Ina Schmidt ist fest davon überzeugt, dass es einen Bezug zum Guten gibt und geben muss, damit Menschen überhaupt in der Lage sind, ihr Handeln moralisch auszurichten. Was halten die Menschen eigentlich von sich selbst? Gern führen sie die Menschlichkeit an, wenn von humanistischen Gründen oder humaner Hilfe die Rede ist. Dahinter stehen Absichten, die sie mit dem Guten verbinden und eben nicht mit etwas, das auf gedankenlosen Egoismus und profitorientierte Zerstörung ausgerichtet ist. Dass der Mensch dafür gemacht ist, nach dem Guten zu streben, kann man jedoch mit guten Gründen anzweifeln. Ina Schmidt ist Philosophin und Publizistin. Sie promovierte 2004 und gründete 2005 die „denkraeume“. Seitdem bietet sie Seminare, Vorträge und Gespräche zur Philosophie als eine Form der Lebenspraxis an.
Thomas Hobbes
Die Redefreiheit hat sich als robust erwiesen
Jonathan Rauch ist kein Alarmist. Ganz im Gegenteil, er schreibt sein Buch „Die Verteidigung der Wahrheit“ in einem Geist der Hoffnung und des vorsichtigen Optimismus. Denn in der digitalen Medienwelt geht man mit beeindruckendem Engagement und neuen Ansätzen gegen Desinformationsangriffe vor. Und der Feind hat nicht mehr den Vorteil der Überraschung auf seiner Seite. Jonathan Rauch ergänzt: „In der akademischen Welt gibt es immer noch große Bestände von wissenschaftlicher Integrität, die man anzapfen kann. Die heutigen Herausforderungen für die Verfassung der Erkenntnis sind unter historischen Gesichtspunkten betrachtet vergleichsweise harmlos. Das eigentliche Wunder ist, als wie robust sich die Redefreiheit und die liberale Wissenschaft erwiesen haben. Jonathan Rauch studierte an der Yale University. Als Journalist schrieb der Politologe unter anderem für das National Journal, für The Economist und für The Atlantic.
Der Mensch ist von Natur aus ein gieriges Wesen
Silvio Vietta stellt fest: „Der englische Staatstheoretiker und Philosoph Thomas Hobbes geht davon aus, dass der Mensch in seinem Naturzustand ein gieriges Wesen ist. Dieses will alles haben und dem ja auch alles offen zu stehen scheint.“ Wenn aber nun alle Mitmenschen naturgemäß auch so veranlagt sind, entsteht daraus zwangsläufig eine Art Konkurrenz aller gegen alle um die vorhandenen Ressourcen. Thomas Hobbes hat dies noch schlimmer formuliert, nämlich als „Krieg aller gegen alle“. Wie kann man dem gegensteuern? Nach Thomas Hobbes eigentlich nur so, dass sich die Menschen verpflichten, ihre Macht an einen Dritten abzutreten, der für diese Preisgabe aber eines verbürgt: Sicherheit und Ordnung. Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.
In Europa gab es lange keine Demokratie
Es ist für Silvio Vietta eigentlich unfassbar, wie lange nach der römischen Republik und deren Zusammenbruch dann die Demokratie in Europa ruht. Es war eine Art Grabesruhe für Jahrhunderte. Im Mittelalter gab es zaghafte Neuansätze in den sich bildenden Stadtkulturen. Die Schweiz macht sich nach dem erfolgreichen Kampf gegen die Habsburger Vorherrschaft in der Schlacht von Sempach 1386 frei von deren Vorherrschaft. Das kleine Land in Mitteleuropa beschritt damit einen Weg hin zu einer halb-direkten Demokratie. Silvio Vietta fügt hinzu: „Ansätze zu einer parlamentarischen Demokratie gab es vor allem in England, wo ab dem 13. Jahrhundert der Monarchie ein Parlament gegenübertrat.“ Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.
