Konsequent gedacht gibt es gar keine Pflicht

Leiden wird oft mit der „Pflicht“ erklärt. Wer seine Pflicht tut, scheint vor jedermann gerechtfertigt – vor anderen und sich selbst. Reinhard K. Sprenger erklärt: „Pflichtbewusst erfreut man sich allseitiger Wertschätzung: als Mutter, als Vater, als Briefträger, als Beamter, als Soldat. Wer seine Pflicht tut, tut das, was sich gehört.“ Die Pflicht kommt dabei meist im grauen Leinensack der Entbehrung daher und wird begleitet von einer Aura der Selbstaufopferung. Viele Menschen kennen das Gefühl der Pflichterfüllung, einige seufzen unter dieser Last. „Dazu fühle ich mich verpflichtet“ oder „Dafür habe ich mich in die Pflicht nehmen lassen“, sagen jene, die irrigerweise glauben, eigentlich etwas anderes zu wollen. Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

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Die Religion ist nichts weiter als eine Illusion

Sigmund Freud leitete die Religion aus der kulturellen Entwicklung ab, als deren Bestandteil sie die Zumutungen der Natur und der Gesellschaft gleichermaßen zu bewältigen gestattet. Gegen die Zufälle und Gefahren der Natur erzeugt sie die Illusion, dass alles nach Plan erbaut und durch den Willen des Schöpfers kontrolliert wird. Peter-André Alt ergänzt: „Gegen die sozialen Zwänge setzt sie den Gedanken der Belohnung für entgangene Befriedigung in der Idee der Erlösung nach dem Tod.“ Betrachtet man den Kern religiöser Aussagen über Jenseits und ewiges Leben, Gottes Schöpfungsidee und die Segnungen des Paradieses genauer, dann kommt man allerdings schnell zur Einsicht in ihren irrationalen Charakter. Die religionsimmanenten Argumente, die ihrer Absicherung dienen, lassen sich, so Sigmund Freud, durchgehend als bedenklich bezeichnen. Peter-André Alt ist Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der Freien Universität Berlin.

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Große Umbrüche führen zu besonderer Erregung

Es entspricht der Logik der Gefühle, dass permanente Vergnügungen sich abnutzen und permanente Entbehrungen ihre Schärfe verlieren. Das gilt auch für die Liebe. So zeigen zum Beispiel Studien, dass die Häufigkeit sexueller Kontakte mit einem Partner umso mehr sinkt, je länger eine Beziehung besteht. Nach einem Jahr Ehe ist die sexuelle Frequenz in der Regel nur noch halb so groß wie im ersten Ehemonat, danach sinkt sie langsamer. Der Gefühlsforscher Aaron Ben-Ze`ev stellt fest: „Das mag man zwar bedauern, aber so funktioniert nun einmal unser emotionales System.“ So sei etwa ein gewisses Maß an Veränderung die Voraussetzung für Glücklichsein. Besondere Erregung spüren Menschen immer bei großen Umbrüchen im Leben. Ulrich Schnabel nennt Beispiele: „Bei einer Hochzeit, der Geburt eines Kindes, bei einem neuen Job, aber auch bei einer Trennung oder Scheidung.“

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Die Armut und die Abhängigkeit unterscheiden sich fundamental

Der amerikanische Sozialpolitiker Daniel Patrick Moynihan stellt fest: „Arm u sein ist eine objektive, abhängig zu sein, auch eine subjektive Bedingung.“ Damit meint er, dass Armut für den Betroffenen kein Grund zur Scham sein muss, vor allem dann nicht, wenn er keine Vergleichsmaßstäbe besitzt, also nur von Menschen seinesgleichen umgeben ist, oder wenn er mit denjenigen, deren besseres Los er zu Gesicht bekommt, keinesfalls konkurrieren möchte. Ulrich Greiner nennt ein Beispiel: „Im Märchen möchte der Arme zwar reich werden, doch seiner Armut schämt er sich nicht. Sie ist eine objektive Bedingung, die er allerdings loswerden möchte, weil sie Not und Entbehrung bedeutet. Ulrich Greiner war zehn Jahre lang der Feuilletonchef der ZEIT. Als Gastprofessor lehrte er in Hamburg, Essen, Göttingen und St. Louis. Außerdem ist er Präsident der Freien Akademie der Künste in Hamburg.

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Den Ausgleich von Leid nennt man Rache oder Vergeltung

Wenn jemand einem anderen Menschen wissentlich Leid zufügt, verspürt das Opfer Empörung, Groll oder sogar Hass. Solche Empfindungen verlangen, dass etwas geschieht: ein Ausgleich von Leid, der zur Besänftigung des Zorns beiträgt. Peter Bieri erklärt: „Diesen Ausgleich nennen wir Rache oder Vergeltung. Das ist es, was die Opfer von den Richtern erwarten: dass sie den Täter hinter Gitter bringen und so Leid mit Leid vergelten.“ Wer ein mildes Urteil ungerecht nennt, dann meint er: Das ist nicht Leid genug, um begangenes Leid aufzuwiegen. Und auch wenn Menschen ohne Richter Vergeltung üben, sprechen sie manchmal von Gerechtigkeit. Peter Bieri, geboren 1944 in Bern, studierte Philosophie und Klassische Philologie und lehrte als Professor in Bielefeld, Marburg und an der Freien Universität Berlin.

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