Manchmal muss man das Weltbild radikal verändern

Carlo Rovelli vertritt die These, dass ein wichtiger Teil der wissenschaftlichen Methodologie ihren Ursprung in der Schule von Milet, vor allem im Denken Anaximanders hat. Gestützt wird seine Vermutung durch den milesischen Naturalismus, dem erstmaligen Gebrauch von theoretischen Begriffen oder der Vorstellung von Naturgesetzen. Dass die Naturgesetze die Notwendigkeit der Abfolge von Ereignissen bestimmen, geht auf die Schule von Milet zurück. Vor allem vermittelte Milet der Welt diese einzigartige Kombination aus Respekt und Kritik im selben intellektuellen Gebiet. Dort entstand auch die allgemeine Idee, dass die Welt nicht so sein muss, wie sie den Menschen erscheint. Um wie Welt besser zu verstehen, kann es notwendig sein, das existierende Weltbild radikal zu verändern. Carlo Rovelli ist seit dem Jahr 2000 Professor für Physik an der Universität Marseille.

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Annemarie Stoltenberg fasziniert die Magie des Lesens

In ihrem neuen Buch „Magie des Lesens“ präsentiert Annemarie Stoltenberg wundervolle Geschichten über Sternstunden des Lesens. Die Grafikdesignerin Tanja Kischel hat das Buch liebevoll illustriert. Für Annemarie Stoltenberg bedeuten Bücher Wärme und Zuwendung: „Sie können für Hilfe in der Not sorgen und Auswege aus kniffligen Lagen zeigen. Ich habe nicht selten in schwierigen Situationen weinend angefangen zu lesen und mich getröstet gefühlt.“ Manchmal haben Bücher sogar dafür gesorgt, dass Annemarie Stoltenberg die Kraft hatte, überhaupt weiter zu atmen. Im Reden über Literatur kann man ihrer Meinung nach nur von sich selbst sprechen, vom eigenen Selbst zu einer bestimmten Zeit. Literatur schafft jedoch auch Gefühle, die Menschen miteinander teilen. Erst und gerade dann, wenn ein Text Persönlichstes rückhaltlos darstellt, kann er auch für andere Menschen Gültigkeit haben. Annemarie Stoltenberg ist eine deutsche Autorin und Literaturkritikerin.

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Das Lesen einer Zeitung ist ein Morgensegen

In den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts erleben die Medien eine der spannendsten Transformationen seit ihrer Entstehung. Mehrere Jahrhunderte lang was das Lesen einer Zeitung, was der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel als „eine Art von realistischem Morgensegen“ bezeichnete und mit dem anderen möglichen Morgensegen kontrastierte: „Man orientiert seine Haltung gegen die Welt an Gott oder an dem, was die Welt ist.“ Im 20. Jahrhundert kamen zu den gedruckten Medien ein paar Radiosender und dann ein paar Fernsehkanäle dazu. Sie besaßen ein großes Publikum und einem ähnlich großen Autoritätsanspruch. Timothy Garton Ash weiß: „Walter Cronkite, der legendäre Moderator der US-amerikanischen Fernsehnachrichten, pflegte sein Abendprogramm mit den Worten „So ist es nun mal“ zu schließen. Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.

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Die Griechen verehrten die Sieben Weisen

Thales gilt als einer der „Sieben Weisen“ der griechischen Antike. Die Sieben Weisen sind mehr oder minder historische Figuren. Die Griechen verehren sie als Gründerväter ihres Denkens und ihrer Institutionen. Ebenfalls zu den Sieben Weisen gehörte Solon, ein Zeitgenosse von Thales und Anaximander, Autor der ersten demokratischen Verfassung von Athen. Carlo Rovelli ergänzt: „Anaximander war circa zehn Jahre jünger als Thales. Wir wissen nicht welches Verhältnis sie zueinander hatten.“ Im 6. griechischen Jahrhundert ist es zum ersten Mal in der Geschichte so weit, dass die Fähigkeit zum Lesen und zum Schreiben nicht länger auf einen begrenzten Kreis professioneller Schreiber beschränkt blieb. Ein Großteil der allgemeinen Bevölkerung und praktisch die gesamte Oberschicht konnte nun lesen und schreiben. Carlo Rovelli ist seit dem Jahr 2000 Professor für Physik an der Universität Marseille.

