Die Männer, die aus dem Trojanischen Krieg zurückkamen, waren Verändernde und Veränderte. Von den Erfahrungen auf dem Schlachtfeld gezeichnet, passten sie nicht mehr ins soziale Gefüge der Orte, von denen sie ausgezogen waren. Und doch blieben sie im Gedächtnis derer Leitfiguren. Jürgen Wertheimer stellt fest: „Mit der Erfindung des Dramas findet im 5. Jahrhundert vor unserer Zeit ein entscheidender Medienwechsel statt.“ Natürlich gab es Rituale und kultische Vorführungen schon früher und an anderen Orten. Aber es ist sicher nicht übertrieben zu sagen, dass das Drama ein Produkt der noch jungen Stadtstaaten war. Es diente als zentrale öffentliche Form der kulturellen Selbstdarstellung. Unterhalb des Burghügels der Akropolis, kann man seine Reste noch heute besichtigen. Jürgen Wertheimer ist seit 1991 Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Komparatistik in Tübingen.
Stadtstaat
Vor der Presse war die Pnyx
Vor der Presse war die Pnyx. Auf einem Hang des gleichnamigen Hügels im alten Athen versammelten sich etwa 6.000 Bürger, um Angelegenheiten von öffentlichen Interesse zu diskutieren. Ein Versammlungsleiter verkündete die Tagesordnung. Timothy Garton Ash weiß: „Ein Herold fragte: „Wer will zur Versammlung sprechen?“ Dann betrat ein erwachsener männlicher Bürger die aus Stein gehauene Rednerbühne. Dann sagte er seinen um ihn versammelten Mitbürgern, was er dachte.“ Besondere Aufmerksamkeit wurde wahrscheinlich den bekannteren Rednern geschenkt. Einschließlich denen, die sich durch ihren Dienst im Rat des Stadtstaats ausgezeichnet hatten. Aber alle hatten das gleiche Recht, frei zu sprechen. Nach der für die Debatte vorgesehenen Zeit fand eine Abstimmung statt. Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.
Ohne Vielfalt gibt es keine Alternativen
Vielfalt ist eine Bereicherung von Freiheit. Wenn es keine Vielfalt gäbe, hätten die Menschen keine Alternativen, zwischen denen sie wählen könnten. Doch das Leben mit einer solchen Vielfalt der Unterschiede hat auch seine Schwierigkeiten. Denn viele wollen vielleicht gerne wieder mehr „unter ihresgleichen“ leben. Das Problem ist nichts Neues. Die Kombination von Massenmigration und Internet hat zu einer atemberaubenden Zunahme der sichtbaren Vielfalt, sowohl materiell auf den Straßen der Weltstädte als auch virtuell auf den Seiten des Internets, geführt. Timothy Garton Ash ergänzt: „Wie nicht anders zu erwarten, geht es in einigen der heftigsten Konflikte um die Meinungsfreiheit um die Frage, wie Menschen sich in Bezug auf solche Unterschiede ausdrücken.“ Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.
Troja ist die Mutter aller Schlachten gegen den Osten
Troja ist ein Ort von überragender Bedeutung. Er ist die Mutter aller Schlachten gegen „den Osten“. Dazu zählt Jürgen Wertheimer die Länder Ägypten, Persien, die Phöniker, Babylonier und Assyrer. Zu Beginn des ersten Jahrhunderts vor unserer Zeit war dies ein verlassener Ort an den Dardanellen. Wenige Griechen hatten sich in der Umgebung niedergelassen. Jürgen Wertheimer spekuliert: „Mag sein, dass man sich einiges von dem erzählte, was hier vor fünf oder sechs Jahrhunderten geschehen sein sollte. Eine große Schlacht der Panachaioi, der „Gesamtgriechen“, gegen eine der Militärmächte aus dem Osten.“ Möglicherweise gab es auch einige Sänger, die von diesem Krieg berichteten. Darunter einen aus der kleinasiatischen Küstenstadt Smyrna/Izmir – Homer. Jürgen Wertheimer ist seit 1991 Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Komparatistik in Tübingen.
