Manchmal entsprechen die eigenen Vorstellungen nicht der Realität

Es kommt vor, dass Dinge den Vorstellungen nicht entsprechen, die Menschen sich von ihnen machen. Eine davon abweichende Realität zu akzeptieren, kann schwerfallen, auch wenn sie nicht zu leugnen ist. Wilhelm Schmid nennt ein Beispiel: „Im Privaten kann beispielsweise ein Ärger, der gemäß der Vorstellung von einer harmonischen Beziehung nicht vorkommen sollte, aus diesem Grund auch nicht bewältigt werden.“ Den verengten Blick etwas zu erweitern, sodass mehr Realität darin Platz hat, könnte Beziehungen alltagstauglicher machen. Schließlich ist eine Verengung möglich, weil Dinge den eigenen Interessen nicht entsprechen. Zwar liegt es nahe, den täglichen Strom von Informationen zügig nach dem Prinzip zu kanalisieren: „Das geht mich etwas an, jenes nicht.“ Beziehungen jeder Art sind jedoch darauf angewiesen, Informationen über die Interessen anderer an sich herankommen zu lassen. Wilhelm Schmid lebt als freier Philosoph in Berlin.

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Das Soziale liegt im Auge des Betrachters

Die Sozialontologie ist eine Teildisziplin der Philosophie. Sie untersucht systematisch die Frage, ob es allgemeine strukturelle Bedingungen dafür gibt, dass das So-Sein bestimmter Tatsachen sozial ist. Markus Gabriel erklärt: „Eine Tatsache ist dann sozial, wen ihr So-Sein das aufeinander abgestimmte Verhalten mehrerer Individuen einer Spezies involviert.“ Eine soziale Tatsache liegt nicht nur dann vor, wenn mehrere Individuen faktisch eine Handlung derselben Art vollziehen. Denn auch ein einziges Individuum kann durch sein Handeln soziale Tatsachen schaffen oder in sie eingebettet sein, ohne diesen Umstand jemals zur Kenntnis zu nehmen. Das Soziale liegt ziemlich buchstäblich im Auge des Betrachters. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Die Subjektivität besteht aus Perspektive und Gefühl

Reicht der komplexe Prozess der Subjektivität mit seinen Bestandteilen von Perspektive und Gefühl aus, um das Bewusstsein in seiner Ganzheit zu erklären? Die Antwort von Antonio Damasio lautet ganz klar: „Nein.“ Denn Bewusstsein im eigentlichen Sinn des Begriffs ist ein bestimmter Geisteszustand. Bei diesem sind mentale Bilder von Subjektivität durchtränkt und in einer mehr oder weniger umfangreichen, integrierten Darstellung erlebbar. Der Geist in all seiner Komplexität erwächst aus der kombinierten Tätigkeit des Nervensystems und seines zugehörigen Körpers. Das Bewusstsein erwächst aus interaktiven Verkettungen. Dieses hängt mit dem Leben zusammen und steht auch mit dem Universum der Chemie und Physik in Verbindung. Antonio Damasio ist Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie an der University of Southern California und Direktor des dortigen Brain and Creative Institute.

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Menschen müssen täglich Entscheidungen treffen

In die „Freiheit geworfen“ wie es bei Jean-Paul Sartre heißt, ist der Mensch ständig gefordert, Entscheidungen zu treffen. Und egal, was er tut, es geht weiter und weiter. Ina Schmidt ergänzt: „Wir haben die Wahl, in den großen Fragen wie in den ganz normalen Alltäglichkeiten. Täglich entscheiden wir uns viel Hundert Mal, selbst wenn wir es nicht immer bemerken.“ In einer Welt voller Möglichkeiten jagt eine Entscheidung die nächste. Und wie man damit umgeht, hängt vielfach davon ab, welche Perspektive man einnimmt, wenn man auf diesem Grat des Möglichen entlangwandert. Es geht Ina Schmidt nicht darum, die Inhalte von Entscheidungen auf den Prüfstand zu stellen. Sondern sie denkt darüber nach, was ein Mensch eigentlich tut, wenn er eine Wahl trifft. Ina Schmidt gründete 2005 die „denkraeume“, eine Initiative, in der sie in Vorträgen, Workshops und Seminaren philosophische Themen und Begriffe für die heutige Lebenswelt verständlich macht.

