Österreich hat sich in den vergangenen 30 Jahren zweimal neu erfunden. Die erste Revolution war eine Abkehr vom Massenwein hin zur besseren Qualität. Der aktuelle Wandel ist das Ergebnis eines Generationswechsels. Aldo Sohm erklärt: „Im Ergebnis zeigt sich viel Kreativität und eine Abkehr von traditionellen Weinstilen zugunsten von Edelstahltanks und weniger alkoholreichen und nicht so konzentrierten Weinen.“ Österreich bekommt seit Kurzem auch viel Anerkennung für seine biologischen, nachhaltigen und biodynamischen Anbaumethoden, war aber schon immer ein recht grünes Land. Rudolf Steiner, der Vater der biodynamischen Landwirtschaft, stammt von hier. Obwohl die Methoden nur selten auf dem Etikett stehen, wird ein Weinkäufer Schwierigkeiten haben, hier Winzer zu finden, die ihre Reben mit Pestiziden behandeln. Der Österreicher Aldo Sohm ist einer der renommiertesten Sommeliers der Welt, eine Legende seiner Branche. Christine Muhlke ist Redakteurin des Feinschmecker-Magazins „Bon Appétit“.
Umwelt
Die Artenvielfalt ist unfassbar groß
Ganz besondere Bedeutung gewinnen die multistabilen, robusten Netzwerke in der Ökologie. Dirk Brockmann erläutert: „Egal welches Ökosystem auf der Erde man sich anschaut, im Amazonas, in Sibirien, in der Tiefsee, am Great Barrier Reef, in der Wüste, im Wattenmeer oder im Grunewald bei Berlin: In jedem System koexistieren viele Millionen Arten, die aufeinander Einfluss haben.“ Die Artenvielfalt ist unfassbar groß. Bis vor Kurzem hat man geschätzt, dass auf der Erde etwa 80.000 Wirbeltierarten existieren, etwa sieben Millionen Wirbellose, davon fünf Millionen Insektenarten, etwa 400.000 Pflanzenarten, 1,5 Millionen Pilzspezies. Bezieht man aber mikrobielle Organismen, also Bakterien und Archaeen, mit ein, kommen neueste Studien auf mehr als eine Billion Arten. Der Komplexitätswissenschaftler Dirk Brockmann ist Professor am Institut für Biologie der Berliner Humboldt-Universität.
Das Artensterben hat sich beschleunigt
Dirk Steffens und Fritz Habekuss wissen: „Die Beschleunigung des Artensterbens ist keine bloße Annahme, sondern belegbar.“ Der Living-Planet-Index hat ermittelt, dass die Wirbeltierbestände der Erde sind seit 1970 um etwa 60 Prozent geschrumpft sind. Um ihn zu ermitteln, sind die wissenschaftlichen Daten eines halben Jahrhunderts über fast 17.000 Populationen von mehr als 4.000 Wirbeltierarten ausgewertet worden. Es gibt also heute insgesamt weniger als halb so viele wilde Tiere wie noch vor fünfzig Jahren. Nimmt die Zahl der Individuen innerhalb der Arten weiter ab, muss zwangsläufig in den kommenden Jahrzehnten auch die Aussterberate schneller in die die Höhe schießen In ihrem Buch „Über Leben“ erzählen der Moderator der Dokumentationsreihe „Terra X“ Dirk Steffens und Fritz Habekuss, der als Redakteur bei der „ZEIT“ arbeitet, von der Vielfalt der Natur und der Schönheit der Erde.
1,5 Grad sind zum Inbegriff des Klimawandels geworden
Inzwischen ist die Debatte, wo eine akzeptable Grenze des Anstiegs der globalen Mitteltemperatur liegen mag, in vielen Ländern in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Das Pariser Klimaabkommen von 2015 hat sie mit deutlich unter 2 Grad, wenn möglich 1,5 Grad markiert. Friederike Otto weiß: „Diese 1,5 Grad sind seither zum Inbegriff des Klimawandels geworden, und sie prägen die Art und Weise, wie wir über ihn und unsere Zukunft reden. In den Medien, im politischen oder auch im privaten Kontext sprechen wir stets über das 1,5-Grad-Ziel und damit über das Fieber als Symptom der Krankheit.“ Friederike Otto forscht am Grantham Institute for Climate Chance zu Extremwetter und dessen Auswirkungen auf die Gesellschaft. Sie hat das neue Feld der Zuordnungswissenschaft – Attribution Science – mitentwickelt.
