Aus Ablehnung kann Vertrauen entstehen

Oliver Dierssen vertritt in seinem Buch „Wenn dir dein eigenes Kind fremd ist und es deinem Kind mit dir genauso geht“ unter anderem die These, dass der sanftmütige, geduldige und ehrliche Umgang mit Kindern nicht nur deren Leben verbessert, sondern auch die Gesellschaft an sich. Kinder, deren Grenzen man respektiert, entwickeln sich später zu Erwachsenen, welche die Grenzen anderer spüren und ernst nehmen. Kinder, denen man feinfühlig und geduldig begegnet, leben später die Werte von Mitgefühl und Rücksichtnahme und geben sie weiter. Aus einer solchen Kindheit speist sich die Kraft, sich zu dem erwachsenen Menschen zu entwickeln, der man aufgrund der eigenen Veranlagungen, Sehnsüchte und Träume werden möchte. Dr. med. Oliver Dierssen ist als niedergelassener Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Region Hannover tätig.

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Menschen begehren Anerkennung durch andere

Ökonomen nehmen an, dass Menschen von Präferenzen oder Nützlichkeiten motiviert werden, von Wünschen nach materiellen Mitteln oder Gütern. Dabei vergessen sie jedoch den Thymos. Dabei handelt es sich um denjenigen Teil der Seele, der Anerkennung durch andere begehrt. Dies geschieht entweder in Form von Isothymia, dem Streben, die gleiche Würde wie die Mitmenschen zu empfangen. Oder vollzieht sich in der Form von Megalothymia, dem Bedürfnis, im Vergleich mit anderen als überlegen zu gelten. Francis Fukuyama erklärt: „Ein großer Teil dessen, was wir normalerweise für eine wirtschaftliche, von materiellen Bedürfnissen oder Wünschen ausgelöste Motivation halten, ist in Wirklichkeit ein thymotisches Verlagen nach Anerkennung der eigenen Würde oder des eigenen Status.“ Francis Fukuyama ist einer der bedeutendsten politischen Theoretiker der Gegenwart. Sein Bestseller „Das Ende der Geschichte“ machte ihn international bekannt.

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Machtmissbrauch gehört nicht zur menschlichen Natur

Von der Liebe abgesehen, gibt es keinen anderen Bereich des sozialen Lebens, der so gründlich erforscht ist wie der Erwerb von Macht, ihr Missbrauch und schließlich ihr Verlust. Die großen Geschichten vom Missbrauch der Macht und dem darauffolgendem Verlust derselben, faszinieren Menschen seit jeher. Die Fixierung auf den Machtverlust könnte einen Menschen zu dem Glauben verleiten, der Missbrauch von Macht sei unvermeidlich. Aber das Macht-Paradox ist viel komplexer. Dacher Keltner erklärt: „Machtmissbrauch ist nicht Teil der menschlichen Natur.“ Macht bedeutet nicht nur die Möglichkeit, andere beeinflussen zu können, sie prägt auch das Selbstbewusstsein. Das Gefühl, über Macht zu verfügen, löst einen Rausch an Erwartungen aus. Dacher Keltner ist Professor für Psychologie an der University of California in Berkeley und Fakultätsdirektor des UC Berkeley Greater Good Science Center.

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Ein Verbrechen muss nicht verziehen werden

Die Philosophin Hannah Arendt schrieb 1953 in ihrem Aufsatz „Verstehen und Politik“: „Verstehen ist eine nicht endende Tätigkeit. Durch diese begreifen wir Wirklichkeit. In ständigem Abwandeln und Verändern, begreifen und versöhnen uns mit ihr. Das heißt, durch die wir versuchen, in der Welt zuhause zu sein.“ Manche Menschen versuchen die Bedingungen eines Verbrechens oder einer unmoralischen Handlung nachzuvollziehen. Dadurch bekommen sie wie Svenja Flaßpöhler salopp formuliert, wieder Boden unter ihre Füße. Zuerst schien die Welt gänzlich aus den Fugen geraten zu sein. Jetzt steht ihnen nicht mehr fremd, gar teuflisch gegenüber. Sondern sie ist jetzt der Rationalität zugänglich. Svenja Flaßpöhler erklärt: „Verstehen heißt, Zusammenhänge herzustellen, Kausalketten zu erkennen.“ Doch, so ergänzt Hannah Arendt, ein solches Verstehen zieht nicht notwendigerweise ein Verzeihen nach sich. Svenja Flaßpöhler ist promovierte Philosophin und stellvertretende Chefredakteurin des „Philosophie Magazin“.

