Der deutsche Sozialstaat ist „deaktivierend“

Der Sozialstaat in Deutschland ist bei Weitem nicht so leistungsfähig wie in den nordischen Ländern. Marcel Fratzscher weiß: „Hierzulande sind mehr als doppelt so viele Menschen von Einkommensarmut bedroht wie in Skandinavien. Dies gilt vor allem für Kinder und andere Gruppen wie alleinerziehende Eltern – meist Mütter.“ Der Sozialstaat legt in den nordischen Ländern einen hohen Wert auf Chancengleichheit. So ist die Ungleichheit der Markteinkommen dort sehr viel geringer. In Deutschland sind vor allem die Aufstiegschancen für Menschen aus einkommensschwachen und bildungsfernen Familien ungleich geringer. Der deutsche Sozialstaat ist eher „deaktivierend“. Er versucht, die großen Ungleichheiten am Arbeitsmarkt und im Bildungssystem im Nachhinein durch Umverteilung zu ebnen. Marcel Fratzscher ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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Der Sozialstaat hilft in Krisenzeiten

Es gehört zu den Errungenschaften moderner Wohlfahrtsstaaten, dass sie breite Schichten der Bevölkerung vor wirtschaftlichen Risiken wie Einkommensverlust durch Arbeitslosigkeit oder Krankheit schützen. Clemens Fuest weiß: „In der Coronakrise wird diese Absicherung stark genutzt. Die erste Priorität liegt im Ausbau des Gesundheitswesens. Die Zahl der Betten in den Intensivstationen der Krankenhäuser wird stark erhöht, in Deutschland sogar verdoppelt.“ Schutzkleidung, Atemmasken, Medikamente und Beatmungsgeräte werden in großen Mengen bestellt. Wenn die Lieferung ausbleibt, liegt es nicht am Geld, sondern an mangelnden Produktionskapazitäten oder Exportbeschränkungen anderer Länder für medizinische Geräte. Der Sozialstaat stemmt sich außerdem gegen die wirtschaftlichen Folgen der Krise. Menschen, die ihren Job verlieren, erhalten Arbeitslosengeld, auch wenn diese Unterstützung in verschiedenen Ländern unterschiedlich ausfällt. Clemens Fuest ist seit April 2017 Präsident des ifo Instituts.

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Freie Märkte fördern Ungleichheiten

Nur eine naive Verteidigung des freien Marktes verlässt sich vollständig auf dessen selbstheilende Kräfte. In Wahrheit pflegen in dem sich selbst überlassenen Markt außer Ungleichheit vor allem Oligopole, Monopole und Kartelle zu entstehen. Dadurch wird der Wettbewerb geschwächt und das Gegenteil des freien Marktes erreicht wird. Die Verbesserung der Produkte lässt nach, stattdessen steigen für die Konsumenten die Preise und für die Unternehmen die Gewinne. Derartige Verzerrungen des Wettbewerbs sind laut Otfried Höffe paradoxerweise von der ökonomischen Rationalität her gegeben. Denn unter der Voraussetzung der entsprechenden Macht erzielt man entweder mit gleichen Mitteln einen größeren Profit oder erreicht denselben Profit mit geringerem Einsatz. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Dem Sozialstaat droht die Überforderung

Die Coronakrise hat weitreichende Folgen für die Verteilung von Einkommen und Vermögen sowie für die Zukunft des Sozialstaats. Clemens Fuest erklärt: „In der Krise erleiden sowohl Vermögende als auch viele abhängig Beschäftigte Verluste. Verschiedene Gruppen sind sehr unterschiedlich betroffen.“ Schon während der Krise zeigt sich, dass Menschen mit hoher Berufsqualifikation besser vor Jobverlusten geschützt sind als andere. Nach der Coronakrise wird sich das Gefälle in den Berufs- und Einkommenschancen zwischen hoch und niedrig qualifizierten Erwerbstätigen voraussichtlich weiter vergrößern. Das hat laut Clemens Fuest zwei Gründe. Der erste liegt in der Beschleunigung der Digitalisierung und des Strukturwandels. Sie begünstigt höher qualifizierte Arbeit. Der zweite liegt in den Schulschließungen während der Krise. Clemens Fuest ist seit April 2017 Präsident des ifo Instituts.

