustkeilen der Steinzeit, die ihren Nutzern treu dienten. Fumio Sasaki stellt fest: „Unser Besitz hat sich gegen uns erhoben, er beherrscht uns und wir merken es nicht einmal.“ Warum besitzt man so viel Zeug, das man nicht braucht? Welchem Zweck dient es? Für Fumio Sasaki liegt die Antwort auf der Hand: „Wir versuchen verzweifelt, unsere Umgebung zu beeindrucken. Über Dinge versuchen wir, anderen Menschen zu zeigen, wie wertvoll sie sind.“ Wenn man das Ganze von Anfang an betrachtet, wird man feststellen, dass die Evolution den Menschen zu einem sozialen Wesen geformt hat. Fumio Sasaki arbeitete als Cheflektor des japanischen Verlages Wani Books, bevor er freier Autor wurde.

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Richard David Precht macht sich Gedanken über die Arbeit der Zukunft

Aktuell bildet sich eine Tendenz ganz klar heraus. Sehr viele Berufe fallen in Zukunft weg. Von den „Jobs“ des Niedriglohnsektors über einfache bis hin zu vergleichsweise anspruchsvollen Dienstleistungsberufen. Richard David Precht erläutert: „Und selbst wenn wir viele Berufe des neuen Arbeitsmarktes noch nicht kennen – daran zu glauben, dass die Beschäftigung konstant bleibt oder gar steigt, ist fahrlässig bis irrsinnig.“ Denn die Digitalisierung – und das unterscheidet sie von früheren industriellen Revolutionen – erobert kein neues Terrain, sondern sie macht bestehendes effektiver. Sehr wahrscheinlich ist, dass die Digitalisierung die Produktion gewaltig beflügeln wird. Aber was die Beschäftigung anbelangt, so muss diese nicht zwangsläufig dann steigen, wenn die Produktion sich erhöht. Der Philosoph, Publizist und Bestsellerautor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

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Ohne Veränderung langweilen sich die meisten Menschen rasch

Die Verdrahtung des menschlichen Gehirns ist schuld daran, dass vertraute Dinge einen Menschen schnell langweilen. Nur Veränderungen versetzen die neuronalen Netzwerke in Aktion. Fumio Sasaki schreibt: „Veränderungen lösen in unserem Gehirn Reize aus. Deswegen schwindet unser Glücksgefühl, wenn wir etwas schon länger besitzen.“ Früher sehnte man sich nach diesem Gegenstand, doch sobald man ihn hat, registriert das Gehirn, dass sich nichts mehr ändert, die Gewöhnung setzt ein. Der Reiz lässt nach, man nimmt den Gegenstand als selbstverständlichen Teil seines Lebens hin. Ohne Veränderung, ohne einen neuen Stimulus, beginnen die meisten Menschen rasch, sich zu langweilen. Dieser außerordentlich starke Effekt, kann einem das schönste Leben verderben. Er sorgt zum Beispiel dafür, dass man Kleidung, die man im Geschäft sah und hefig begehrte, später grässlich findet. Fumio Sasaki arbeitete als Cheflektor des japanischen Verlages Wani Books, bevor er freier Autor wurde.

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Kultur setzt sich in ihrem Zentrum aus Singularitäten zusammen

Die soziale Logik der Singularitäten ist eng mit jener Dimension des Sozialen verknüpft, für die man klassischerweise den Begriff der Kultur vorgesehen hat. Für Andreas Reckwitz lautet dabei der entscheidende Punkt: „Kultur setzt sich in ihrem Zentrum aus Singularitäten zusammen. Jene Einheiten des Sozialen, die als einzigartig anerkannt werden – die singulären Objekte und Subjekte, die singulären Orte, Ereignisse und Kollektive – bilden gemeinsam mit den zugehörigen Praktiken des Beobachtens und Bewertens, des Hervorbringens und Aneignens die Kultursphäre einer Gesellschaft.“ Die Logik des Besonderen gehört zur Kultur wie die Logik des Allgemeinen zur formalen Rationalität. Rationalisierung und Kulturalisierung sind die beiden konträren Formen von Vergesellschaftung. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

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Der Geist ist auf einen Körper angewiesen