Menschen sehen sich nach der Ursprünglichkeit der Natur
Die Natur steht für das Beharrliche, das wertvoller wird, wenn Veränderungen das Leben dominieren. Wilhelm Schmid ergänzt: „Sie ist das Nichttechnische, Ursprüngliche, nach dem Menschen sich sehnen, je mehr die jeweils neueste Technik das Leben bestimmt. In den ungreifbaren, unsinnlichen Welten der Virtualität wächst erst recht das Bedürfnis nach der greifbaren, sinnlichen Erfahrbarkeit einer Realität, die lange vor den Menschen da war und lange nach ihnen noch da sein wird.“ Die Natur ist das Basislager, von der das Menschsein ausgeht. Sie wird wieder zur Heimat, die sie immer war, auch als sie nur noch das war, was draußen ist, wenn das Autofenster geöffnet wird. Heimat heilt, und in besonderem Maße gilt das für die Heimat in der Natur. Wilhelm Schmid lebt als freier Philosoph in Berlin.
Silberpappeln sind charakteristisch für den Auwald
Für die Auwaldbäume kommt im Jahresverlauf ein Pendeln zustande zwischen so viel Bodenwasser, dass ihre Wurzeln unter Umständen nicht mehr atmen können, und so wenig, dass sie unter Stress durch Wassermangel geraten. Josef H. Reichholf weiß: „Beginnt die Niedrigwasserphase regelmäßig schon im Hochsommer, bilden Bäume den Hauptbestand im Auwald, deren Blätter klein sind und ihre Unterseite filzig-dichte Beläge tragen. Im Sommerwind, der sie dreht, leuchten sie silbrig auf. Daher wurden sie ganz treffend Silberweiden beziehungsweise Silberpappeln „Populus alba“ genannt.“ Sie charakterisieren die Auwälder an den osteuropäischen Strömen umso mehr, je weiter nach Osten man kommt, weil das Klima zunehmend sommertrockener und kontinentaler wird. Die Flussauen an den Alpen, wo im Sommer niederschlagsreichere Verhältnisse herrschen, kennzeichnet die Schwarzpappel „Populus nigra“. Josef H. Reichholf lehrte an der Technischen Universität München 30 Jahre lang Gewässerökologie und Naturschutz.
Das Schmecken ist ein Erkenntnisvermögen
In der Weisheit – sapientia – lassen sich deren Ursprünge im Wissen und Schmecken – beides sapor – noch erkennen. Lisz Hirn erklärt: „Das Schmecken ist hier nicht eine bloße Sinneswahrnehmung, sondern ein Erkenntnisvermögen.“ Schon Friedrich Nietzsche hat es „als eine kulturell oder individuell erworbene Form des lebenspraktischen – philosophischen – Weisheit“ verstanden. Das heißt, die Beurteilung und Erkenntnis der Dinge fordert die mündige Stellungnahme des Einzelnen. Diese kann jedoch mehr oder weniger erkenntnisreich ausfallen. Der Sapiens, der Schmeckende/Weise stellt Friedrich Nietzsche fest, schmeckt – nicht nur im übertragenen Sinne – quasi die bedeutsamen Unterschiede heraus. Er ist ein Mensch des „schärfsten Geschmacks“. Wo dieser Geschmack fehlt, kann man auf Vormünder zurückgreifen. Lisz Hirn arbeitet als Publizistin und Philosophin in der Jugend- und Erwachsenenbildung, unter anderem am Universitätslehrgang „Philosophische Praxis“.