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Der Sozialstaat sorgt für die Bedürftigen

Heinz Bude begreift den Sozialstaat als Form institutionalisierter Solidarität. Niemand wird hier seinem Schicksal überlassen. Man kümmert sich um jene Mitmenschen, die in eine der drei Kategorien von Versorgungsbedürftigkeit fallen: Alter, Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit. Heinz Bude nennt sie die drei Standardrisiken der industriellen Arbeitsgesellschaft. Das Arbeitsleben ist ein „gefährdetes Leben“, um Judith Butler zu zitieren. Deshalb bedarf es der Zuverlässigkeit von Solidarität, die den verletzlichen Einzelnen die genügende Erwartungssicherheit verleiht, um mit dieser Situation vielfältiger Gefährdungen zurechtzukommen. Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfähigkeit und Alter passieren und verletzen die Einzelnen. Deshalb trägt eine „anständige Gesellschaft“ dafür Sorge, dass die Herabwürdigung und Aussortierung für die Einzelnen nicht zu schlimm ausfallen. Heinz Bude studierte Soziologie, Philosophie und Psychologie. Seit dem Jahr 2000 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Makrosoziologie an der Universität Kassel.

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Otfried Höffe fordert eine ökosoziale Marktwirtschaft

Zu den Menschenrechten gehören Rechte wie das Recht auf Eigentum und eine freie Entfaltung der Persönlichkeit. Diese schließen die freie Teilnahme am Wirtschaftsleben, dabei sowohl die Berufsfreiheit des Konsumenten als auch die Unternehmerfreiheit, ein. Otfried Höffe fügt hinzu: „Mit den negativen Freiheitsrechten nicht zufrieden, verlangt der Gedanke der Menschenrechte aber nach zusätzlichen Markteinschränkungen. Damit sich die Freiheitsvision des Marktes nicht in Unfreiheit verkehrt.“ Deshalb erweitert ein sensibles Gemeinwesen seine wirtschaftspolitische Verantwortung. Außerdem verpflichtet es sich auf das Leitbild der sozialen Marktwirtschaft. Dank dieses Leibildes ist die vor allem in West- und Nordeuropa vorherrschende Wirtschaftsgestalt zu einer Mischform von Privat- und Gemeinwirtschaft geworden. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Freiheitsrechte bilden den Kern der Menschenrechte

Nach einem für die politische Moderne unverzichtbaren Prinzip, dem der allgemeinverträglichen Freiheit, gibt es Menschenrechte, und deren Kern bilden zwei Grundarten von Freiheitsrechten: Die negativen Freiheitsrechte schützen jeden Einzelnen vor Übergriffen seiten der Rechtsgenossen als auch seitens der Staatsgewalten. Und positive Freiheitsrechte bündeln sich im Staatsziel des Sozialstaates. Als Beispiel eines Freiheitsrechts greift Otfried Höffe ein junges, aber keineswegs geringes Recht heraus, den Datenschutz. Wegen des Internets verlieren räumliche Entfernungen an Gewicht, werden Ereignisse weltweit so gut wie gleichzeitig wahrgenommen und Informationen in Sekundenschnelle ausgetauscht. Nicht zuletzt sind die revolutionär neuen Formen audiovisueller Kommunikation enorm preisgünstig. Für Otfried Höffe geht damit ein erheblicher Demokratisierungsgewinn einher. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Das Grundgesetz hält Deutschland zusammen

Das Grundgesetz Deutschlands ist eine großartige Errungenschaft, auf welche die Deutschen stolz sein können. Hier sind die Werte festgeschrieben, auf das Land zusammenhalten. Georg Pieper erläutert: „Sie garantieren, dass jeder sagen kann, was er denkt; lieben kann, wen er will; glauben kann, an wen oder was er mag; sein Leben gestalten kann, wie es seinen Vorstellungen entspricht.“ Sich dazu zu bekennen ist nicht nur eine Voraussetzung für den gesellschaftlichen Frieden, sondern kann noch dazu dem Einzelnen sehr viel Stärke geben. Das ist für Georg Pieper einer der wichtigsten Wege, Ängste in etwas Positives umzuwandeln. Auch die Mehrzahl der Mitbürger islamischen Glaubens empfindet eine klare Loyalität zum Grundgesetz. Gerade wenn sie Erfahrungen mit restriktiven politischen Systemen gemacht haben. Dr. Georg Pieper arbeitet als Traumapsychologe und ist Experte für Krisenintervention.