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Macht offenbart den Charakter eines Menschen

Ein Faktor, dem es immer wieder gelingt, die Ziele eines Menschen und damit auch seine Werte und sein Verhalten zu verändern, ist Macht. John Bargh weiß: „Die Macht der Macht ist legendär: Macht macht korrupt, wie das Sprichwort lautet, und Machtvollkommenheit macht vollkommen korrupt.“ Bei Staatsbeamten kommen Fälle von Machtmissbrauch und Korruption leider nur allzu häufig vor. Korrupte Personen scheinen oftmals gar keinen Sinn dafür zu haben, wie ihr Verhalten auf die Öffentlichkeit wirken muss, als wäre ihnen überhaupt nicht bewusst, dass sie ihre Macht missbrauchen. Macht ermöglicht es ihrem Inhaber, sich das Gewünschte zu verschaffen, trotz der Einwände oder fehlender Zustimmung anderer. Prof. Dr. John Bargh ist Professor für Psychologie an der Yale University, wo er das Automaticity in Cognition, Motivation, and Evaluation (ACME) Laboratory leitet.

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Verschiebung und Verdichtung gestalten den Traum

Der Traum ist für Sigmund Freud das Ergebnis einer „sekundären Bearbeitung“ von Erfahrungsresten, die er in seiner „Bilderschrift“ gleichzeitig „verdichtet“ und „verschiebt“, das heißt: konzentriert und umlenkt. Sigmund Freud schreibt: „Traumverschiebung und Traumverdichtung sind die beiden Werkmeister, deren Tätigkeit wir die Gestaltung des Traumes hauptsächlich zuschreiben dürfen.“ Der Traum sei knapp, armselig, lakonisch im Vergleich zu dem Umfang und zur Reichhaltigkeit der Traumgedanken. Der Traum fülle niedergeschrieben eine halbe Seite; die Analyse, in der die Traumgedanken enthalten seien, bedürfe das sechs-, acht-, zwölffache an Schriftraum. Peter-André Alt ergänzt: „Der Traum ist überbestimmt, denn er entsteht aus der Konzentration, die im Verdichtungsprozess stattfindet.“ Dabei kommt es häufig zu einer direkten Veranschaulichung der in einem Wort bezeichneten Bedeutung. Peter-André Alt ist Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der Freien Universität Berlin.

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Die verdrängten Wünsche kann nur ein Psychoanalytiker erschließen

Sigmund Freud geht von zwei entscheidenden Trieben des Menschen aus, dem Todestrieb, dessen Ziel sei, Leben zu zerstören, und dem Geschlechtstrieb, dessen Ziel sei, Leben zu erhalten. Wie Sigmund Freud sagt, sind Triebe niemals bewusst. Philipp Hübl erklärt: „Wie viele mentale Ausdrücke führt auch „Trieb“ ein Doppelleben. Die rein funktionale Lesart fasst Trieb also als einen Mechanismus auf, der etwas macht, also bestimmte Wirkungen hat.“ Spricht man von den menschlichen Trieben im Sinne von Wünschen, die intentional sind und sich im Bewusstsein äußern, so sind sie sowohl durch ihren Inhalt als auch durch ihre Form, ihren mentalen Modus, bestimmt. Wie die heutige Forschung teilt auch Sigmund Freud Wünsche und Emotionen in zwei Teile auf. Philipp Hübl ist Juniorprofessor für Theoretische Philosophie an der Universität Stuttgart.