Christopher Clark kennt die Formen der Macht
Natürlich ist nicht jede Form von Macht gleich Regierungsgewalt. Doch der Aufstieg und/oder Niedergang von Regierungen zählt zu den zentralen europäischen Geschichten über Macht. Max Weber erkannte in den Beamten die Inhaber eines „Monopols legitimer, physischer Gewaltsamkeit“. Christopher Clark ergänzt: „Es kann zu einer Konzentration der Macht in Regierungen, Staaten und Bürokratien kommen, aber sie kann sich auch wieder zerstreuen.“ Einst gab es eine Welt, in der die gesamte Macht in Gestalt lokal begrenzter persönlicher Adelsherrschaft ausgeübt wurde. Aufgrund der Notwendigkeit, die Auswüchse ausbeuterischer und gewaltsamer Formen lokaler Herrschaft einzudämmen, entwickelten sich neue Regierungsformen. Das Beharren auf den Adelsprivilegien verdrängte die „Anerkennung eines kollektiven Interesses“. Christopher Clark lehrt als Professor für Neuere Europäische Geschichte am St. Catharine`s College in Cambridge.
Der Staat muss legitime Rechte garantieren
Der Staat muss Gerechtigkeit walten lassen, die Zivilgesellschaft kann sich Solidarität erlauben. Heinz Bude erläutert: „Gerechtigkeit bedeutet dabei die Zuerkennung legitimer Anrechte. Dafür existieren rationale Verfahren. Diese legen fest, was einem in einer bestimmten Lage zusteht und wofür man selbst geradestehen muss. Es gibt Menschen, die mit ihrer vollzeitigen und unbefristeten Beschäftigung noch unter dem offiziell errechneten Existenzminimum bleiben. Diese können mit einer Aufstockung ihres Einkommens durch einen staatlichen Zuschuss rechnen, der sie noch etwas über den Betrag der Mindestsicherung hebt. Es ist ungerecht, dass man von seinem Verdienst in einem Knochenjob wie der Gebäudereinigung nicht leben und nicht sterben kann. Ebenso ungerecht ist es, wenn man ohne Arbeit genauso viel Geld in der Tasche hätte wie mit Arbeit. Seit dem Jahr 2000 ist Heinz Bude Inhaber des Lehrstuhls für Makrosoziologie an der Universität Kassel.
Viele Menschen glauben an eine Führerfigur
Im Unterschied zur traditionellen Auffassung, dass Autorität in Gott begründet liegt, sowie in Immanuel Kants Überzeugung, dass der Mensch selbstständig denken muss, glauben viele Menschen, dass Autorität am besten von einer Führerfigur ausgehen sollte. Paul Verhaeghe stellt fest: „Den Glauben an einen großen Anführer, der aufgrund seiner natürlichen Eigenschaften (er ist weise und gerecht) die Befehlsgewalt erwirb oder zumindest bekommt, gab es zu allen Zeiten.“ Die Idee geht zurück auf Platons Philosophenkönig, doch der wichtigste Impuls ging von Thomas Hobbes aus. Nach ihm legt Jean-Jaques Rousseau eine sehr eigene Interpretation des Gedankens vor. Und in Deutschland plädierte zu Beginn des vorigen Jahrhunderts seinerseits Max Weber für eine charismatische Führerschaft. Paul Verhaeghe lehrt als klinischer Psychologe und Psychoanalytiker an der Universität Gent.
Willkürliche Machtausübung bedroht die Freiheit
Wenn man über Freiheit spricht, ist das, wovon man sich befreien will, ein bewegliches Ziel. Heutige Konservative mit intellektuellen Neigungen bezeichnen sich oft als „klassische Liberale“. Ihre Vorstellung von der menschlichen Freiheit wurde von John Locke und den Begründern des modernen Liberalismus geprägt. John Locke baute seine politische Argumentation auf dem Konzept der Freiheit auf. Sein Einfluss ging weit über die politische Sphäre hinaus. Sie prägt bis heute das Ideal einer Autonomie, die für den modernen Menschen zur zweiten Natur geworden ist. Matthew B. Crawford stellt fest: „Lockes Neudefinition der Politik machte eine Neudefinition der menschlichen Natur sowie der Stellung des Menschen in der Welt erforderlich. Letzten Endes musste er neu definieren, wie wir die Welt begreifen.“ Matthew B. Crawford ist promovierter Philosoph und gelernter Motorradmechaniker.