Nationalstaaten sind oftmals reißende Bestien
Das einzige Mittel die deutsche Gesellschaft vor einer noch gravierenderen und irgendwann nicht mehr zu kontrollierenden Spaltung zu bewahren, scheint für Thea Dorn das Bekenntnis zur Nation zu sein. Und zwar nicht in einem völkisch-ethischen, sondern in einem verfassungsrechtlichen, sozialsolidarischen und kulturellen Sinn. Thea Dorn weiß: „Nationalstaaten sind keine Lämmer. Oft genug haben sie bewiesen, dass sie zu reißenden Bestien werden können. Und beweisen es in manchen Regionen der Welt noch immer.“ Andererseits ist es in der Menschheitsgeschichte bisher keinem Gesellschaftsmodell außer dem Nationalstaat gelungen, einen verlässlichen Rahmen für Menschen- und Bürgerrechte zu bieten. Die extrem kleinen Stadtstaaten im antiken Griechenland glichen eher erweiterten Familienverbänden, in denen nahezu jeder Bürger mit jedem verwandt war. Thea Dorn studierte Philosophie und Theaterwissenschaften. Sie schrieb eine Reihe preisgekrönter Romane, Theaterstücke und Essays.
Konrad Paul Liessmann betrachtet Europa unter ästhetischen Gesichtspunkten
Europa, so lautet eine gerne mit abwertendem Unterton vorgetragene These, sei in erster Linie ein ökonomisches Projekt, dem noch die Seele fehle; seit einiger Zeit sei Europa auch ein politisches Projekt, dem es allerdings noch an Demokratie und der Beteiligung der Bürger ermangele; und nicht zuletzt sei Europa ein moralisches Projekt, das den Nationalismus und seine Exzesse ebenso in die Schranken weisen werde wie Fremdenfeindlichkeit, soziale Ungerechtigkeit und jede Form von Ausgrenzung. Konrad Paul Liessmann stellt sich dabei folgende Frage: „Wie wäre es, das europäische Projekt einmal unter ästhetischen Gesichtspunkten zu betrachten?“ Welche Farbe trägt Europa? Nein, das EU-Blau ist nicht die einzige Antwort. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.
Ein Fürst muss vor allem seine Machtposition bewahren
Niccolò Machiavelli rät einem Fürsten, der einen Stadtstaat regiert, wie zum Beispiel Florenz oder Neapel im 16. Jahrhundert in Italien, folgendes: Es ist keine gute Idee ehrlich und gut zu sein, sondern manchmal besser, Lügen aufzutischen, Versprechen zu brechen, ja sogar die Feinde zu töten. Nigel Warburton erklärt: „Der Fürst braucht sich keine Gedanken zu machen, ob er sein Wort hält oder nicht.“ Niccolò Machiavelli vertrat die Auffassung, ein Herrscher, der Erfolg haben wolle, müsse lernen, nicht gut zu sein. Am wichtigsten sei es für einen Fürsten an der Macht zu bleiben, und dafür sei fast jedes Mittel recht. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.
Die Renaissance brachte ab 1300 ein neues Lebensideal hervor
Zu Beginn der Renaissance entstand schon seit der Zeit um 1300 in den Stadtstaaten Italiens ein neues Ideal des Lebens, in dem sich der Einzelmensch von den Bindungen, die Geburt und Herkunft ihm auferlegten, befreite. An die Stelle der Anonymität des Mittelalters trat allmählich die Persönlichkeit, die nach Ruhm und Ansehen strebte. Die soziale Herkunft war für den gesellschaftlichen Aufstieg nicht mehr von ausschlaggebender Bedeutung. So konnte beispielsweise Taddeo Alderotti, der zunächst seinen kümmerlichen Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Wachskerzen bestritt, über den Besuch der Lateinschule und Universität zum berühmten Arzt und Gelehrten aufsteigen. Besonderes Ansehen besaßen damals auch Juristen: ein Doktor der Rechte nahm einen, dem Adel entsprechenden Stand ein. Nach seiner Abkunft fragte ihn niemand mehr. Die politisch und wirtschaftlich Mächtigen förderten zudem Talente aus den untersten Volksschichten.
