Richard E. Nisbett weist auf die Macht der Situation hin

Die meisten Menschen unterschätzen – oder ignorieren völlig – einige höchst bedeutsame und nachhaltige situative Einflüsse auf Überzeugungen und Verhalten. Richard E. Nisbett erklärt: „Als direkte Konsequenz dieser „Kontextblindheit“ neigen wir dazu, den Einfluss persönlicher, „dispositioneller“ Faktoren – Präferenzen, Persönlichkeitsmerkmale, Fähigkeiten, Pläne und Motive – auf das Verhalten in einer bestimmten Situation zu unterschätzen.“ Die Vernachlässigung einer bestimmten Situation wie auch die Überbewertung innerer Faktoren treten selbst dann auf, wenn man versucht, die Gründe für die eigenen Urteile und Handlungen zu analysieren. Noch viel schwerwiegender ist das Problem jedoch, wenn ein Mensch die Ursachen für das Verhalten seiner Mitmenschen zu ergründen sucht. Er muss viele kontextuelle und situative Aspekte berücksichtigen, wenn er sich ein Urteil bilden oder etwas Bestimmtes tun will. Richard E. Nisbett ist Professor für Psychologie an der University of Michigan.

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Die Überzeugungen der Menschen sind oft schmerzlich falsch

Die Überzeugungen eines Menschen sind zu vielen wichtigen Aspekten der Welt oft schmerzlich falsch und er begeht grundlegende Fehler bei der Art und Weise, sie zu erwerben. Die Überzeugung, dass man die Welt direkt, über die unmittelbare Wahrnehmung von Fakten, erkennt, bezeichnen Philosophen als „naiven Realismus“. Richard E. Nisbett erklärt: „Jede Vorstellung über jeden Aspekt der Welt beruht auf zahllosen Schlussfolgerungen, gezogen mit Hilfe geistiger Prozesse, die sich unserer Beobachtung entziehen.“ Der Mensch ist unabhängig von unzähligen Schemata und Heuristiken, um auch nur die einfachsten Gegenstände und Ereignisse genau kategorisieren zu können. Häufig entgeht den Menschen, welche Rolle der Kontext beim Erzeugen des Verhaltens von Menschen und sogar von physischen Objekten spielt. Richard E. Nisbett ist Professor für Psychologie an der University of Michigan.

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Glück ist im Hier und Jetzt angekommen zu sein

Im Gegensatz zu dem Glück, das Menschen empfinden, wenn sie eine lebensnotwendige Handlung erfolgreich bewältigen, gibt es auch noch andere Formen des Glücks, die wissenschaftlich etwas schwieriger zu fassen sind. Sie basieren auf Gefühlen wie Verbundenheit, Liebe und Sicherheit und entstehen, wenn man für andere da sein kann, Fürsorge geben oder empfangen, wenn man eine innere Ruhe verspürt und im Hier und Jetzt angekommen ist. Professor Tobias Esch, der Als Mediziner seit 20 Jahren zu der Verarbeitung von Stress und Belohnung im Gehirn forscht, beschreibt dieses Glück so: „Es ist dieser Zustand des Nichtwollens, der so unscheinbar daherkommt und auf den ersten Blick gar nicht so sexy ist. Deswegen vielleicht spielte er in den Medien als auch in der Wissenschaft bislang keine große Rolle.“

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Wissenschaftliche Sätze sollen verneint werden können

Aus der Einsicht heraus, dass alles Erkennen immer nur hypothetisch und vorläufig bleiben muss, hat insbesondere der Kritische Rationalismus zwei Regeln formuliert, die fast zu wissenschaftlichen Gemeinplätzen geworden sind. Wilhelm Berger erläutert: „Ihre Anwendung verspricht eine klare Grenzziehung zwischen der wissenschaftlichen Tätigkeit und ihren Konkurrenten bei der Deutung der Welt. Bis zu einem gewissen Grad können diese Regeln auch dazu dienen, alltägliche Diskussionen zu ordnen.“ Die erste Regel lautet, dass wissenschaftliche Sätze falsifizierbar sein sollen. Diese Regel reflektiert nicht nur das Faktum, dass vieles, was einmal als wahr gegolten hat, heute als falsch gelten muss. Die Regel ist darüber hinaus eine formale: Wissenschaftliche Sätze sollen eine Form haben, die es erlaubt, dass sie verneint werden können. Professor Wilhelm Berger lehrt am Institut für Technik- und Wissenschaftsforschung an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