Der mündige Intellektuelle ist der Aufklärung verpflichtet
Der mündige Intellektuelle verachtet Ideologien. Zumindest solche, die Gefolgschaft erfordern und die Preisgabe der intellektuellen Autonomie zum Wohle eines abgeschlossenen Weltbildes. Dieses kann in der Postmoderne auch gern widersprüchlich und torsohaft daherkommen. Ulf Poschardt fügt hinzu: „Der mündige Intellektuelle hat ein stark dynamisches und performatives Verständnis von Denken und Werk.“ Er versteht sein eigenes Reflexions- und Wissensniveau als Verpflichtung, Verantwortung zu übernehmen. Der mündige Intellektuelle ist dem Ideal des aufgeklärten Diskurses und Debatte verpflichtet. Er will nicht gefallen, sondern sortiert seine Anliegen entlang jener Anliegen, die in den entscheidenden gesellschaftlichen Debatten jeweils zu kurz kommen. Seine Differenziertheit folgt strategischen Überlegungen. Er muss seine eigene Position relativ zum Kurs des Ganzen definieren. Seit 2016 ist Ulf Poschardt Chefredakteur der „Welt-Gruppe“ (Die Welt, Welt am Sonntag, Welt TV).
Francis Fukuyama stellt die Ideen Jean-Jacques Rousseaus vor
Der Genfer Philosoph Jean-Jacques Rousseau hatte zwei separate Rezepte dafür, die Menschheit aus der Katastrophe der Ungleichheit und Gewalt herauszuführen. Das erste Wird in seinem „Gesellschaftsvertrag“ umrissen und bietet eine politische Lösung an. Durch sie sollten die Bürger infolge der Entstehung eines „Gemeinwillens“, der sie in republikanischer Tugend vereint, zur natürlichen Gleichheit zurückkehren. Sie kooperieren miteinander in einer politischen Union, die jedoch keine Unstimmigkeit und keinen Pluralismus duldet. Francis Fukuyama stellt fest: „Diese Lösung ist zu Recht als proto-totalitär bemängelt worden, da sie die Meinungsvielfalt unterdrückt und eine strenge Uniformität des Denkens erfordert.“ Das zweite Rezept ist nicht politischer, sondern individueller Art. Francis Fukuyama ist einer der bedeutendsten politischen Theoretiker der Gegenwart. Sein Bestseller „Das Ende der Geschichte“ machte ihn international bekannt.
Philosophen bewerten die Kunst sehr unterschiedlich
Zahlreiche Philosophen haben der Kultur in der Bedeutung von Kunst höchsten Wert beigemessen. Doch nicht jeder große Denker folgte ihnen darin. Platon steht der Kunst aus politischen Gründen feindselig gegenüber und vertreibt die Dichter aus seinem Staat. Immanuel Kant, der bedeutendste moderne Philosoph, reinigt die Kunst von ihrem Inhalt und reduziert sie auf die reine Form. Terry Eagleton nennt weitere Beispiele: „Für Hegel kann die moderne Kunst nicht mehr die lebenswichtige Aufgabe erfüllen, die sie in der antiken Welt wahrnahm, und muss daher der Philosophie weichen. Jeremy Bentham, dessen utilitaristische Philosophie im 19. Jahrhundert zur herrschenden Morallehre Englands wurde, erweist sich bei ästhetischen Fragen als ausgemachter Spießer.“ Der Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker Terry Eagleton ist Professor für Englische Literatur an der University of Manchester und Fellow der British Academy.