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Reflexion ist der erste Schritt zur Weisheit

Mitgefühl ist eine wichtige Ressource, die einem Menschen helfen kann, weiser zu werden. Das weise Menschen anderen helfen, indem sie ihnen einen guten Rat geben, ist eine der häufigsten Assoziationen, die schon Kinder zum Begriff Weisheit haben. Judith Glück erläutert: „Weise Menschen sind in der Lage, zu erkennen, was jemand braucht. Und ihm das auf eine Art zu vermitteln, die er auch annehmen kann.“ Das Mitgefühl in belastenden Situationen hilfreich sein kann, liegt auf der Hand. Sowohl das direkte Mitfühlen als auch die gedankliche Fähigkeit, darüber nachzudenken, wie sich die andere Person jetzt wohl fühlt und warum, helfen einem Menschen. Beispielsweise in Konflikten nicht allzu verletzend zu sein. Und vielleicht auch die eigenen Gefühle besser zu regulieren. Judith Glück ist seit 2007 Professorin für Entwicklungspsychologie an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

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Die eigene Vorstellungswelt ist stark begrenzt

Eine effektive und nachhaltige Möglichkeit zur Überwindung der Begrenztheit der eigenen Vorstellungswelt ergibt sich aus der Begegnung mit anderen Menschen und deren fremdartigen, von den eigenen Überzeugungen abweichenden Vorstellungen. Gerald Hüther ergänzt: „Solche Begegnungen öffnen und relativieren die eigen Selbst- und Weltbilder.“ Die Erfahrungen des schmerzhaften Scheiterns bei der Verfolgung seiner eigenen Vorstellungen ziehen sich wie ein roter Faden durch die gesamte Menschheitsgeschichte. Spätestens seit dem letzten Jahrhundert zeichnet sich aber ab, dass sogar totalitäre Herrschaftssysteme längerfristig außerstande sind, ihre jeweiligen Vorstellungen auf Kosten anderer durchzusetzen. Selbst die grausamen Versuche, die von solchen Gemeinschaften entwickelten Selbst- und Weltbilder durch Kriege und die Unterwerfung Andersdenkender aufrechtzuerhalten, sind letztlich immer wieder gescheitert. Gerald Hüther zählt zu den bekanntesten Hirnforschern in Deutschland.

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Weise Menschen kennen die Grenzen ihrer Einflussmöglichkeiten

Wer offen auf andere zugeht und sich für ihr Denken und Erleben interessiert, dem wird es schwerer fallen, kein Mitgefühl für sie zu empfinden, als jemandem, der sich Kontakten eher entzieht. Judith Glück fügt hinzu: „Wer viel nachdenkt und sich und andere hinterfragt, wird sich wahrscheinlich auch der Grenzen der eigenen Kontrolle bewusst.“ Sofern er ein gewisses Ausmaß an Sensitivität für die eigenen Gefühle aufweist, wird er sich auch mit diesen auseinandersetzen und viel darüber lernen, wie er konstruktiv mit ihnen umgehen kann. Weise Menschen kennen die Grenzen ihrer Einflussmöglichkeiten, gleichzeitig aber werden sie dort, wo sie tatsächlich Kontrolle haben, auch aktiv und tun das, was sie können. Judith Glück ist seit 2007 Professorin für Entwicklungspsychologie an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

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Weise Menschen machen sich nur selten Vorwürfe