Seit Tausenden von Jahren leben die Menschen nicht ökologisch nachhaltig
Hannah Ritchie stellt fest: „Wir glauben immer, dass unsere Welt früher einmal „nachhaltig“ war und durch unsere Umweltverschmutzung aus der Bahn geraten ist. Doch diese Schlussfolgerung ist falsch. Seit Tausenden von Jahren – vor allem aber seit der Agrarrevolution – leben die Menschen nicht ökologisch nachhaltig.“ Unsere Vorfahren rotteten durch Jagd Hunderte der größten Landtiere aus, verschmutzten die Luft, indem sie Holz, Erntereste sowie Holzkohle verbrannten, und rodeten große Wälder zu Energiegewinnung oder für Ackerland. Ja, es gab Zeiten oder Gemeinschaften, in denen ein harmonisches Zusammenleben mit anderen Arten und der Umwelt erreicht wurde. In einigen indigenen Gruppen wurde das so gelebt und auch die Aufrechterhaltung von Artenvielfalt und Ökosystemen gewährleistet. Dr. Hannah Ritchie ist Senior Researcher im Programm für globale Entwicklung an der Universität Oxford.
Der Klimawandel wirkt sich negativ auf die Gesundheit aus
Lucy F. Jones betont: „Die Zukunft der Natur hängt nicht zuletzt vom Klimawandel ab, davon, wie er sich auf das Landschaftsbild und die Bevölkerung auswirkt. Natürliche Räume, in denen wir uns erholen – und die erheblichen Einfluss auf unsere Gesundheit haben –, hängen zum Teil von den Wetterbedingungen ab, und diese befinden sich gerade im Wandel.“ In Schweden werden durch den Klimawandel wärmere, schneeärmere Winter und kältere, niederschlagsreiche Sommer prognostiziert. Eine Studie des Psychologen Terry Hartig zum Bedarf an Antidepressiva zwischen 1991 und 1998 legt nahe, dass sich ein Mangel an Erholung in der Natur auf die geistige Gesundheit niederschlägt. Lucy F. Jones ist Journalistin und schreibt regelmäßig zu wissenschaftlichen Themen, Gesundheit, Umwelt und Natur für die BBC, The Guardian und The Sunday Times.
Die Jagd auf Meeresbewohner zeichnet höchste Intensität aus
Eine Folge der hohen agrarischen Produktivität in modernen Gesellschaften ist, dass das Jagen von Landtieren – die saisonale Erlegung bestimmter Wildvögel und wild lebender Säugetiere – in allen Überflussgesellschaften zu einer nur noch randständigen Ernährungsquelle geworden ist. Vaclav Smil ergänzt: „Im südlich der Sahara gelegenen Afrika wird noch mehr Wildbret gegessen, das meist aus illegaler Jagd stammt, aber angesichts einer rasch zunehmenden Bevölkerung ist die Jagd auch dort nicht mehr die Hauptquelle für tierisches Protein.“ Ganz anders bei der Jagd nach Meeresbewohnern: Sie ist nie zuvor auf breiterer Front und mit höherer Intensität betrieben worden als heute: Riesige Fischereiflotten – das Spektrum reicht von schwimmenden Fischfabriken bis zu morschen Kleinbooten – suchen die Weltmeere nach Fischen und Krustentieren ab. Vaclav Smil ist Professor Emeritus für Umweltwissenschaften an der University of Manitoba. Er hat unter anderem das Grundlagenwerk „Energy and Civilization“ geschrieben.
Gesetzmäßigkeiten findet der Mensch in der Natur
Wenn sich Lebensweise, Erwartungen, Werte verändern, Wissenschaft und Technik neue Bedingungen des Lebens schaffen, versucht der Mensch die neuen Gesetzmäßigkeiten zu verstehen. Zudem versucht er sie mit den ihm vertrauten Gesetzen in Einklang zu bringen. Paul Kirchhof erläutert: „Er braucht Leitgedanken für sein Leben, Maßstäbe für sein Entscheiden, Methoden für sein Erkennen und Ziele für sein Wollen. Diese Gesetzmäßigkeiten findet er in der Natur und in der Menschlichkeit.“ Die Natur erschließt er sich vor allem durch Beobachten und Experimentieren, die Menschlichkeit durch Verständnis, Erfahrung, Einsehen und Beurteilen. Der Mensch bildet bewusst Regeln für das Zusammenleben, erprobt Verfahren der Willensbildung und Verständigung. Die Gesetze sind seit langem gewachsene, angeborene, in der Natur des Menschen von jeher angelegte Stützen menschlicher Freiheit. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg.