Die Grenzlinie zwischen Anlage und Umwelt ist stark umstritten
Theorien des menschlichen Verhaltens stützen sich auf die der menschlichen Natur: auf Regelmäßigkeiten, die sich aus der universalen menschlichen Biologie ergeben, im Gegensatz zu denen, die in den Normen oder Bräuchen der verschiedenen menschlichen Gemeinschaften wurzeln. Francis Fukuyama fügt hinzu: „Die Grenzlinie zwischen Anlage und Umwelt ist heutzutage stark umstritten, doch kaum jemand würde leugnen, dass diese beiden gegensätzlichen Pole existieren.“ Zum Glück braucht diese Grenze nicht exakt gezogen zu werden, wenn man eine Theorie entwickeln will, die nützliche Einsichten in die menschliche Motivation liefert. Frühneuzeitliche Denker wie Thomas Hobbes, John Locke und Jean-Jaques Rousseau grübelten intensiv über den „Naturzustand“, eine Urzeit vor dem Aufkommen der menschlichen Gesellschaft. Francis Fukuyama ist einer der bedeutendsten politischen Theoretiker der Gegenwart. Sein Bestseller „Das Ende der Geschichte“ machte ihn international bekannt.
Ein Gemeinwesen braucht eine politische Herrschaft
Der Kernbestandteil eines jeden Gemeinwesens besteht in einem Recht, das sich wesentlich mit Zwangsbefugnis verbindet. Seinetwegen hat jedes Gemeinwesen einen Herrschaftscharakter, weshalb nicht die „geordnete Anarchie als philosophisches Leitbild des freiheitlichen Rechtsstaates“ behauptet werden kann. Otfried Höffe erklärt: „Weil angeblich jede Regierung Rechte von Individuen verletzt, taucht selbst gegen eine von den Betroffenen ausgeübte Herrschaft Skepsis auf.“ Es ist überraschend, dass ursprünglich, im Griechischen, die Herrschaftslosigkeit durchweg negativ bewertet wird. Auch in der politischen Neuzeit, etwa von Niccolò Machiavelli über Montesquieu bis Voltaire, herrscht die negative Einschätzung vor. Erst in Karl Marx` und Friedrich Engels` These vom Absterben des Staats, bei dem davon beeinflussten Herbert Marcuse, auch in der subversiven Institutionenkritik eines Michel Foucault und nicht zuletzt in antiautoritären Bewegungen lebt der Gedanke der Herrschaftsfreiheit auf. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.
Menschen sind biologisch weder gut noch böse
Die evolutionäre Sicht macht deutlich, dass es sich bei Empathie nicht um eine kulturell gelernte Fähigkeit handelt, sondern m eine tief in der Biologie des Menschen verwurzelte Funktion. Manfred Spitzer ergänzt: „Wie fast alles, was die Menschen ausmacht oder was sie tun, ist auch unsere Biologie kulturell stark beeinflusst, überformt oder geprägt. Dies darf jedoch nicht den Blick dafür verstellen, dass die grundlegenden Funktionen selbst nicht Teil unserer Kultur, sondern unserer Biologie sind.“ Diese Feststellung ist an dieser Stelle deswegen so wichtig, weil das „Wesen“ des Menschen häufig als grundsätzlich böse eingestuft wird. Der englische Philosoph Thomas Hobbes prägte den Satz: „Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.“ Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer leitet die Psychiatrische Universitätsklinik in Ulm und das Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen.
Das Böse ist das Fremde und radikal Andere
Das Böse. Dunkel, geheimnisvoll, furchteinflößend. Als das Unfassbare schlechthin, das menschliches Vertrauen in die Welt erschüttert, reizt es zu Dämonisierungen – und auch zu Projektionen. Das Böse ist das Fremde. Das radikal Andere. Ob Heimtücke, Falschheit oder Hinterlist, ob Missbrauch, Amoklauf oder Terrorismus: Den gesunden Menschenverstand übersteigend verursacht die böse Tat Abscheu, Angst und ein tiefes Schutzbedürfnis. Svenja Flaßpöhler fügt hinzu: „Das Böse muss bekämpft werden. Überwacht, weggesperrt, ausgeschlossen – gar ausgerottet.“ Aber könnte es nicht sein, dass das Böse gar nicht von außen kommt, verschlagen und verführerisch in Häuser und Herzen drängt – sondern vielmehr uranfänglich in uns selbst lebt? Tatsächlich zeigt sich ja gerade im Schlaf, wie ungeheuerlich die Phantasien eines Menschen sein können. Dr. Svenja Flaßpöhler ist Stellvertretende Chefredakteurin des Philosophie Magazins.