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Das Selbst wächst in der Auseinandersetzung mit sich und der Welt

Es gibt Menschen, die nur wenig von dem, was sie eigentlich ausmacht, wissen. Dies erlebt man zunächst in der Form eines Mangels. Georg Milzner ergänzt: „Eines Mangels an innerer Vielfalt und eines Mangels an Authentizität. Diese gründet sich nämlich darauf, dass wir uns als Ganzheit wahrzunehmen vermögen.“ Wo immer die Identifikation mit nur einem Teilbereich an die Stelle der Ganzheit tritt – etwa dem beruflichen Erfolg, der Abstammung, den sexuellen Erfolgen, der künstlerischen Begabung, der Sportlichkeit o. Ä. – spricht man in der Psychologie von einer brüchigen Konstruktion. Und sobald ein Teilbereich, auf den sich dieses künstliche Selbst stützt, zusammenbricht, bricht gleich die ganze Person mit ein. Georg Milzner weiß: „Doch ein gelungenes Selbst umfasst mich mit allem, was ich bin.“ Georg Milzner ist Diplompsychologe und arbeitet in eigener Praxis als Psychotherapeut.

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Die unverzeihliche Schuld braucht einen Verzicht auf Vergeltung

Es gibt Schulden, die sind schlechterdings nicht abzahlbar. So gewaltig ist ihr Umfang, dass sie nie und nimmer zu begleichen sind. Für viele Ökonomen ist in derartigen Fällen ein Schuldenschnitt die einzig rationale Lösung. Auch moralische Schuld ist mitunter nicht wiedergutzumachen. Weder durch so genannte Reparationszahlungen noch durch Schmerzensgeld oder noch so aufrichtige Bekundungen des Bedauerns. Gerade eine solche im Grunde nie zu begleichende Schuld ist für den französischen Philosophen Jacques Derrida Gegenstand des Verzeihens. Svenja Flaßpöhler erklärt: „Nur eine unverzeihliche Schuld braucht einen Verzicht auf Vergeltung, weil jede verzeihliche Schuld sich sehr einfach begleichen lässt.“ Nur das Unverzeihbare, so Jacques Derrida wörtlich, „rufe“ nach Verzeihung. Dr. Svenja Flaßpöhler ist seit Dezember 2016 leitende Redakteurin im Ressort Literatur und Geisteswissenschaften beim Sender „Deutschlandradio Kultur“.

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Thomas Junker kennt die Macht der Liebe

Viele Dichter haben die Macht der Liebe besungen und bewundert, religiöse und politische Weltverbesserer haben sie gefürchtet und verfolgt, und noch heute verzweifeln wohlmeinende Eltern am romantischen Eigensinn ihrer Kinder. Thomas Junker betont: „Und doch waren es diese scheinbar irrationalen Formen der Verliebtheit, die uns zu dem gemacht haben, was wir sind.“ Einige der faszinierendsten körperlichen und geistigen Anlagen der Menschen haben sich nur deshalb in der Evolution durchgesetzt, weil Frauen über viele hunderttausend Jahre Partner mit bestimmten Eigenschaften bevorzugten. Und weil die Männer nicht unterschiedslos mit allen Frauen schliefen, sondern eine sorgfältige Auswahl trafen. Durch die Partnerwahl haben sich die Geschlechter gegenseitig geformt. „Geformt“ ist im übertragenen Sinn gemeint, wenn es um den Charakter und die Talente geht. Thomas Junker ist Professor für Biologiegeschichte an der Universität Tübingen.

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Menschen wollen in Harmonie mit sich und ihren Überzeugungen leben