Spanische Weine überzeugen durch ihre Vielfalt
Interessante junge spanische Winzer entdecken alte, fast ausgestorbene Rebsorten neu. Und sie erwecken alte und aufgegebene Rebflächen und sogar ganze Regionen wieder zum Leben. Aldo Sohm und Christine Muhlke wissen: „Spanien ist nach Anbaufläche das größte Weinerzeugerland. Der meiste Wein wird allerdings zu Brandy destilliert, deswegen liegt es mengenmäßig hinter Frankreich und Italien.“ Die unterschiedliche Geografie sorgt für eine Vielfalt an Sorten und Geschmacksnoten. Um Madrid herrschen warme Tage und kühle Nächte, während die Atlantikregion Galiziens feucht und kühl ist. Andalusien ist geprägt von weißem Lehm- und Kalksteinboden, während die Vulkanhänge der Kanarischen Inseln rau und schwindelerregend sind. Der Österreicher Aldo Sohm ist einer der renommiertesten Sommeliers der Welt, eine Legende seiner Branche. Christine Muhlke ist Redakteurin des Feinschmecker-Magazins „Bon Appétit“.
Die Agrarförderung verursacht hohe Kosten für die Allgemeinheit
Ohne Düngung nähme der Ertrag in der Landwirtschaft rasch stark ab. Denn mit jeder Ernte entzieht man den Fluren Nährstoffe und verbringt sie an andere Stellen. Josef H. Reichholf ergänzt: „Früher gelangten die Reste über die Abwässer in die Flüsse, wo sie, wie wir längst wissen, erhebliche Schäden verursachen können. Den Feldern aber fehlen sie.“ Also trachtet die Landwirtschaft danach, die Fluren so zu düngen, dass möglichst langfristig möglichst hohe Erträge zustande kommen, mit denen sie wirtschaftlich kalkulieren können. Das ist geboten, weil teure Maschinen abzuzahlen sind, die sich die Landwirte in aller Regel nicht mit direkter Barzahlung leisten können. Das Agrarfördersystem verursacht große Kosten für die Allgemeinheit, rechnet sich aber betriebswirtschaftlich für die moderne Landwirtschaft. Josef H. Reichholf lehrte an der Technischen Universität München 30 Jahre lang Gewässerökologie und Naturschutz.
Auwälder zeichnen sich durch eine immense Artenvielfalt aus
Auwälder sind auf kleinem Raum die am unterschiedlichsten gestalteten Wälder. Und die dynamischsten dazu. Josef H. Reichholf betont: „Das drückt sich bestens sichtbar in der Artenvielfalt aus. Wenn die Vögel singen, wird die Vielfalt hörbar. Die Biodiversität der Auwälder ist immens. Für europäische Verhältnisse mutet sie geradezu tropisch-reichhaltig an.“ Dicht nebeneinander gibt es durchströmte Flussarme und stehende Altwasser; Gewässer groß oder klein mit sumpfigen oder steilen Ufern, dazwischen auf Inseln oder an den Uferzonen trockene, sandig kiesige Stellen, die im Sommer sehr heiß werden. Aber es gibt auch feuchtschattige Dickichte auf alten, auf alten, völlig wiederverlandeten Flussarmen. Daneben existiert offener Boden, der noch unbewachsen ist, den das letzte Hochwasser zurückgelassen hat. Josef H. Reichholf lehrte an der Technischen Universität München 30 Jahre lang Gewässerökologie und Naturschutz.