Matthew B. Crawford stellt Immanuel Kants Metaphysik der Freiheit vor
Immanuel Kant schreibt: „Autonomie des Willens ist die Beschaffenheit, dadurch derselbe ihm selbst ein Gesetz ist. Wenn der Wille in der Beschaffenheit irgendeines seiner Objekte das Gesetz sucht, das ihn bestimmen soll, so kommt jederzeit Heteronomie heraus. Der Wille gibt alsdann nicht sich selbst, sondern das Objekt durch sein Verhältnis zum Willen gibt diesem das Gesetz.“ Voraussetzung für Autonomie ist, dass man von jedem Gegenstand so fern abstrahiert, dass dieser gar keinen Einfluss auf den Willen hat, damit praktische Vernunft nicht fremdes Interesse bloß administriert, sondern bloß ihr eigenes gebietendes Ansehen als oberste Gesetzgebung beweist. Matthew B. Crawford erklärt: „Wir sollten uns vor Augen halten, wie alarmierend die Entwicklungen im 17. Jahrhundert für nachdenkliche Menschen gewesen sein müssen.“ Matthew B. Crawford ist promovierter Philosoph und gelernter Motorradmechaniker.
Die Aufklärung gilt als Zeitalter der Vernunft
Die Aufklärung wurde und wird gerne als das Zeitalter der Vernunft bezeichnet. Zweifellos war „Vernunft“ eine der großen Leitbegriffe der Aufklärung, die Hoffnung auf Vernunft zusammen mit der Hoffnung auf Freiheit eine ihrer großen Leitideen. Dies gilt besonders für die Idee einer allgemeinen Menschenvernunft, worin in jeder seine Stimme hat. Zu den erklärten Zielen der Aufklärung gehört die „Ausbesserung“ des Verstandes und die Läuterung des Willens, insgesamt also die Beförderung der theoretischen und praktischen Vernunft im Individuum und im Gemeinwesen. Der Mensch sollte sich mittels des richtigen Gebrauchs seines Vernunftvermögens selbst befreien und intellektuell, besonders aber moralisch, vervollkommnen. Als die Voraussetzung für die Realisierung wurde die allgemeine Menschenvernunft als Naturanlage und die Gewährung von für die Äußerung, den Austausch und die Verbreitung vernünftiger Gedanken erforderlichen Grundfreiheiten als äußere Bedingungen betrachtet.
Über moralische Werte herrscht eine deprimierende Sprachlosigkeit
Viele Menschen hören sich oft so an, als seien ästhetische Urteile rein subjektiv, weshalb sie nicht öffentlich in Frage gestellt werden können. Diese Anschauung hat eine lange Tradition: „Über Geschmack lässt sich nicht streiten“, meinten schon die alten Römer. Matthew B. Crawford stellt fest: „Aber in Wirklichkeit denken wir anders. Wer in der Öffentlichkeit ein positives ästhetisches Urteil fällt, geht ein Risiko ein.“ Denn in Wirklichkeit sagt er: „Das hier ist gut.“ In einer 2008 durchgeführten Studie befragten die Soziologen Christian Smith und seine Kollegen von der University of Notre Dame 230 junge Amerikaner zur Bedeutung moralischer Werte für ihre Lebensführung. Sie fanden nichts so Spektakuläres wie moralische Verkommenheit, sondern stießen vielmehr auf deprimierende Sprachlosigkeit. Matthew B. Crawford ist promovierter Philosoph und gelernter Motorradmechaniker.