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Die Figur des Bürgers ist das logische Subjekt der Aufklärung

Immanuel Kant betrachtet die Aufklärung als den Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist dabei das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Der Verstand ohne Leitung eines anderen dagegen, ist von Vernunft geleitete Geisteskraft. Laut Theodor W. Adorno und Max Horkheimer ist Denken im Sinn der Aufklärung die Herstellung von einheitlicher, wissenschaftlicher Ordnung und die Ableitung der Erkenntnis von Tatsachen aus Prinzipien. Diese können als willkürlich gesetzte Axiome, eingeborene Ideen oder höchste Abstraktionen gedeutet werden. Die Sozialforscher fügen hinzu: „Die logischen Gesetze stellen die allgemeinsten Beziehungen innerhalb der Ordnung her, sie definieren sie. Die Einheit liegt in der Einstimmigkeit. Der Satz vom Widerspruch ist das System in nuce. Erkenntnis besteht in der Subsumtion unter Prinzipien.“

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Die Liebe jeglicher Art hat immer eine Tendenz zur Einswerdung

So verschieden die Definitionen von Liebe ausfallen und so unterschiedlich ihre vielfältigen Gestalten sind – ein Element kehrt in allen Kennzeichnungen wie auch in allen Realisierungen wieder: das Tendieren auf Einswerdung. Josef Pieper erklärt: „Was in der Liebe unter den Menschen geschieht, ist, dass aus zweien sozusagen eine Person wird.“ Allerdings setzt Einswerdung in der Liebe voraus, dass die Verschiedenheit und Selbstständigkeit der beiden Liebenden dieser neuen Einheit dennoch bestehen bleibt. Jules Michelet, ein französischer Historiker, formuliert dies wie folgt: „Um eins zu werden, muss man zwei bleiben.“ Die Einswerdung und Verschmelzung von Menschen realisiert sich auf einzigartige und unvergleichlich intensive Weise in der engeren Sinnes erotischen Liebe, da die Geschlechterliebe eine paradigmatische Form der Liebe überhaupt ist. Josef Pieper, der von 1904 bis 1997 lebte, war ein deutscher christlicher Philosoph.

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Wilhelm Berger beschreibt die Philosophie als große Erzählung

Die Philosophie ist schon seit ihren Anfängen eine große Erzählung. Sie will ja, wie es in der „Politik“ des Aristoteles beschrieben ist, das Einzelne auf grundsätzliche Weise untersuchen, und die grundsätzliche Perspektive richtet sich seit damals auf das Große und Ganze, vor dessen Hintergrund das Einzelne erklärt werden kann. Wilhelm Berger fügt hinzu: „Gerade aber dadurch, dass sie in strengem Sinne nicht erzählen, unterscheiden sich die ersten griechischen Denker von den Mythenerzählern. Die mythische Verkündigung ist die Erzählung eines wirklichen Geschehens, die sich oft in der Komplexität der Verhältnisse wirklicher Personen verliert.“ Die Geschichte der Philosophie ist unter anderem auch eine Abfolge von Versuchen der Letztbegründung. Schon Aristoteles wusste, dass jede Wissenschaft zwar auf Beweisen beruhen muss, aber dass das Wissen der unvermittelten Grundsätze nicht beweisbar ist. Professor Wilhelm Berger lehrt am Institut für Technik- und Wissenschaftsforschung an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

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Ständiges Wachstum macht die Menschen nicht zufriedener