Der gesunde Hausverstand lehrt, dass Menschen gemäß ihren Einstellungen handeln. Gläubige gehen sonntags häufiger in die Kirche. Befürworter einer Aidsprävention verwenden mehr Präservative. Mit der Arbeit Unzufriedene wechseln ihren Job. Grün-Wähler sind keine Vielflieger. Johannes Steyrer stellt klar: „All das hat seine Richtigkeit, aber nur in einem bescheidenen Ausmaß. Der Zusammenhang zwischen Einstellung und Verhalten ist, das ist in vielen Studien gezeigt worden, unbedeutender als vermutet.“ Wann beeinflussen Einstellungen das menschliche Verhalten? So viel ist gewiss, auf die Situation kommt es an. Eines der wichtigsten Konzepte der Sozialpsychologie, nämlich die „Theorie der kognitiven Dissonanz“, hat der Amerikaner Leon Festinger (1919 – 1989) entwickelt. Seither wird ihre Grundannahme in unzähligen Studien bestätigt: Menschen woll in Harmonie mit sich und ihren Überzeugungen leben. Johannes Steyrer ist seit 1997 Professor für Organizational Behavior an der Wirtschaftsuniversität Wien.

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Eine Kultur entsteht durch Intelligenz und Gefühle

Herkömmlicherweise erklärt man die kulturellen Bestrebungen der Menschen unter dem Gesichtspunkt des außergewöhnlichen menschlichen Intellekts. Dabei hält man die Gefühle kaum einer Erwähnung wert. Antonio Damasio stellt fest: „Die Stars der kulturellen Entwicklung sind vielmehr die Expansion von menschlicher Intelligenz und Sprache sowie das ungewöhnliche Ausmaß an Geselligkeit.“ Auf den ersten Blick gibt es gute Gründe dafür, eine solche Erklärung für plausibel zu halten. Die Kulturen der Menschen zu erklären, ohne dabei die Intelligenz zu würdigen, die sich hinter den neuartigen Mitteln und Vorgehensweise namens Kultur verbirgt, ist undenkbar. Dass die Beiträge der Sprache für die Entwicklung und Weitergabe von Kulturen entscheidend sind, muss nicht eigens betont werden. Antonio Damasio ist Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie an der University of Southern California und Direktor des dortigen Brain and Creative Institute.

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Selbstkontrolle macht einen Menschen handlungsfähig

Selbststeuerung ist möglich, wenn ein Mensch seine Denkprozesse automatisch leitet. Wenn er Situationen erlebt, interpretiert und Schlüsse zieht, versucht sein Bewusstsein, die Übersicht zu behalten und alles zu durchleuchten, was im Inneren auftaucht. Allan Guggenbühl fügt hinzu: „Wie wir unser inneres Geschehen wie auch Außenwahrnehmung gewichten und ordnen, hängt von unseren Erfahrungen und unserem Persönlichkeitstyp ab.“ Doch unabhängig davon, ob man sich als Denk-, Empfindungs-, Gefühls- oder intuitiven Typ versteht, diszipliniert man als Individuum den inneren Zirkus. Der Mensch spult nicht einfach ein genetisches Programm ab oder wird durch neurologische Prozesse bestimmt, sondern das Kommando hat das Ich. Allan Guggenbühl ist seit 2002 Professor an der Pädagogischen Hochschule Zürich tätig. Außerdem fungiert er als Direktor des Instituts für Konfliktmanagement in Zürich.

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Absolute Macht korrumpiert tatsächlich absolut

Lord Acton meint: „Macht tendiert dazu, korrupt zu machen, und absolute Macht korrumpiert absolut.“ Schon kleine Machtverschiebungen können Denkmuster und Verhaltensweisen verändern. Ein privilegierter Hintergrund an Gesundheit, Erziehung und Ansehen tragen zum sozialen Verhalten bei. Dacher Keltner ergänzt: „Wer vermehrte Macht genießt, isst mit größerer Wahrscheinlichkeit schnell und impulsiv, hat sexuelle Abenteuer, verletzt die Verkehrsregeln, lügt und betrügt, begeht Ladendiebstahl und kommuniziert auf grobe, respektlose und obszöne Weise. Absolute Macht korrumpiert tatsächlich absolut.“ Genau die Praktiken, die einem Menschen zu Macht verholfen haben, verschwinden, wenn er über die Macht verfügt. Man gewinnt und behält Macht durch Empathie, aber mit dem Besitz von Macht verliert man seinen Bezug zu den anderen. Dacher Keltner ist Professor für Psychologie an der University of California in Berkeley und Fakultätsdirektor des UC Berkeley Greater Good Science Center.