Die Bibel ist auch ein Denkraum für die Philosophie
In der neuen Sonderausgabe des Philosophie Magazins „Die Bibel und die Philosophen“ interpretieren berühmte Denker die zentralen Passagen des Alten Testaments. Dazu zählen unter anderem Immanuel Kant, Hans Blumenberg, Hannah Arendt, Baruch de Spinoza, Umberto Eco, Walter Benjamin und Søren Kierkegaard. Für die Chefredakteurin der Sonderausgabe, Catherine Newmark, steht fest: „Ohne Zweifel, die Bibel ist die einflussreichste Schrift unserer Geschichte; Malerei, Musik, Literatur, Film sind von ihr inspiriert bis zum heutigen Tag.“ Wenn Glauben archetypisch Passivität und Hingabe bedeutet, so steht die Philosophie umgekehrt für die Selbstermächtigung des Menschen durch Vernunft, hin zu Aktivität und Freiheit. Die in der Sonderausgabe versammelten philosophischen Betrachtungen zeigen: Das Alte Testament ist nicht nur eine Heilige Schrift für Gläubige oder eine Schatzkammer schöner Geschichten für Kulturhistoriker, sondern auch ein ungeheuer bezugsreicher Denkraum, ein Raum für Philosophie.
Die Aufklärung steht im Zeichen der Menschenrechte
Unter Aufklärung wird jene Epoche verstanden, in der sich in Europa beziehungsweise in den USA die Auffassung durchsetzte, dass weder die Ständeordnung noch das Gottesgnadentum der Monarchie auf Dauer durchsetzbar waren. Die Theorie der Gewaltenteilung setzte sich durch und die Menschenrechte wurden in die amerikanische Verfassung von 1776 aufgenommen. Ebenso bedeutsam war die Déclaration des droits de l´homme et du citoyen von 1789, die einer auf Freiheit, politischer Gleichheit und Selbstständigkeit der Individuen abhebende Weltsicht Platz schaffte. Die Aufklärung war sich ihrer geschichtlichen Besonderheit durchaus bewusst. Dies erhellen ihre Selbstthematisierung und die Wahl der Bildlichkeit beziehungsweise Begrifflichkeit für das eigene Tun. So beginnt beispielsweise für Alexander Pope mit Isaac Newtons wissenschaftlicher Revolution in der Physik eine Epoche des Lichts.
Alle Menschen sind von Grund auf selbstsüchtig
Thomas Hobbes, der von 1588 bis 1679 lebte, zählt für Nigel Warburton zu den größten politischen Denkern Englands. Der Philosoph, der viele sympathische Eigenschaften besaß, hatte keine hohe Meinung von den Menschen. Er glaubte, dass sie alle von Grund auf selbstsüchtig sind, beherrscht von der Angst vor dem Tod und immer bemüht, andere zu übervorteilen. Alle Menschen versuchen, Macht über andere zu gewinnen, ob sie sich dessen bewusst sind oder nicht. Thomas Hobbes glaubte, dass die Menschen im Grunde ihres Herzens alle egoistisch sind und dass sie lediglich die Gesetze mit ihren Strafandrohungen daran hindert, ihren Trieben freien Lauf zu lassen. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.
Wolfgang Kersting stellt die Theorie des Egalitarismus vor
Die Konzeption des Egalitarismus beruht für Wolfgang Kersting auf einer übertriebenen Interpretation der vertrauten moralischen Intuition, dass Gerechtigkeit etwas mit Verdienst zu tun haben muss. Dieser wiederum ist die eigene Leistung. Was sich jemand selbst erarbeitet hat, gehört ihm. Niemand darf es ihm nehmen, auch nicht der Sozialstaat. Das jedoch, was einem zufällt, muss nach Maßgabe allgemeiner Regeln der Gerechtigkeit ausgeglichen werden. Wolfgang Kersting erläutert: „Und zu dem, was einem zufällt und nicht selbst erarbeitet worden ist, gehören alle natürlichen und herkunftsbedingten Eigenschaften und Fähigkeiten, Dispositionen und Einstellungen, die wesentlich für Erfolg und Misslingen der Lebenskarriere verantwortlich sind.“ Wolfgang Kersting, emeritierter Professor für Philosophie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat sich vor allem mit den Themen Sozialstaat, Gerechtigkeit und Gesellschaftsordnung beschäftigt. Er veröffentlichte Bücher über Platon, Machiavelli, Thomas Hobbes, John Rawls sowie über Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie.