Gerhard Schick stellt sich die Frage, ob die Menschen nicht immer mehr eingespannt sind in ein Hamsterrad wirtschaftlicher Entwicklung, das zwar mehr produziert, aber den Wohlstand des Einzelnen nicht mehrt, ihn nicht glücklicher macht, sondern ihm sogar schadet. In den letzten Jahrzehnten wurde den Menschen immer wieder eingebläut: „Wachstum schafft Wohlstand.“ Die meisten Deutschen konzentrieren sich voll auf Wachstum, Wachstum und noch einmal Wachstum und erheben damit ein Mittel zum Zweck. Gerhard Schick kritisiert: „Unsere Gesellschaft hat sich die Debatte über das „gute Leben“, die so alt ist wie die menschliche Philosophie, abgewöhnt. Diese Debatte schien irgendwann entbehrlich zu sein, weil bei wachsendem Wohlstand jeder auf seine Façon glücklicher werden kann.“ Der grüne Politiker Gerhard Schick zählt zu den versiertesten Ökonomen im Deutschen Bundestag.

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Immanuel Kant ist am revolutionärsten in seiner Ethik

Immanuel Kant, der von 1724 bis 1804 lebte, publizierte sein erstes epochales philosophisches Werk, die „Kritik der reinen Vernunft“, 1781 im Alter von 57 Jahren. Um seine Ideen auszuarbeiten, brauchte Immanuel Kant also viel Zeit. Er nahm sich die Zeit, die er brauchte, um seine Philosophie neu zu strukturieren und zu begründen. Vorher hatte er nur seine „Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral“, 1764 veröffentlicht, einen zweiten Preis der Berliner Akademie der Wissenschaften erhalten. Vittorio Hösle empfiehlt dem Anfänger in der Philosophie dringend das Studium der Schriften Immanuel Kants, zudem diese nicht nur den Scharfsinn schulen, sondern zudem jenen sittlichen Ernst vermitteln, ohne den Philosophie selten mehr ist als das Lösen von Puzzles. Vittorio Hösle ist Paul Kimball Professor of Arts and Letters an der University of Notre Dame (USA).

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Daniel Goleman hat eine Anleitung zum modernen Leben verfasst

Daniel Goleman prangert in seinem Buch „Konzentriert Euch!“ die Lüge vom Multitasking an und stellt die Kunst vor, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Multitasking funktioniert beim Menschen einfach nicht, da das Gehirn niemals mehrere Dinge gleichzeitig erfassen kann. Nur wer sein Augenmerk auf die wichtigen Angelegenheiten im Leben setzt, kann Bestleistungen erbringen. Die Menschen müssen dafür ihre Aufmerksamkeit bündeln, sei es im Job oder der Ausgestaltung des Privatlebens. Der renommierte Psychologe und Bestsellerautor Daniel Goleman unterscheidet drei Grundformen der menschlichen Aufmerksamkeit: die Konzentration nach innen, auf andere und nach außen. In den letzten Jahren ist die Aufmerksamkeit zum Gegenstand einer umfangreichen Forschung geworden, die weit über die Wachsamkeit hinausgeht. Denn die Fähigkeit, aufmerksam zu sein, so der Befund der Wissenschaftler, ist dafür entscheidend, wie Menschen beliebige Aufgaben bewältigen.

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Mathias Binswanger klärt über die Illusion der Messbarkeit auf

Die messbare Leistung prägt den Begriff der Leistungsgesellschaft. Das Problem besteht für Mathias Binswanger dabei allerdings darin, dass sich die heute in Wirklichkeit wichtigen Leistungen einer quantitativen Messbarkeit entziehen. Denn dort geht es in erster Linie um Qualität und nicht um Quantität. Sportdisziplinen wie Eiskunstlauf zeigen in typsicher Weise die Unmöglichkeit, die Qualität von Leistungen zu messen und zu vergleichen. Mathias Binswanger betont: „Was sich messen lässt, sind nur bestimmte Indikatoren, die dann mit der nicht genau definierten Qualität einer Leistung möglichst stark korrelieren sollten.“ Die in der heutigen Wirtschaft relevanten Leistungen haben seiner Meinung nach viel mehr Ähnlichkeit mit Eiskunstlauf als mit Leichtathletik. Wie beim Eiskunstlauf ist die Qualität dabei grundsätzlich nicht messbar. Mathias Binswanger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Solothurn.