Die Welt war noch nie nachhaltig
Bevor sich Hannah Ritchie die Umweltprobleme vornimmt, muss sie ihren Lesern eine unangenehme Wahrheit mitteilen: „Die Welt war noch nie nachhaltig. Was wir zu erreichen versuchen, hat es noch nie gegeben. Um zu verstehen, warum das so ist, müssen wir uns anschauen, was Nachhaltigkeit überhaupt bedeutet.“ Die klassische Definition der Nachhaltigkeit entstammt einem wegweisenden UN-Bericht. 1987 definierten die UN nachhaltige Entwicklung als eine, „die den Ansprüchen der Gegenwart gerecht wird, ohne die Fähigkeit zukünftiger Generationen zu beeinträchtigen, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen“. Diese Definition besteht aus zwei Teilen. Beim ersten geht es darum, sicherzustellen, dass alle heute lebenden Menschen – die jetzigen Generationen – ein gutes und gesundes Leben führen können. Dr. Hannah Ritchie ist Senior Researcher im Programm für globale Entwicklung an der Universität Oxford.
Kein Ort auf der Welt ist frei vom Einfluss der Menschen
Dirk Steffens und Fritz Habekuss stellen fest: „Es gibt heute keinen Ort mehr, der vom Einfluss des Menschen frei ist. Am Grund des Marianengrabens, 11.000 Meter unter dem Meer: Müll. In den Schneeflocken der Arktis, in abgefülltem Mineralwasser, in Bier, gebraut nach dem deutschen Reinheitsgebot, und wahrscheinlich atmen wir es längst: Plastik.“ Menschen und Nutztiere zusammen wiegen heute mehr als zwanzigmal so viel die alle wilden Tiere. Auf drei Vögel in der Natur kommen sieben Masthähnchen. Weltweit wachsen Pflanzen kräftiger, weil sie durch das Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre gedüngt werden. In ihrem Buch „Über Leben“ erzählen der Moderator der Dokumentationsreihe „Terra X“ Dirk Steffens und Fritz Habekuss, der als Redakteur bei der „ZEIT“ arbeitet, von der Vielfalt der Natur und der Schönheit der Erde.
In Argentinien und Chile findet eine Weinrevolution statt
Aldo Sohm vertritt folgende These: „In Argentinien und Chile findet eine Weinrevolution statt.“ Die traditionellen, vollmundigen Weine waren von den üppigen, von den Anden herausgewaschenen Böden in Kombination mit dem warmen Klima und kühlenden Höhenlagen geprägt. Französische Winzer, die auf der Suche nach bezahlbarem Land und ebensolchen Arbeitskräften waren, haben hier stark investiert. Südamerika hat auch den Vorteil wurzelechter, nicht gepfropfter Reben, denn die Reblaus Phylloxera, die im späten 19. Jahrhundert Rebflächen in ganz Europa vernichtet hat, kam nie bis nach Chile. Wie viele junge Weinnationen, die ihre Tradition zugunsten international beliebter Weine vernachlässigt haben, wurde die Balance neu ausgerichtet. Der Österreicher Aldo Sohm ist einer der renommiertesten Sommeliers der Welt, eine Legende seiner Branche. Christine Muhlke ist Redakteurin des Feinschmecker-Magazins „Bon Appétit“.
Mit 1,2 Grad Erwärmung ist die Erde heißer als jemals zuvor
Die globale Mitteltemperatur ist seit dem Beginn der industriellen Revolution um mehr als ein Grad gestiegen. Friederike Otto weiß: „Die Anfang 2023 herrschenden 1,2 Grad Celsius globaler Erwärmung mögen nicht nach viel klingen, aber das täuscht. Für einen Planeten – und vor allem seine Bewohner – ist es ein riesiger Unterschied, ob die durchschnittliche, über alle Land- und Wassermassen gemessene Temperatur bei 14 oder 15,2 Grad liegt.“ Ähnlich wie es auch für einen menschlichen Körper einen enormen Unterschied macht, ob die Körpertemperatur bei 37 oder 38,2 Grad liegt. Mit 1,2 Grad Erwärmung ist die Erde heute wärmer als jemals zuvor in der Geschichte der menschlichen Zivilisation – wärmer als jene Welt, die ein Mensch bisher gekannt hat. Friederike Otto forscht am Grantham Institute for Climate Chance zu Extremwetter und dessen Auswirkungen auf die Gesellschaft. Sie hat das neue Feld der Zuordnungswissenschaft – Attribution Science – mitentwickelt.