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Hochstapler machen Menschen zu ihren Komplizen

Es passiert nur anderen Menschen, den Gierigen und Leichtgläubigen, aber niemals einem selbst: Diebstahl im Internet, Abzockerei, Anlagebetrug. Das ist ein großer Irrtum. Wahre Künstler des Betrugs finden bei jedem Menschen die Schwachstelle. Das hat die amerikanische Psychologin Maria Konnikova in ihrem neuen Buch „Täuschend echt und glatt gelogen“ herausgefunden. Ob bei Investitionslügen, Kunstfälschungen, falschen Doktortiteln oder Schneeballsystem: Immer geht es um Vertrauen, um die Fähigkeit, andere etwas glauben zu lassen. Der Künstler des Betrugs begeht dabei keine Schwerverbrechen. Seine Kunst ist die Anwendung seiner hochentwickelten Sozialkompetenz: Überredung, Sympathie und Vertrauen. Ein guter Hochstapler zwingt einen Menschen nicht, irgendetwas zu tun, sondern macht ihn zu seinem Komplizen. Maria Konnikova analysiert: „Er stiehlt nicht, wir geben. Freiwillig. Wir glauben ihm, weil wir glauben wollen.“

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Viele junge Menschen ziehen sich in ihr Privatleben zurück

Die schwache Wahlbeteiligung der jungen Generation in Großbritannien, der unter anderem zum Austritt des Landes aus der Europäischen Union (EU) führte, ließ eine alte Debatte büer die sogenannte „Generation Y“ wieder aufleben: Die zwischen 1985 und 2000 geborenen seien angepasst, verwöhnt, spießig, mutlos und vor allem unpolitisch. Während ihre Groß- und Elterngeneration Ende der Sechzigerjahre regelmäßig auf die Straße ging und gegen bestehende Konventionen rebellierte, machen es sich junge Erwachsene heute lieber in ihrem privaten Schneckenhaus bequem. Der Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier beschäftigt sich seit Jahren mit den Wünschen und Sorgen von Heranwachsenden. In den Umfragen von 2016 mit mehr als tausend österreichischen jungen Menschen stach eine Zahl hervor: 75 Prozent sehnen sich nach einem Halt im Leben – nach einem verlässlichen Lebensentwurf, einer planbaren Zukunft.

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Der Traum ist der „Königsweg“ zum Unbewussten

Träume spielen sich nach Sigmund Freuds Auffassung nicht im Unbewussten ab, sondern im Gegenteil im Bewusstsein. Ihre Verbindung zum Unbewussten ist seiner Meinung nach anderer Natur. Philipp Hübl erklärt: „Die Trauminhalte, die bizarren Bilder und Eindrücke in Träumen, haben Sigmund Freud zufolge ihren Ursprung im Unbewussten. Um dem näher zu kommen, muss man die Inhalte der Träume sorgfältig analysieren, denn darin zeigen sich die unbewussten Wünsche.“ Weil Wünsche sich im Schlaf besonders auffällig umformen, hielt Sigmund Freud den Traum für den „Königsweg“ zum Unbewussten. Im Traum brodeln die Energien des Es so stark, dass der Zensor überlastet ist. Am Tag kann er zwar fast alle geheimen Wünsche zurückhalten, doch jetzt drängen sie mit Macht ins Bewusstsein. Philipp Hübl ist Juniorprofessor für Theoretische Philosophie an der Universität Stuttgart.

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Das Unbewusste war schon lange vor Sigmund Freud bekannt

Trotz der offensichtlichen Inspiration durch Vorläufer wie Franz Anton Mesmer und Jean-Martin Charcot gilt Sigmund Freud in der breiten Öffentlichkeit bis heute als Entdecker des Unbewussten. Diese Einschätzung hat er laut Philipp Hübl selbst gefördert, indem er der Tradition vor ihm unterstellte, sie habe die Psyche, also den Geist, mit dem Bewusstsein gleichgesetzt und dabei übersehen, dass der Geist daneben das Unbewusste umfasst. Erst seine Psychoanalyse, die gleichzeitig eine Theorie des Geistes und eine Therapieform ist, habe diesen Missstand behoben. Nicht nur Mesmer und Charcot waren Vorläufer von Sigmund Freud, sondern die Idee des Unbewussten war schon lange zuvor in der Literatur und in der Forschung zu finden. Philipp Hübl ist Juniorprofessor für Theoretische Philosophie an der Universität Stuttgart.

