Julia Friedrichs ist für ihr neues Buch „Ideale“ nicht nur durch ganz Deutschland gereist, sondern sogar zu den Kaimaninseln, um den verschiedensten Menschen Fragen zu stellen wie: „Wofür kämpfen Sie in Ihrem Leben?“ oder „Haben Sie Ideale?“. Zudem wollte sie wissen, was die Menschen dafür tun, das ihre Ideale von Dauer sind oder warum sie ihre früheren Ideale längst aufgegeben haben. Am Anfang ihres Buches versucht die Autorin erst einmal durch Lektüre philosophischer Bücher und des Dudens herauszufinden, was ein Ideal eigentlich ist. Julia Friedrichs schreibt: „Ein Ideal, notiere ich, ist ein Leitbild, das unverrückbar über der Realität thront. Es ist größer als das, was wir immer „Werte“ nennen, das Anständig-Sein, das Ehrlich-Sein. Ein Ideal ist mehr, etwas das man anvisiert, dem man entgegenlebt.“ Julia Friedrichs hat beim Verlag Hoffmann und Campe folgende Bestseller veröffentlicht: „Gestatten: Elite. Auf den Spuren der Mächtigen von morgen (2008) und „Deutschland dritter Klasse. Leben in der Unterschicht (mit Eva Müller und Boris Baumholt, 2009).
Die Kraft zum Handeln entsteht aus dem Mut zu träumen
Ihr erstes Interview zum Thema Ideale führt Julia Friedrichs mit dem ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder. Der Ex-Kanzler möchte kein Idealist sein, dem seine Ideale genug sind, ohne darüber nachzudenken, ob sie jemals in der Wirklichkeit ankommen. Dennoch will sich Gerhard Schröder nicht als reinen Pragmatiker bezeichnen lassen. Er erzählt, dass er auch öfters folgenden Satz gesagt hat: „Wer keinen Mut zum träumen hat, hat keine Kraft zum Handeln.“
Nach Gesprächen mit den Politikern Rezzo Schlauch und Christian Ströbele trifft sich Julia Friedrichs mit dem Schriftsteller Ingo Schulze, der davon überzeugt ist, dass jeder seine Ideale und Leidenschaften selber finden müsse. Aber nicht nur Prominente hat die Autorin befragt, sondern auch Gymnasiasten, Realschülern und Hauptschülern ein paar Fragen geschickt. Julia Friedrichs schreibt: „Ich wollte erfahren, wie ihr Leben einmal aussehen soll, wovon sie träumen, was sie im Land verändern wollen und ob sie glauben, die Kraft dazu zu haben.“
Viele Schüler sind von kleinbürgerlichen Lebensidealen geprägt
Die meisten Schüler haben denselben Traum. Sie wollen möglichst viel Geld verdienen und mit der Familie glücklich und gesund in einem großen Haus leben. Soziologen könnten darin leicht eine enorme Vitalität eines kleinbürgerlichen Lebensideals erkennen. Doch scheinbar gibt es unter den Schülern auch Idealisten. Eine Schülerin schreibt: „In der Zukunft würde ich gerne die Welt verändern. Das hört sich zwar sehr komisch an, aber ich will das wirklich versuchen.“
Im Epilog ihres Buches „Ideale“ beschreibt Julia Friedrichs ihr Treffen mit Sven Giegold, einen unbestrittenen Idealisten, eine Rarität unter den Menschen mit denen sie gesprochen hat. Sven Giegold ist Mitglied des Europäischen Parlamentes, nicht um Karriere zu machen, sondern weil er ein dringendes Anliegen hat. Sven Giegold ist ein Kämpfer für eine gerechte Steuerverteilung. Er sagt: „Den Staaten fehlt Geld, weil es dem Finanzkapital ständig gelingt, sie zu erpressen, sie gegeneinander auszuspielen.“ Nach all ihren Interviews hat die Autorin erkannt, dass aus ihr wohl nie eine idealistische Weltverbesserin werden wird. Aber sie will immerhin ein bisschen was tun, um ihr Scherflein dazu beizutragen, dass die Welt eine bessere wird. Sie schreibt: „Ein bisschen ist nicht viel, aber mehr als nichts.“
Ideale
Auf der Suche nach dem, was zählt
Julia Friedrichs
Verlag: Hoffmann und Campe
Gebundene Ausgabe: 270 Seiten, Auflage 2: 2012
ISBN: 978-3-455-50187-2, 19,99 Euro
Von Hans Klumbies
Von diesem Buch war ich außergewöhnlich gefesselt. Die Autorin vermischt darin Privates, in dem sie von den Fortschritten ihres Sohnes berichtet, was sie sehr sympathisch macht. Auf der anderen Seite schreibt sie mit viel Ironie und Provokation über die ausgerechnet bei den Politikern, die einmal zu den Leitfiguren gezählt haben, abhanden gekommenen Ideale. Das Buch macht nachdenklich und man sucht heute Ideale vergeblich.