Zwei Drittel der Fische kommen aus Aquakulturen
Meeresfische muss man zwar auf Eis gekühlt transportieren und in den Handel bringen. Doch diese Mengen gefrorenes Wasser sind vernachlässigbar. Einen Unterschied macht dagegen die Aquakultur. Malte Rubach weiß: „Zwei Drittel des weltweiten Fischaufkommens werden laut Welternährungsorganisation inzwischen aus der Aquakultur gewonnen. 2011 war es noch nur etwas mehr als ein Drittel, der Anstieg ist also enorm.“ Doch man nutzt nur rund 60 Prozent des Fisches aus Aquakulturen und Ozeanen für den menschlichen Verzehr. Man produziert ihn wiederum gezielt als Futtermittel für andere Aquakultur-Fische. Dennoch ist die Aquakultur auch mit ihren derzeitigen Schwächen wie dem Einsatz von Antibiotika, Pestiziden und tierischen Futtermitteln wohl die einzige Antwort auf die Überfischung der Meere. Der Referent und Buchautor Dr. Malte Rubach hat Ernährungswissenschaften in Deutschland, der Türkei und den USA studiert.
Die Gegenwart ist von massenhaften Artensterben überschattet
Eine stärkere Verbindung zur Natur würde die Menschen glücklicher und gesünder machen – so weit, so gut. Doch da gibt es ein Problem. Was nützt es, Waldspaziergänge zu verschreiben, wenn weltweit Waldgebiete von Rodungen bedroht sind? Wie sollen die Menschen Zeit im Grünen verbringen, wenn es immer weniger Parks gibt? Wie baut man eine Beziehung zu jemandem auf, der todkrank ist? Lucy F. Jones kritisiert: „In der gesamten westlichen, industrialisierten Welt leben wir zunehmend abgekapselt von der Natur und ignorieren, wie sehr wie sie brauchen. Und damit geht die Katastrophe einher, dass die Natur vor unseren Augen verschwindet; unsere Zeit auf diesem Planeten wird von der gewaltsamen Zerstörung natürlicher Lebensräume und dem massenhaften Artensterben überschattet.“ Lucy F. Jones ist Journalistin und schreibt regelmäßig zu wissenschaftlichen Themen, Gesundheit, Umwelt und Natur für die BBC, The Guardian und The Sunday Times.
Die Nettoprimärproduktion erzeugt den gesamten Wohlstand
Bis heute findet der „wahre Wohlstand“, von dem sämtliche Lebensprozesse abhängig sind und ohne den das Wirtschaftssystem nicht existieren könnte, erstaunlich wenig Beachtung bei Wirtschaftswissenschaftlern und Unternehmern. Und genau hier beginnen die negativen externen Effekte. Jeremy Rifkin erklärt: „In der Nettoprimärproduktion – der Gesamtmenge des organischen Materials, das Lebewesen mittels Sonnenkraft herstellen – findet sich die Gesamtmenge des von der Vegetation aufgenommenen Kohlenstoffs minus des durch die Atmung wieder verlorenen Kohlenstoffs.“ Die Nettoprimärproduktion erzeugt den gesamten Wohlstand und ist die eigentliche Nahrungsquelle aller Lebensformen. Auch derjenigen, die in der Nahrungskette weiter oben stehen. Natürlich lebt auch der Homo sapiens seit seinen Anfängen vor rund 200.000 Jahren von dieser Nettoprimärproduktion. Jeremy Rifkin ist einer der bekanntesten gesellschaftlichen Vordenker. Er ist Gründer und Vorsitzender der Foundation on Economic Trends in Washington.