Über das mentale Leben – über Wahrnehmungen, Gefühle und Ideen, über die Erinnerungen, durch die Wahrnehmungen und Ideen festgehalten werden, über Fantasie und Vernunft, über die Worte, in die innere Narrative oder Erfindungen übersetzt werden und so weiter – wird häufig so berichtet, als wären sie ausschließlich Produkte des Gehirns. Antonio Damasio erläutert: „In solchen Berichten ist das Nervensystem von Anfang bis Ende der große Held, aber das ist eine grobe, übermäßige Vereinfachung und ein Missverständnis. Es hört sich so an, als wäre der Körper nur ein Zaungast, ein Gerüst für das Nervensystem, das Gefäß, in dem das Gehirn liegt.“ Antonio Damasio ist Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie an der University of Southern California und Direktor des dortigen Brain and Creative Institute.

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Die Digitalisierung entwickelt eine gewaltige Macht

In den globalisierten Gesellschaften der Moderne setzt sich die Digitalisierung in allen Bereichen und Branchen immer mehr durch. Viele Menschen schauen mit frohen Hoffnungen auf diese Entwicklung, aber es gibt auch nicht wenige, die davor Angst haben und sich fürchten. Inzwischen erkennen alle Volkswirtschaften die Digitalisierung als gewaltige Macht an. Für den Philosophen Richard David Precht lautet eine der aktuellen Fragen nicht: „Wie werden wir leben? Sondern: Wie wollen wir leben?“ Heute gleiten viele Menschen durch Zeit und Raum, befreien sich von harter und langweiliger Arbeit, basteln sich virtuelle Welten, überwinden Krankheiten und werden irgendwann uralt, vielleicht sogar fast unsterblich. Heute am Anfang der vierten industriellen Revolution werden nahezu alle Lebensbereiche des Menschen umgewälzt. Der Philosoph, Publizist und Bestsellerautor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

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Das Gefühl der Unsicherheit ist in Deutschland massiv gestiegen

Einen erheblichen Anteil am massiv gestiegenen Gefühl der Unsicherheit in Deutschland hat der Umgang vieler Menschen mit den Medien, insbesondere mit digitalen Informationskanälen. Die Flut an negativen Nachrichten und belastenden Bilder, der man beinahe täglich ausgesetzt ist, hat eine verheerende Wirkung auf die menschliche Psyche. Georg Pieper weiß: „Diesen angstschürenden Effekt machen sich sowohl islamistische Terroristen als auch Rechtspopulisten gezielt zunutze. Bei ihren Aktionen – bei den einen sind es Anschläge, bei den anderen Provokationen – planen sie stets die anschließende Medienberichterstattung mit ein.“ Indem viele Menschen die Schlagzeilen, Berichte und Bilder wie gebannt aufsaugen, spielen sie ihr perfides Spiel mit und verleihen ihnen eine weitaus größere Wichtigkeit und zugleich Macht über das eigene Denken und Handeln, als sie normalerweise hätten. Dr. Georg Pieper arbeitet als Traumapsychologe und ist Experte für Krisenintervention.

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Richard Thaler stellt die Grundannahmen der Ökonomie auf den Kopf

Richard Thaler hat als einer der ersten Ökonomen gezeigt, dass das Handeln von Menschen oft unvernünftig ist und damit traditionelle Grundannahmen der Ökonomie auf den Kopf gestellt. In seinem neuen Buch „Misbehaving“ erklärt er anhand vieler Beispiele aus Beruf und Alltag, warum das Konzept des rational handelnden Homo oeconomicus ein fataler Irrglaube ist. Dabei wirft er einen ebenso klugen wie amüsanten Blick auf die psychologischen Grundlagen menschlicher Entscheidungen. Die Kernpromisse der Wirtschaftstheorie lautet, dass Menschen sich so entscheiden, dass sie ihren Nutzen optimieren. Außerdem wird angenommen, dass der Homo Oeconomicus keine verzerrten Entscheidungen trifft. Das heißt, er trifft seine Entscheidungen auf der Grundlage dessen, was Ökonomen „rationale Erwartungen“ nennen. Richard Thaler ist Professor für Behavorial Science and Economics an der University of Chicago. 2017 erhielt er für seine Forschungen zur Wirtschaftspsychologie den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.

