Die Diskussion über den Wert von Wissen ist – wie viele andere Debatten – erstmals im antiken Griechenland dokumentiert. Der Philosoph Heraklit (c. 535 – ca. 475 v. Chr.) behauptete in Zusammenhang mit einer bestimmten Spezies vielseitiger Individuen: „Vielwisserei lehrt nicht, Vernunft zu haben.“ Andererseits versicherte der Philosoph Empedokles (ca. 495 – 435 v. Chr.): „Lernen stärkt dir den Geist.“ Peter Burke fügt hinzu: „Und es ist fraglos nicht ohne Bedeutung, dass manche Griechen die Göttin Polymatheia verehrten.“ In diversen Formen wurde diese Debatte im Laufe der Jahrhunderte immer wieder neu belebt, wobei der Inhalt stets derselbe blieb, Gewichtungen und Umstände sich jeweils unterschieden. Peter Burke lehrte 16 Jahre an der School of European Studies der University of Sussex. Im Jahr 1978 wechselte er als Professor für Kulturgeschichte nach Cambridge ans Emmanuel College.
Lehrer
Die Griechen verehrten die Sieben Weisen
Thales gilt als einer der „Sieben Weisen“ der griechischen Antike. Die Sieben Weisen sind mehr oder minder historische Figuren. Die Griechen verehren sie als Gründerväter ihres Denkens und ihrer Institutionen. Ebenfalls zu den Sieben Weisen gehörte Solon, ein Zeitgenosse von Thales und Anaximander, Autor der ersten demokratischen Verfassung von Athen. Carlo Rovelli ergänzt: „Anaximander war circa zehn Jahre jünger als Thales. Wir wissen nicht welches Verhältnis sie zueinander hatten.“ Im 6. griechischen Jahrhundert ist es zum ersten Mal in der Geschichte so weit, dass die Fähigkeit zum Lesen und zum Schreiben nicht länger auf einen begrenzten Kreis professioneller Schreiber beschränkt blieb. Ein Großteil der allgemeinen Bevölkerung und praktisch die gesamte Oberschicht konnte nun lesen und schreiben. Carlo Rovelli ist seit dem Jahr 2000 Professor für Physik an der Universität Marseille.
Die Schule ist eine „autoritäre“ Institution
Für Herbert Renz-Polster stellt sich die Frage, ob das Bildungssystem vielleicht selbst dafür sorgt, dass sich autoritäre Haltungen bei Schülern verfestigen. Wenn dies auch unbeabsichtigt geschieht. Denn in einem gewissen Sinne ist die Schule eine „autoritäre“ Institution. In dem Sinne nämlich, dass sie die Schüler einer von ihnen selbst kaum hinterfragten Ordnung unterwirft. Herbert Renz Polster kritisiert: „Bis heute verbringen Schüler den größten Teil ihrer Kindheit damit, Fragen zu beantworten, die sie selbst nicht gestellt haben.“ Je besser sie diese Fragen beantworten und je reibungsloser sie diese beantworten, desto besser fällt ihre Benotung durch ihre pädagogischen „Führer“ aus. Die Lehrpläne, die Bildungsinhalte, die Methoden – die alle waren schon längst da, bevor das Kind auch nur die Schule betreten hat. Der Kinderarzt Dr. Herbert Renz-Polster hat die deutsche Erziehungsdebatte in den letzten Jahren wie kaum ein anderer geprägt.
