Adalbert Stifter will nicht Tugend oder Sitte predigen

In einer Vorrede zu den sechs Erzählungen, denen er nach mehrfacher Umarbeitung schließlich den programmatisch gemeinten Obertitel „Bunte Steine“ gab, erläutert Adalbert Stifter (1805 – 1869) seine literarischen Absichten und einige Grundsätze seiner Weltanschauung auf wenigen Seiten. Diese sind in Aufbau und einfacher, aber einprägsamer Gedankenführung kaum zu überbieten. Ausgehend von einer dreifachen Verneinung. Er sei kein Künstler (Dichter). Er wolle nicht Tugend oder Sitte predigen und er habe weder „Großes“ noch „Kleines“ als Ziel. Damit will Adalbert Stifter sich und seine Freunde abgrenzen gegen die alles zersetzende Außenwelt. Denn, so sagt er, er wolle nur „Geselligkeit unter Freunden“ und ein Körnchen Gutes zum Bau der Welt beitragen – und natürlich wolle er auch vor falschen Propheten schützen. Erst nach dieser fast familiären Erklärung greift Adalbert Stifter weiter aus und erläutert, was er mit dem Großen und dem Kleinen meint.

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Der Held im Bildungsroman ist immer ein Mann

Die Rehabilitierung des Romans als Literaturgattung war eine Leistung der Aufklärung, aber erst in der Kunstepoche erlangte der Roman weltliterarische Geltung und trat gleichberechtigt neben das Drama. Als Kunstepoche bezeichnete Heinrich Heine die Zeit zwischen der Französischen Revolution 1789 und dem Tod Johann Wolfgang von Goethes 1832. Johann Wolfgang von Goethes „Werther“ (1774) und Christoph Martin Wielands „Agathon“ (1766/67) stellten die ersten Versuche dar, Erfahrungen und Entwicklungen des bürgerlichen Individuums episch zu erfassen. Beide Romane waren jedoch noch weit davon entfernt, die hoch gesteckten Hoffnungen zu erfüllen, die Friedrich von Blanckenburg in seiner „Theorie des Romans“ (1774) mit dem bürgerlichen Roman verbunden hatte. „Werther“ bot nur einen höchst subjektivistischen Ausschnitt der Gesellschaft. „Agathon“ war in ein antikes Gewand gehüllt und verdeckte die bürgerliche Identitätsproblematik mehr, als dass er sie verdeutlichte.

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Jean Paul mischte Ironie mit Gefühl und Humor

Neben den drei großen literarischen Lagern – Klassik, Romantik und Jakobinismus – gab es einige Autoren, die sich bewusst abseits hielten, sich keiner Gruppierung anschlossen und ihren eigenen unverwechselbaren Weg gingen. Aufgrund ihrer Sonderstellung führten sie, jeder auf seine Weise, ein problematisches Außenseiterleben. Bis heute hat die Forschung große Schwierigkeiten, ihre Rolle in der Kunstepoche angemessen zu bestimmen. Johann Paul Friedrich Richter (1763 – 1825), der sich als Schriftsteller Jean Paul nannte, gelang es schon zu seinen Lebzeiten, einen gleichberechtigten und anerkannten Platz neben den klassischen und romantischen Autoren zu behaupten und zu einer Autorität im literarischen Leben zu werden. Die Voraussetzungen dafür waren allerdings alles andere als günstig. Als Sohn eines armen Lehrers und Organisten lernt er die Armut früh kennen und litt sehr unter der Strenge des Vaters.

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Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller wurden Freunde

Die Ablehnung der Französischen Revolution war die gemeinsame Basis, auf der sich die Annäherung zwischen Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller in den 1790er Jahren vollziehen konnte; sie führte schließlich zu dem viel beschworenen „Freundschaftsbund“, der das Bild nachfolgender Generationen von der Klassik geprägt hat. Bereits im Jahr 1787 war Friedrich Schiller – angezogen von dem kulturellen Zentrum und in der Hoffnung auf materielle Sicherheit – nach unruhigen Wanderjahren nach Weimar gekommen, ohne dass sich die beiden Schriftsteller in den ersten Jahren näher kamen. Der langsame Annäherungsprozess, der nicht widerspruchsfrei verlief, führte zu einer engen und intensiven Zusammenarbeit auf verschiedenen Gebieten. Es kam zu einem regen Austausch der literarischen und philosophischen Arbeiten, wobei insbesondere Friedrich Schiller durch seine produktive Kritik Johann Wolfgang von Goethe in seiner Arbeit an den „Lehrjahren“ entscheidend förderte.