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An der Oberfläche der Geschichte herrscht das Bewusste

Ein einfaches Modell ermöglicht eine geschichtliche Darstellung der menschlichen Gesellschaften und ihrer Veränderungen. Emmanuel Todd erläutert: „An der Oberfläche der Geschichte entdecken wir das Bewusste, die Wirtschaft der Ökonomen, die täglich in den Medien präsent ist und deren neoliberale Ideologie in einer merkwürdigen Rückbesinnung auf den Marxismus verkündet, dass sie das Ausschlaggebende sei. Zu diesem Bewussten, dem Schrillen, wie man sagen könnte, gehört natürlich auch die Politik.“ Etwas tiefer stößt man auf ein Unterbewusstes der Gesellschaft, auf die Bildung, eine Schicht, deren Bedeutung die Bürger und Kommentatoren erkennen, wenn sie an ihr reales Leben denken, während sich die orthodoxe Sicht weigert, vollauf anzuerkennen, wie entscheidend sie ist und wie stark sie auf die darüberliegende bewusste Schicht einwirkt. Emmanuel Todd ist einer der prominentesten Soziologen Frankreichs.

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Wissen war mit einem Erlebnis verbunden

Wissen ist eine Ressource der Klugheit. Das Wissen, das man sich angeeignet hat, dient dazu innere Bilder und äußere Eindrücke zu sichten und Schlussfolgerungen zu ziehen. Um kluge Schlüsse zu ziehen, muss der Mensch sein Wissen verinnerlichen. Die mündliche Überlieferung von Wissen war und ist hierbei wahrscheinlich von Vorteil. Allan Guggenbühl erklärt: „Das Wissen wurde memoriert und in eindrücklichen, wenn auch möglicherweise langweiligen Zeremonien weitergegeben. Folge war, dass sich die Menschen viel Wissen aneigneten. Sie kannten die Sprüche und Bilder auswendig, sodass sie beim Denken spontan auf sie zurückgreifen konnten.“ Ein weiterer Vorteil der mündlichen Vermittlung war, dass Wissen mit einem Erlebnis verbunden war. Allan Guggenbühl ist seit 2002 Professor an der Pädagogischen Hochschule Zürich tätig. Außerdem fungiert er als Direktor des Instituts für Konfliktmanagement in Zürich.

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Das Lesen tritt immer mehr in den Hintergrund

Das Lesen ist immer noch allgegenwärtig, wird durchgängig pädagogisch gelobt, ist immer noch Kern der Bildung, kennt aber leider kaum noch eine praktische oder kommunizierte Kultur. Wann soll man lesen, und wenn ja, wie viel? Walter Benjamin sah noch im Studenten den Urtyp des Sammlers – weil Studierende Wissen suchen, sammeln und ordnen. Wer den Hochschulbetrieb wie Frank Berzbach kennt, der weiß, dass die Bildungsidee lange durch die der bloßen Qualifikation ersetzt wurde: „Die bedarf aber weniger der strengen Lektüre, sondern eher der Fähigkeit zur schnellen Recherche. Da Google alles zu wissen scheint, wird das Gedächtnis narkotisiert, die Aufmerksamkeitsspanne wird geringer.“ Das alles mag für den Arbeitsmarkt wichtig sein, für den Zugang zur Schönheit ist diese Entwicklung hinderlich.“ Dr. Frank Berzbach unterrichtet Psychologie an der ecosign Akademie für Gestaltung und Kulturpädagogik an der Technischen Hochschule Köln.

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So lebten Knaben und Jünglinge in der Antike

Knaben und Jünglinge wuchsen in der Antike in einem gleichgeschlechtlichen Umfeld auf. In der klassischen Zeit durchliefen sie als Bürgersöhne ab dem siebten Lebensjahr ein körperlich-sportliches Training und erhielten in Athen ab dem 18. Lebensjahr eine militärische Ausbildung. Franz X. Eder ergänzt: „Ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. wurden private Schulen errichtet, in denen neben Gymnastik und Sport auch Lesen und Schreiben sowie Poetik, Tanz und Literatur auf dem Lehrplan standen.“ Nach dem 20. Lebensjahr nahmen die Männer am Leben der Polis teil und arbeiteten sich in Berufsfelder, etwa in öffentliche Ämter, ein. Höhere Bildung in Philosophie, Medizin, Literatur und Rhetorik konnte man in größeren Städten wie Alexandria, Athen, Ephesos und Pergamon erwerben. Franz X. Eder ist Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Wien.