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Viele Deutsche fürchten sich vor dem sozialen Abstieg

Der Ruf nach dem starken Staat zeigt immer die Annahme einer schwachen Gesellschaft an – wenn Schwäche im Verhängniszusammenhang von Orientierungsverlust und Angst vor dem persönlichen Abstieg besteht. Christian Schüle erläutert: „Individuelle Verlustangst ist die treibende Kraft hinter der Ablehnung jener Mächte, die man dafür verantwortlich macht: Globalisierung, Kapitalismus, Migration. Sie alle, so lässt sich solches Denken personalisieren, nehmen mir auf meiner Scholle in meiner Heimat das mir Zustehende ab.“ Großherzigkeit, Humanitarismus, Toleranz und Solidarität, heißt das im Umkehrschluss, muss man sich leisten können. Und sie sind nur dann möglich, wenn das eigene Ich stabil im Leben steht, getragen von einem formidablen Bruttoinlandsprodukt mit relativer Perspektive von stabilen Wohlstand, Wachstum, Steigerung und Verbesserung, wenn man sich in relativer Ruhe nach oben orientieren kann. Seit dem Sommersemester 2015 lehrt Christian Schüle Kulturwissenschaft an der Universität der Künste in Berlin.

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Persönliche Freiheit entsteht aus eigenem Antrieb und eigener Überlegung

Überlegungen zur personalen Freiheit, die nur Vorteile in Betracht ziehen, bleiben einseitig, sogar naiv. Denn auch die personale Freiheit gibt es nicht ohne negative Kehrseiten. Otfried Höffe erläutert: „Ein freier Mensch ist nicht, wer nur in gewissen Augenblicken bewusst und freiwillig handelt, sondern wer beide Momente, Freiwilligkeit und Bewusstheit, in seiner gesamten Lebensführung realisiert. Frei ist also jemand, dem es gelingt, aus eigenem Antrieb und eigener Überlegung zu leben.“ Durch die gesellschaftliche und politische Entwicklung wird ihm dieses Gelingen teils erleichtert, aber auch erschwert. Der Grund liegt nicht außerhalb der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung, er kommt von innen. Verantwortlich sind nämlich die rechtliche und die soziale Freiheit. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Georg Pieper beschreibt die neurotische Gesellschaft

Eine wirklich angstvolle, neurotische Gesellschaft reagiert in akuten Situationen der Bedrohung eher panisch als besonnen. Als Psychologe weiß Georg Pieper, dass ein angstgeprägter Mensch sich schnell angegriffen fühlt und zurückschlägt. Aus psychologischer Sicht ist es seiner Meinung nach nicht auszuschließen, dass eine neurotische, von Angst gelenkte Gesellschaft mit einer entsprechenden politischen Führung aggressiv wird und schlechte Entscheidungen fällt. Die Gesellschaft in Deutschland driftet auseinander, diese beunruhigende und bedrückende Entwicklung verfolgt Georg Pieper schon länger. In den vergangenen Jahren wurde die Kluft zwischen Arm und Reich ständig größer und im sozialen Klima immer deutlicher spürbar. Nun treibt die Angst vor Terror und anderen Unsicherheiten weitere Risse durch die Gesellschaft und ist auf dem besten Wege, sie in unversöhnliche Fraktionen zu spalten. Dr. Georg Pieper arbeitet als Traumapsychologe und ist Experte für Krisenintervention.