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Heinrich Heine stand an der Spitze der literarischen Avantgarde

Heinrich Heine (1797 – 1856), der sich selbst den „letzten, abgedankten Fabelkönig“ der deutschen Romantik nannte, knüpft an George Gordon Byron an, dem Vertreter der liberalen westeuropäischen Romantik und aktiven Teilnehmer am griechischen Freiheitskampf. Bei George Gordon Byron schon findet sich die für die dann in den 20er Jahren gemeineuropäisch verbreitete literarische Haltung des „Weltschmerzes“ charakteristische Verbindung von radikaler Subjektivität und reflexiv gebrochenem Gefühl. Mit ihr verbunden sind die Erscheinungen der „Zerrissenheit“, der Hamlet-Gestalten und „problematischen Naturen“, die als Ausdruck einer ersten fundamentalen Krise der sozialen Identität oppositioneller Intellektueller in der Zeit der Heiligen Allianz und metternichschen Restauration gedeutet werden können. Diese mit sich selbst Zerfallenen sind zugleich resignierend und – im dialektischen Umschlag des Gefühls – revoltierend gegenüber der bestehenden Wirklichkeit, ohne dass allerdings die gesellschaftlichen Ursachen sofort ganz in den Blick geraten.

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Die Frühromantik will Poesie und Mythologie miteinander verbinden

Zu den zentralen Forderungen der Frühromantik gehört die nach einer neuen Mythologie. Dadurch unterschied sich die frühromantische Bewegung an einem entscheidenden Punkt von der Aufklärung, zu der sonst durchaus Verbindungslinien bestanden. Gerade die Skepsis gegen den Mythos gehörte zu den entscheidenden Elementen der aufklärerischen Weltanschauung. Die Frühromantiker versuchten, Poesie und Mythologie wieder miteinander zu verbinden. Friedrich Schlegel schrieb in seinem „Gespräch über die Poesie“ (1800) folgendes: „Dann das ist der Anfang aller Poesie, den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft aufzuheben und uns wieder in die schöne Verwirrung der Phantasie, in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur zu versetzen, für das ich kein schöneres Symbol bis jetzt kenne, als das bunte Gewimmel der alten Götter.“ Auch Friedrich Wilhelm Joseph Schelling wandte sich in seiner „Philosophie der Kunst“ (1802/03) ausführlich dem Verhältnis von Dichtung und Mythologie zu.

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Der „Werther“ war der erste moderne Roman in Deutschland

Mit Johann Wolfgang von Goethes Werk „Werther“ trat der bürgerliche Roman in Deutschland in Erscheinung. In den „Leiden des jungen Werther“ gestaltete Johann Wolfgang von Goethe den Typus des unzufriedenen bürgerlichen Intellektuellen, dessen Versuche der Integration in die ständisch gegliederte Gesellschaft an der starken Hierarchie wie auch an der eigenen hohen Selbsteinschätzung scheitern. Johann Wolfgang von Goethes Roman zeigt, dass es für das bürgerliche Individuum unmöglich ist, sich innerhalb des Feudalsystems zu definieren und seine Identität zu finden. Werthers Leiden an der Gesellschaft und sein Scheitern – Werther endet durch Selbstmord – lassen ihn als Verwandten jener bürgerlichen Dramenhelden erscheinen, die wie Karl Moor in den „Räubern“ oder Läuffer im „Hofmeister“ ebenfalls an der Gesellschaftsordnung zerbrechen. Die Wirkung von Johann Wolfang von Goethes „Werther“ war ungeheuer.

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Jedes Land hat seine eigenen Klassiker