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Zum Glücklichsein braucht ein Mensch nicht viel

Durch seine Analyse verschiedener Kategorien von Bedürfnissen festigt Epikur seine Ansicht vom wahren Vergnügen als Freiheit von Schmerz und Sorge. Ludger Pfeil erläutert: „Wenn man die leibliche Unversehrtheit und den Seelenfrieden zum Maßstab nimmt, lassen sich die Begierden leicht sortieren. Weniges ist lebensnotwendig oder zur Erhaltung der Gesundheit erforderlich, zum Glücklichsein brauchen wir nicht viel mehr und schon gar keine unnatürlich erzeugten Genüsse.“ Wenn der Schmerz gestillt ist und die Wogen der inneren Unruhe geglättet sind, hat man das Entscheidende bereits erreicht. Die Freude kommt dann von selbst. Mehr sollte man laut Epikur nicht vom Leben erwarten. Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.

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Die Literatur der Spätromantik war düster und sarkastisch

Die frühromantische Aufbruchsstimmung wich in der Spätphase der Romantik einer eher düsteren, sarkastischen und gebrochenen Sicht auf die Verhältnisse. Beispielhaft für diese neue Phase der romantischen Bewegung ist das Werk von E. T. H. Hoffmann(1776 – 1822), das schon bald über Deutschland hinaus beachtet wurde und auf Autoren wie Nikolai Wassiljewitsch Gogol, Charles Baudelaire und Edgar Allan Poe entscheidende Wirkung hatte. E. T. H. Hoffmann führte ein Doppelleben wie so viele seiner Figuren, die sich in verschiedene Ichs aufspalten. Tagsüber arbeitete er in dem ungeliebten Beruf eines Kammergerichtsrats, nachts führte ein sein „eigentliches“ Leben. Seine Begabungen waren weit gespannt und machten es ihm schwer, sich zu entscheiden. Er zeichnete, musizierte und komponierte und schrieb immer wieder über jenen Zwiespalt zwischen „Künstler“ und „Philister“, dem nicht nur er, sondern dem sich auch andere romantische Autoren ausgesetzt fühlten.

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Nein ist das Schlüsselwort für die Definition der Identität

Dem Nein entspringt die Macht über das eigene Leben, die Chancen zur Gestaltungsfreiheit. Jedes Nein trägt in sich eine Dualität aus Ermächtigung und Abgrenzung. Dabei sind Macht und Grenzen nichts Schlechtes, sondern ein wesentlicher Bestandteil des Lebens: Jeder lebendige Organismus benötigt Grenzen, um sich selbst zu schützen. Anja Förster und Peter Kreuz fügen hinzu: „Um zu überleben und zu gedeihen, muss jeder Menschen und jede Organisation in der Lage sein, Nein zu sagen zu allem, was Sicherheit, Würde und Integrität bedroht.“ Nein ist der Schlüsselbegriff zu Identität, Ordnung, Struktur und Disziplin. Regeln und Gesetze werden häufig in Form eines Nein formuliert. Zum Beispiel: „Du sollst nicht töten!“ Anja Förster und Peter Kreuz nehmen als Managementvordenker in Deutschland eine Schlüsselrolle ein.