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Das Lesen erschafft einen neuen Menschen

Es wäre für Emmanuel Todd irrig, im Lernen des Lesens nur den Erwerb einer Technik zu sehen: „Wie schon heutige Messungen zeigen, steigert ein frühzeitiges und intensives Lesen die Gehirnleistung.“ Sicher lernen intelligente Kinder schneller lesen, aber noch wichtiger für das Verständnis der Menschheitsgeschichte ist die Erkenntnis, dass das Lesen vor allem die Kinder intelligenter macht. Wie beim Erwerb einer Fremdsprache eignet man sich diese Fähigkeit deutlich leichter vor als nach der Pubertät an. Man kann durchaus sagen, dass die Alphabetisierung das menschliche Gehirn in einer entscheidenden Phase seiner Entwicklung nachhaltig verändert hat. Das Lesen erschafft einen neuen Menschen. Es schafft einen neuen Bezug zur Welt, ermöglicht eine komplexere Innerlichkeit und verändert – im Guten wie im Schlechten – die Persönlichkeit. Emmanuel Todd ist einer der prominentesten Soziologen Frankreichs.

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Geschliffene Bildung trifft auf tiefschwarzen Humor

Denken statt Daten, Diskussionen statt Diagramme, Kultur statt Kulturverweigerung: Der österreichische Philosoph Konrad Paul Liessmann ist der zurzeit gewandteste Anwalt in Sachen Aufklärung, Bildung und Wissen. Schar in der Analyse, provozierend in der Argumentation und rhetorisch geschliffen nimmt der Denker ins Visier, was den Menschen – und damit der Politik – unter den Nägeln brennt. Seine kurzen aber aphoristischen Texte werden in seinem neuen Buch „Die kleine Unbildung. Liessmann für Analphabeten“ kongenial von Nicolaus Mahler in Zeichnungen übersetzt, die zum Nachdenken und Schmunzeln anregen. Den Humor, der da zum Vorschein kommt, lässt sich teilweise als tiefschwarz beschreiben. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech. Nicolas Mahler lebt und arbeitet als Zeichner und Illustrator in Wien.

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Künstliche Intelligenzen studieren durch Sprachtraining den Menschen

Derzeit beschäftigt sich die Künstliche Intelligenz (KI) besonders intensiv mit Romanen und anderen menschlichen Texten. Holger Volland kennt den Grund dafür: „Je mehr Wissen die Maschinen über unsere Kultur sammeln, je besser sie wissen, was uns antreibt und abschreckt, je mehr die Maschinen also den Kern unserer menschlichen Persönlichkeit kennen, desto effizienter können sie für uns tätig werden. Man könnte auch behaupten, durch das Sprachtraining studieren uns die Künstlichen Intelligenzen.“ Nicht anders als die Europäer es getan haben, als sie einst unbekannte Länder und Völker entdeckt haben, sich deren Sprache aneigneten und fremde Symbole entschlüsselten. Sie haben die Sagen und das Wissen der Völker studiert, um dann mit ihnen Handelt treiben oder ihre Ressourcen anzapfen zu können. Der Informationswissenschaftler Holger Volland lehrte an der Hochschule Wismar Gestaltung und kuratierte große Ausstellungen der Gegenwartskunst in Argentinien und Deutschland.

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Das Bewusstsein von der eigenen Würde schützt vor Verführbarkeit

Der Neurobiologe Gerald Hüther zeigt in seinem neuen Buch, dass Würde nicht allein ein ethisch-philosophisch begründetes Menschenrecht ist. Würde ist seiner Meinung nach auch ein biologisch verankerter innerer Kompass, der die Menschen in die Lage versetzt, sich trotz vielfältiger und Anforderungen und Zwängen in einer hochkomplexen Welt zurechtzufinden und sich nicht zu verlieren. Deshalb ist es für Gerald Hüther so wichtig, dass jeder Einzelne lernt, die Wahrnehmung der eigenen Würde zu stärken. Denn es ist klar: Wer sich seiner Würde bewusst wird, ist nicht mehr verführbar. Zudem erklärt der Autor in seinem neuen Buch „Würde“ unter anderem was es bedeutet, wenn einem die Würde genommen wird, weil man in der digitalen Welt nur noch als Datensatz zählt oder im Netz geschmäht oder gemobbt wird. Gerald Hüther zählt zu den bekanntesten Hirnforschern in Deutschland.