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Der Kapitalismus durchdringt alle Gesellschaftsbereiche

Innerhalb der Wirtschaft spielt die Finanzwirtschaft eine sehr bedeutende Rolle. Stürzt sie in Krisen, etwa in die gravierenden Finanzkrisen der letzten Jahre, so sind viele betroffen: von privaten Anlegern über institutionelle Anleger wie Staatsfonds und Pensionskassen bis zu ganzen Volkswirtschaften. Otfried Höffe definiert den Finanzkapitalismus wie folgt: „Eine erste Gestalt, der (Finanz-) Kapitalismus, ist eine Wirtschaftsform, in der es auf Geld im Großmaßstab, das Kapital, ankommt und dieses Geld nicht länger lediglich ein Tauschmittel, sondern vor allem eine Handelsware ist.“ In der zweiten Gestalt, beim Kapitalismus als allgemeiner Wirtschafsform, lässt man gegenwärtiges Geld in Investitionen arbeiten, um zukünftig einen höheren Ertrag zu erhalten. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Otfried Höffe weist auf die Selbstgefährdung der Freiheit hin

Frei ist, wer sich von Verantwortung und den damit verbundenen Zwängen löst, unfrei, wer das Lösen nicht freiwillig, aus der eigenen Person selbst heraus vornimmt, sondern es von außen aufgezwungen findet. Otfried Höffe erklärt: „Und spätestens dort, wo man von allen Verantwortungen, zusätzlich von allen Bindungen und allen Ressourcen frei wird, verliert die emanzipatorische Freiheit jeden positiven Wert: Wer alles verloren hat, besitzt, weil er nichts mehr zu verlieren hat, fraglos keine beneidenswerte Freiheit.“ Verständlicherweise neigen Menschen, die diesen Radikalverlust erleiden, zur Verzweiflung. Das Gefühl, nichts mehr verlieren zu können, kann die Freiheit allerdings auch steigern. In der Epoche der Aufklärung dominiert die Freiheit im Zuge einer Universalisierung als die mächtige Vision, dass in Zukunft alles reicher, besser, schöner wird. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Die europäische Demokratie kann erschüttert werden

Die Welt ist aus den Fugen geraten. Demokratische und soziale Wertesysteme, die in den letzten Jahrzehnten das Fundament für politische Stabilität waren und zumindest in Europa für relativen Frieden sorgten, brechen auseinander. Jürgen Roth stellt fest: „Die Hoffnung, dass die pluralistische liberale europäische Demokratie so gefestigt sei, dass sie nichts erschüttern kann, scheint der bitteren Realität zu weichen.“ Viel zu wenig wird die Frage gestellt, was es für den sozialen Zusammenhalt einer Gesellschaft eigentlich bedeutet, dass bereits im Jahr 2012 EU-Steuer-Kommissionspräsident Algirdas Šemeta ausrechnete, dass der Europäischen Union (EU) Jahr für Jahr eine Billion Euro durch Steuerhinterziehung und Steuerumgehung verloren gingen. Diese Steuerflüchtlinge kommen den Bürgern weitaus teurer zu stehen als alle nach Europa Geflüchteten des Jahres 2015 zusammen. Jürgen Roth gilt als einer der bekanntesten Vertreter des investigativen Journalismus in Deutschland.

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Slavoj Žižek warnt vor dem Rechtspopulismus in Europa

Die größte Gefahr im gegenwärtigen Europa ist für den Philosophen Slavoj Žižek die Radikalisierung der Einheimischen, die schon längst im Gange ist. In Frankreich gibt es den Front National, in Deutschland Pegida und AfD. Auch in anderen Ländern nehmen rechtspopulistische und rechtsextremistische Tendenzen zu. Slavoj Žižek warnt: „Die radikale Rechte profitiert vom Flüchtlingschaos. Falls Le Pen und Konsorten an die Macht kommen sollten, wird es nicht mehr das Europa sein, das wir kennen und wollen.“ Slavoj Žižek meint damit das Europa des Universalismus, der Aufklärung, der Menschen- und Freiheitsrechte, der Solidarität, und des Sozialstaates. Europa darf seiner Meinung nach sehr stolz sein auf seine Errungenschaften, und es sollte diese entschieden verteidigen. Europa muss auch von den ankommenden Muslimen verlangen, dass diese die europäischen Werte respektieren.