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Das Begehren ist eine Quelle unaufhörlichen Leides

Gerade in der Liebe und in der Paarbeziehung ist etwas erlebbar, das die moderne Konsumgesellschaft standhaft leugnet. Ulrich Schnabel erklärt: „Die Erfahrung, dass Leben eben keine Frage der Glücksmaximierung ist, sondern dass unsere Existenz unausweichlich durch Aporien gekennzeichnet ist, durch Widersprüche und Begrenzungen, die sich nicht auflösen, sondern allenfalls aushalten oder transzendieren lassen.“ Eine dieser Aporien (die Unmöglichkeit, in einer bestimmten Situation die richtige Entscheidung zu treffen) ist etwa das sexuelle Begehren, zu dem gut ein Satz passt, der der heiligen Teresa von Avila zugeschrieben wird: „Es werden mehr Tränen über erhörte Gebete vergossen als über nicht erhörte.“ Tatsächlich haftet dem sexuellen Begehren von seiner Natur her stets etwas Widersprüchliches, Unauflösbares an. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Aggression ist eine Reaktion auf negative Erfahrungen

Wenn man das Verhalten eines Menschen verstehen will, dann sind besonders seine Motive interessant. Das gilt auch für das Thema Aggression. So ist denn das „Tatmotiv“ ein fester Begriff in jedem Krimi und ebenso bei der Klärung und juristischen Bewertung realer Verbrechen. Die Frage nach Motiven betrifft aber nicht nur schwerwiegende Taten, sondern das gesamte Spektrum der Aggression. Auf die Frage, warum sich Menschen aggressiv verhalten, gehen die Antworten überwiegend in eine Richtung. Hans-Peter Nolting erläutert: „Aggressives Verhalten ist eine Reaktion auf negative Erfahrungen. Genannt werden unter anderem: Überforderung, Einengung, Armut, vor allem aber negative Erlebnisse mit anderen Menschen, zu Beispiel egoistisches, abweisendes, verständnisloses Verhalten.“ Dr. Hans-Peter Nolting beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkreis Aggression und Gewalt, viele Jahre davon als Dozent für Psychologie an der Universität Göttingen.

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Die Aufklärung sucht nach einem Ausgleich zwischen „Kopf“ und „Herz“

Als literarische und philosophische Epoche, die vom Beginn des 18. Jahrhunderts bis zum Ausbruch der Revolution in Frankreich reicht, ist die Aufklärung keine einheitliche Bewegung, sondern lässt sich in verschiedene Phasen unterteilen. Gotthold Ephraim Lessing ist Fortführer der literarischen Aufklärung, die mit Johann Christoph Gottsched begonnen hatte, und ist zugleich ihr schärfster Kritiker. Auch die Stürmer und Dränger setzen eine Tradition fort, die Gotthold Ephraim Lessing, aufbauend auf Johann Christoph Gottsched, geschaffen hat; sie sind zugleich Begründer einer neuen Tradition, in der Genie und das Gefühl die beherrschende Rolle spielten. Der empfindsame Mensch hatte damals in der deutschen Sprache eine sehr edle Bedeutung gewonnen. Auch in Deutschland bildete sich eine neuartige literarische und soziale Strömung aus, für die sich der Begriff „Empfindsamkeit“ sehr schnell eingebürgert und bis in die Gegenwart gehalten hat.

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Die Sexualität hat sich in ein Konsumprodukt verwandelt

Dass Menschen in manchen Liebesportalen im Internet, ähnlich wie Automobile, nur noch nach ihren Eigenschaften und Aussehen beurteilt werden, dass es bessere und schlechtere gibt, begehrenswerte und unattraktive – dieses Denken ist so tief in die Köpfe vieler Menschen eingedrungen, dass es die meisten kaum noch infrage stellen. Ulrich Schnabel fügt hinzu: „Ebenso akzeptiert scheint die Ansicht, dass man die Attraktivität der eigenen Person erst durch entsprechendes Outfit und Styling herzustellen habe.“ Von diesem Denken leben große Teile der Wirtschaft: nicht nur die Illustrierten, die die unwiderstehlichsten Frisuren, die zehn besten Schminktipps und endlich – das perfekte Liebesglück versprechen, sondern auch die Hersteller von Kleindung, Schmuck oder Kosmetik, die Schönheitsindustrie, Mediziner, Berater und Therapeuten und nicht zuletzt alle Firmen, die Statussymbole wie Autos, Uhren oder Handys zur Profilierung anbieten. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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