Die Wahrheit wird von einem sozialen Dialog bestimmt

Wer anderen mit Vorurteilen begegnet, ist selbst bereits einer Beeinflussung seiner freien Willensbildung erlegen. Der freie Wille, so würde man es sich auf den ersten Blick wohl wünschen, sollte aber nicht auf Beeinflussungen, sondern auf der Erkenntnis der Wahrheit beruhen. Allerdings gilt: Alle Meinungs- und Willensbildungen, an deren Ende man etwas als wahr und gültig erkennt, resultieren aus sozialen Prozessen der Verständigung, die unausweichlich immer auch mit Beeinflussungen verbunden sind. Joachim Bauer fügt hinzu: „Diese Beeinflussungsprozesse sind Teil des natürlichen Bedingungsgefüges, in dem sich der freie Wille formiert. Sie sind teils offener, teils verborgener Natur.“ Das Ziel kann nicht sein, sie zu verhindern, denn dies wäre ein Ding der Unmöglichkeit. Der Neurobiologe, Arzt und Psychotherapeut Joachim Bauer lehrt an der Universität Freiburg.

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Friedrich Nietzsche will denkend die Welt umgestalten

Friedrich Nietzsche stellt alles in Frage. Andreas Urs Sommer vertritt in seinem Buch „Nietzsche und die Folgen“ die These, dass ihm im Übergang vom letzten Ernst der ersten Werke zu ausgelassener Heiterkeit in späten Schriften die Lust zu unbedingten Festschreibungen immer mehr abhandenkam. Dennoch scheint er ein Denker zu sein, der zu Vereinseitigungen einlädt. Andreas Urs Sommer arbeitet in seinem Buch heraus, was seinen Lesern heute noch von Friedrich Nietzsches Denken bleibt. Das Buch erschließt, welchen Rollen Friedrich Nietzsche auf so unterschiedlichen Feldern wie der Literatur und der bildenden Kunst oder der Religion und der Politik bis heute spielt. Andreas Urs Sommer lehrt Philosophie an der Universität Freiburg i. B. und leitet die Forschungsstelle Nietzsche-Kommentar der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.

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Das Zentrum der Meinungsbildung war in Athen die Agorá

Der große griechische Denker der Antike, Aristoteles, hat den Menschen als „zoon politikón“, also als politisches Wesen, bezeichnet. Denn er unterscheidet sich vom Tier und von den Göttern dadurch, dass er in der Polis lebt, dem Gemeindestaat mit seinen überschaubaren Grenzen. Tatsächlich gab es im antiken Griechenland nie einen griechischen Gesamtstaat und auch die einzelnen Polis waren mit ihrem bescheidenen Territorium zufrieden, selbst wenn sie die Möglichkeit hatten, in ihrem Hinterland zu expandieren. Aus den Zeiten der Wanderung war sowohl der Gleichheitsbegriff des Wehrgedankens als auch ein ritterliches Ethos einer Adelsgesittung erhalten geblieben. Diese wurde im homerischen Epos gefeiert und bei den panhellenischen Spielen praktiziert. Beide Komponenten wurden allerdings in den verschiedenen griechischen Stadtstaaten auf höchst unterschiedliche Weise umgesetzt. Die möglichen Gegensätze repräsentierten Athen und Sparta.

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Ernst Fraenkel denkt über die Bedeutung der Öffentlichkeit nach

Unter Demokratie versteht Ernst Fraenkel ein Regierungssystem, das auf der Annahme beruht, die Förderung des Gemeinwohls sei am besten zu erreichen, wenn allen Bürgern des Gemeinwesens eine gleiche und optimale Mitwirkung bei der Bildung des Gemeinwillens gewährleistet wird. Ernst Fraenkel stellt sich allerdings die Frage, ob und wieweit die öffentliche Meinung das geeignete Mittel darstellt, um dieses Ziel zu erreichen. Der Historiker Hermann Oncken definiert die öffentliche Meinung verkürzt wie folgt: „Öffentliche Meinung ist ein Komplex von gleichartigen Äußerungen größerer oder geringerer Schichten eines Volkes über Gegenstände des öffentlichen Lebens, bald spontan hervorbrechend, bald künstlich gemacht.“ Für Ernst Fraenkel besteht jede Meinung aus purem Meinen und auf einem für wahr halten begründet. Sie beruht weder auf Glauben noch auf Wissen, weder auf Erkenntnis noch auf Offenbarung.

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Die Generation der Babyboomer hat politisch versagt

Es ist für Frank Schirrmacher, dem Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), nach dem Rücktritt von Christian Wulff als Bundespräsident an der Zeit, über die politische Generation der Babyboomer zu reden. Er meint damit großzügig gesprochen die Geburtsjahrgänge von 1955 bis 1970, eine Kohorte, die seiner Meinung nach seit der Jahrhundertwende faktisch die meinungsbildende Mehrheit in Deutschland bildet. Frank Schirrmacher schreibt: „In Gestalt von Christian Wulff, Jahrgang 1959, hat ein Angehöriger dieser Generation das Höchste erreicht und in nie gesehener Geschwindigkeit alles vermasselt. Das ist bemerkenswert.“ Und bemerkenswert ist laut Frank Schirrmacher auch die Tatsache, dass fast das gesamte politische Personal dieser Generation, vor allem in der CDU, schon abgetreten ist.

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