Weise Menschen haben keine Kontrollillusionen oder zumindest weniger als die meisten anderen Menschen. Sie wissen aus eigener Erfahrung, wie viel im Leben passieren kann, ohne dass man es vorausgesehen hat, und dass man andere Menschen nur in den seltensten Fällen verändern kann. Judith Glück fügt hinzu: „Aber dieses Wissen macht sie nicht ängstlich, hilflos oder depressiv, denn ihre Erfahrungen haben sie auch gelehrt, Vertrauen zu haben, das, was geschieht, anzunehmen und damit zu arbeiten. Sie wissen, dass sie die Kraft haben, zu bewältigen, was auch immer passiert.“ Wie kann das Gewahrsein, dass man vieles im Leben nicht kontrollieren kann, auf dem Weg zur Weisheit helfen? Zunächst hilft es einem Menschen, Ereignisse richtig zu interpretieren, indem er die unbewusste Annahme korrigiert, dass die Welt sich um ihn dreht. Judith Glück ist seit 2007 Professorin für Entwicklungspsychologie an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

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Die Suche nach Liebe ist ein quälend schwierige Erfahrung

Der französischen Soziologin Eva Illouz fiel mit etwa zwanzig Jahren auf, dass alle Frauen um sie herum, sie selbst eingeschlossen, über Liebesdinge vor allem in psychologischen Begriffen sprachen und dass diese Redeweise ebenso viel enthüllte wie verbarg. Eva Illouz berichtet: „Irgendwann habe ich dieser Sprache kein Wort mehr geglaubt.“ Stattdessen begann sie, die Liebe aus der Perspektive der Soziologie zu betrachten. Ulrich Schnabel erklärt: „Dabei bleibt sie nicht abstrakt, sondern geht ins Konkrete: Sie befragt Menschen, durchforstet die Anzeigen in digitalen Kontaktbörsen, analysiert Romane ebenso wie Frauenzeitschriften, Werbeblätter und Fernsehshows.“ Sie kommt dabei zu dem Schluss, dass die Suche nach Liebe für die allermeisten Männer und Frauen eine quälend schwierige Erfahrung ist. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Der Mensch sollte immer offen für neue Perspektiven sein

Reifungsorientierte Persönlichkeitstheorien wie die die Theorie der Ich-Entwicklung von Jane Loevinger befassen sich mit den Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Veränderungsprozessen im Erwachsenenalter. Jane Loevinger stellte fest, dass manche Menschen ihre eigenen Positionen im Laufe des Lebens immer mehr hinterfragen. Judith Glück erläutert: „Während man im jungen Erwachsenenalter seiner selbst und des eigenen Rechthabens oft sehr sicher ist, wird man später immer öfter mit Widersprüchen und Paradoxien konfrontiert und beginnt an der Allgemeingültigkeit der eigenen Sichtweisen zu zweifeln.“ Mit zunehmenden Alter erkennt man solche Widersprüche auch im eigenen Ich und lernt, sie immer besser zu akzeptieren und zu integrieren. Damit wird auch die wertende Haltung gegenüber anderen Menschen zunehmend aufgegeben. Judith Glück ist seit 2007 Professorin für Entwicklungspsychologie an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

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Weise Menschen durchdenken ihre Erlebnisse

Das Lernen aus Erfahrungen ist ein Grundkennzeichen der Reflektion. Judith Glück weiß: „Weise Menschen durchdenken ihre Erlebnisse und ziehen Schlüsse aus ihnen, die sie zu besseren Menschen machen.“ Judith Glück wird immer wieder gefragt, ob man Weisheit nicht auch durch indirekte Erfahrungen wie etwa das Lesen von Büchern erlangen kann. Sie antwortet: „Zweifellos kann man sehr vieles durch Bücher, Medien und Gespräche lernen – es kommt ja immer wieder vor, dass uns ein Buch oder ein Satz, den jemand nebenbei gesagt hat, eine ganz neue Perspektive eröffnet.“ Eigenen Erfahrung – wenn es gelungen ist, sie gut zu bewältigen – ermöglicht es aber in ganz besonderem Maße, sich in andere Menschen in ähnlichen Situationen hineinzuversetzen und sie wirksam zu unterstützen. Judith Glück ist seit 2007 Professorin für Entwicklungspsychologie an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