Die Gier des Menschen ist älter als der Kapitalismus
Eckart Voland vertritt die These, dass die Gier eine natürliche Anlage des Menschen ist. Sie ist allerdings von Individuum zu Individuum unterschiedlich ausgeprägt und die Folgen sind verschieden. Bei der Gier geht es einem Menschen darum, seinen persönlichen Nutzen zu maximieren. Das ist für Eckart Voland eine Grundeigenschaft des Menschen. Der Biophilosoph würde allerdings nicht so weit gehen und sagen, dass der Kapitalismus durch seinen Konkurrenzgedanken die Gier im Menschen fördert. Denn die menschliche Gier ist älter als der Kapitalismus. Man muss seiner Meinung nach auch vorsichtig sein, dass man Gier nicht mit Ehrgeiz verwechselt. Eckart Voland ist Professor für Biophilosophie an der Universität Gießen und hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten unter anderem die Evolution des Gewissens analysiert.
Wolfgang Kersting erklärt den Begriff der sozialen Gerechtigkeit
Mehr als zehn Jahre hat sich hat sich der Ökonom Friedrich August von Hayek intensiv damit befasst, den Sinn des Begriffs „soziale Gerechtigkeit“ zu ergründen. Dabei kam er zum Schluss, dass für eine Gesellschaft freier Menschen dieses Wort überhaupt keinen Sinn hat und nicht auf die Ergebnisse einer Marktwirtschaft angewendet werden kann. Gerechtigkeit hat für Friedrich August von Hayek nur einen Sinn als eine Regel für menschliches Verhalten. Wolfgang Kersting stellt klar, dass der Bergriff der sozialen oder distributiven Gerechtigkeit für Friedrich August von Hayek nur eine semantische Luftspiegelung beziehungsweise eine begriffliche Illusion darstellt. Wolfgang Kersting, emeritierter Professor für Philosophie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat sich vor allem mit den Themen Sozialstaat, Gerechtigkeit und Gesellschaftsordnung beschäftigt. Er veröffentlichte Bücher über Platon, Machiavelli, Thomas Hobbes, John Rawls sowie über Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie.
Es existieren zwei grundlegende Formen der Freiheit
Wolfgang Kersting unterscheidet zwei Formen der Freiheit. Eine negative Freiheit genießen die Menschen, wenn sie frei von Zwang, Gewalt und Drohung handeln und Entscheidungen treffen können. Positive Freiheit bedeutet für den Menschen sein eigener Herr zu sein und über sein Leben selbst bestimmen zu können. Wolfgang Kersting fügt hinzu: „Negative Freiheit bedeutet Freiheit von Selbstbestimmung, positive Freiheit bedeutet Selbstbestimmung.“ Allerdings ist die Abwesenheit von Fremdbestimmung nicht hinreichend für Selbstbestimmung. Es gibt laut Wolfgang Kersting Hindernisse bei der Selbstbestimmung, die auch dann bestehen bleiben, wenn alle darauf verzichten, sich einander durch Gewalt, Drohung und Erpressung gefügig zu machen. Wolfgang Kersting, emeritierter Professor für Philosophie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat sich vor allem mit den Themen Sozialstaat, Gerechtigkeit und Gesellschaftsordnung beschäftigt. Er veröffentlichte Bücher über Platon, Machiavelli, Thomas Hobbes, John Rawls sowie über Immanuel Kants Rechts- und Staatsphilosophie.