Lehrer sind heute auch Sozialarbeiter
Der öffentliche Stellenwert, den man dem wahrscheinlich wichtigsten Zukunftsberuf in der Gesellschaft gibt, ist bedauerlich. Andras Salcher kann die Gefühle vieler engagierter Lehrer gut nachvollziehen, wenn Politiker und Interessenvertreter Kampagnen zur Aufwertung des Lehrerberufs fordern. Der „Mut zum aufrechten Gang“ ist verdammt schwer in einem Umfeld, das einem jede Freude an der Aufgabe nimmt. Lehrer sind heute auch – an manchen Schulen sogar primär – Sozialarbeiter. Zudem ist die Schule ein System, das hohe Krankenstandraten durch Burn-out und Frühpensionierungen durch die ständig steigenden psychischen Belastungen produziert. Die wenigen Aufstiegsmöglichkeiten hängen in Österreich stark vom richtigen Parteibuch und nicht von hervorragender Leistung ab. Vor allem die Freude an der Arbeit mit Kindern wird durch eine bürokratische fremdbestimmte Kultur verhindert. Dr. Andreas Salcher ist Unternehmensberater, Bestseller-Autor und kritischer Vordenker in Bildungsthemen.
Gute Lehrer werden oft als Störfaktor betrachtet
Was sind die Eigenschaften eines guten Lehrers? Andreas Salcher antwortet: „Wohl sich möglichst um das individuelle Talent jedes Schülers zu kümmern. Sich auch in der Freizeit ständig fortzubilden. Eltern zur Verfügung zu stehen, sich mit anderen Kollegen über Verbesserungen an der Schule auszutauschen und dann dem Direktor Vorschläge zu machen.“ Solche Lehrer, vor allem am Beginn ihrer Schullaufbahn, gibt es zahlreich und sie sind bei Schülern und Eltern schnell beliebt. Wie reagiert das österreichische Schulsystem auf solche Musterlehrer? Sie werden von weniger leistungsbereiten Direktoren eher als Störfaktor betrachtet, der Unruhe ins System bringt. Andere Lehrer empfinden sie als unkollegial und isoliert sie. Manch erfahrener Kollege unter vier Augen den wohlmeinenden Tipp, dass sie sich nicht selbst ausbeuten sollen. Dr. Andreas Salcher ist Unternehmensberater, Bestseller-Autor und kritischer Vordenker in Bildungsthemen.
Die ersten Lehrer waren Philosophen und Wissenschaftler
Mit der griechischen Entdeckung des eigenständigen Denkens als einem hohen Wert beginnt auch die Geschichte der Schulung des Denkens. Dafür werden eigens Institutionen geschaffen. Für Silvio Vietta ist das ein erstes wichtiges Beispiel, wie sich ein geistiger Wert materialisiert und institutionalisiert. Das macht selbst einen großen Teil der Bildungsgeschichte des Abendlandes aus. Zugleich entsteht durch diesen Wert eine neue soziale Schicht. Nämlich die Philosophen-Wissenschaftler als erste Lehrer. Silvio Vietta nennt sie in einem Wort, weil Philosophie und Wissenschaft in der Antike noch nicht getrennt waren wie in der Neuzeit. Der neben Aristoteles größte Denker der Antike, Platon, gründete bereits eine Akademie vor den Toren Athens. Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.
Der IQ ist für beruflichen Erfolg eine wichtige Voraussetzung
Der Intelligenzquotient (IQ) ist in hohem Maß genetisch vorgegeben und nicht wesentlich veränderbar. Andreas Salcher ergänzt: „Und der IQ ist zumindest in unserer Leistungsgesellschaft für beruflichen Erfolg eine wichtige Voraussetzung, allerdings mit abnehmendem Grenznutzen.“ Ein IQ von 120 reicht zum Beispiel völlig aus, um in Organisationen Karriere zu machen oder ein Unternehmen erfolgreich zu führen. Ein IQ von 160 macht dabei keinen entscheidenden Unterschied – außer man will unbedingt einen Nobelpreis. Mit einem unterdurchschnittlichen IQ, also deutlich unter 100, wird man dagegen höchstwahrscheinlich sowohl in der Schule als auch im Beruf keinen nachhaltigen Erfolg haben. Für den Karriereforscher und Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) Johannes Steyrer zeigen Langzeitstudien, dass der IQ signifikant mit Schulleistungen korreliert. Dr. Andreas Salcher ist Unternehmensberater, Bestseller-Autor und kritischer Vordenker in Bildungsthemen.