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Manipulative Tricks sind dreimal wirksamer als rationale Argumente

Wo es um Beeinflussung und Überzeugung geht, wird immer manipuliert. Diese These vertritt Johannes Steyrer in seinem neuen Buch „Die Macht der Manipulation“. Einer ist dabei obenauf, der andere hat das Nachsehen. Der Strategieprofi Johannes Steyrer schärft bei seinen Lesern die Wahrnehmung kleiner und großer Manipulationen. Wer sich die dahinter liegenden Prozesse bewusst macht, ist in der Lage, sie für sich selbst vorteilhafter zu gestalten. Denn manipulative Tools, Tipps, und Tricks sind dreimal wirksamer als rationale Argumente. Wer sie anwendet, erscheint auf einen Schlag um 20 Prozent sympathischer und erhöht den Anteil derer, die ihm in einer misslichen Lage helfen, um das Dreifache. Seine Erkenntnisse verknüpft der Autor mit amüsanten Geschichten des Alltags und belegt sie mit aktuellen Forschungsergebnissen aus der Psychologie und der Wirtschaftswissenschaften. Johannes Steyrer ist seit 1997 Professor für Organizational Behavior an der Wirtschaftsuniversität Wien.

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Weise Menschen übernehmen die Verantwortung für ihre Fehler

Das Nachdenken über Erfahrungen fällt den meisten Menschen vor allem dann schwer, wenn ihr Handeln nicht zu einem erfreulichen Ergebnis geführt hat, sondern negative Folgen hatte. Judith Glück ergänzt: „Aus vielen Studien und jeder Menge Alltagserfahrung wissen wir, dass die meisten Menschen eher dazu neigen, ihre eigene Verantwortung für das, was nicht so gut gelaufen ist, möglichst weit wegzuschieben.“ Das Wegschieben der eigenen Schuld im Kleinen wie im Großen ist so häufig und allgegenwärtig, dass es einem völlig den Wind aus den Segeln nehmen kann, wenn sich jemand für sein Fehlverhalten einfach nur entschuldigt. Weise Menschen können das, sie haben die Größe, ihre eigenen Handlungen kritisch zu hinterfragen, die Verantwortung für Fehler zu übernehmen und aus ihnen zu lernen. Judith Glück ist seit 2007 Professorin für Entwicklungspsychologie an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

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Weise Menschen sind Meister im kritischen Reflektieren

Weise Menschen denken nach. Sie tun das gerne und mehr als andere Leute, und vor allem denken sie oft etwas weiter. Viele Menschen neigen allerdings dazu, einfachen Erklärungen komplizierter Sachverhalte Glauben zu schenken. Judith Glück nennt ein Beispiel: „Wenn ein Politiker verspricht, ein Problem, an dem bisher alle gescheitert sind, einfach durch gesunden Menschenverstand zu lösen, zieht das hoffnungsvolle Wähler und Wählerinnen an, weise Menschen macht es eher skeptisch.“ Sie wissen, dass die Hintergründe eines solchen Problems komplex sind, dass es viele Beteiligte mit unterschiedlichen Perspektiven und Bedürfnissen gibt und dass bei einer allzu einfachen Lösung manche – oft die Schwächeren – auf der Strecke bleiben. Weise Menschen, versuchen Lösungen zu finden, die die unterschiedlichen Gesichtspunkte und Interessen ausbalancieren, so dass insgesamt der bestmögliche Kompromiss gefunden wird. Judith Glück ist seit 2007 Professorin für Entwicklungspsychologie an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

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Die Weisheit wird von der Gesellschaft zu wenig geschätzt