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Der Begriff der Mündigkeit spielt heute keine Rolle mehr

Bildung hatte schon immer zwei Seiten: die Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten des Einzelnen und die Ansprüche der Gesellschaft. Konrad Paul Liessmann fügt hinzu: „Bildung bedeutet die Steigerung individueller Entfaltungsmöglichkeiten und die Aneignung jener Kenntnisse, Techniken, Traditionen und Fähigkeiten, die eine Gesellschaft für wichtig und verbindlich erachtet.“ Geht dieser Zusammenhang verloren, befindet sich die Bildungssysteme in einer Krise. Die Individualisierung im Bildungsprozess meint folgendes: dass der Einzelne in Auseinandersetzung mit sich und der Welt, mit dem Wissen und der Kultur erfährt, was er und wie er in dieser Welt sein kann. Mündigkeit nannte man dieses Ziel eines bildenden Prozesses der Selbstgewinnung einmal, ein Begriff, der heute keine Rolle mehr spielt. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Die Dankbarkeit ist eine Verwandte des Zorns

Zorn geht mit der Überzeugung einher, dass das Zielobjekt mit seiner Tat einer Person oder Sache innerhalb des eigenen Sorgenkreises unrechtmäßig Schaden zugefügt hat. Martha Nussbaums Ansicht nach umfasst er ebenfalls den Wunsch, den Täter auf irgendeine Weise leiden zu sehen. Als ersten Verwandten des Zorns nennt Martha Nussbaum erstaunlicherweise die Dankbarkeit. Die beiden Emotionen werden in philosophischen Erörterungen – von den griechischen Epikureern und Stoikern bis zu Baruch de Spinoza und darüber hinaus – in der Regel eng zusammengehalten. Martha Nussbaum erläutert: „Die Dankbarkeit hat genau wie der Zorn sowohl ein Zielobjekt (eine Person) als auch einen Fokus (eine Tat).“ Martha Nussbaum ist Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago. Sie ist eine der einflussreichsten Philosophinnen der Gegenwart.

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Viele Menschen sagen zu selten Nein

Wenn man um einen kleinen Gefallen gebeten wird, sagt man oft spontan zu. Viele Menschen ärgern sich allerdings nachträglich darüber, Ja gesagt zu haben. Als Rolf Dobelli vor einigen Jahren seine persönliche Statistik in dieser Sache machte, stellte er fest, dass er viel zu häufig auf kleine Bitten einging. Rolf Dobelli schreibt: „Oftmals war der Zeitaufwand dann beträchtlich höher und der Nutzen für allen Beteiligten bedeutend geringer, als ich mir das im ersten Augenblick ausgemalt hatte. Ich wollte den anderen doch nur einen Gefallen tun, was dazu führte, dass ich mir keinen Gefallen tat.“ Woher kommt diese Seuche, gefallen zu wollen? Der Bestsellerautor Rolf Dobelli ist durch seine Sachbücher „Die Kunst des klaren Denkens“ und „Die Kunst des klugen Handelns“ weltweit bekannt geworden.

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Martha Nussbaum plädiert für eine Kultur der Gelassenheit

Martha Nussbaum kritisiert in ihrem neuen Buch „Zorn und Vergebung“ die Vergebung aus folgendem Grund: In zwischenmenschlichen Beziehung wird die Vergebung oftmals zu einem Mittel der Disziplinierung und Schuldzuweisung. Dabei kommt sie zu dem Schluss, dass Vergebung nicht die richtige Antwort auf eine Kränkung ist. Ähnlich den griechischen Stoikern plädiert sie für eine Kultur der Gelassenheit. Martha Nussbaum fordert, dass der Mensch sich bewusst wird, wie belanglos die meisten Kränkungen sind, und so den Zorn erst gar nicht entstehen lässt. Eine große Gefahr sieht sie in dem zügellosen, unbändigen Zorn: „Von einem solchen Zorn ist man besessen, er ist zerstörerisch und nur dazu da, Leid und Verderben zu bringen.“ Martha Nussbaum ist Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago. Sie ist eine der einflussreichsten Philosophinnen der Gegenwart.