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Robert J. Shiller nennt einige Gründe für den Vertrauensimpuls

Dem Risikoimpuls steht ein nahezu entgegengesetzter Impuls der Konventionalität und der Vertrautheit gegenüber. Dieser kann viele Formen annehmen. Für Robert J. Shiller ist dabei vor allem jener Aspekt wichtig, dass er die Menschen dazu bringen kann, sich auf altmodische Finanzinstitute und überholte Wirtschaftsstrukturen zu stützen. Robert J. Shiller schreibt: „So abstrakt Finanzkonzepte sind, so schwer sind sie für die meisten Menschen zu verstehen. Sie befürchten, von anderen manipuliert oder betrogen zu werden, die mit diesen Konzepten besser vertraut sind.“ Dennoch erkennen die meisten Menschen sofort, dass finanzielle Vorkehrungen für ihr langfristiges Wohlergehen enorm wichtig sind, sei es privat oder für den nachhaltigen Erfolg im Beruf. Robert J. Shiller lehrt Wirtschaftswissenschaften an der Yale University und zählt zu den einflussreichsten Vordenkern in der globalen Wirtschaft. Seit Jahren wird er als einer der Topanwärter für den Wirtschaftsnobelpreis gehandelt.

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Ernst Fraenkel prüft das Verhältnis von Parlament und Bürokratie

Ernst Fraenkel kritisiert, dass in Deutschland die Tradition der großartigen Parlamentsdebatten fehlt, in denen in offener Feldschlacht um Sieg oder Niederlage einer Regierung gefochten wurde. Ebenso wenig gibt es seiner Meinung nach hierzulande die Flexibilität der parlamentarischen Taktik auf sich selbst gestellter Abgeordneter. Auch nicht vorhanden ist ein parlamentarischer Stil, der aus dem esprit de corp von Angehörigen der verschiedenen Parlamentsgruppierungen erwächst, die sich mit Augenzwinkern und Augurenlächeln zusichern, dass sie Bescheid wissen und den Comment parlamentarischer Solidarität nicht verletzen werden. Ernst Fraenkel schreibt: „Der deutsche Parlamentsstil ist von Ehrenmännern entwickelt worden, deren auf Prinzipientreue basierendem Ernst der Gedanke eines politisches Spiels als frivol erschienen wäre.“ Dazu kommt, dass seit den Tagen des Frühparlamentarismus in Deutschland, eine beispiellos hoch entwickelte Bürokratie dem Parlament, seinen Mitgliedern und Parteien, den Weg zur Exekutive versperrt hatte.

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Theodor W. Adorno untersucht den Begriff der Autorität

Theodor W. Adorno weist darauf hin, dass man mit dem Begriff der Autorität einen gewissen Unfug anrichtet. Für ihn selbst ist die Autorität zunächst ein sozialpsychologisches Phänomen, das nicht ohne weiteres die soziale Wirklichkeit selber bedeutet. Sondern der Begriff der Autorität erhält seinen Stellenwert innerhalb des sozialen Kontextes, in dem er aufkommt. Die Art, in der ein Mensch, psychologisch gesprochen, zu einem autonomen, also mündigen Menschen wird, hat für Theodor W. Adorno nicht einfach etwas mit dem Aufmucken gegen jede Art von Autorität zu tun. Theodor W. Adorno, geboren am 11. September 1903 in Frankfurt am Main, gestorben am 6. August 1969, lehrte in Frankfurt als ordentlicher Professor für Philosophie und Direktor des Instituts für Sozialforschung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität.