Was „Klassik“ in der Literatur eigentlich ist, lässt sich nicht eindeutig festlegen. Zum einen ist sie verstanden worden als ein von Ausnahmekünstlern, von Genies geschaffenes überzeitliches Kunst- und Lebensideal, als Norm und Vorbild schlechthin, aus entschwundener Vergangenheit leuchtend und in die Zukunft weisend. So etwa begriffen von der Renaissance bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die Humanisten das Klassische und hatten dabei als historische Ausformung stets nur einen Kulturraum vor Augen: die Antike – besonders die perikleische Glanzzeit Griechenlands im 5. Jahrhundert v. Chr. und die augusteische Blütezeit Roms um Christi Geburt. Die Tatsache jedoch, dass darüber hinaus die Italiener schon frühzeitig das 15. Jahrhundert (Leonardo da Vinci, Raffael), die Engländer und Spanier das 16. Jahrhundert (Shakespeare, Cervantes), die Franzosen das 17. Jahrhundert (Corneille, Molière, Racine) und schließlich die Deutschen die Goethezeit als die Epoche ihrer Klassik bezeichneten, zeigt ein verändertes Klassikverständnis an, das auch im Zusammenhang mit der Herausbildung moderner Nationalstaaten gesehen werden muss.

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Wolfgang von Goethe hat sein Leben als exemplarisch verstanden

Die große beherrschende Figur des literarischen Lebens im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts ist Johann Wolfgang von Goethe. Nach Friedrich Schillers Tod (1805), dem Selbstmord Heinrich von Kleists (1811) und dem Rückzug Friedrich Hölderlins (1807) gelang es keinem anderen Autor, eine vergleichbar starke Stellung im Bewusstsein des Publikums, zu erobern. Dies gilt auch für Jean Paul, der von den Schriftstellern der Vormärz-Zeit im Nachhinein zwar als Gegenspieler Johann Wolfgang von Goethes gesehen wurde, der aber mit seiner resignativen Wende nach 1804 keinen Gegenpol zu dem universal ausgerichteten Johann Wolfgang von Goethe bilden konnte. Auch E. T. A. Hoffmann und Joseph von Eichendorff waren von ihrem Temperament und von ihrem Anspruch her einseitiger als Johann Wolfgang von Goethe, in seiner unvollendet gebliebenen Autobiographie „Dichtung und Wahrheit“ sein eigenes Leben als exemplarisch verstanden und sich selbst als historisch-repräsentative Persönlichkeit entworfen hatte.

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Die Literatur der Spätromantik war düster und sarkastisch

Die frühromantische Aufbruchsstimmung wich in der Spätphase der Romantik einer eher düsteren, sarkastischen und gebrochenen Sicht auf die Verhältnisse. Beispielhaft für diese neue Phase der romantischen Bewegung ist das Werk von E. T. H. Hoffmann(1776 – 1822), das schon bald über Deutschland hinaus beachtet wurde und auf Autoren wie Nikolai Wassiljewitsch Gogol, Charles Baudelaire und Edgar Allan Poe entscheidende Wirkung hatte. E. T. H. Hoffmann führte ein Doppelleben wie so viele seiner Figuren, die sich in verschiedene Ichs aufspalten. Tagsüber arbeitete er in dem ungeliebten Beruf eines Kammergerichtsrats, nachts führte ein sein „eigentliches“ Leben. Seine Begabungen waren weit gespannt und machten es ihm schwer, sich zu entscheiden. Er zeichnete, musizierte und komponierte und schrieb immer wieder über jenen Zwiespalt zwischen „Künstler“ und „Philister“, dem nicht nur er, sondern dem sich auch andere romantische Autoren ausgesetzt fühlten.

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Die Literatur von 1789 bis 1815 ist von hoher Qualität

Die Zeit zwischen 1789 und 1815 – dem Ausbruch der Französischen Revolution und der konservativen Neuordnung Westeuropas durch den Wiener Kongress – gehört zu den fruchtbarsten Perioden der deutschen Literaturgeschichte. In etwas mehr als 25 Jahren wurde eine Literatur geschaffen, die sowohl von ihrer Quantität als auch von ihrer Qualität her beeindruckend ist. Die klassischen Werke von Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller, die Werke der Romantiker und die heute weitgehend vergessene jakobinische Literatur bilden eine verwirrenden Komplex von unterschiedlichen Themen und Formen, der kaum auf einen Nenner gebracht werden kann. Den Eindruck der Vielfalt, den die Kunstepoche vermittelt, wird noch durch zwei weitere Faktoren verstärkt. Zum einen gab es neben den Autoren, die sich den großen literaturhistorischen Lagern ziemlich eindeutig zuordnen lassen, Autoren wie Friedrich Hölderlin, Heinrich von Kleist und Jean Paul, die Einzelgänger waren und sich von den literarischen Parteien der Zeit weitgehend fernhielten.