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Ein denkendes Wesen möchte nicht der Natur ausgesetzt sein

Nichts ist für den Philosophen Konrad Paul Liessmann so verführerisch wie die Aussicht, die Natur zu überlisten. Denn der Natur ausgesetzt zu sein, ist für ein denkendes Wesen furchtbar, kränkend, demütigend. Daidalos, dessen Name sich vom griechischen Wort „daidallein“ ableitet, ein kunstvolles Arbeiten bezeichnet, hat im antiken Sinne eher nicht gearbeitet. Er war Künstler, Handwerker, Erfinder, aber kein Sklave. Konrad Paul Liessmann erklärt: „Die Antike unterschied feinsinnig unterschiedliche Formen menschlicher Tätigkeit: „ascholía“, eigentlich die Nichtmuße, die Beschäftigung, die eher freudlosen Dinge, die verrichtet werden müssen, um das Lebensnotwendige bereitzustellen, das tägliche Brot im Schweiße unseres Angesichts zu verdienen.“ Diese Arbeit, die auch zur Mühe und Plage, zur Qual – „ponos“ – werden konnte, erachtete man aber eines freien Menschen für unwürdig, dafür hielt man sich Sklaven.

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Die Leistungsgesellschaft ist extrem konkurrenzorientiert

Der Siegeszug des Leistungsprinzips hat unter anderem dazu beigetragen, dass fast jeder Mensch davon überzeugt ist, im Grunde eine großartige Persönlichkeit zu sein. David Brooks fügt hinzu: „Er hat außerdem Tendenzen zu Selbstverherrlichung verstärkt. Jeder, der die letzten sechzig bis siebzig Jahre durchlebt hat, ist das Produkt einer Leistungsgesellschaft, die extrem konkurrenzorientiert geworden ist.“ Die meisten dieser Menschen haben ihr Leben mit dem Versuch verbracht, etwas aus sich zu machen, etwas zu bewirken, einigermaßen erfolgreich zu sein. Das bedeutete, sich im Wettstreit mit anderen durchzusetzen und möglichst gute Leistungen zu erzielen – in der Schule gute Noten zu bekommen, an einer renommierten Hochschule zu studieren, den richtigen Job zu ergattern, beruflich erfolgreich zu sein und sozial aufzusteigen. David Brooks arbeitet als Kommentator und Kolumnist bei der New York Times. Sein Buch „Das soziale Tier“ (2012) wurde ein internationaler Bestseller.

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Nutzen und Vergnügen sind die Aufgaben der Dichtung

Das Ende des höfischen Dichters bedeutete auch das Ende der höfischen Literatur. An deren Stelle trat eine neue Literatur, die die zentralen Kategorien der Aufklärung, Vernunft, Nützlichkeit und Humanität, auf alle Gattungen der Literatur zu übertragen versuchte. Johann Christoph Gottsched (1700 – 1766) war der erste, der die längst fällige Neuorientierung theoretisch und praktisch vollzog und wegweisend für die Entstehung der neuen Literatur wurde. In seinem bedeutenden theoretischen „Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen“ (1730) brach er mit den formalistischen, noch in der feudalen Gesellschaft verwurzelten Regel- und Anweisungspoetiken des Barock, verurteilte die Barockdichtung vom aufklärerischen Standpunkt aus und forderte eine Literatur, die aufklärerische Ideen auf gemeinverständliche und angenehme Weise vermitteln, Nutzen und Vergnügen verbinden und breite bürgerliche Bevölkerungsschichten erreichen sollte.

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Die Verlustaversion ruft eine Tendenz zum Status quo hervor

Die meisten Menschen besitzen die allgemeine Tendenz, nicht hergeben zu wollen, was sie besitzen – selbst in Situationen, in denen die Erwägungen der Kosten und des Nutzens für den Verzicht sprechen, weil eindeutig die Aussicht besteht, etwas Besseres zu bekommen. Diese Tendenz nennt man Verlustaversion. Richard E. Nisbett fügt hinzu: „Anscheinend macht es uns in zahlreichen ganz verschiedenen Situationen nur halb so glücklich, etwas zu gewinnen, wie es uns unglücklich macht, das Gleiche zu verlieren.“ Für die Verlustaversion bezahlen Menschen einen hohen Preis. Menschen wollen das, was sie besitzen, nicht hergeben, nicht einmal, wenn sie dafür mehr bekommen als das, was sie ursprünglich für einen fairen Preis betrachtet haben. Richard E. Nisbett ist Professor für Psychologie an der University of Michigan.