Die Anzahl der Privatschulen nimmt rasant zu
Der Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman hat einmal gesagt, dass jenes Land die beste Zukunft haben werde, das als erstes das Schulsystem aus den Händen des Staates befreit. Andreas Salcher ergänzt: „Aber auch ohne die Hauptverantwortung des Staates für das Schulsystem prinzipiell in Frage zu stellen, kann man bemerken, dass es der Politik bisher überall auf der Welt gelungen ist, ihr Monopol auf die Schulen mit zählen und Klauen erfolgreich zu verteidigen.“ Und die Konsequenzen von Monopolen sind immer die gleichen: schlechte Qualität zu hohen Kosten. Im Schulsystem reagieren Menschen so wie in allen Märkten, die ihre Bedürfnisse – in diesem Fall eine ausgezeichnete Ausbildung ihrer Kinder – nicht erfüllen können. Dr. Andreas Salcher ist Unternehmensberater, Bestseller-Autor und kritischer Vordenker in Bildungsthemen.
Aristoteles zählt die Dichter zu den besten Lehrern des Volkes
Aristoteles zählt in Übereinstimmung mit der griechischen Tradition die Dichter zu den besten Lehrern des Volkes. Dabei spricht er ihnen laut Otfried Höffe nachdrücklich die Aufgabe zu, starke emotionale Wirkungen hervorzurufen. Aristoteles billigt der Dichtung eine eigene vorrangig nicht intellektuelle, sondern affektive Form von Rationalität zu, was auf ein Plädoyer für ein erhebliches Maß an ästhetischer Autonomie hinausläuft. Der griechische Philosoph befasst sich mit dem Wesen der Dichtung, mit ihren verschiedenen Gattungen und mit ihrer anthropologischen Grundlage. Dabei sieht er das Wesen in jener Mimesis, Nachahmung, die nicht etwa täuschende Echtheit sucht. Vielmehr besagt die Mimesis, dass selbst eine geniale Fiktion an vorgängig existierende Wirklichkeit, insbesondere an die emotionale, soziale und politisch Natur und Kultur des Menschen, zurückgebunden bleibt. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.
Autorität beruht auf Unterschied und Abstand
Autorität funktioniert über eine freiwillige Unterwerfung, einen inneren Zwang. Beides kommt aber erst, wenn die Umgebung dem Nachwuchs lange genug ihre Erwartungen vorhält. Die Voraussetzung dafür liegt auf der Hand. Paul Verhaeghe erklärt: „Die beteiligten Personen müssen Tatkraft und Präsenz an den Tag legen. Nach einiger Zeit übernehmen die Kinder diese Erwartungen, und die konkrete Anwesenheit muss nicht mehr so konkret sein.“ Heute ist dieser Prozess aus zwei Gründen problematisch. Zum einen können Eltern immer weniger Zeit mit ihren Kindern verbringen. Zudem schrecken viele davor zurück, eine Autoritätsposition einzunehmen und ein deutliches „Nein“ verlauten zu lassen. Einerseits meinen sei, das sei nicht angemessen, andererseits fürchten sie – oft zu Recht – eine brutale Reaktion. Paul Verhaeghe lehrt als klinischer Psychologe und Psychoanalytiker an der Universität Gent.
Die größte Sucht der Gegenwart ist die Eifersucht
Von Beginn ihres Lebens wird den meisten Menschen gesagt, dass etwas aus ihnen werden soll, dabei sind sie bereits jemand, wenn sie diese Welt betreten. Es sollte allerdings im Leben auch darum gehen, sich wohlzufühlen, zu sein, der man ist, und genau das zu akzeptieren. Klaus Biedermann stellt fest: „Das Ego wird aber ständig von dem Wunsch gespeist, anders zu sein, und deshalb niemals satt. Es kann gar nicht satt werden, da es immer jemanden geben wird, der reicher, schöner, intelligenter, stärker oder schlauer ist als man selbst.“ Dieses Drama setzt sich bis in die Beziehungen vieler Menschen fort. Eine der größten Süchte der Gegenwart ist – neben der Habsucht – die Eifersucht. Dr. phil. Klaus Biedermann leitet seit mehr als 30 Jahren Selbsterfahrungskurse und Burn-In-Seminare in seiner Sommerakademie auf der Insel Korfu.