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Die „Lucinde“ löste einen regelrechten Literaturskandal aus

Von zentraler Bedeutung in der Literatur der Romantik waren die literaturtheoretischen und literaturkritischen Arbeiten von Friedrich Schlegel. In seinen „Fragmenten und Ideen“ formulierte er in pointierter Form die romantische Kunst- und Lebensanschauung. Berühmt wurde er vor allem durch sein Romanfragment „Lucinde“ (1799). Dieser Text, der Friedrich Schlegel den Vorwurf der Obszönität einbrachte, gegen den ihn Friedrich Schleiermacher in seinen „Vertrauten Briefen über Lucinde“ (1800) vergeblich zu verteidigen suchte, löste einen regelrechten Literaturskandal aus, durch den die romantische Bewegung als Ganzes in die Schusslinie geriet. So war für Friedrich Schiller die „Lucinde“ ein „Gipfel moderner Unform und Unnatur“. Er sah in dem Roman all die Tendenzen ausgeprägt, gegen die Johann Wolfgang von Goethe und er selbst sich verwahrten. Tatsächlich war die „Lucinde“ ein Versuch Friedrich Schlegels, seine ästhetische Theorie in einem Text zu verwirklichen.

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Als Stammvater der Novelle gilt Johann Boccaccio

Der Roman als epische Großform stellte an Autor und Leserschaft gleichermaßen hohe Anforderungen. So beschäftigte zum Beispiel der „Wilhelm Meister“ Johann Wolfgang von Goethe fast fünfzig Jahre und wurde als ein äußerst durchdachtes, sorgfältig komponiertes, künstlerisch raffiniertes gearbeitetes Zeugnis der Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Identitätsproblematik nur von einer schmalen Intellektuellenschicht verstanden. Sehr wenige Autoren waren – auch finanziell – in der Lage, ihre schöpferischen Kräfte so lange an ein Werk zu binden. Hier spielte die wirtschaftliche Sicherheit Johann Wolfgang von Goethes als Berater des Herzogs von Weimar eine entscheidende Rolle. Sie bot ihm Zeit, Muße und den langen Atem für literarische Großvorhaben dieser Art. Autoren, die stärker auf den literarischen Markt, das heißt auf den Verkauf ihrer Bücher angewiesen waren, mussten notgedrungen auf die Adressatenorientierung und die Verkaufschancen ihrer Werke achten.

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Die Entfremdung ist ein durchgängiges Motiv in Friedrich Hölderlins Dichtung

Friedrich Hölderlin (1770 – 1843) gehört, wie der früh verstorbene Novalis, zu den Autoren, deren Leben und Werk zum Mythos geworden ist. Seine Gedichte beeindrucken durch große sprachliche Dichte, Reichtum der Gedanken, Füllen an Bildern und Symbolkraft. Sensibilität uns Schwermut verbinden sich mit der Hoffnung auf Wiederherstellung der zerstörten menschlichen und gesellschaftlichen Harmonie zu einer Form des politischen Gedichts, dem alles Agitatorische fehlt, das aber durch die Tiefe der Empfindung, der Moralität und politischen Integrität, sprachlichen Gestus und ästhetischer Formung überzeugt. Im idealisierten Griechenland fand Friedrich Hölderlin den Orientierungspunkt für seine Konzeption der Humanität. Die Verwendung antiker Strophenformen war keine äußerliche Übernahme tradierter Formen, sondern Ausdruck inniger Verbundenheit mit der Antike und deren rückerinnernden Aktualisierung. Neben den strengen antiken Versformen stehen die späten, zu freien Rhythmen übergehenden Hymnen und Elegien, in denen die Sehnsucht nach dem verlorenen Griechenland zum Ausdruck kommt. Beispiele sind „Archipelagos“, „Mnemosyne“ und „Patmos“.

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Äsop ist das Vorbild für alle Fabeldichter

Die Fabel erlebte im 18. Jahrhundert den Höhepunkt ihrer mehr als zweitausendjährigen Entwicklung. Bereits im 6. Jahrhundert vor Christus schrieb der griechische Sklave Äsop die ersten Fabeln, die Vorbild für alle nachfolgenden Fabeldichter wurden und deren Wirkung bis in die Modere reicht. Schon in ihren Anfängen war die Fabel eine literarische Kampfform. Äsop sah in ihr nach der Aussage von Phädrus, der die äsopischen Fabeln im 1. Jahrhundert nach Christus bearbeitete, „ein passendes Mittel, da auf eine versteckte Weise die Wahrheit zu sagen, wo man nicht wagen durfte, es offen zu tun“. In Deutschland wurden seit dem Mittelalter Fabeln geschrieben. Einen ersten Höhepunkt ihrer Entwicklung erreichte die Fabel in der Reformationszeit, wo sie insbesondere von Martin Luther als Mittel in der politisch-religiösen Auseinandersetzung eingesetzt wurde.