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Die Kraft der Literatur verändert die Persönlichkeit

Die literarische Bildung lebt von der Fiktion, dass es Bücher gibt, deren Lektüre einen Menschen verändern kann, und dass dies nicht nur an einem selbst, der persönlichen Disposition und Situation liegt, sondern auch genau an diesen Büchern. Konrad Paul Liessmann schreibt: „Nur solch ein Denken legitimiert einen Kanon, und nur ein Kanon, wie umstritten und … Weiterlesen

Niccolò Machiavelli war ein Lehrer des Bösen

Als Dacher Keltner vor 20 Jahren mit seiner Untersuchungen von Macht begann, wurden diese oft mit Zwang, Gewaltausübung und Herrschaft gleichgesetzt. Diese Gleichsetzung der Macht mit Gewaltausübung fand ihren klarsten Ausdruck in Niccolò Machiavellis Buch „Der Fürst“. Dacher Keltner stellt fest: „Es gehört zu den hundert einflussreichsten Büchern, die je geschrieben wurden und hat die Handlungsweisen von einigen der mächtigsten Herrscher der Geschichte bestimmt.“ „Der Fürst“ ist auch heute noch ein wichtiger Text bei der Ausbildung von Führungskräften. Der Politologe Leo Strauss von der University of Chicago stellte allerdings fest, dass Niccolò Machiavelli ein Lehrer des Bösen war und dass der Gewinn und Erhalt von Macht nichts mit Ethik zu tun hat, wie so viele irrtümlich meinen. Dacher Keltner ist Professor für Psychologie an der University of California in Berkeley und Fakultätsdirektor des UC Berkeley Greater Good Science Center.

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Der „Werther“ war der erste moderne Roman in Deutschland

Mit Johann Wolfgang von Goethes Werk „Werther“ trat der bürgerliche Roman in Deutschland in Erscheinung. In den „Leiden des jungen Werther“ gestaltete Johann Wolfgang von Goethe den Typus des unzufriedenen bürgerlichen Intellektuellen, dessen Versuche der Integration in die ständisch gegliederte Gesellschaft an der starken Hierarchie wie auch an der eigenen hohen Selbsteinschätzung scheitern. Johann Wolfgang von Goethes Roman zeigt, dass es für das bürgerliche Individuum unmöglich ist, sich innerhalb des Feudalsystems zu definieren und seine Identität zu finden. Werthers Leiden an der Gesellschaft und sein Scheitern – Werther endet durch Selbstmord – lassen ihn als Verwandten jener bürgerlichen Dramenhelden erscheinen, die wie Karl Moor in den „Räubern“ oder Läuffer im „Hofmeister“ ebenfalls an der Gesellschaftsordnung zerbrechen. Die Wirkung von Johann Wolfang von Goethes „Werther“ war ungeheuer.

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George Eliot beschreibt das Schicksal junger Frauen

Die englische Schriftstellerin George Eliot, die eigentlich 1819 unter dem Namen Mary Anne Evans geboren wurde, schrieb: „Ein Menschenleben, so meine ich, sollten in einem heimatlichen Flecken tief verwurzelt sein, wo es die Liebe zärtlicher Verbundenheit für das Gesicht der Erde erfährt, für die Arbeiten, die die Leute verrichten, für die Klänge und Akzente, für alles, was dieser frühen Heimat eine unverwechselbare Vertrautheit verleiht inmitten der Erfahrungen, die noch kommen werden.“ In dem berühmten Vorwort zu ihrem Roman „Middlemarch“ schreibt George Eliot von den Schwierigkeiten vieler junger Frauen, ihre Bestimmung im Leben zu finden. Sie spüren in ihrem Innern eine starke Sehnsucht, schrieb sie, eine geistige Inbrunst, ihre Energien auf ein gewichtiges, hohes und bedeutsames Ziel zu lenken. Sie werden von hehren moralischen Ambitionen angetrieben, dem dringenden Bedürfnis, ihr Leben in den Dienst einer heroischen gerechten Sache zu stellen.

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Die Philosophen sind von der Sprache verhext

Die meisten Menschen, die den Philosophen Ludwig Wittgenstein begegneten, hielten ihn für ein Genie. Sein Kollege Bertrand Russell beschrieb ihn als „leidenschaftlich, tiefsinnig und sehr bestimmend“. Er prägte seinen Studenten ein, keine Zeit mit dem Lesen von Philosophiebüchern zu vergeuden. Nigel Warburton ergänzt: „Wenn sie, die Studenten, diese Bücher ernst nähmen, sollten sie sie durch den Raum werfen und selbst über die Fragen weiter nachdenken, um die es in diesen Büchern geht.“ Sein erstes Buch „Tractatus logico-philosophicus“ (1921) bestand aus einzelnen nummerierten kleinen Abschnitten, von denen viele eher wie Gedichte klangen und weniger als philosophische Erörterungen. Seine zentrale Botschaft lautete, dass die wichtigsten Fragen über Ethik und Religion außerhalb der Grenzen des menschlichen Verständnisses lägen, und dass man, wenn man nicht sinnvoll darüber reden kann, lieber schweigen sollte. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Eines der nächsten Bücher von Dan Brown könnte in Deutschland spielen