Ein Imperium herrscht über eine große Vielfalt von Ethnien
Ein Imperium ist eine politische Ordnung mit zwei entscheidenden Eigenschaften. Yuval Noah Harari nennt die erste Eigenschaft: „Um als Imperium zu gelten, muss es über eine ausreichende Zahl von verschiedenen Völkern herrschen, von denen jedes seine eigene kulturelle Identität und sein eigenes Territorium hat.“ Die zweite Eigenschaft eines Imperiums besteht darin, dass es über flexible Grenzen und einen potentiell grenzenlosen Appetit verfügt. Imperien können sich immer mehr Völker oder Gebiete einverleiben, ohne dabei ihre Struktur oder Identität zu verlieren. Yuval Noah Harari nennt ein Beispiel: „Das heutige Großbritannien hat klar definierte Grenzen, die es nicht überschreien kann, ohne dass der Staat seine Struktur oder Identität völlig verändern würde. Aber vor einem Jahrhundert hätte fast jeder Ort auf der Erde Teil des Britischen Weltreichs werden können. Yuval Noah Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem.
Das Zentrum der Meinungsbildung war in Athen die Agorá
Der große griechische Denker der Antike, Aristoteles, hat den Menschen als „zoon politikón“, also als politisches Wesen, bezeichnet. Denn er unterscheidet sich vom Tier und von den Göttern dadurch, dass er in der Polis lebt, dem Gemeindestaat mit seinen überschaubaren Grenzen. Tatsächlich gab es im antiken Griechenland nie einen griechischen Gesamtstaat und auch die einzelnen Polis waren mit ihrem bescheidenen Territorium zufrieden, selbst wenn sie die Möglichkeit hatten, in ihrem Hinterland zu expandieren. Aus den Zeiten der Wanderung war sowohl der Gleichheitsbegriff des Wehrgedankens als auch ein ritterliches Ethos einer Adelsgesittung erhalten geblieben. Diese wurde im homerischen Epos gefeiert und bei den panhellenischen Spielen praktiziert. Beide Komponenten wurden allerdings in den verschiedenen griechischen Stadtstaaten auf höchst unterschiedliche Weise umgesetzt. Die möglichen Gegensätze repräsentierten Athen und Sparta.
Ralf Dahrendorf erklärt die Entstehung der Bürgerrechte
Die Bürgerrechte haben ihren Ursprung laut Ralf Dahrendorf in drei Quellen: Erstens in der Burg, zweitens in der aus den ländlichen Feudalstrukturen herausgenommenen mittelalterlichen Stadt und drittens im antiken Stadtstaat. Seiner Meinung nach führten sie am Ende mit innerer Notwendigkeit zur universellen, der Weltbürgergesellschaft. Ihre moderne Ausprägung haben die Bürgerrechte allerdings erst im Nationalstaat gewonnen. Ralf Dahrendorf schreibt: „Es ist kein Zufall, dass Länder, in denen moderne Bürgerrechte sich erst später durchgesetzt haben, meist auch verspätete Nationen waren, während die ersten Nationen zugleich Vorreiter der Bürgerrechte waren.“ Denn der moderne Nationalstaat besitzt im Kern die Form, in dem das nicht-feudale und anti-feudale Bürgertum seinen legitimen Platz finden konnte.
Paul Nolte beschreibt die Entstehung der Demokratie in Athen
Vor etwa zweieinhalbtausend Jahren entstand im östlichen Mittelmeerraum, auf der griechischen Halbinsel Attika, zum ersten Mal in der Weltgeschichte Demokratie. Paul Nolte erklärt: „Die Bürger von Athen überließen die Regierung ihrer Polis, also ihres stadtstaatlichen Gemeinwesens, nicht einem König, einem Tyrannen oder einer schmalen aristokratischen Elite, was weithin den kaum hinterfragten Normalfall darstellte, sondern regierten sich selbst: frei und einander gleich; durch die Übernahme von Ämtern und unmittelbar in der Volksversammlung.“ Die athenische Demokratie entwickelte sich allerdings laut Paul Nolte nicht zuerst in der Theorie, sondern langsam und in vielen Zwischenschritten, in der praktischen Anwendung. Dass daraus eine Demokratie enstehen würde, wussten die Zeitgenossen vorher und während der Entstehung dieser Regierungsform nicht. Paul Nolte ist Professor für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte an der Freien Universität Berlin.
