Zensur zielt auf die Kontrolle der Kommunikation ab

Zensur ist ein elementarer und in der Theorie noch nicht hinreichend präzise bestimmter Sachverhalt in der Geschichte der Kommunikation. Das 18. Jahrhundert war für die Ausbildung der Praktiken der Zensur und ihrer Erörterungen eine bedeutsame Epoche. Zensur erfordert bei ihrer Erforschung Interdisziplinarität und Transnationalität. Sie lässt sich kaum auf bestimmte Jahrhunderte beschränken und ist g, geprägt von der Fülle des zumeist ungedruckten, in Archiven überlieferten Materials und von der Vielzahl der Systemkomponenten. Der Gegenstand der Zensur ist äußerst komplex. Der Begriff „Zensur“ wird auf der einen Seite angebunden an rechtliche Verfahren und Institutionen, also an das jeweilige Rechtssystem; auf der anderen Seite wird er, unterbestimmt, benutz als Synonym für eine gesamtgesellschaftlich, also sozial, politisch, religiös und kulturell vermittelte Kontrolle der Normen und Kommunikation von Rede, Schrift und Bild.

Das Rechtssystem spielt bei der Zensur ein bedeutende Rolle

Grundsätzlich zu unterscheiden von Zensur ist die Debatte über Zensur sowie über die Freiheit der Presse, Rede und Meinung. Zensur ist als ein überhistorisches Kulturphänomen zu begreifen, das auf Kontrolle und Restriktion von Meinungen, Normen und Werten und damit auf die Kontrolle jeder Art von sprachlich und medial vermittelten Zeichen abzielt. Im enger gefassten Verständnis von Zensur sind mehrere Unterscheidungen zu beachten. Differenzieren lässt sich nach den Zensurträgern, den Zensurbegründungen und den Zensurargumenten und dem jeweiligen Zeitpunkt der Zensurmaßnahme.

Außerdem spielen das jeweilige Rechtssystem, die Rechtsquellen, die ausführenden Organe und Institutionen sowie die rechtsförmlichen und außerrechtlichen Verfahren eine wichtige Rolle. Zum institutionellen Zensurverfahren gehört darüber hinaus die schon seit den Anfängen des Buchdrucks in der Mitte des 15. Jahrhunderts und speziell seit der Gegenreformation vorgenommene Kontrolle des Vertriebs und des Besitzes missliebiger beziehungsweise verbotener und indizierter Schriften, die auf eine umfassende Lenkung der Lektüre abzielt.

Zensur fungiert vor allem als politisches Machtmittel

Die neuere Zensurforschung definiert Zensur wie folgt: Erstens bedeutet Zensur zunächst die Kontrolle der Entstehung und Entwicklung textlicher und bildlicher Produktion: Sanktionen beziehen sich dabei auf den Autor/Urheber und die – versuchte – Vernichtung seines geistigen/künstlerischen Produkts. Zensur bedeutet darüber hinaus die Kontrolle der literarischen Distribution: Zensur richtet sich an die diversen Multiplikatoren gedrückter Äußerungen wie Drucker, Verleger, Kolporteure, Redakteure sowie Buch- und Medienhändler.

Drittens dient Zensur als Kontrolle der literarischen Diffusion: Sie zielt auf die Rezipienten; sie will den zirkulierenden Ideen jede Glaubwürdigkeit absprechen, auf diese Weise deren Verbreitung stoppen und so lenkenden und steuernden Zugriff auf Denken und Handeln des Rezipienten erhalten. Zensur fungiert vor allem als politisches Machtmittel, als Instrument der Sicherung der Herrschaft und spielt auch im Kampf um nationale beziehungsweise territoriale Identität eine wichtige Rolle. Quelle: „Handbuch Europäischer Aufklärung“ von Heinz Thoma (Hrsg.)

Von Hans Klumbies