Pflanzenkost gilt als Heilsbringer schlechthin
Pflanzen sind im Narrativ der öffentlichen Diskussionen so etwas wie die Heilsbringer schlechthin. Egal ob für die Umwelt, die Gesundheit oder einfach nur für ein gutes Gewissen. Malte Rubach schränkt ein: „Das ist sicher eine schöne Botschaft, aber selbstverständlich gilt das nicht für alle pflanzlichen Lebensmittel und auch nicht überall auf der Welt.“ Paradoxerweise ist es so, dass ausgerechnet in Länder mit großer Nahrungsunsicherheit der durchschnittliche Wasserfußabdruck pro Kopf deutlich höher liegt als in Deutschland – 3900 Liter pro Kopf. Zum Beispiel liegt dieser im Niger bei 9600 Liter, in Mali bei 5600 Liter und im Chad sowie im Sudan bei über 4000 Liter. Der Referent und Buchautor Dr. Malte Rubach hat Ernährungswissenschaften in Deutschland, der Türkei und den USA studiert.
Die Natur ist eine gewaltige medizinische Ressource
Die Natur dient dem Menschen nicht nur als Lebensraum, sie ist auch eine gewaltige medizinische und soziale Ressource. Joachim Bauer erläutert: „Menschliche Gesundheit, gutes menschliches Zusammenleben und die Bewahrung der Natur stehen in einem Dreiecksverhältnis der Gegenseitigkeit.“ In der Natur zu sein und sie bewusst auf sich wirken zu lassen fördert die körperliche und psychische Gesundheit. Es fördert zudem die Bereitschaft, sich gegenüber Mitmenschen empathisch zu verhalten. Umgekehrt zeigen Menschen mit ausgeprägter Empathie ein höheres Interesse an Fragen des Umweltschutzes und eine stärker ausgeprägte Bereitschaft, sich in Umweltfragen zu engagieren. Joachim Bauer fordert, dass sich die Menschen wieder in eine echte Beziehung zur Natur setzen sollten. Damit ist gemeint, dass man die Natur nicht nur als Kulisse für diverse selbstgefällige oder ehrgeizige sportliche Auftritte benutzt. Prof. Dr. Med. Joachim Bauer ist Neurowissenschaftler, Psychotherapeut und Arzt.
Die Grüne Revolution sollte für mehr Nahrungsmittel sorgen
Vater der sogenannten Grünen Revolution war Norman Borlaug, der später mit dem Friedensnobelpreis geehrt wurde für seinen Beitrag zur Bekämpfung des Hungers in den Entwicklungsländern. Jeremy Rifkin fügt hinzu: „Am Ende jedoch führte dieser Beitrag zu ausgelaugten Böden, die so nährstoffarm sind, dass sie sich nicht ausreichend schnell regenerieren, um in vielen Regionen der Erde eine kritische Lebensmittelknappheit zu verhindern.“ Alles begann mit einem ehrgeizigen Plan, der die landwirtschaftliche Produktion in Indien, später Südostasien und schließlich Afrika und dem Rest der Entwicklungsländer dramatisch steigern und so das größer werdende Hungerproblem lösen sollte. Dieser Plan bestand aus mehreren komplementären Bausteinen, die gemeinsam einen großen Sprung in der landwirtschaftlichen Produktion bewirken sollten. Jeremy Rifkin ist einer der bekanntesten gesellschaftlichen Vordenker. Er ist Gründer und Vorsitzender der Foundation on Economic Trends in Washington.
Die USA sind die Weintrinkernation Nummer eins
Aldo Sohm und Christine Muhlke wissen: „In den letzten 20 Jahren haben die Amerikaner sehr großen Durst auf Weine aus der ganzen Welt bekommen und die USA zur Weintrinkernation Nr. 1 gemacht.“ Aber auch auf die eigenen Weine kann man hier stolz sein. Tatsächlich erzeugt man in allen 50 Bundesstaaten einschließlich Alaska Wein. In Amerika sind die Weingesetze weniger streng als in Europa und bieten Freiheiten für Experimente und Kreativität. Es gibt jedoch noch viele weitere Unterschiede zwischen Europa und den USA. Die Weingesetze sind in Europa hinsichtlich der erlaubten Sorten extrem streng und in den USA viel freizügiger, weshalb man dort heute viel mehr Rebsorten anbaut als noch vor 20 Jahren. Der Österreicher Aldo Sohm ist einer der renommiertesten Sommeliers der Welt, eine Legende seiner Branche. Christine Muhlke ist Redakteurin des Feinschmecker-Magazins „Bon Appétit“.