Die Psychologie ist eine relativ junge Wissenschaft, die sich erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts als eigenständige Disziplin aus der Philosophie sowie der Medizin und Biologie entwickelt hat. Interessanterweise hat sich die Philosophie, die „die Liebe zur Weisheit“ sogar im Namen trägt, selten und in der Neuzeit noch weniger als vorher mit der Weisheit als menschlicher Eigenschaft befasst. Judith Glück erklärt: „Von Anfang an ging es ihr eher darum, weise Gedanken und Ideen zu beschreiben. Auch der Psychologie lag die Beschäftigung mit so komplexen Eigenschaften lange Zeit eher fern; sie befasste sich zunächst vor allem mit Prozessen, die bei allen Menschen gleichartig ablaufen und also bestimmten Regelhaftigkeiten folgen, wie etwa der menschlichen Wahrnehmung.“ Judith Glück ist seit 2007 Professorin für Entwicklungspsychologie an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

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Der Wunsch nach Erkenntnis ist ein Wesenszug des Menschen

Ina Schmidt stellt sich eine scheinbar recht einfache Frage: „Was und warum suchen wir überhaupt etwas und leben nicht so gut es eben geht mit dem, was bereits da ist?“ Die Menschen könnten auch daraus das Beste machen und es für das Gute halten. Wieso gelingt ihnen die Idee eines glücklichen Lebens so selten in dem, was ist? Aber das, was sie vorfinden, scheint ihnen irgendwie nicht zu reichen. Denn das, was sie da um sich herum zu erkennen glauben, ergibt einfach zu wenig Sinn: Angefangen von der menschlichen Erkenntnis, dass das Leben von Anfang an dazu bestimmt ist, zu Ende zu gehen, wozu also das Ganze? Ina Schmidt gründete 2005 die „denkraeume“, eine Initiative, in der sie in Vorträgen, Workshops und Seminaren philosophische Themen und Begriffe für die heutige Lebenswelt verständlich macht.

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Menschen denken nicht nur in rationalen Kategorien

Das Verständnis der Motive, der Abläufe des Denkens und Kriterien von Entscheidungen der Mitmenschen ist eine Voraussetzung, um mit ihnen umgehen zu können. Die meisten Menschen wollen wissen, wie der andere tickt, und entwickeln eine Theorie of Mind. Allan Guggenbühl stellt fest: „Verbreitet ist die Vorstellung, dass wir letztlich rationale Wesen sind, unsere Interessen verwirklichen und uns selbst erhalten wollen und demnach auch unsere Mitmenschen denken und handeln.“ Das Bewusstsein des Menschen ist jedoch nur eine Insel im Meer vor irrationalen Motiven, Emotionen und Gedanken. Menschen denken nicht nur in rationalen Kategorien, sondern lassen sich von selbstdestruktiven Tendenzen, fantastischen Bildern und bizarren Theorien leiten. Allan Guggenbühl ist seit 2002 Professor an der Pädagogischen Hochschule Zürich tätig. Außerdem fungiert er als Direktor des Instituts für Konfliktmanagement in Zürich.

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Der „Werther“ war der erste moderne Roman in Deutschland

Mit Johann Wolfgang von Goethes Werk „Werther“ trat der bürgerliche Roman in Deutschland in Erscheinung. In den „Leiden des jungen Werther“ gestaltete Johann Wolfgang von Goethe den Typus des unzufriedenen bürgerlichen Intellektuellen, dessen Versuche der Integration in die ständisch gegliederte Gesellschaft an der starken Hierarchie wie auch an der eigenen hohen Selbsteinschätzung scheitern. Johann Wolfgang von Goethes Roman zeigt, dass es für das bürgerliche Individuum unmöglich ist, sich innerhalb des Feudalsystems zu definieren und seine Identität zu finden. Werthers Leiden an der Gesellschaft und sein Scheitern – Werther endet durch Selbstmord – lassen ihn als Verwandten jener bürgerlichen Dramenhelden erscheinen, die wie Karl Moor in den „Räubern“ oder Läuffer im „Hofmeister“ ebenfalls an der Gesellschaftsordnung zerbrechen. Die Wirkung von Johann Wolfang von Goethes „Werther“ war ungeheuer.