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Henri Lefebvre setzt sich mit dem Naturbegriff auseinander

Der Missbrauch, den die kosmologische Romantik mit dem Naturbegriff trieb, hat diesen laut Henri Lefebvre in Misskredit gebracht, obwohl systematische Philosophie bislang nie auf eine Philosophie der Natur verzichten wollte. Naturalismus und Naturismus haben den Begriff der Natur regressiv in Beschlag genommen, haben ihn bald verschnörkelt, bald einem von Physik oder der Physiologie abgezogenen elementaren Szientismus unterworfen. Schließlich ist der Naturbegriff durch die bürgerlichen und technizistischen Verzückungen schier unerträglich geworden, angesichts der mit den modernen Hilfsmitteln eroberten Welten des Schweigens, der Abgründe und Höhen. Henri Lefebvre schreibt: „Die Natur ist vom Journalismus, von der Literatur, den Massenmedien und zugleich von einer dekadenten Ontologie okkupiert worden.“ Seiner Meinung nach hat man die Natur entschärft, indem man sie interessanter machen wollte. Die ihr angedichtete Pittoreskheit und das Geschwätz über Natur haben ihren Begriff trivialisiert.  

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Kai Konrad räumt mit den Illusionen in der Klimapolitik auf

Die 18. Weltklimakonferenz fand Ende des vergangenen Jahres in Doha statt. Mehr als 20.000 Menschen nahmen daran teil. Die Gipfeltreffen begannen 1992 in Rio de Janeiro und werden seit 1995 fast jedes Jahr ausgerichtet. Die inhaltlichen Ergebnisse der Doha-Konferenz waren laut Kai Konrad überschaubar und knüpfen damit an die Misserfolge der vergangenen Jahre in Bali, Posen, Kopenhagen, Cancún und Durban an. Denn Klimaverhandlungen sind extrem schwierig. Kai Konrad nennt einen der Gründe dafür: „Deutlich über hundert Staaten sollen einen internationalen Vertrag schließen, der auf Jahrzehnte bindet. Und zwar einen Vertrag, bei dem jeder Einzelne besser dran ist, wenn nur die anderen dem Abkommen beitreten.“ Kai Konrad ist Direktor am Max-Planck-Institut für Steuern. Vergangenes Jahr hat er zusammen mit Lars Feld und Marcel Thum einen Aufruf „Umdenken in der Klimapolitik“ im Ifo-Schnelldienst veröffentlicht.

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Das Philosophie Magazin stellt Jean-Jacques Rousseau vor

In der neuen Winterausgabe 01/2013 des Philosophie Magazins beschäftigt sich das Titelthema mit der Frage: „Gott. Eine gute Idee?“ Am interessantesten dabei ist das Streitgespräch zwischen dem Religionskritiker Herbert Schnädelbach und der Theologin Margot Käßmann. Der ehemalige Präsident der Allgemeinen Gesellschaft für Philosophie und emeritierter Professor der Humboldt-Universität Berlin, Herbert Schnädelbach, behauptet, dass das Christentum als Ideologie, Tradition und Institution wie ein Fluch auf unserer Zivilisation lastet. Für ihn ist vor allem die Erbsündenlehre in der augustinisch-lutherischen Fassung eine schwere Hypothek, die bis heute vor allem in der Pädagogik nachwirkt. Er sagt: „Die Vorstellung, dass der Mensch als Wilder auf die Welt kommt und erst einmal domestiziert werden muss, dass sein Wille gebrochen werden muss – genau das ist eine der Erblasten, die auf einem ganz bestimmten Aspekt des christlichen Lehrbestands beruhen.“  

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Erich Fromm erörtert das vielgestaltige Phänomen der Hoffnung