Die neue Denkhaltung der griechischen Sophisten
Die Forscher, die sich mit der Geschichte der Philosophie befassen, sind sich bis heute nicht darüber einig geworden, was Sophistik eigentlich ist. Das Wort hängt mit dem griechischen sophía, der Weisheit zusammen und sophistás wurden ursprünglich in Griechenland ganz allgemein kundige Männer genannt, die über ein Spezialwissen und besondere Erfahrungen in einem Wissensgebiet verfügten. Etwas Spezielleres meint aber die spätere Sophistik. Die ersten Weisen in der Geschichte der Philosophie, die vor der Epoche des Sokrates lebten, wurden nicht nur Vorsokratiker, sondern auch Physiker genannt, also als Naturphilosophen bezeichnet. Ihr Denken umschließt den ganzen Kosmos, einschließlich des Menschen. Ihre Weisheit entsprach oft noch dem Wissen einer Offenbarung.
Thomas von Aquin setzt sich für zinslose Kredite ein
Das Hauptvermächtnis des Denkens von Thomas von Aquin ist sein umfangreiches Werk der „Summa theologica“. Es wurde zur meistzitierten theologischen Quelle nach der Bibel. Im zweiten Buch seines Hauptwerks befasst sich der Gelehrte mit den Problemen der Preisbildung und der Geldwirtschaft. Auch Aristoteles war schon diesen Fragen nachgegangen, hatte sich dabei aber auf den Stadtstaat beschränkt, während Thomas von Aquin eine allgemeine Theorie entwarf. Thomas von Aquin stellt das Problem des Warenaustausches und die Frage nach der Richtigkeit der menschlichen Handlungen auf die gleiche Stufe und fordert, dass beim Handeln mit Gütern beide Seiten, der Käufer wie der Verkäufer, den gleichen Nutzen haben müssen.
Aristoteles
Der Philosoph Aristoteles wird 384 vor Christus in Stageira (Starro), einer kleinen Stadt im Nordosten Griechenlands, geboren. Aristoteles ist der Sohn eines mazedonischen Hofarztes namens Nikomachos und erhält eine ausgezeichnete Ausbildung. Im Jahr 367 kommt er nach Athen, um beim Rhetor Isokrates und besonders bei Platon zu studieren. 20 Jahre lernt er in dessen Akademie, dem internationalen Treffpunkt von Wissenschaftlern und Philosophen der damaligen Zeit. Hier lernt er nicht nur die Schriften Platons und Sokrates, sondern auch die Werke der Sophisten, der Vorsokratiker und der Mediziner kennen. Selbst mit altgriechischer Lyrik, Epik und Dramatik macht sich Aristoteles vertraut.
Die Gliederung der Gesellschaft bei Aristoteles
Gemeinschaft bedeutet für Aristoteles immer eine Vielheit, eine Pluralität. Die Polis ist für ihn eine Gesellschaft der vielen freien Bürger, die gleichberechtigt sind und die Gemeinschaft des Stadtstaates begründen. Der Philosoph definiert den Menschen als ein Wesen, das auf die Gemeinschaft der Polis hin angelegt ist. Der Mensch ist für ihn auf der einen Seite an die Gesellschaft der Mitmenschen gebunden, auf der anderen Seite ist die Gemeinschaft auf jeden einzelnen freien Menschen angewiesen, da sie sich aus der Vielzahl der Individuen zusammensetzt. Aristoteles gliedert die Gesellschaft aufsteigend von der kleineren zur größeren Gemeinschaft.