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Selbsterkenntnis öffnet den Weg zu einem selbstbestimmten Leben

In der Regel honorieren die modernen westlichen Gesellschaften die Anpassungsfähigen. Das beginnt schon im Kindergarten, setzt sich an der Schule und den Universitäten fort und dominiert schlussendlich in Unternehmen, in der Politik und in der Öffentlichkeit. Daher ist es nicht einfach, sich davon nicht entmutigen und desillusionieren zu lassen. Und deshalb ist es laut Anja Förster und Peter Kreuz so wichtig, sein großes Ja und die damit verbundenen Neins im Leben zu kennen: „Ja, das ist mein Weg.“ „Nein, dabei mache ich nicht mit“, und „Nein, hier ist meine persönliche Grenze“. Entschiedenheit ist eine innere Haltung, die nach außen wirkt. Wer hingegen dem Außen die dominante Rolle zugesteht, läuft Gefahr früher oder später vom System zermürbt zu werden. Anja Förster und Peter Kreuz nehmen als Managementvordenker in Deutschland eine Schlüsselrolle ein.

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Der Unterschied zwischen den Kulturen hat ökonomische Gründe

Das Leben von Menschen, die in der westlichen Kultur aufgewachsen sind, ist durch beträchtliche Freiräume und Autonomie geprägt. Häufig können sie ihren Interessen nachgehen, ohne sich groß um die Belange anderer Personen zu kümmern. In zahlreichen anderen Kulturen ist das Leben sehr viel eingeschränkter. Richard E. Nisbett fügt hinzu: „Die Freiheit des Westens hat ihren Ursprung im bemerkenswerten Begriff der persönlichen Handlungsmacht (personal agency), der von den antiken Griechen geprägt wurde.“ Im Gegensatz dazu legte die ebenso alte wie hochentwickelte Zivilisation Chinas sehr viel mehr Gewicht auf Harmonie mit den Mitmenschen als auf die Freiheit individueller Handlungen. In China erforderte effektives Handeln stets die reibungslose Interaktion mit anderen – sowohl mit Vorgesetzten als auch im Gleichgestellten. Richard E. Nisbett ist Professor für Psychologie an der University of Michigan.

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Belohnungen blockieren die Motivation

Alle Menschen handeln immer sinnvoll. Ihr Handeln ist in jedem Augenblick voller Sinn. Aus ihrer Sicht. Mag es aus der Sicht eines anderen noch so verrückt aussehen. Aus ihrer eigenen Perspektive ist es wichtig und richtig, so zu handeln. Die Strategie „Belohnen“ und „Bestrafen“ kümmert sich nicht um Gründe. An dem Warum ist sie nicht interessiert. Reinhard K. Sprenger erklärt: „Sie will Anpassung.“ Oft wird deshalb nicht getan, was sinnvoll ist, sondern was belohnt wird. Belohnungen verführen Menschen dazu, auch etwas völlig Sinn- und Freudloses zu tun, wenn nur die Belohnung hoch genug ist. Die Belohnung bestimmt, was zu tun ist. Das erzeugt gegenüber der Sache selbst eine Haltung der Gleichgültigkeit und des Desinteresses. Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

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Der Zusammenhalt in den modernen Gesellschaften geht verloren