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Nein ist das Schlüsselwort für die Definition der Identität

Dem Nein entspringt die Macht über das eigene Leben, die Chancen zur Gestaltungsfreiheit. Jedes Nein trägt in sich eine Dualität aus Ermächtigung und Abgrenzung. Dabei sind Macht und Grenzen nichts Schlechtes, sondern ein wesentlicher Bestandteil des Lebens: Jeder lebendige Organismus benötigt Grenzen, um sich selbst zu schützen. Anja Förster und Peter Kreuz fügen hinzu: „Um zu überleben und zu gedeihen, muss jeder Menschen und jede Organisation in der Lage sein, Nein zu sagen zu allem, was Sicherheit, Würde und Integrität bedroht.“ Nein ist der Schlüsselbegriff zu Identität, Ordnung, Struktur und Disziplin. Regeln und Gesetze werden häufig in Form eines Nein formuliert. Zum Beispiel: „Du sollst nicht töten!“ Anja Förster und Peter Kreuz nehmen als Managementvordenker in Deutschland eine Schlüsselrolle ein.

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Das Ausmaß des Unsinns in der Medizin ist niederschmetternd

Die Hamburger Gesundheitswissenschaftlerin Ingrid Mühlhauser klagt an: „Patienten erleiden Schaden, weil sie nicht die bestmögliche Behandlung erhalten. Sie bekommen zu viel, zu wenig oder die falsche Therapie. Es ist fatal: Forschungsergebnisse führen in die Irre und dann werden Behandlungswege eingeschlagen, die sich als falsch herausstellen. Im schlimmste Fall werden nutzlose Medikamente eingesetzt oder unnötige Operationen durchgeführt.“ Das Ausmaß des Unsinns in der Medizin ist niederschmetternd: Eine Analyse im Fachmagazin „Lancet“ ergab 2014, dass 85 Prozent der finanziellen Mittel für biomedizinische Forschung Verschwendung sind. Ingrid Mühlhauser beklagt: „Diese Forschung ist wertlos, die Ergebnisse sind nicht nutzbar. Es werden die falschen Forschungsfragen gestellt, die Methodik ist nicht angemessen und die Ergebnisse werden entweder gar nicht oder nur unvollständig publiziert.“ Vertreter der evidenzbasierten Medizin stellen sich dieser Müll-Lawine in der Medizin entgegen und versuchen, in dem Wust von Tausenden Studien die besten Beweise für das zu finden, was Patienten am besten hilft.

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Verschwörungstheorien bieten simple Erklärungen

Populisten bedienen sich auch in Deutschland gezielt Verschwörungstheorien. Auf die Frage, warum plötzlich so viele Leute dazu bereit sind, den größten Irrsinn zu glauben, antwortet Michael Butter: „Weil Verschwörungstheorien den Zufall beseitigen und dem Einzelnen die Chance geben, eine simple Erklärung für etwas zu finden, was ihn nervt, verängstigt oder belastet.“ Außerdem erlauben es Verschwörungstheorien, mit dem Finger auf Schuldige zu zeigen. Das können dann wahlweise die Politik, die Medien oder auch die Flüchtlinge sein. Zudem kann sich der Einzelne mit Verschwörungstheorien aus der Masse herausheben, weil er derjenige ist, der weiß, wie der Hase läuft. Der Kulturhistoriker Michael Butter ist Professor für Amerikanistik an der Universität Tübingen und Initiator eines EU-Forschungsprojekt zur vergleichenden Analyse von Hintergründen, Nutzen und Gefahren von Verschwörungstheorien.

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Menschen fällen Urteile häufig mittels Heuristik

Die Deutung von Objekten und Ereignissen wird nicht nur von den Schemata beeinflusst, die in bestimmten Kontexten aktiviert werden, sondern auch durch das Framing, die Einbettung oder Formulierung, der Urteile. Eine Art von Framing ist beispielsweise die Reihenfolge, in der ein Mensch verschiedene Informationen erhält. Richard E. Nisbett fügt hinzu: „Beim Framing kann es auch auf die richtige Wahl zwischen gegensätzlichen Etiketten ankommen.“ Und diese Etiketten sind nicht nur wichtig, wie Menschen über Dinge denken und sich ihnen gegenüber verhalten, sondern auch für den Erfolg von Produkten auf dem Markt und den Ausgang öffentlicher politischer Debatten. Was für den einen zum Beispiel ein „nicht erfasster Arbeiter“ ist, ist für den anderen ein „illegaler Einwanderer“. Richard E. Nisbett ist Professor für Psychologie an der University of Michigan.

