Das Zentrum der Meinungsbildung war in Athen die Agorá

Der große griechische Denker der Antike, Aristoteles, hat den Menschen als „zoon politikón“, also als politisches Wesen, bezeichnet. Denn er unterscheidet sich vom Tier und von den Göttern dadurch, dass er in der Polis lebt, dem Gemeindestaat mit seinen überschaubaren Grenzen. Tatsächlich gab es im antiken Griechenland nie einen griechischen Gesamtstaat und auch die einzelnen Polis waren mit ihrem bescheidenen Territorium zufrieden, selbst wenn sie die Möglichkeit hatten, in ihrem Hinterland zu expandieren. Aus den Zeiten der Wanderung war sowohl der Gleichheitsbegriff des Wehrgedankens als auch ein ritterliches Ethos einer Adelsgesittung erhalten geblieben. Diese wurde im homerischen Epos gefeiert und bei den panhellenischen Spielen praktiziert. Beide Komponenten wurden allerdings in den verschiedenen griechischen Stadtstaaten auf höchst unterschiedliche Weise umgesetzt. Die möglichen Gegensätze repräsentierten Athen und Sparta.

Athen und Sparta unterscheiden sich in ihrer Gesellschaftsordnung grundlegend

In Sparta entschied sich zum Beispiel die Aristokratie, die über den Grund und Boden verfügte, schon im 8./7. Jahrhundert vor Christus dazu, ihre schwerbewaffneten Fußkämpfer, die sogenannte Hoplitenphalanx, nicht mit einer Verbreitung der staatstragenden Schicht zu erkaufen, sondern in der Form eines Männerbundes aus den eigenen Reihen zu stellen. Der Ethos des Krieges und das Lagerleben bestimmten das Dasein unter der Preisgabe der Familie und der persönlichen Kontakte zu der Umwelt sowie einer durchaus hoffnungsvollen kulturellen Blüte, die in Sparta am erblühen war.

Den kommerziellen und handwerklichen Bedarf deckten in Sparta die Periöken, eine eigene Schicht, die keine politischen Rechte hatte. Der gesamte Bereich der Landwirtschaft lag in den Händen der Heloten, Bauern, die auf ewig der Leibeigenschaft verdammt waren. Athen dagegen suchte den partikularistischen Tendenzen Attikas durch eine extrem rationalistische Strukturierung der Bürgerschaft und ihrer Funktionsträger entgegenzuwirken. Allerdings erlaubten die wirtschaftlichen Voraussetzungen Athens kaum die Anhäufung riesiger Reichtümer.

Zehn bis zwanzig Prozent der Bevölkerung bestimmten die Politik im antiken Athen

Die staatstragende Schicht in Athen war daher eher von kleinbürgerlichem Zuschnitt. Die Ärmeren wurden in vielen Fällen in den Staatsdienst aufgenommen und fanden dort in einem der zahllosen kleinen Ämter ein höchst kärgliches Auskommen. Das Zentrum der Meinungsbildung war in Athen die Agorá, die Versammlung, der Markt. Hier galt die Brillanz und Überzeugungskraft des gesprochenen Wortes mehr als der Besitz. Allerdings waren eine athenische Herkunft und die Wehrfähigkeit ebenso ausschlaggebend.  

Da Frauen der Bürgergemeinschaft nicht angehörten, dürften die politischen Entscheidungsträger in Athen nur eine Minderheit von zehn bis zwanzig Prozent der Bevölkerung ausgemacht haben. Athen hatte in der Antike einen großen Zulauf von Fremden, da es der Mittelpunkt des Attischen Seebundes, eine Handelsmetropole und ein bedeutendes Zentrum des Geistes und der Kunst war. Die Zuwanderer durften sich als Metöken in Athen niederlassen, bekamen gegen die Bezahlung einer Sondersteuer auch die Erlaubnis ein Gewerbe zu betreiben, konnten aber niemals eingebürgert oder politisch tätig werden.

Von Hans Klumbies