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Wolfgang Kersting stellt die Theorie des Egalitarismus vor

Die Konzeption des Egalitarismus beruht für Wolfgang Kersting auf einer übertriebenen Interpretation der vertrauten moralischen Intuition, dass Gerechtigkeit etwas mit Verdienst zu tun haben muss. Dieser wiederum ist die eigene Leistung. Was sich jemand selbst erarbeitet hat, gehört ihm. Niemand darf es ihm nehmen, auch nicht der Sozialstaat. Das jedoch, was einem zufällt, muss nach Maßgabe allgemeiner Regeln der Gerechtigkeit ausgeglichen werden. Wolfgang Kersting erläutert: „Und zu dem, was einem zufällt und nicht selbst erarbeitet worden ist, gehören alle natürlichen und herkunftsbedingten Eigenschaften und Fähigkeiten, Dispositionen und Einstellungen, die wesentlich für Erfolg und Misslingen der Lebenskarriere verantwortlich sind.“ Wolfgang Kersting, emeritierter Professor für Philosophie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat sich vor allem mit den Themen Sozialstaat, Gerechtigkeit und Gesellschaftsordnung beschäftigt. Er veröffentlichte Bücher über Platon, Machiavelli, Thomas Hobbes, John Rawls sowie über Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie.

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Deutschland braucht gut ausgebildete Wirtschaftsflüchtlinge

Zu den beeindruckenden Fortschritten der Bundesrepublik Deutschland gehört, dass die allermeisten Einheimischen die vielen Flüchtlinge trotz aller Krisengefühle willkommen heißen. Deutschland lernt sich in der Flüchtlingskrise gerade selber kennen. Dabei werden teils widersprüchliche, teils auch komplementäre Erfahrungen gemacht. Armin Nassehi erklärt: „Wir sehen brennende Flüchtlingsheime, und wir sehen ein charismatische Entgegenkommen, eine – wie man etwa am Münchner Bahnhof erleben konnte – wahrlich herzergreifende Willkommenskultur. Aber ohne die radikalen Proteste gäbe es diese besondere Freundlichkeit vermutlich nicht.“ Viellicht sind beide Formen der Reaktion allzu starke Vereinfachungen: Die rechten Asylkritiker tun so, als sei eine ethisch und kulturell homogene Gesellschaft leichter zu steuern. Die charismatische Hilfsbereitschaft entdeckt die konkrete Notsituation, hat dabei aber die Probleme der Integration noch gar nicht im Fokus. Armin Nassehi ist Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Herausgeber des Kursbuches.

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Die deutsche Einheit war eine Erweiterung um fünf Bundesländer

Die deutsche Einheit hatte einen hohen Preis und veränderte die Bundesrepublik viel tiefer als 1990 geahnt. Zum Beispiel wurde der Sozialstaat, der nicht zuletzt wegen der Konkurrenz der Systeme zwischen Ost und West so stark ausgebaut war, infolge der Kosten der Einheit deutlich zurückgefahren. Philipp Ther nennt Zahlen: „Diese Kosten betrugen in den vergangenen 25 Jahren je nach Berechnung mindestens 1,5 Billionen Euro.“ Für die sozialen Einschnitte stehen vor allem Hartz VI und das Bündel der Sozial- und Arbeitsmarktreformen der Jahre 2001 bis 2005. Der Ausgang des Kalten Krieges wurde nicht nur in Deutschlands Hauptstadt Bonn, sondern im gesamten Westen als Überlegenheit des eigenen kapitalistischen Systems gegenüber dem Sozialismus verstanden. Der Kultur- und Zeithistoriker Philipp Ther ist Professor für osteuropäische Geschichte an der Universität Wien.