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Die Aufklärer geben dem Roman eine neue Bestimmung

Neben dem Drama war der Roman die zweite Gattung, die im 18. Jahrhundert eine Blütezeit erlebte und mit der Entwicklung des neuen Selbstverständnisses im engen Zusammenhang steht. Ebenso wie das Drama war auch der Roman am Anfang des 18. Jahrhunderts eine verachtete und als minderwertig eingeschätzte Literaturform. Im Gegensatz zum Drama war der Roman jedoch noch nicht einmal als Gattung in der Poetik der damaligen Zeit anerkannt. Das Heldengedicht, das heißt das Epos, das sich auf antike Traditionen berief, galt als einzig legitime Form. Dennoch gab es in der damaligen Zeit eine Vielzahl von Romanen, die vom tradierten Epos abwichen und das Bedürfnis nach Unterhaltung zu befriedigen versuchten. Schwülstige Liebesromane, galante Schäferromane, verwirrende Abenteuerromane und zahlreiche Übersetzungen von spanischen, englischen und französischen Romanen fanden zwar ihre vor allem adlige Leser, von der zeitgenössischen Kritik wurden sie jedoch als „Lugen = Kram“ abgelehnt und mit moralischen Argumenten bekämpft.

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Die Gesellschaftsdichtung dominiert im 17. Jahrhundert

Für die Dichtung des 17. Jahrhunderts gilt zunächst einmal bei aller Differenzierung im Einzelnen, dass es sich um Gesellschaftsdichtung handelt. Der gesellschaftliche Grundcharakter der Literatur dieser Epoche wird besonders deutlich bei den Gelegenheitsdichtungen, den Casualcarmina, die, obschon von den Poetikern der Zeit häufig angegriffen, massenhaft entstehen und den Menschen von der Wiege bis zur Bahre begleiten. Zwar erkennt man die Problematik einer derartigen Massenproduktion auf Bestellung, doch tut das der an gesellschaftlichen Konventionen orientierten Praxis keinen Abbruch. Der Auftrag als Voraussetzung der Produktion, in der bildenden Kunst und der Musik seit je fraglos akzeptiert, charakterisiert aber nicht nur die Casualcarmina, sondern steht auch hinter anderen Literaturgattungen, ob es sich um anlassgebundene religiöse Dichtung, um das pädagogisch und religiös motivierte Schul- und Jesuitendrama oder um höfische Festspieldichtung handelt.

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Das Nibelungenlied setzt sich aus zwei Liedfabeln zusammen

Das Nibelungenlied ist im Zeitraum der staufischen Literaturepoche das einzige Heldenepos geblieben, das erhalten wurde. Vom 13. bis ins 16. Jahrhundert sind drei Dutzend Handschriften bekannt. Wahrscheinlich ist das Nibelungenlied zwischen 1200 und 1210 entstanden. Der unbekannte Dichter war vielleicht zwischen Passau und Wien beheimatet. Er hat dem Nibelungenlied sein ritterlich-höfisches Gepräge gegeben und gleichzeitig zu einer Sprache gefunden, die sein höfisches Publikum mitreißen musste. Nicht nur der ungewöhnliche Stoff, deren heidnisch-germanischen Grundzüge immer wieder unter der ritterlichen Patina durchbrechen, sondern vor allem dessen Bändigung in einer schmucklos-klaren, selbstbewussten Strophik muss einen exotischen Reiz ausgeübt haben. Das Nebeneinander älterer und jüngerer Schichten ist für das Nibelungenlied charakteristisch. Es ist allerdings nicht aus einem Guss einer einmaligen und energischen Bearbeitung.