Heutzutage dreht sich alles um Erlebnisse und Ablenkung
Die meisten Konsumenten kommen kaum noch zu sich, weil andere längst da sind, um sie abzufüllen. Händler der Aufmerksamkeit beballern sie mit gezielter Werbung, schießen ihre Gehirne sturmreif. Die Menschen kaufen und werfen weg. Sie ordnen ein und sortieren aus. Sie leben in einer Zeit, in der sich alles um Erlebnisse und Ablenkung dreht, die mit Werbung betäubt und mit Daten wuchert. Gerald Hüther ergänzt: „Und immer wieder der bange Blick auf den Bildschirm, ob es blinkt. Oder brummt. Denn wir leben in einer aufgeregten Zeit. Das Smartphone macht, dass wir keine Sekunde mehr nichts zu tun haben. Wer mit wem was hat.“ Wenn man will, bekommt man so ziemlich alles mit. Gerald Hüther zählt zu den bekanntesten Hirnforschern in Deutschland.
Faulheit hindert einen Menschen an jeder Form von Tätigkeit
Wer Mut zur Faulheit machen will, verstrickt sich automatisch in einen Widerspruch. Wer die Faulheit ernst nimmt und sie praktizieren will, kann darüber nur wenig sagen, allenfalls müsst er sein Anliegen verraten und fleißig werden. Faulheit hindert einen Menschen an jeder Form von Tätigkeit. Faulheit ist das Gegenteil von Tätigkeit, der Faule ist der Untätige, und dennoch sie ist das „höchste Gut“, das seinem Besitzer ein „ungestörtes Leben“ verspricht. Konrad Paul Liessmann weiß aber auch: „Als höchstes Gut aber, als „summum bonum“ galt den Alten das Glück oder die Glückseligkeit. Dennoch kann man sich die Frage stellen, ob auch Faulheit glücklich machen könnte. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.
Die Erziehung der Kinder kommt nicht ohne Autorität aus
In der Regel ist in der Erziehung die Sicherheit dem Freiheitsdrang übergeordnet. Für Paul Verhaeghe ist elterliche Verfügungsgewalt über ihre Kinder heutzutage alles andere als selbstverständlich. Das Kinder frühreifer und frecher sind, ist nur die halbe Wahrheit. Paul Verhaeghe erklärt: „Die sogenannte Frühreife ist nämlich das Ergebnis davon, dass die Eltern Angst haben, mit der elterlichen Position auch die damit verbundene Autorität einzunehmen.“ Ihre Angst äußert sich ferner in zweifellos gut gemeinten, aber falsch verstandenen pädagogischen Prinzipien nach dem Motto „Kinder müssen mitreden dürfen“. Dabei vergessen viele Eltern, dass es sich um Kinder handelt, dass sie für ihre Kinder verantwortlich sind und bei allem Mitspracherecht das letzte Wort behalten müssen. Paul Verhaeghe lehrt als klinischer Psychologe und Psychoanalytiker an der Universität Gent.