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Wolfgang Kersting erklärt den Begriff der sozialen Gerechtigkeit

Mehr als zehn Jahre hat sich hat sich der Ökonom Friedrich August von Hayek intensiv damit befasst, den Sinn des Begriffs „soziale Gerechtigkeit“ zu ergründen. Dabei kam er zum Schluss, dass für eine Gesellschaft freier Menschen dieses Wort überhaupt keinen Sinn hat und nicht auf die Ergebnisse einer Marktwirtschaft angewendet werden kann. Gerechtigkeit hat für Friedrich August von Hayek nur einen Sinn als eine Regel für menschliches Verhalten. Wolfgang Kersting stellt klar, dass der Bergriff der sozialen oder distributiven Gerechtigkeit für Friedrich August von Hayek nur eine semantische Luftspiegelung beziehungsweise eine begriffliche Illusion darstellt. Wolfgang Kersting, emeritierter Professor für Philosophie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat sich vor allem mit den Themen Sozialstaat, Gerechtigkeit und Gesellschaftsordnung beschäftigt. Er veröffentlichte Bücher über Platon, Machiavelli, Thomas Hobbes, John Rawls sowie über Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie.

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Daniel Zimmer stellt verschiedene Formen der Gerechtigkeit vor

 

In der griechischen Antike wurde die Gerechtigkeit zu den Tugenden gerechnet. Der Philosoph Platon zählte sie neben der Weisheit, Tapferkeit und Besonnenheit zu den Kardinaltugenden. Sein Schüler Aristoteles entwickelt in seiner „Nikomachischen Ethik“ das Konzept der Gerechtigkeit weiter, indem er zwischen ausgleichender und austeilender Gerechtigkeit unterschied. Erstere beschrieb die Bereitschaft, anderen das ihnen Zustehende zu gewähren. Daniel Zimmer erklärt: „Hierher zählt das Prinzip der Tauschgerechtigkeit bei Verträgen wie dem Kauf, bei denen Leistung und Gegenleistung gerechterweise im Wert entsprechen.“ Zur ausgleichenden Gerechtigkeit gehört auch die korrigierende Form, insbesondere der Grundsatz des vollwertigen Ausgleichs eines Schadens durch den Schädiger. Professor Dr. Daniel Zimmer ist Vorsitzender der Monopolkommission und Direktor des Center for Advanced Studies in Law and Economics der Universität Bonn.

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Es existieren zwei grundlegende Formen der Freiheit

Wolfgang Kersting unterscheidet zwei Formen der Freiheit. Eine negative Freiheit genießen die Menschen, wenn sie frei von Zwang, Gewalt und Drohung handeln und Entscheidungen treffen können. Positive Freiheit bedeutet für den Menschen sein eigener Herr zu sein und über sein Leben selbst bestimmen zu können. Wolfgang Kersting fügt hinzu: „Negative Freiheit bedeutet Freiheit von Selbstbestimmung, positive Freiheit bedeutet Selbstbestimmung.“ Allerdings ist die Abwesenheit von Fremdbestimmung nicht hinreichend für Selbstbestimmung. Es gibt laut Wolfgang Kersting Hindernisse bei der Selbstbestimmung, die auch dann bestehen bleiben, wenn alle darauf verzichten, sich einander durch Gewalt, Drohung und Erpressung gefügig zu machen. Wolfgang Kersting, emeritierter Professor für Philosophie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat sich vor allem mit den Themen Sozialstaat, Gerechtigkeit und Gesellschaftsordnung beschäftigt. Er veröffentlichte Bücher über Platon, Machiavelli, Thomas Hobbes, John Rawls sowie über Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie.

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Die Geschichte Deutschlands ist im 20. Jahrhundert zweigeteilt

In Deutschland ist das 20. Jahrhundert von zwei Weltkriegen, einer gescheiterten Demokratie, der Hitler-Diktatur und dem Holocaust geprägt. Und vierzig Jahre war Deutschland ein geteiltes Land. Wer dagegen heute von Deutschland spricht, denkt unter anderem an den Sozialstaat, Wohlstand, Liberalisierung, Globalisierung, eine erfolgreiche Demokratie und die längste Friedensperiode in der europäischen Geschichte. Das Projekt Europa ist für Deutschland der einzige gangbare Weg der Gegenwart, aber die deutsche Geschichte bleibt dennoch im Nationalen verwurzelt. Ulrich Herbert erklärt, warum das so ist. Das hat seinen guten Grund, denn persönliche Erfahrungen und gesellschaftliche Traditionen beziehen sich in allen europäischen Ländern, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, nach wie vor zuerst auf das Land, aus dem man kommt und in dem man lebt. Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