Der Roman „Inferno“ von Dan Brown spielt in Florenz. Dessen Verfilmung läuft seit gestern in den deutschen Kinos. An Deutschland gefällt Dan Brown die reiche Kultur. Das Land ist die Wiege vieler Künstler und klassischer Komponisten, die er persönlich sehr mag. Dan Brown kann sich durchaus vorstellen, dass eines seiner nächsten Bücher in Deutschland spielen könnte. Die „Göttliche Komödie“ hat der Bestsellerschriftsteller in der Highschool gelesen und war fasziniert davon, wie modern sie ist. Dan Brown erklärt: „Dantes Bild der Hölle entspricht genau dem, was wir heute unter Hölle verstehen. Dante war der Erste, der dieses lebendige, detaillierte Bild einer Hölle mit Feuer und Teufel geschaffen hat.“ In den meisten seiner Bücher verbindet Dan Brown etwas Altes mit etwas Modernem.

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Unübersichtlichkeit verursacht Angst

Der Psychologe Wolfgang Schmidbauer schreibt in seinem Buch „Lebensgefühl Angst“: „Noch nie hatten so viele Menschen so viel zu verlieren wie heute.“ Außerdem diagnostiziert er ausgerechnet im Wohlstandsland Deutschland eine missmutig-depressive Grundstimmung. Auf die Frage, wie man mit dem Gefühl der Ohnmacht bei ständig neuen Horrornachrichten umgeht, bekennt der Psychologe Oskar Holzberg: „Ich bin verloren, zwischen dem dringenden Gefühl, viel mehr tun zu müssen, und einer lähmenden Sinnlosigkeit, weil mir alles, was ich tun kann, wie ein lächerlicher Tropfen auf den heißen Steinen der Weltkonflikte erscheint.“ In einem langen Essay in der ZEIT beklagt die Autorin Julia Friedrichs einen zunehmenden Rückzug ins Private: Viele Menschen interessierten sich heute mehr für Stressabbau und Handarbeit als für die drängenden Fragen der Gegenwart.

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Tony Judt beschreibt das Berufsethos des Historikers

Der Historiker Tony Judt hegt keinen Zweifel daran, dass man die Vergangenheit nicht für gegenwärtige Zwecke erfinden noch in den Dienst nehmen kann. Das ist seiner Meinung nach allerdings nicht so offensichtlich, wie es vielleicht scheint. Denn für viele Historiker ist die Geschichtsschreibung heutzutage tatsächlich eine Übung in angewandter Polemik. Tony Judt erklärt: „Man will etwas aufdecken, was in herkömmlichen Narrativen ignoriert wird – eine bestimmte Interpretation der Vergangenheit zurechtrücken, weil man in der Gegenwart Partei ergreifen will.“ Wenn dies ganz unverhohlen praktiziert wird, findet das Tony Judt deprimierend. Denn das ist seiner Ansicht nach Verrat an der Geschichtsschreibung, deren Aufgabe darin besteht, die Vergangenheit zu verstehen! Der britische Historiker Tony Judt lehrte in Cambridge, Oxford und Berkeley. Er starb 2010 in New York.

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Ein Mensch braucht Vertrauen zum Glück

In der Regel zerstört man ein Vertrauensverhältnis, wenn man es durch ein Gespräch zu fassen versucht. Denn die Frage „Kann ich dir eigentlich vertrauen?“ eröffnet nicht eine Diskussion über das Vertrauen, sondern beendet sie. Damit entzieht man dem Vertrauen die Grundlage. Manfred Lütz erklärt: „Vertrauen ist wichtig. Ohne ein Mindestmaß an Vertrauen kann ein Mensch nicht glücklich sein. Was das Leben aber so spannend macht, dass wir gerade das Wichtigste nicht wissen können.“ Ausgerechnet das Wichtigste kann man nicht definieren, kann es nicht in den Griff bekommen und kann sich seiner nicht sicher sein. Wenn das nicht so wäre, dann wäre das Leben nur ein langweiliges, festgelegtes Programm, für das man Gebrauchsanweisungen schreiben könnte, die es jedem ermöglichen würden, sein Leben so zu führen, wie es sich angeblich gehört. Manfred Lütz leitet eine Klinik für psychisch Kranke in Köln.