Niccolò Machiavelli war ein Lehrer des Bösen
Als Dacher Keltner vor 20 Jahren mit seiner Untersuchungen von Macht begann, wurden diese oft mit Zwang, Gewaltausübung und Herrschaft gleichgesetzt. Diese Gleichsetzung der Macht mit Gewaltausübung fand ihren klarsten Ausdruck in Niccolò Machiavellis Buch „Der Fürst“. Dacher Keltner stellt fest: „Es gehört zu den hundert einflussreichsten Büchern, die je geschrieben wurden und hat die Handlungsweisen von einigen der mächtigsten Herrscher der Geschichte bestimmt.“ „Der Fürst“ ist auch heute noch ein wichtiger Text bei der Ausbildung von Führungskräften. Der Politologe Leo Strauss von der University of Chicago stellte allerdings fest, dass Niccolò Machiavelli ein Lehrer des Bösen war und dass der Gewinn und Erhalt von Macht nichts mit Ethik zu tun hat, wie so viele irrtümlich meinen. Dacher Keltner ist Professor für Psychologie an der University of California in Berkeley und Fakultätsdirektor des UC Berkeley Greater Good Science Center.
Ulrich Schnabel untersucht den Unterschied zwischen Mitleid und Mitgefühl
Psychologen machen einen Unterschied zwischen den Begriffen „Mitleid“ und „Mitgefühl“. Das reine Mitleid ist dabei jene Art von teilnahmsvollen Kummer, die sich auf eine Zuschauerrolle beschränkt, passiv bleibt und einen sicheren emotionalen Abstand wahrt – es entspricht also jener Haltung, die die meisten Menschen zum Beispiel gegenüber Obdachlosen einnehmen. Ulrich Schnabel ergänzt: „Man fühlt sich betroffen, hat eventuell auch ein schlechtes Gewissen, spürt aber nicht den Antrieb oder hat nicht die nötigen Mittel, einzugreifen und die Situation des anderen substanziell zu verbessern.“ Anders hingegen ist es beim Mitgefühl, das mit der Bereitschaft einhergeht, sich persönlich zu engagieren – was zum beispielsweise der Fall ist, wenn ein naher Verwandter obdachlos wird. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.
Die Generation Allah bildet die Basis für den Extremismus
Im Juli 2016 beherrschten erneut grausame Attentate die Schlagzeilen. In Nizza, Würzburg und Ansbach setzten junge Männer die islamische Ideologie in Gewalttaten um und verbreiteten Angst, Unsicherheit und Wut in der Gesellschaft. Ahmad Mansour stellt klar: „Wer versucht, seine islamistische Ideologie mit Gewalt und Angst durchzusetzen, ist ein Fall für Polizei und Sicherheitskräfte.“ Aber für eine andere, viel größere Gruppe sind alle zuständig, da liegt die Verantwortung bei der ganzen Gesellschaft. Es sind Jugendliche, die vielleicht den Salafismus ablehnen, aber die Werte der deutschen Gesellschaft und der Demokratie nicht teilen. Dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind oder dass Eltern ihre Kinder ohne Gewalt erziehen müssen, stellen sie für sich selbst in Frage; sie nehmen sich die Freiheit, allein über ihre eigenen Lebensmaximen zu entscheiden, auch über ihr Sexualverhalten und den Umgang mit ihrem Partner. Ahmad Mansour ist Psychologe und Fachmann für Extremismus.
Technik und Genetik sollen den Menschen verbessern
Aktuell arbeitet die Menschheit an einem Entwurf des perfekten Menschen. Es geht um die Verbesserung und Veränderbarkeit des Menschen in einem neuen Sinn. Konrad Paul Liessmann erklärt: „Nicht durch Erziehung und Bildung, nicht durch Moral, Aufklärung und eine humanistische Kultur soll die Verbesserung des Menschengeschlechts erreicht werden, wohl aber durch Technik und Genetik.“ Für den Soziologen Dierk Spreen befindet sich die moderne Gesellschaft schon jetzt in einer „Enhancement-Gesellschaft“, in der vor allem die Optimierung des Körpers durch Manipulationen, Zusammenschlüsse mit Mikromaschinen und Prothesen zu einem alltäglichen Phänomen geworden ist. Unübersehbar ist auch ein sich allmählich wandelndes Selbstverständnis des Menschen, ein Wandel des Menschenbildes. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.