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Jede Gesellschaft ist durch eine hierarchische Ordnung gegliedert

Alle historischen Herrschaftsverbände werden durch System der sozialen Ungleichheit geprägt. Immer weist ihre Sozialstruktur eine hierarchische Ordnung auf. Die schottischen Aufklärer Adam Smith, Adam Ferguson und John Millar beschreiben die Hierarchie der sozialen Ungleichheit in engster Verbindung mit der historischen Natur des jeweils herrschenden Wirtschaftssystems. Daran haben auch bedeutende Sozialwissenschaftler wie Max Weber, Émile Durkheim, Vilfredo Pareto, Talcott Parsons und Pierre Bourdieu festgehalten. Hans-Ulrich Wehler weist darauf hin, dass für die schottischen und englischen Sozialtheoretiker des ausgehenden 18. Jahrhunderts der Zerfall der überkommenen Ständeordnung unter dem Druck der voranschreitenden kapitalistischen Marktwirtschaft als Schlüsselerfahrung im Vordergrund stand. Sie erkannten den unauflöslichen Zusammenhang zwischen Wirtschafts- und Sozialverfassung, der wie eine Art von historischem Zwillingsphänomen wirkte. Hans-Ulrich Wehler war bis zu seiner Emeritierung Professor für Allgemeine Geschichte an der Universität Bielefeld. Sein Hauptwerk ist die fünfbändige „Deutsche Gesellschaftsgeschichte“.

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Wolfgang Kersting kritisiert den kalten Wirtschaftsliberalismus

Die ökonomischen Ordnungsdenker vertreten die grundlegende Ansicht, dass die Wirtschaft einer Ordnung bedarf. Die Überzeugung der Selbstregulation des Wirtschaftsliberalismus war für sie eine Illusion. Wolfgang Kersting erklärt: „Überlässt man den Markt sich selbst, stiftet er nur Unheil. Nicht nur wird die Marktfreiheit durch entstehende ökonomische Machtkonstellationen zerstört; auch wird die gesellschaftliche Umwelt des Markes vergiftet.“ Ein sich selbst überlassener Markt ist seiner Meinung nach wie ein Virus, der die gesamte Gesellschaft ansteckt, das Denken und Handeln der Politik verändert und das Muster der Selbstverständigung der Kultur unterhöhlt. Wolfgang Kersting, emeritierter Professor für Philosophie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat sich vor allem mit den Themen Sozialstaat, Gerechtigkeit und Gesellschaftsordnung beschäftigt. Er veröffentlichte Bücher über Platon, Machiavelli, Thomas Hobbes, John Rawls sowie über Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie.

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Wolfgang Kersting ist von der Marktwirtschaft begeistert

Für Wolfgang Kersting ist die Marktwirtschaft nicht nur das effizienteste System der Verwertung von Ressourcen und Versorgung mit Gütern, sondern auch eine Werte verwirklichende und eine moralische Ordnung. Der Markt ist seiner Meinung nach eine Schule der Selbstverantwortung und planenden Rationalität, der Anpassungsfähigkeit und der Erweiterung des Selbst. Er verlangt zudem eine stete Bereitschaft zum Umlernen und zur Weiterbildung, er fordert Offenheit für das Neue, prämiert aber auf der anderen Seite auch Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit. Wolfgang Kersting erklärt: „Er fördert somit die Entwicklung fundamentaler menschlicher ethischer Einstellungen und kognitiver Kapazitäten.“ Wolfgang Kersting, emeritierter Professor für Philosophie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat sich vor allem mit den Themen Sozialstaat, Gerechtigkeit und Gesellschaftsordnung beschäftigt. Er veröffentlichte Bücher über Platon, Machiavelli, Thomas Hobbes, John Rawls sowie über Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie.

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