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Der Konsum verspricht nur ein kurzfristiges Glück

Die meisten Menschen haben zu viel und wollen dennoch noch immer mehr. Besonders in der Zeit vor Weihnachten steigt das Bedürfnis nach Konsum und materiellen Gütern sehr stark an. Der deutsche Sozialpsychologe Jens Förster erklärt in seinem neuen Buch „Was das Haben mit dem Sein macht“, warum Besitz Sicherheit vermittelt und viele Menschen zu selten über ihre Vorstellung von Glücklichsein nachdenken. Jens Förster bestätigt zwar, dass „Haben“ unter bestimmten Umständen glücklich machen kann. Aber es ist nur ein kurzfristiges Glück. Jens Förster erläutert: „Aber wir dürfen nicht vergessen, dass Seinszustände, also in die Natur gehen, ein schönes Abendessen genießen oder, wenn wir etwa religiös sind und in die Kirche gehen, nachhaltiger, preisgünstiger sind und uns längerfristig Glück versprechen.“ Jens Förster war von 2007 bis 2014 Professor für Psychologie in Amsterdam und Direktor des Kurt-Lewin-Instituts. Seit 2014 unterrichtet er an der Universität Bochum.

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Die Literatur war einst die Kompensation für zu wenig Leben

Der Lesende ist eine eigentümliche Erscheinung: Er ist da und doch nicht da. Er befindet sich, obwohl leiblich anwesend, in einer anderen Welt. Konrad Paul Liessmann erklärt: „Die durch Buchstaben hervorgerufene Welt im Kopf gleicht keiner anderen Welt: weder der Erfahrungswirklichkeit noch der von Bildern, noch einer durch Digitalrechnung erzeugten virtuellen Welt.“ Es ist die Kraft des Visionären, die dem Leser einen universellen Weltbezug erlaubt: Welt ist dort, wo der Leser ein Buch aufschlägt. Das machte in früheren Zeiten das Lesen und das Schreiben zum bevorzugten Medium der Menschen an Randlagen. Die Literatur war damals das eigentliche Medium der Provinz – in jeder Hinsicht. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Lesen und Schreiben sind grundlegende Kulturtechniken

Bücher können zu Begleitern, zu Freuden, aber auch zu Feinden werden. Bücher, die man über die Jahre hin ansammelt, sind Ausdruck einer intellektuellen Biographie und der dazugehörigen Zeitgeister. An diesen Büchern lässt sich mehr ablesen als in so manch geschönter Kulturgeschichte. Konrad Paul Liessmann schreibt: „Solches Wissen, solche Erfahrungen, solche Erinnerungen wird keine digitale Bibliothek der Welt bieten können.“ Digitale Bibliotheken, auf welchem Speichermedium sie auch immer archiviert, bieten etwas anderes: den nahezu unbeschränkten raschen Zugriff auf die Welt der Texte. Konrad Paul Liessmann rät, diese Tatsache nicht gering zu schätzen, denn das sei durchaus verlockend, ja faszinierend! Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Philosophische Texte wollen interpretiert werden

Die praktische Erfahrung beim Lesen philosophischer Bücher ist gleichermaßen faszinierend wie potentiell frustrierend. Wilhelm Berger erklärt: „Wer zu lesen beginnt, tritt in einen ungeheuren historischen und aktuellen Fundus ein, der sich noch dazu in alle möglichen Richtungen öffnet, zur Literatur hin genauso wie zum Beispiel zur Geschichtswissenschaft. Jedes einzelne philosophische Buch ist lesenswert, wenn es diese Öffnung ermöglicht.“ Das Wort Text kommt vom lateinischen textus, das bedeutet Geflecht oder Gewebe. Ein Text gehört also der Ordnung einer Kultur an, die er als dieses Gewebe zugleich reproduziert und erweitert. Auf dieser Ebene geht es um Verweise, um die offensichtlichen oder hintergründigen Beziehungen zwischen einzelnen Texten. Wenn er gelungen ist, wirkt ein Text oft wie ein Stein, der in einen Teich von Begriffen und Problemen fällt. Professor Wilhelm Berger lehrt am Institut für Technik- und Wissenschaftsforschung an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

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