Wenn an allen Orten und bei jeder Gelegenheit das Ideal des nur auf sich gestellten Individuums eingefordert wird, das sich allein seiner Selbstverwirklichung, Selbstoptimierung und Unabhängigkeit verpflichtet sieht, dann stellt sich für Ernst-Dieter Lantermann die Frage, wie unter diesen Bedingungen überhaupt noch so etwas wie sozialer Zusammenhalt zustande kommen kann. Untersuchungen zeigen in der Tat, dass moderne Gesellschaften sich immer rascher hin zu einer Auflösung des sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhalts, zu eine fortschreitenden sozialen Desintegration entwickeln. Nicht wenige Menschen erkennen darin eine Chance, die in früheren Zeiten für sie undenkbar gewesen wäre: Unter der Voraussetzung, dass sie über die notwendigen Mittel und Ressourcen verfügen, dürfen und können sie selber entscheiden, welchen Organisationen, Institutionen, Lebensmilieus oder Gruppierungen sie sich zugehörig fühlen, wofür sie sich engagieren und wo sie sich integrieren möchten. Ernst-Dieter Lantermann war von 1979 bis 2013 Professor für Persönlichkeits- und Sozialpsychologie an der Universität Kassel.

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Noch ist die Verbesserung des Menschengeschlechts Utopie

Das Bild, das der Mensch von sich entwirft, entspricht in der Regel dem, was der Mensch entwerfen kann. Modelle für die Selbstansichten des Menschen sind seit Anbeginn der Artefakte und Maschinen, die der Mensch selbst imstande war zu konstruieren und zu bauen. Konrad Paul Liessmann stellt fest: „In der Genetik schließlich skizzieren evolutionstheoretische und technizistische Pinselstriche ein Bild des Menschen, das diesen nun als Maschine zur Produktion und Streuung von Genen zeigt.“ Die Entzifferung des genetischen Codes des Menschen erschien vielen deshalb nicht nur als ein entscheidender Schritt zur Selbsterkenntnis, sondern auch als erster Schritt, um nun wirklich an der Verbesserung des Menschen arbeiten zu können. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Ein Leidender stößt in unbekannte Tiefen vor

Wenn die meisten Menschen an die Zukunft denken, wünschen sie sich einen Zustand stabiler Zufriedenheit im Leben. Aber es gibt ein interessantes Phänomen. Wenn sich Menschen an die entscheidenden Ereignisse erinnern, die ihre Persönlichkeit formten, sind dies in der Regel keine „Glücksmomente“. David Brooks erklärt: „Am prägendsten scheinen vielmehr die leidvollen Erfahrungen zu sein. Die meisten Menschen greifen nach dem Glück, haben aber das Gefühl durch Leiden geformt zu werden.“ Für die meisten Menschen ist Leiden nichts an sich Wertvolles oder Edles. So, wie Scheitern manchmal einfach nur Scheitern ist, so ist Leiden manchmal nur zerstörerisch und sollte so schnell wie möglich beendet oder therapeutisch behandelt werden. David Brooks arbeitet als Kommentator und Kolumnist bei der New York Times. Sein Buch „Das soziale Tier“ (2012) wurde ein internationaler Bestseller.

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Massenmörder ist heutzutage eine Karriere geworden

„Sinnlose“ Massenmorde gehören zu den großen Gesten in den Konsumgesellschaften des 21. Jahrhunderts. Wolfgang Schmidbauer stellt fest: „Sie werden zunehmen und uns bedrohen, bis wir ein wirksames Gegenmittel finden.“ Die meisten gewissenhaften Selbstbeobachter werden zugeben, dass ihnen Mordimpulse nicht gänzlich fremd sind. Massenmörder ist heutzutage eine Karriere geworden. Die meisten Täter schaffen sich durch die Tat aus der physischen Welt, hoffen aber auf unsterblichen Ruhm. Diese Formen des Massenmords sind wie eine Seuche. Sie breitet sich aus. Wenn wir eine Kurve der Zahlen von Tätern und Opfern zeichnen könnten, sie würde steil ansteigen. Wo die Suche nach den Wurzeln der Tat etwas tiefer graben kann, entdeckt sie den Zusammenprall von Krisen des Selbstwertgefühls mit dem als erlösend und ruhmreich imaginierten Endpunkt des Massenmordes.

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