Für Belohnungen ist jeder empfänglich
Viele Menschen haben sich daran gewöhnt, dass die Energie für ihr Handeln von außen kommt. Sie sind daher damit vertraut, sich fremdsteuern zu lassen. Und es scheint ja auch zu funktionieren. Sporttrainer sind Motivationskünstler, Lehrer motivieren Schüler und Chefs ihre Mitarbeiter. Prämien gibt es für besonderen beruflichen Einsatz. Reinhard K. Sprenger ergänzt: „Der Staat lockt mit Steuervorteilen und erhöhtem Kindergeld junge Paare in die Elternschaft. Und die Ehefrauen der besten Verkäufer erhalten einen Pelzmantel, damit sie ihren Gatten morgens aus dem Haus jagen.“ Bringt der Ehemann nicht die gewünschte Leistung, bleibt die Belohnung als Lockmittel: „Das wäre Ihr Preis gewesen … vielleicht das nächste Mal …“ Für Belohnungen ist jeder empfänglich. Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.
Der Form nach sind alle Vorurteile falsch
Dass die Aufklärung Vorurteile zu entdecken und zu zerstören sucht, ist philosophie- und sozialhistorisch nicht zu bestreiten. Das Vorurteil ist sogar eine ihrer zentralen Kampfideen. Vorurteile werden in materialen Definitionen als falsche Urteile, Meinungen, Stellungnahmen, Thesen, geistige Einstellungen oder Annahmen verstanden. Im deutschen Sprachraum we3rden solche Definitionen, die Vorurteile als Irrtum, als falsches, unwahres Urteil ansehen, in philosophischen Logiken breit tradiert. René Descartes (1596 – 1650) band den Begriff des Vorurteils an die Dauerhaftigkeit von Meinungen, die durch einmal gefällte Urteile glaubhaft bleiben. Diese Urteile und die auf ihnen basierenden Ansichten müssen nicht falsch sein. In der deutschsprachigen Aufklärung entwickelt erstmals Georg Friedrich Meier (1718 – 1777) systematisch einen formalen Vorurteilsbegriff. Vorurteile sind bei Meier vorgefasste Meinungen, ungeprüfte Einstellungen, die nicht unbedingt auch inhaltlich falsch sind.
Ein gutes Arbeitsklima verhindert Stress im Job
Dauerstress im Job macht krank. Doch er ist zum Teil auch eine Sache der Einstellung. Ein ausgezeichnetes Gegenmittel ist ein gutes Arbeitsklima. Und das kann jeder Mitarbeiter mitbestimmen. Laut einem Report der Krankenkasse DAK-Gesundheit haben sich die Fehltage wegen psychischer Leiden in den vergangenen zwanzig Jahren verdreifacht. Schuld an den steigenden Zahlen ist sicher nicht allein die Arbeitswelt. Psychische Erkrankungen werden heute auch deutlich öfter erkannt. Dennoch wird niemand bezweifeln, dass der Beruf eine mögliche Ursache für Dauerstress ist. Und der kann krank machen, schwer krank sogar. Arbeitsfrust ist aber nicht nur ein persönliches Schicksal. Jeder kann sein eigenes Anti-Stress-Programm starten. Die drei Grundregeln dabei lauten: akzeptieren, verändern – oder verlassen. Einen Weg gibt es fast immer. Hektik, Leistungsdruck, Arbeitsverdichtung: Spricht man über Jobs von heute, dann oft nur als Quelle von Belastungen.