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Auktionen sind Matching-Märkte

Auf Stellenmärkten wie der der Paarvermittlung können Menschen ihr Interesse auf vielfältige Art und Weise signalisieren. Das Internet hat einige neue Möglichkeiten eröffnet, aber Menschen haben auch Zehntausende von Jahren damit verbracht, Mittel und Wege zu ersinnen, um leicht zu verstehende Signale des Interesses zu senden. Alvin E. Roth ergänzt: „Interessanterweise sind viele Signale, die sich am leichtesten interpretieren lassen, zugleich diejenigen, deren Sendung, in einem gewissen Sinne, auf aufwendigsten, am kostspieligsten sind.“ Auf Arbeitsmärkten kann ein Motivationsschreiben im Rahmen einer Stellenbewerbung ein starkes Signal des Interesses vermitteln. Es zeigt, dass der Bewerber sich die Zeit genommen hat, sich genauer über die Stelle zu informieren, für die er sich bewirbt. Im Jahr 2012 erhielt Alvin E. Roth den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Der Wirtschaftsprofessor lehrt an der Stanford University.

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Freundlichkeit wird im Alltag nicht immer gelebt

Sicher lässt sich mit Freundlichkeit nicht jedes Problem lösen. Tanja Baum stellt allerdings fest, dass mit freundlichem Verhalten viele Probleme erst gar nicht aufgetaucht wären. Ein Nein zu äußern, bedeutet immer, auch eine Konfliktsituation zu schaffen. Egal wie banal die Situation auch sein mag, ein Nein ist immer eine Ablehnung für die andere Person. Tanja Baum betont: „Sagen sie Nein, haben Sie sich durchgesetzt. Damit haben Sie bereits einen Vorteil für sich verbuchen können.“ Wer es dabei auch noch schafft, dass sein Gegenüber sich bei einem Nein nicht vor den Kopf gestoßen fühlt, hat sogar einen zweiten Nutzen aus seinem Nein gezogen. Tanja Baum, systemische Organisationsberaterin und Coach, gründete 1999 in Köln die Agentur für Freundlichkeit mit den Arbeitsschwerpunkten Beratung, Coaching, Training und Meditation.

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John Stuart Mill verteidigt die Freiheit der Lebensweise

John Stuart Mill (1806 – 1873) war ein Vorkämpfer und Ungerechtigkeit und einer der ersten Verfechter des Feminismus. Er war tätig als Politiker und Journalist sowie außerdem einer der größten Philosophen des 20. Jahrhunderts. Andere Menschen denken vielleicht, sie wissen, was einen selbst glücklich macht. Aber gewöhnlich irren sie sich. Selbst weiß man viel besser als die anderen, was man wirklich mit seinem Leben machen will. Und selbst wenn dies nicht der Fall ist, hielt es John Stuart Mill für besser, eigene Fehler zu machen, als gezwungen zu werden, eine bestimmte Lebensweise zu übernehmen. Nigel Warburton erklärt: „Dies steht im Einklang mit seinem Utilitarismus, da er glaubte, erhöhte individuelle Freiheit bewirke mehr Glück als eingeschränkte individuelle Freiheit.“ Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Die Erfahrung ist ein trügerisches Phänomen

Von Erfahrung und Erfahrungen ist heute in allen Bereichen des Lebens die Rede: Menschen machen Erfahrungen, sammeln sie, versuchen aus ihnen zu lernen, und sich an ihnen zu orientieren. Sie wünschen aus Erfahrung klug, möglicherweise sogar weise zu werden. Sie berufen sich auf ihre Erfahrungen, um ihre Behauptungen zu begründen und um fremde Autoritäten infrage zu stellen. Gleichwohl handelt es sich bei dem Wort „Erfahrung“ um eines der trügerischsten in der ganzen Philosophie, wie Alfred North Whitehead einmal bemerkte. Was es bezeichnet, erscheint einem zwar zunächst unmittelbar vertraut und leicht begreiflich. Versucht man jedoch, Erfahrungen begrifflich und theoretisch zu erfassen, gerät man schnell in Schwierigkeiten und Verwirrung. Trotz einiger Bemühungen, die seit der Aufklärung an Zahl und Intensität zugenommen haben, scheint der Terminus bis heute zu den unaufgeklärtesten Begriffen zu gehören, die es gibt.

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