Niall Ferguson nennt fünf Gründe für den Populismus

Der in diesen Tagen um sich greifende Populismus versetzt die Regierungen in Europa und den USA in Alarmstimmung. Der Duden beschreibt dieses Phänomen „als eine von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft auch demagogische Bewegung, die das Ziel hat, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen zu gewinnen“. Im Klartext wird den Politikern die Bereitschaft abgesprochen, dem Volk zu dienen. Sie hätten keine Antworten auf die großen Probleme der Zeit. Die Populisten sind daher tief davon überzeugt, dass nur sie die wahren Interessen der schweigenden Mehrheit mit ihrem gesunden Menschenverstand vertreten. Wie konnte es überhaupt zu so einer, die repräsentative Demokratie gefährdenden Entwicklung kommen? Der amerikanische Historiker Niall Ferguson von der Harvard-Universität macht dafür fünf Faktoren verantwortlich.

Die Globalisierung macht vielen Bürgern Angst

Erstens: Eine große Zahl von Einwanderern, die mit den Einheimischen um die Arbeitsplätze konkurrierten und die Sozialsysteme strapazierten. Zweitens: Die große Ungleichheit, die schon seit Jahrzehnten steil gestiegen ist. So habe das oberste Prozent der Einkommensbezieher einen Anteil am Ganzen von einem Zehntel auf ein Fünftel verdoppeln können und sei damit auf ein Niveau wie vor hundert Jahren gelangt. Drittens: Der Glaube, dass es irgendwie korrupt zugehe im Land und die da oben die Dinge in ihrem Sinne verfälschten.

Viertens: Es bedürfe einer großen Finanzkrise, eines wirtschaftlichen Schocks, der die Menschen auf die Barrikaden bringe. Fünftens: Es müsse ein Demagoge auftauchen, der die geballte Wut der Masse für seine Vorhaben zu nutzen verstehe. Diese fünf Elemente prägen mittlerweile das Meinungsklima weiter Bevölkerungskreise. Es beginnt mit dem großen Unbehagen an der fortschreitenden Globalisierung. Viele Bürger sehnen sich, wie das Beispiel Englands zeigt, wieder nach nationaler Gesetzgebung und nach Grenzen, innerhalb derer sie ihre eigenen Lebensbedingungen bestimmen können.

Viele Bürger verachten herkömmliche Politiker

Dieses Unbehagen betrifft auch das Eindringen und die Verbreitung fremder Kulturen und Religionen in das christliche Abendland. Das lehnen nicht wenige schon deshalb ab, weil sie die Marginalisierung ihrer eigenen Wertvorstellungen und den Verlust ihres vertrauten Ambientes befürchten. Verstärkt wird diese Aversion noch dadurch, dass in vielen Ländern des alten Kontinents dem Christentum jene spirituelle Kraft abhandengekommen ist, die die muslimischen Zuwanderer heute nachhaltig demonstrieren.

Nicht wenige Bürger sorgen sich daher, dass der Islam bald prägender sein könnte als das Christentum. Das wichtigste Element populistischen Denkens liege jedoch, so das Ergebnis einer Allensbach-Umfrage, in der verächtlichen Haltung gegenüber herkömmlichen Politikern. Noch nie war europaweit der Vertrauensverlust der Bürger gegenüber Regierenden größer als heute: Der Staat kümmert sich um alles, um Migranten, Arme und Vermögende, ja sogar um Banken, aber nicht um uns – so ist der Tenor der Enttäuschten. Quelle: Abendzeitung

Von Hans Klumbies