Die Hoffnung ist für den Psychoanalytiker und Sozialphilosophen Erich Fromm ein entscheidendes Element für jeden Versuch, eine gesellschaftliche Veränderung in Richtung auf eine größere Lebendigkeit, höheres Bewusstsein und mehr Vernunft herbeizuführen. Für Erich Fromm heißt hoffen nicht, wie viele andere meinen, Begierden und Wünsche zu haben. Menschen die bessere Autos, größere Häuser und die neuesten Geräte haben möchten sind für ihn keine Menschen der Hoffnung, sondern einfach nur Menschen, die es nach mehr Konsum gelüstet. Erich Fromm spricht von Hoffnung, wenn der Gegenstand der Hoffnung kein Ding, sondern ein erfüllteres Leben, ein Zustand größerer Lebendigkeit oder eine Befreiung von der ewigen Langeweile ist. Es kann sich aber auch theologisch gesprochen, um eine Hoffnung der Erlösung handeln oder politisch gesagt, um die Hoffnung auf eine Revolution.

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Emile Durkheim untersucht die moralische Wirklichkeit

Emile Durkheim vertritt die These, dass die moralische Wirklichkeit wie jede Art der Wirklichkeit von zwei verschiedenen Gesichtspunkten aus untersucht werden kann. Der Mensch kann sie erkennen und verstehen wollen oder sich vornehmen, sie zu beurteilen. Um die moralische Wirklichkeit untersuchen zu können, ist es für ihn unerlässlich, vorher zu bestimmen, woraus sie besteht und was sie charakterisiert. Zu den Hauptmerkmalen der moralischen Tatsachen zählt Emile Durkheim, dass sich jede Moral darstellt als ein System von Verhaltensregeln. Er ergänzt: „Doch auch alle Techniken werden von Maximen regiert, die dem Handelnden vorschreiben, wie er sich bei bestimmten Gelegenheiten zu verhalten hat. Emile Durkheim, der von 1858 bis 1917 lebte, war seit 1902 Professor der Pädagogik und Soziologie an der Sorbonne.

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Ein Exkurs von Gordon A. Graig über die deutsche Sprache

Schöpfer der deutschen Sprache war, wie Heinrich Heine in seiner „Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland“ schrieb, Martin Luther. Dies ist für Gordon A. Craig keine Übertreibung, denn wie immer man Literatur der einzelnen deutschen Dialekte bewertet, die Basis für eine gemeinsame deutsche Literatur existierte erst, als der Mönch aus Wittenberg die Voraussetzungen dafür schuf. Seine Bibelübersetzung und seine politischen und theologischen Flugblätter waren eingebettet in eine neue Sprache von unvergleichlicher Klarheit und Fülle. Seine Wortwahl war kraftvoll und dennoch sensibel und gleichermaßen geeignet für die Erfordernisse von Darlegung und Argumentation sowie für Satire und Humor. Gordon A. Craig, der von 1913 bis 2005 lebte, war amerikanischer Historiker und Schriftsteller schottischer Herkunft. Er erhielt im November 1981 für sein Werk „Deutsche Geschichte 1866-1945“ den Historikerpreis der Stadt Münster.

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Theodor W. Adornos Anmerkungen zum philosophischen Denken

Wer über das philosophische Denken sprechen möchte, muss sich auf einen Teilaspekt desselbigen beschränken, wenn man nicht ins Unverbindliche abgleiten möchte. Theodor W. Adorno beschränkt sich deshalb bei seinen Anmerkungen auf das, was er bei seinem eigenen Denken beobachtet zu haben glaubt. Laut Theodor W. Adorno ist philosophisches Denken dabei vom Gedachten, also vom Inhalt zu trennen. Zudem hält er es für eine Ironie des Schicksals, dass die Philosophie so leicht Wut beim common sense erregt, weil sie zu oft mit der Abstraktheit verwechselt wird, gegen die sie eigentlich aufbegehrt. Theodor W. Adorno, geboren am 11. September 1903 in Frankfurt am Main, gestorben am 6. August 1969, lehrte in Frankfurt als ordentlicher Professor für Philosophie und Direktor des Instituts für Sozialforschung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität.