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Wolfram von Eschenbach schreibt den Bestseller des Mittelalters

Vermutlich stammt Wolfram von Eschenbach aus der Nähe von Ansbach, ist jedoch unbegütert und auf den Lehensdienst angewiesen. Daher gibt es einige Grafen, die den Dichter unterstützt haben. Wolfram von Eschenbach ist der eigenwilligste Epiker der staufischen Literaturepoche. So hält er beispielsweise den höfischen Ritter aus der Art geschlagen, lehnt dessen Bildung ab, die ja noch immer in den Händen von Geistlichen liegt, und verweigert, wie seine Äußerungen zu Reinmars Dichtung zeigen, auch den Frauendienst. Wolfram von Eschenbach löst sich als selbstbewusster ritterlicher Laie von der geistlichen Unterweisung. Sein „Parzifal“ gehört zu den meistgelesenen Versepen des Mittelalters. Über 75 Handschriften und Fragmente weisen auf die außerordentlich weite Verbreitung hin. Auch Wolfram von Eschenbach fußt mit seinem „Parzifal“ auf Chrétien de Troyes, dessen 1185 begonnener „Perceval“ allerdings Fragment geblieben ist.

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Die Ritter sind die sozialen Aufsteiger des Mittelalters

Die Feudalgesellschaft des Mittelalters wird von zwei Schichten beherrscht, dem weltlichen und dem geistigen Stand, vertreten durch Kaiser und Papst. In allen weltlichen Dingen ist der Kaiser Gott verantwortlich; ihm ist aber auch der Schutz der Kirche anvertraut, und gemeinsam mit dem katholischen Kirchenoberhaupt ist er für das Wohl und Wehe der abendländischen Christenheit verantwortlich. Der Kaiser ist aber auch ein idealer Vertreter des Standes der Ritter und des Volks seines Reichs. Der Ritterstand taucht nicht erst in der Epoche der Staufer auf, er ist eine gesamteuropäische Erscheinung. Der Ritter ist zunächst Krieger, ein Reiter in Rüstung und gibt den Ausschlag bei der Stärke eines Heeres. Ökonomisch gesehen ist er dem Landadel zuzurechnen, oder aber er besitzt als Ministerialer zumeist ein Lehen, das vielfältige Formen annehmen kann, ihm aber in jedem Fall regelmäßige Einkünfte sichert.

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Deutschland war im Mittelalter in allen Bereichen unterentwickelt

Germanien, die Bezeichnung der einstigen römischen Provinz, ist zu Beginn des Mittelalters in seiner politischen und kulturellen Entwicklung weit zurück und befindet sich auf dem Niveau von heidnischen Stammesfürstentümern. Dieses Germanien it zu diesem Zeitpunkt noch nicht in die Geschichte des zukünftigen Heiligen Römischen Reichs eingetreten. Dieses setzt als bestimmende politische und kulturelle Großformation, als Nachfolge des antiken Römischen Reichs, unter Karl dem Großen ein. Und wird anschließend in zahlreichen Auseinandersetzungen der kirchlichen, der weltlichen, der territorialen Mächte und des Kaisertums im Verlauf des 15. Und 16. Jahrhunderts zu einer auf das deutsche Reichsvolk bezogenen imperialen Institution. Es zerbricht schließlich 1806 im Kampf gegen den französischen Kaiser Napoléon, den selbsternannten Neuordner Europas. Begrifflich unterscheiden die ersten europäischen – niederländischen – Humanisten des 14. Und 15. Jahrhunderts die Antike, das Mittelalter und ihre gegenwärtige Neuzeit in Bezug auf Literatur, Philosophie und Sprache.

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Die Deutsche Literaturgeschichte beginnt im frühen Mittelalter

Das Lexikon „Deutsche Literaturgeschichte, das in der 8. Auflage im Verlag J. B. Metzler erschienen ist, stellt die nahezu 14 Jahrhunderte umfassende Geschichte der deutschsprachigen Literatur dar. Die ausgezeichneten Texte sind mit 555 Bildern illustriert. Eingeteilt ist das Werk in 15 Kapitel, beginnend bei der Literatur des Mittelalters, endend bei den Tendenzen in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur seit 1989. Neben den literarischen werden auch die gesellschaftlichen Zusammenhänge der einzelnen Epochen analysiert. Die achte Auflage enthält ein neuverfasstes Kapitel zum Literaturbetrieb und Ergänzungen im Schlusskapitel um die die Entwicklungen der letzten Jahre. Zu Beginn ihrer Ausführungen weist das Autorenteam darauf hin, dass die ersten bekannten Texterzeugnisse auf germanischem Boden nur in ganz wenigen Beispielen, zudem in Überlieferungen späterer Zeit, erhalten sind.

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