Der australische Naturphilosoph Glenn Albrecht hat 2005 den Begriff der „Solastalgie“ geschaffen, um das Trauma zu beschreiben, das durch den Verlust der vertrauten ökologischen Umwelt entsteht. Eva von Redecker ergänzt: „Nostalgie, aber in Echtzeit: eine Sehnsucht nicht nach Vergangenem, sondern nach dem, was man für unverrückbar gegenwärtig hielt.“ Das Wort, das sich aus dem lateinischen „solacium“ – Trost – und dem griechischen „algia“ – Leid – zusammengebaut ist, kommt einem nicht gerade leicht über die Lippen. „Leiden an Trostlosigkeit“: Das beschreibt nicht schlecht, was Menschen in einer sterbenden Welt befällt. Aber der Neologismus macht Eva von Redecker stutzig, weil in ihm so viel fehlt. Es kommt weder die Welt vor, auf die sich die Sehnsucht richtet, noch der Grund ihres Verlusts. Eva von Redecker ist Philosophin und freie Autorin. Sie beschäftigt sich mit der Kritischen Theorie, Feminismus und Kapitalismuskritik.
Trostlosigkeit
Walter Benjamin klärt über die dunkle Seite der Erfahrung auf
Den Kampf um Verantwortlichkeit kämpft der Mensch laut Walter Benjamin mit einem Maskierten. Die Maske des Erwachsenen heißt für ihn „Erfahrung“. Sie ist ohne Ausdruck, undurchdringlich, hat immer das gleiche Aussehen. Walter Benjamin schreibt: „Alles hat dieser Erwachsene schon erlebt: Jugend, Ideale, Hoffnungen, das Weib. Es war alles Illusion.“ Oft sind die Menschen eingeschüchtert und verbittert. Vielleicht sogar mit Recht. Immer mehr befällt Walter Benjamin das Gefühl, dass die Jugend nur eine kurze Nacht sei, die mit Rausch erfüllt werden müsse. Danach kommt seiner Meinung nach nur noch die große „Erfahrung“, die Jahre der Kompromisse, die Armut der Ideen und eine zermürbende Schwunglosigkeit. So ist das Leben. Der deutsche Philosoph, Literaturkritiker und Übersetzer Walter Benjamin wurde am 15. Juli 1892 in Berlin geboren. Am 26. September 1940 nahm er sich auf der Flucht vor der Gestapo an der spanischen Grenze das Leben.
T. S. Eliot ist das Vorbild für die lyrische Avantgarde
T. S. Eliot verkörpert auf dem Gebiet der Dichtung wie kein anderer Autor des 20. Jahrhunderts die lyrische Avantgarde. Seinen unsterblichen Ruhm begründete sein epochales Gedicht „Das wüste Land“. Er hat darin wie kein anderer Dichter die existentielle Krise der Moderne und deren möglichen Überwindung geschildert. T. S. Eliot schildert in seinem Hauptwerk den Geist seiner Zeit, der sich in der Trostlosigkeit der Großstadt manifestiert. „Das wüste Land“ wird zum Symbol für die Orientierungslosigkeit und einer Sprach- und Sinnkrise nach dem ersten Weltkrieg. Das Gedicht beginnt mit folgenden Zeilen:
“APRIL is the cruellest month, breeding
Lilacs out of the dead land, mixing
Memory and desire, stirring
Dull roots with spring rain.”
Ludwig Marcuse denkt über das Glück nach
Es gibt Sehnsüchte, die von der Patina des Alterns verschont werden. Zu diesen ewig Jungen zählt laut Ludwig Marcuse das Glück. Babylonier, Juden, Inder, Griechen, Römer, Chinesen, Unglückliche und Glückliche haben seit Jahrtausenden über das Glücklichsein nachgedacht. So wie es heute Menschen gibt, die sich über das Glück ihre Gedanken machen, wird es auch morgen und übermorgen einen Menschen geben, der sich die Frage stellt: Was ist Glück? Schon 3.000 Jahre bevor „das Streben nach dem Glück“ als ein Grundrecht in die amerikanische Verfassung aufgenommen wurde, stritt Hiob für das Recht auf Glück.