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In Europa konkurrieren viele verschiedene Identitäten miteinander

Andreas Wirsching zweifelt daran, dass sich die Frage nach einer europäischen Identität überhaupt sinnvoll beantworten lässt. Für ihn ist allzu offenkundig, dass es in Europa zumindest viele und miteinander konkurrierende Identitäten gibt und dass sich diese Identitäten seit dem Ende des Kommunismus nachhaltig gewandelt haben. Andreas Wirsching ergänzt: „Überdies scheint auch die kulturelle Identifikation der Bürger in Europa mit ihrem Kontinent noch nicht soweit vorangeschritten zu sein, dass sich ohne weiteres ein Gemeinschaftsgefühl, europäischer Zugehörigkeit, geschweige denn von Öffentlichkeit sprechen ließe.“ Andreas Wirsching ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen „Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert“ und „Der Preis der Freiheit. Geschichte Europas in unserer Zeit.“

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Die Gefühle sind weder zufällig noch genetisch bedingt

Barbara L. Fredrickson verspricht in ihrem neuen Buch „Die Macht der Gefühle“ dem Leser, dass er die Wirkung positiver Gefühle verstehen und schätzen lernen wird. Mit dem neuen Wissen über die eigenen Emotionen kann man den Alltag besser bewältigen, da man mehr über sich selbst erfährt und sein vorhandenes Potential besser ausschöpfen kann. Eine positive Grundeinstellung umfasst laut Barbara L. Fredrickson eine Vielzahl positiver Gefühle wie Wertschätzung, Liebe, Vergnügen, tief empfundene Freude, Hoffnung, Dankbarkeit und vieles mehr. Barbara L. Fredrickson ist Professorin für Psychologie an der University of North Carolina in Chapel Hill und hat die Entwicklung der Positiven Psychologie durch ihre Erkenntnisse maßgeblich beeinflusst. Für die von ihr entwickelte „Broaden-and-Build-Theorie“ wurde sie mit zahlreichen Wissenschaftspreisen ausgezeichnet.

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Die Essensverschwendung kann jeder Einzelne stoppen

Mehr als die Hälfte aller Lebensmittel werden weggeschmissen. Allein in Deutschland landen jährlich bis zu 20 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Stefan Kreutzberger und Valentin Thurn erklären in ihrem Buch „Die Essensvernichter“, dass allein das Essen, das in Europa vernichtet wird, zwei Mal ausreichen würde, um alle Hungernden der Welt zu ernähren. Die meiste Nahrung wird schon vernichtet, bevor sie auf dem Esstisch landet: jeder zweite Kopfsalat, jede zweite Kartoffel und jedes fünfte Brot. Da die Ware im Supermarkt inzwischen perfekt aussehen muss, wird zum Beispiel ein Apfel mit einer Delle oder ein Salat mit einem welken Blatt sofort aussortiert. Die Mehrkosten zahlt der Konsument, da die Händler den Ausschuss längst auf den Preis aufgeschlagen haben.

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Tim Jackson stellt seine Vorstellung vom Wohlstand vor

Die Grundlage für die Vorstellung von Wohlstand ist laut Tim Jackson die Fähigkeit des Menschen zu gedeihen, und zwar innerhalb der ökologischen Grenzen eines endlichen Planeten Erde. Er gibt zu, dass diese Vorstellung zweifellos materielle Aspekte beinhaltet. Denn es wäre seiner Meinung nach absurd zu behaupten, alles sei bestens, wenn es an Essen und Obdach mangelt. Milliarden von Menschen in den Entwicklungsländern müssen immer noch auf diese Grundbedürfnisse verzichten. Zugleich ist für Tim Jackson unschwer zu erkennen, dass die einfache Gleichsetzung von Quantität mit Qualität, von mehr ist besser, grundsätzlich falsch ist. Er schreibt: „Dinge allein lassen uns nicht gedeihen. Manchmal stehen sie uns dabei sogar im Weg.“ Tim Jackson ist Professor für Nachhaltige Entwicklung am Zentrum für Umweltstrategien der Universität Surrey.

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