Philosophieren war für Hannah Arendt ein Dienst an der Demokratie
Das Philosophie Magazin hat seine neue Sonderausgabe der deutschen Philosophin Hannah Arendt gewidmet, deren Themen von bleibender Aktualität sind: die Ursprünge politischer Gewalt, die Unbegreiflichkeit des Bösen, die Menschenrechte von politisch Verfolgten und Flüchtlingen sowie den Sinn der Arbeit. Hannah Arendt vertrat leidenschaftlich die Überzeugung, dass ein vernünftiger Streit von zentraler Bedeutung für die Demokratie ist. Im öffentlichen Engagement sah sie geradezu eine staatsbürgerliche Pflicht. Philosophieren hieß für Hannah Arendt immer öffentliches Nachdenken im Dienste der Demokratie. Gleich zu Beginn des Sonderheftes erfährt der Leser alles über die wichtigsten Lebensstationen der streitbaren Philosophin. Anschließend folgt ein Ausschnitt aus dem berühmten Fernsehinterview mit Günter Gaus aus dem Jahr 1964. Im Gespräch sagte sie, dass sich nicht in den Kreis der Philosophen gehöre, sondern ihr Beruf die politische Theorie sei.
Selbstbild und innere Zensur entstehen durch Nachahmung
Menschen sind Wesen, die über ein Selbstbild verfügen. Sie haben eine Vorstellung davon, wer sie sind und wie sie sein möchten. Damit ist verbunden, dass sie nicht alles, was es an Gedanken, Wünschen und Affekten in ihnen gibt, in ihr Handeln einfließen lassen. Einigen versperren sie sogar den Zugang zum Erleben. Peter Bieri erläutert: „Subjekte sind Wesen, die in ihren Impulsen zensieren und kontrollieren können. Darin besitzen sie eine Form der inneren Autorität. Und auch das ist eine Dimension, in der es Selbstständigkeit und Unselbstständigkeit gibt, Würde und Würdelosigkeit.“ Was die Menschen an Selbstbildern und Zensur mit sich herumtragen, haben sie ursprünglich durch Nachahmung und Erziehung erworben. Peter Bieri, geboren 1944 in Bern, studierte Philosophie und Klassische Philologie und lehrte als Professor für Philosophie in Bielefeld, Marburg und an der Freien Universität Berlin.
Die Sophisten waren für Platon keine Lehrer der Weisheit
Das, was einst das Wesen einer Universität ausmachte, die Freiheit in Forschung und Lehre, ist laut Konrad Paul Liessmann zu einer lästigen Randerscheinung geworden, die den Betrieb nur noch stören, nicht mehr zu befördern vermag. Der Verdacht, dass die Wissenschaft und ihre Lehre nicht mehr frei, sondern auch an staatlichen Universitäten und Hochschulen an letztlich ökonomische Kriterien und Erwartungen gebunden sind, ist für Konrad Paul Liessmann nicht unbegründet: „Das mag im Trend einer Zeit liegen, in der Messbarkeit und wirtschaftliche Effizienz zu den obersten Maximen geworden sind, aber auch Menschen, die wenig dagegen haben, dass auf dieser Erde nahezu alles käuflich ist, beschleicht ein Unbehagen, wenn die Rede davon ist, dass die Wahrheit vor Gericht, die Wahrheit in der Politik und eben auch die Wahrheit in der Wissenschaft nur eine Frage des angemessenen Preises ist. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.
Hans-Georg Gadamer verehrt Jaspers und Heidegger
Laut Hans-Georg Gadamer hängt die Menschlichkeit eines Individuums vor allem davon ab, wieweit es die natürlichen Grenzen, die es in seinem Wesen gegenüber denjenigen seiner Mitmenschen hat, sehen zu lernen vermag. Seiner Meinung nach profiert ein Mensch auch von denen, die von einem selbst lernen. Eine eminent politische Tätigkeit ist für den Philosophen Hans-Georg Gadamer das Denken und die Schulung von anderen im Denken. Außerdem gilt es die die freie Urteilskraft zu wecken und in anderen zum Leuchten zu bringen. Er erklärt: „In diesem Sinne glaube ich, dass auch meine eigene Urteilsfähigkeit immer an dem Urteil des Anderen und seiner Urteilsfähigkeit seine Grenze findet und von ihm bereichert wird. Das ist die Seele der Hermeneutik.“